Offpage-SEO jenseits von Linkmarketing

Andre Alpar
Andre Alpar

Andre Alpar ist seit über 20 Jahren unternehmerisch im Bereich Online-Marketing tätig. Er hat unter anderem die ehemals 170-köpfige Performance-Marketing-Agentur AKM3 gegründet, welche nach dem Verkauf an Publicis zum wesentlichen Bestandteil von Performics wurde. Heutzutage ist er als Investor, Fachautor (über 50 veröffentlichte Fachartikel), Keynote Speaker (über 150 Fachvorträge) und Podcaster (#askOMR) aktiv.

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Die Zeiten, in denen man Offpage-SEO automatisch nur mit dem Aufbau oder Gewinnung von Links gleichsetzen konnte, sind gezählt. Schon lange nicht mehr sind nur Backlinks die einzigen externen Signale zur Unterstützung der Relevanzbestimmung für Webseiten. Ganz wesentlich ist, was die User machen und tatsächlich spannend finden. Andre Alpar hat zusammengetragen, welche dieser weiteren externen Signale es gibt und wie sie einzuschätzen sind.

Der Unterschied zwischen Google und vorherigen Suchmaschinen besteht darin, dass Google nicht nur Onpage-, sondern auch Offpage-Faktoren in die Bewertung einer Seite einbezog. Offpage-Faktoren waren historisch ausschließlich Links zwischen unterschiedlichen Webseiten. Die dahinterliegende Grundidee war und ist, dass jeder Link eine „Empfehlung“ darstellt. Denkt man darüber nach, wer die Möglichkeit hat, einen Link zu setzen und damit eine Empfehlung abzugeben, die die Ergebnisse aller Nutzer des Suchmaschinenmonopolisten beeinflusst, so kommt man schnell zu dem Schluss, dass dies eigentlich eine nicht immer repräsentative Menge ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Google im Offpage-Bereich in den kommenden Jahren weitere zusätzliche Rankingfaktoren neben Backlinks in Betracht ziehen: Im Wesentlichen gibt es dafür eigentlich „nur“ zwei heiße Kandidaten: Traffic und Google+, also Faktoren, die das Nutzerverhalten widerspiegeln.

Traffic als Offpage-Rankingfaktor

Wie viele Besucher welche Website über SEO und SEA gewinnt, weiß Google ohnehin. Es geht in diesem Abschnitt also weniger um Traffic aus Suchmaschinen – diesen kennt Google nicht nur, sondern beeinflusst ihn auch. Möchte man Traffic als Offpage-Rankingfaktor erfassen, so muss man nachvollziehen, was Google verstehen möchte – und das ist sehr einfach: Welche Webseiten sind gut (und insbesondere besser als andere, die sich zu den gleichen Begriffen zu positionieren versuchen)? Ferner muss man nachvollziehen, welche Eigenschaften der Traffic von Webseiten in Bezug auf ihre Besucher und Quellen, die „gut“ sind, hat. Im Folgenden werden einige offensichtliche und leicht nachvollziehbare Beispiele hierfür aufgelistet:

  • Gute Webseiten haben im Vergleich zu Wettbewerbern eine höhere Menge an „Type-in Traffic“, da sich die Kunden die URL merken und sie direkt in die Navigationszeile des Browsers eingeben.
  • Gute Webseiten werden im Vergleich zu Wettbewerbern häufiger als Bookmark/Lesezeichen vermerkt, da sich Nutzer explizit an diese erinnern möchten und einen einfachen Weg zur Rückkehr dahin haben wollen. Gute Webseiten haben also mehr Traffic aus Bookmarks/Lesezeichen.
  • Gute Webseiten haben im Vergleich zu Wettbewerbern wahrscheinlich mehr Referral Traffic, also Besucher über Links von anderen Seiten.
  • Gute Webseiten zeichnen sich wahrscheinlich durch einen vielfältigen Traffic-Mix aus. Man nehme an, die Suchmaschine wolle zwei Versicherungsinstitute miteinander vergleichen, die in Bezug auf ihr (SEA und) SEO genau gleich scheinen. Die eine Versicherung hat jedoch über den Suchmaschinen-Traffic hinaus Besucher in signifikanter Menge aus den Quellen E-Mail-Marketing, Direct Type-in, Social Media Networks, Bookmarks, Referral Traffic etc. zu verzeichnen. Das ist sicherlich ein Signal dafür, dass diese Versicherung in den Augen der Nutzer das bessere Ergebnis ist.

Wenn man dem Gedankengang folgen kann und will, dass man aus dem Beobachten des gesamten Traffics einer Website „Empfehlungen“ einer breiten Nutzerschaft ableiten kann, so stellt sich direkt die Folgefrage, woher Google diese Informationen haben könnte, von denen man eigentlich erwarten würde, dass sie nur der Webseiteninhaber hat. Man beachte: Möchte man Traffic wirklich robust als Rankingfaktor nutzen, so reicht es nicht aus, für einige oder viele Seiten einen kleinen Bruchteil der gesamten Besucherströme zu kennen. Man braucht diese Informationen in repräsentativen und damit großen Größenordnungen für praktisch alle Webseiten im Internet. Beim ersten Durchdenken dieses Themas erscheint es fast unmöglich, dass Google es schaffen könnte, diese Informationen zu sammeln. Wie in diesem Abschnitt allerdings gezeigt werden soll, ist es angesichts der Fülle kostenloser Tools und Dienstleistungen für Google schon seit Langem ein Leichtes, den Traffic im Internet und auf einzelnen Webseiten zu messen und auszuwerten.

Chrome-Browser

Die sicherlich prominenteste und weitreichendste Datenquelle ist Googles hauseigener Browser Chrome. Darüber kann Google das Surfverhalten eines jeden Nutzers beobachten, der diesen Browser installiert hat und verwendet. Diese Daten kann Google für sich nutzen und auswerten. Der Nutzer kann diese Option zwar deaktivieren, doch ist es als Standardoption so eingestellt, dass Google die Daten zum Nutzerverhalten erhält. Der Marktanteil von Google Chrome im Browsermarkt liegt je nach Datenquelle bei 20 bis 40 Prozent. Während bezüglich dieser Information die Werte stark auseinandergehen, besteht an einer anderen Stelle Klarheit: Google Chrome ist der Browser, der seit Jahren und als einziger stetiges Wachstum verzeichnet. In Deutschland wurde diese komplett kostenlose und werbefreie Software massiv mit millionenschweren Branding-orientierten TV-Werbekampagnen, Plakaten, Printanzeigen und Online-Werbung im Markt etabliert. Ein kommerziell ausgerichteter und börsennotierter Konzern tätigt solche großen Werbeinvestments sicherlich nicht ohne Kalkül. Hier zeigt sich wieder sehr deutlich ein Spruch, der im Internetzeitalter massiv an Bedeutung gewonnen hat: Ist etwas Nützliches komplett kostenlos, dann ist der Nutzer vielleicht nicht der Kunde, sondern die Ware.

Google tätigt die Investitionen in die Entwicklung eines extrem guten Browsers und die begleitenden Werbekampagnen nur aus einem Grund: zum Sammeln von Daten. Es ist Googles selbst erklärte Mission, alle Daten der Welt zu „organisieren“. Diese Daten sollen zum einen dazu dienen, bestehende Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, und zum anderen, neue Produkte und Dienstleistungen zu erschaffen. Mit den Daten aus dem Chrome Browser kann dann zum einen der Suchalgorithmus im Offpage-Bereich um den Rankingfaktor ergänzt werden. Zum anderen kann aber auch durch das vollständige Durchleuchten der Internetnutzer die eigene Werbungsschaltungsmöglichkeit AdWords „besser“ gemacht werden – dies gilt zumindest für die Personen, die Chrome nutzen.

Android

Was Google in der Desktop- beziehungsweise Laptop-Welt gerade erst beginnt, ist im Bereich der Smartphones schon längst gelungen. Das Mobiltelefon-Betriebssystem Android hat in Deutschland einen Marktanteil von über 75 Prozent bei allen im Markt befindlichen Smartphones und bei Neuverkäufen gar einen Marktanteil von über 90 Prozent, was bedeutet, dass die Verbreitung rapide zunimmt. Auf Android ist in der Regel ohnehin per Standardeinstellung Google Chrome installiert; aber auch wenn sich Android-Nutzer aktiv für einen anderen Browser entscheiden, kann das „darunterliegende“ Betriebssystem selbstverständlich dennoch mitlesen, welche Webseiten in welcher Art genutzt werden. In den Standardeinstellungen ist alles dafür vorgesehen; dass Google Chrome das auch darf – siehe Abbildung 2.

Die Toolbar

Aus der Zeit vor Google Chrome stammt die Google-Toolbar, die insbesondere für den Open-Source-Browser Mozilla Firefox und Microsofts Internet Explorer weit verbreitet war. Es gab sogar eine Zeit, in der Google Affiliates Geld über ein Affiliate-Marketing-Programm zahlte, sodass diese Unterstützung leisteten, um bei möglichst vielen Nutzern die Google-Toolbar zu installieren. Die Google-Toolbar sollte Endkunden zum einen den Weg zur Google-Suche verkürzen, indem sie schon im oberen Bereich des Browsers kam. Zum anderen hatte das Plug-in jedoch auch von Anfang an eine Schnittstelle, um dem Hersteller des Tools Daten über das Surfverhalten zu übermitteln und diese analysierbar zu machen.

Google Analytics

Mit Google Analytics hat das Unternehmen eine Webanalyse-Software, die es in die Lage versetzt, theoretisch die kompletten Webseitendaten bei Seiten, die Google Analytics nutzen, zu durchdringen. Wie bei jeder Webanalyse-Software werden in den Quellcode der Website durch deren Inhaber einige Zeilen eingebunden. Dadurch werden bei jedem Aufruf irgendeiner Unterseite der Webanalyse-Software – in diesem Falle Google Analytics – Daten über die Aktivität im Kontext dieses Seitenaufrufs übermittelt. Der Webseiteninhaber kann durch den Einsatz von Webanalyse-Software viel über seine eigene Website und deren Nutzerschaft lernen und zu vielen Optimierungsmöglichkeiten vordringen. Google Analytics ist in einer sehr umfangreichen und guten Version komplett kostenfrei. Unter anderen kostenlosen Webanalyse-Tools schneidet es jedes Mal als eines der besten ab. Es ist also kein Wunder, dass rund 50 Prozent der Webseiten im Internet, die eine Webanalyse-Software benutzen, auf Google Analytics setzen. Gewichtet man diese Webseiten nach ihrer Reichweite, so hat Google Analytics sogar einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Theoretisch könnte Google also die über die Software gewonnenen Daten ebenfalls nutzen, um den Traffic einer Seite auswerten zu können. In der Praxis stellt sich jedoch das Problem, dass nicht jede Webseite Google Analytics einsetzt und insbesondere bei vielen großen Seiten dann Daten fehlen würden, die bei anderen Seiten wiederum einbezogen werden können. Außerdem existieren Statements von Google, die klar verneinen, dass die Analytics-Daten einen Einfluss auf das Ranking haben. Demnach ist es eher unwahrscheinlich, dass die Suchmaschine die Webanalyse-Daten zur Ermittlung von Rankings einbezieht – unmöglich ist es allerdings nicht.

Google DNS

Eine weitere Quelle für Google, um Daten abzugreifen, sind die hauseigenen Public Domain Name Systems (DNS), welche der Konzern unter den IP-Adressen 8.8.8.8. und 8.8.4.4. kostenlos bereitstellt, um die Seitenladegeschwindigkeit und die Websicherheit laut eigener Aussage zu erhöhen. Das DNS-Protokoll ist ein wichtiger Teil der Infrastruktur des World Wide Web und ist ähnlich wie ein Telefonbuch zu verstehen. Jedes Mal, wenn ein Nutzer eine Webseite aufruft, führt der eigene Computer einen DNS-Abruf durch. Größere, komplexere Webseiten benötigen oftmals mehrere DNS-Abrufe, bevor sie zu laden beginnen. Deshalb können Computer täglich mehrere Hundert DNS-Abfragen durchführen. Gehören diese DNS-Einträge nun zum Google Public DNS, so hat der Konzern auch hier die Möglichkeit, Nutzerdaten für diese Webseiten auszuwerten.

AdSense

Mit Google AdSense hilft Google Webseiteninhabern bei der Monetarisierung ihrer Besucher über Werbung. Somit werden die über Google AdWords eingebuchten Text- und Bildanzeigen auf deren Webseiten gebracht. Damit dies funktioniert, müssen die Webseiteninhaber, die diesen Einkommensstrom für sich erschließen wollen, einige Zeilen in den Quellcode ihrer Webseiten einfügen – vergleichbar mit dem Einbinden einer Webanalyse-Software. Ob hier über die werbeschaltungsrelevanten Daten hinaus noch weitere über die Besucher und Besucherquellen der Webseite erhoben werden, ist nicht bekannt, doch ist diese Informationsquelle ein relevantes mögliches weiteres Puzzleteil in der Erhebung der Traffic-Daten durch Google.

Betrachtet man nun all diese verschiedenen Dienste und Möglichkeiten, über die Google zur Messung des Nutzerverhaltens verfügt, kumuliert, so kommt man sicherlich auf eine sehr gute Datenqualität. Die einzig verbleibende Frage ist, ob ein Weg gefunden wurde, um all diese Daten effektiv auszuwerten, und ob dies auf eine Weise geschieht, bei der diese Daten wenig anfällig für Manipulationen sind. Ist dies gelungen, können die Daten als Rankingfaktor in den Algorithmus einfließen. Die Auswertung des Traffic-Mix einer Webseite scheint tatsächlich ein zu erhebender, sehr objektiver und schwer manipulierbarer Wert zu sein, welcher die Relevanz einer Webseite beschreiben kann. Dieser Faktor ist also wahrscheinlich bereits heute für Top-Rankings in den Suchmaschinenergebnissen ein Element – oder wird es in recht naher Zukunft mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sein.

Google+ als Offpage-Rankingfaktor

Google+ ist für Google einerseits ein Social Network. Hier kann eine Person einer anderen unidirektional oder Personen können sich gegenseitig reziprok folgen. Das „Folgen“ heißt bei Google+ „einkreisen“. Innerhalb von Google+ hat die Auswahl der Personen/Unternehmen/Pages, die man einkreist, zur Folge, dass man deren Empfehlungen in der dortigen Neuigkeitenliste zu lesen bekommt. Zur Angabe von Empfehlungen gibt es bei Google+ zwei Möglichkeiten: zum einen das zuvor erwähnte auf Webseiten einzubindende Element (+1-Button). Zum anderen können User, wenn sie Teil von Google+ sind, selbst Statusmeldungen verfassen, die neben Text und Bildern auch Links enthalten können.

Empfiehlt eine Person, der man folgt, eine bestimmte URL auf Google+, so wird diese ab dem Zeitpunkt für alle Personen, die der empfehlenden Person folgen, etwas bevorzugt in den normalen Suchergebnissen angezeigt. Die Reichweite des Empfehlens auf Google+ ist also stark abhängig von der „Folgschaft“ des Empfehlenden. Wenn ein Nutzer, dem viele andere User folgen, eine Empfehlung abgibt, wird diese für all diejenigen, die folgen, einen Effekt bei den Suchergebnissen haben. Es ist also klar zu sehen, dass Google+ ein Rankingfaktor ist – allerdings verändert er nicht die Ergebnisse für die Allgemeinheit, sondern nur innerhalb des personalisierten Suchergebnisses des Suchenden. Ähnlich verhält es sich letztendlich auch, wenn Suchergebnisse aufgrund des Aufenthaltsortes des Suchenden mit mehr lokalen Ergebnissen eingebunden werden. Man könnte es einen individuellen Rankingfaktor nennen, im Gegensatz zu universellen Rankingfaktoren wie Links.

Nun könnte man mutmaßen, dass dieser Rankingfaktor, wenn die Adoption von Google+ eines Tages wirklich breit stattgefunden hat, von einem individuellen zu einem „universellen“ aufsteigen könnte. Um abzuschätzen, ob dies in Zukunft ein realistisches Szenario sein könnte, muss analysiert werden, mit welcher Intensität Google+ von Google in den Markt getrieben wird. Hier einige Beispiele:

  • Seit Ende 2013 wird jeder YouTube-Account automatisch in einen Google-Plus-Account verwandelt, also gleicht jede Aktivität dort einer Aktivität auf Google+.
  • Für jedes neue Android-Smartphone und die Nutzung des Google Play Stores zum Herunterladen von Apps für Android-Phones bedarf es zwangsweise eines Google-Plus-Accounts.
  • Jeder G(oogle)-Mail-Account ist ebenfalls automatisch mit einem Google-Plus-Account verknüpft.
  • Ein Unternehmenseintrag in Google Maps ist heute nur noch mit Google-Plus-Account möglich.

Die Weichen dafür sind also gestellt, dass Google+ in den kommenden Jahren durchaus ein relevanter und universell die Suchergebnisse beeinflussender Offpage-Rankingfaktor werden könnte.