Newsletter ohne Einwilligung?

Ja, das geht!

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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In der täglichen Anwaltspraxis zeigt sich, dass viele Mandanten auch im Jahr 2023 nicht die Möglichkeit kennen, einen Newsletter auch ohne Einwilligung zu versenden. Selbst wenn der Mandant davon schon einmal etwas gehört hat, zeigt sich schnell, dass er einzelne wichtige Details nicht kennt und dabei schnell in ein juristisches Fettnäpfchen treten kann. Der heutige Artikel beleuchtet daher noch einmal die Möglichkeiten im Online-Marketing, auch ohne Zustimmung des Empfängers Werbung per Newsletter zu versenden.

Vorbemerkung:

Je nach Vorkenntnissen des geneigten Lesers wird er beim Lesen der Überschrift die Nase rümpfen oder sich erstaunt die Augen reiben. Diejenigen, die schon einmal von dem Thema, das wir heute besprechen wollen, gehört haben, werden eher die Nase rümpfen, weil sie meinen, dass sie schon alles darüber wissen. Und diejenigen, die noch nie dazu etwas gelesen haben, werden voller Erwartung die Lektüre verschlingen, möglicherweise mit zu hohen Erwartungen.

Gleichwohl lohnt es sich für beide Personengruppen, diesen Artikel zu lesen, da in letzter Zeit mehrere wichtige Urteile zu diesem Themenbereich gefällt wurden. Außerdem zeigt die Praxis, dass auch noch heute, im Jahr 2023, viele Unklarheiten und Missverständnisse über dieses Thema bestehen.

A. Grundsatz und Ausnahme im Newsletter-Marketing

Es ist ein quasi alter Hut im Newsletter-Marketing: Ich darf einer Person nur dann Werbung per elektronischer Nachricht senden, wenn ich über eine entsprechende Einwilligung verfüge. Im Lauf der Jahre haben wir dazu mehrere Artikel veröffentlicht, u. a. zu den Fragen, wie ein Opt-in konkret aussehen muss, wo es platziert sein muss und ob es einer Checkbox bedarf. Dabei handelt es sich um den Grundsatz im Online-Marketing: Sie dürfen einen Newsletter nur dann verschicken, wenn Sie ein Opt-in haben!

Mit diesem Thema wollen wir uns aber heute nicht weiter beschäftigen, sondern vielmehr mit dem genauen Gegenteil: Wann dürfen Sie einen Newsletter auch dann verschicken, wenn Sie kein Opt-in haben?

Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt. Wie bei Ausnahmen üblich, haben sie nur einen beschränkten Anwendungsbereich. Das heißt, Sie können nicht einfach die Ausnahme zur Regel machen und auf den Grundsatz verzichten.

Auch wenn sich dies zunächst einmal wenig attraktiv anhört, zeigt die Praxis, dass die Ausnahmeregelung gleichwohl eine interessante Möglichkeit bietet.

B. Die Regelung § 7 Abs. 3 UWG

Die Ausnahmeregelung ist in § 7 Abs. 3 UWG geregelt. Ausnahmsweise ist der Gesetzestext an dieser Stelle auch für juristische Laien ohne Probleme verständlich:

§ 7 Abs.3 UWG

(…)

(3) Abweichend von Absatz 2 Nummer 2 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 
1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

Nach Lektüre der Norm sollten zwei Dinge klar sein:
a) Es müssen vier Voraussetzung nebeneinander erfüllt sein, nämlich die in § 7 Abs. 3 Nr. 1–4 UWG genannten Bedingungen.
b) Die Ausnahmeregelung gilt nur für elektronische Post, jedoch nicht für andere Werbekanäle wie Telefon oder Fax.

1. Voraussetzung: Sie müssen die „elektronische Postadresse“ vom Kunden erhalten haben

Die erste Voraussetzung ist, dass Sie die elektronische Postadresse im Rahmen des Verkaufs einer Ware oder Dienstleistung von dem betreffenden Kunden erhalten haben.

Dabei stellen sich gleich zwei Fragen:

- Was genau ist unter „elektronische Postadresse“ zu verstehen? Fällt hier nur die stadtbekannte E-Mail-Adresse darunter oder auch andere digitale Nachrichtenformate wie zum Beispiel News per WhatsApp oder Meta?

- Muss der Vertrag zwingend abgeschlossen worden sein oder reicht es aus, wenn lediglich ein erster Kontakt aufgenommen wurde (zum Beispiel ein Informationsgespräch)?

a. „Elektronische Postadresse“

Nach Ansicht der Rechtsprechung ist der Begriff der elektronischen Postadresse weit zu verstehen, d. h., in den Anwendungsbereich fällt nicht nur die handelsübliche E-Mail-Adresse, sondern alle Nachrichten, die per öffentlichem Kommunikationsnetz per Text, Sprache, Ton oder Bild übermittelt werden. Somit fallen auch die SMS, die MMS und sämtliche Mitteilungen von digitalen Apps wie zum Beispiel Meta, WhatsApp oder LinkedIn hierunter. Lediglich ein Telefonanruf und ein Fax bilden die Ausnahme.

Ein enorm großer Anwendungsbereich also, der für einen Unternehmer besonders attraktiv ist.

b. Adresse im Rahmen eines Verkaufs erhalten

Der Unternehmer muss die besagte Adresse im Rahmen eines Verkaufs von dem Kunden erhalten haben. Es reicht nicht aus, wenn er sich diese auf einem anderen Weg besorgt hat, zum Beispiel von einem Adresshändler oder von der Website des Kunden. Der Kunde selbst muss diese Adresse an den Unternehmer übermittelt haben. Dabei reicht es aus, wenn der Kunde beispielsweise eine E-Mail versandt hat oder auch auf seinem Briefpapier, mit dem er eine Ware bestellt hat, entsprechende Angaben vorgenommen hat.

Anders als vielleicht der Begriff „Verkauf“ auf den ersten Blick den Eindruck vermittelt, muss es sich bei dem Vertrag um keinen Kaufvertrag im engeren Sinne handeln. Der Begriff ist vielmehr weiter zu verstehen, d. h., es fallen auch andere Kontrakte wie Dienstleistungen oder Werkverträge hierunter.

Uneins ist sich die Rechtsprechung, ob es eines abgeschlossenen Vertrags bedarf oder ob es vielmehr ausreicht, dass es lediglich zu einem Verkaufsgespräch gekommen ist. Die meisten Gerichte verlangen hier den Abschluss eines Vertrags, während vereinzelt andere Gerichte 1 es als ausreichend gelten lassen, dass die Parteien nur miteinander gesprochen haben. Da es an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu diesem Punkt fehlt, lässt sich diese Frage leider nicht abschließend beurteilen. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, dass Sie sich auch dann auf die Norm berufen können, wenn kein Vertragsschluss stattgefunden hat.

Die Gerichte, die einen bestehenden Kontrakt verlangen, gehen sogar so weit, dass der Vertrag dauerhaft bestehen bleiben muss. Wird die Vereinbarung nachträglich aufgelöst (zum Beispiel Widerruf aufgrund des Fernabsatzrechts), so soll nach Ansicht dieser Vertreter die Adresse nicht mehr benutzt werden dürfen.

Für Sie als Unternehmer bedeutet dies: Auf der rechtlich absolut sicheren Seite sind Sie nur, wenn Sie ausschließlich solche Adressen benutzen, bei denen auch ein Vertrag abgeschlossen wurde. Wenn Sie das Risiko nicht scheuen, können Sie auch die Information verwenden, bei denen es lediglich zu einem Vorgespräch gekommen ist, aber zu keiner rechtlich bindenden Vereinbarung.

2. Voraussetzung: Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen

Die so erlangte Adresse darf nur zur Bewerbung von eigenen ähnlichen Waren oder Dienstleistungen verwendet werden.

Dies bedeutet zweierlei: Zum einen darf keine Bewerbung von Fremdprodukten erfolgen, sondern es dürfen nur eigene Waren angepriesen werden. Dabei ist der Kreis eng zu verstehen, d. h., es dürfen auch keine Erzeugnisse von Tochtergesellschaften erwähnt werden, auch wenn alle Unternehmen zu einem Konzernverbund gehören.

Zum anderen ist der Anwendungsbereich nur auf ähnliche Waren und Dienstleistungen beschränkt. In der Rechtsprechung hat sich hier ein sehr, sehr restriktiver Standpunkt manifestiert.

So fallen Fragen zur Kundenzufriedenheit von vornherein nicht unter diese Ausnahmeregelung.

Verneint wurde die Ähnlichkeit beispielsweise bei:

a) Kauf FFP3-Schutzmasken, keine Ähnlichkeiten bei sonstiger Schutzausrüstung (Arbeitshelme, Gehörschutz usw.) 2

b) Kauf Gaming-Stuhl, keine Ähnlichkeit mit 150.000 Einzelstücken aus dem vollständigen Produktsortiment 3

Bejaht wurde die Ähnlichkeit beispielsweise bei:

a) Kostenlose Mitgliedschaft Online-Dating-Plattform, Ähnlichkeit mit kostenpflichtiger Mitgliedschaft 4

3. Voraussetzung: Kein Widerspruch des Kunden

Dritte Voraussetzung ist, dass der Kunde der Verwendung der Adresse nicht widersprochen hat. Dabei reicht es aus, dass der Kunde seinen Widerspruch mündlich geäußert hat, eine schriftliche Erklärung ist dafür nicht notwendig.

Entsprechend muss der Unternehmer die besagte Adresse auf seine Blacklist nehmen und darf sie zukünftig nicht mehr kontaktieren.

Dabei ist es wichtig hervorzuheben, dass sich die Sperrung nur auf die konkret erhobene Adresse bezieht (zum Beispiel die konkrete E-Mail-Adresse). Es besteht hingegen, anders als bei den Fällen der Einwilligung, keine grundsätzliche Sperrpflicht, sondern immer nur jeweils hinsichtlich der Daten, die der widersprechende Kunde selbst genannt hat.[5]

4. Hinweispflicht des Unternehmers

Die vierte und letzte Voraussetzung ist, dass der Unternehmer bei der Erhebung und der späteren Verwendung jeweils immer den Kunden darüber informiert, dass er der Benutzung jederzeit widersprechen kann.

In der Praxis ist dies die Bedingung, an der die meisten Online-Unternehmer scheitern. Denn sie haben in der Vergangenheit bei der Ersterhebung der Daten nicht auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen, sodass es an der vierten Voraussetzung mangelt.

Nicht ausreichend wäre es, die bisherigen Bestandskunden einfach anzuschreiben und in der nächsten E-Mail auf die Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen. Denn dann würde es weiterhin daran mangeln, dass bei der Ersterhebung gerade kein solcher Hinweis erfolgt ist.

Möglich ist es jedoch, dass der Unternehmer seine Bestandskunden im Rahmen einer erneuten Bestellung über die Hinweise belehrt, sodass er dann ab diesem Moment problemlos nach § 7 Abs. 3 UWG verfahren kann.

C. Konkrete Ausgestaltung und Platzierung

Nachdem wir die einzelmateriell-rechtlichen Voraussetzungen geklärt haben, stellt sich nun die Frage: Wo und wie platziere ich genau die entsprechenden Hinweise bei der Ersterhebung?

Es empfiehlt sich, den Text im Rahmen des Bestellprozesses des Online-Shops zu platzieren, beispielsweise vor dem Bestellbutton. Dabei bedarf es – anders als in Fällen der Einwilligung – gerade keiner Checkbox, da hier der Kunde keine Erklärung abgibt, sondern vielmehr das Gesetz greift.

Eine Widerspruchsmöglichkeit können Sie beispielsweise in der Form einräumen, dass Sie am Ende Ihres Textes eine konkrete E-Mail-Adresse benennen, an die der Kunde eine Nachricht schicken kann. Denkbar ist auch, dass Sie ausnahmsweise doch eine Checkbox platzieren, mit der der Kunde dann seinen Widerspruch artikuliert. In der Praxis ist von der Verwendung solcher Checkboxen jedoch eher abzuraten, da der Kunde häufig die einzelnen Hinweise gar nicht liest, sondern einfach die Checkboxen anklickt und aktiviert. Damit hätte der Kunde dann einen Widerspruch erklärt, obgleich er gar keinen solchen hat abgeben wollen. Wir raten daher von der Verwendung eher ab.

1 OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.04.2018 – Az.: I-20 U 155/16.
2 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 21.09.2023 – Az.: 4 HK O 655/21.
3 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.03.2018 – Az.: 2-03 O 372/17.
4 OLG München, Urt. v. 15.02.2018 – Az.: 29 U 2799/17.
5 OLG München, Urt. v. 31.01.2017 – Az.: 5 U 63/17.