Rankings in der Venice-SEO-Falle

Joachim Gerloff
Joachim Gerloff

Joachim Gerloff ist Online-Redakteur und Texter bei der Full-Service-Internet-Agentur NEXUS Netsoft GmbH in Langenfeld bei Düsseldorf. Als Master of Arts im Fach Medienkulturanalyse und dank jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Online-Marketing, Texterstellung und SEO berät er Kunden hinsichtlich SEO-Strategien und suchmaschinenoptimierter Content-Erstellung.

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Der Standort des Users wird zum Rankingfaktor. Mit dem neuesten Google-Update „Venice“ stärkt der Suchmaschinen-Riese die Positionierung von Seiten mit regionalem Bezug und macht die Suche lokaler. Dies stellt Suchmaschinenoptimierer und Besitzer von Websites vor neue Herausforderungen. Wie kann das Ranking objektiv überwacht werden, ohne dass sich regionale Anbieter in die Suchergebnisse mischen? Online-Redakteur Joachim Gerloff gibt einige Ausblicke und Lösungsansätze für eine effektive Rankingprüfung.   

„Venice“ ist auch in Deutschland angekommen. Das Google-Update, welches Websites mit lokalem Bezug bevorzugt in den Suchergebnissen anzeigt, rief bei vielen Besitzern von Websites und SEO-Agenturen Panik hervor nach dem Motto: SEO ist verloren – das Ranking in der Venice-SEO-Falle. Wenn das Ranking die lokalen Angaben von Internetpräsenzen stärker bewertet, sei eine objektive deutschlandweite oder sogar weltweite Überprüfung der Rankings nicht mehr möglich, so die Meinung vieler SEO-Experten und Kunden. Doch es gibt Grund zum Aufatmen: Zwar haben lokale Faktoren von Google eine stärkere Gewichtung bekommen und Websites regionaler Anbieter mischen sich nun in die vorderen Ränge der Suchergebnisse, dennoch gibt es Tipps und Tricks, wie man eine neutrale Bewertungsgrundlage für SEO-Maßnahmen auf der Website schaffen kann. Die Überprüfung der Rankings ist gerettet – doch für welchen Preis?

Venice-Update: Das ist passiert

Die Neuerung des Google-Updates wurde Anfang Juni eingespielt und besetzte die Online-Welt. Die ganze Online Welt? Nein – nur den deutschen Markt, denn bereits zu Beginn des Jahres wurden in den USA Änderungen der Suchkriterien im Hinblick auf lokale Kriterien aktiv. In den monatlichen Algorithmus-Änderungen vom Februar äußerte sich Google zu dem Update wie folgt:

„Improvements to ranking for local search results. [launched codename „Venice“] This improvement improves the triggering of Local Universal results by relying more on the ranking of our main search results as a signal” (siehe insidesearch.blogspot.de/2012/02/search-quality-highlights-40-changes.html).

Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis Venice auch im deutschen Markt eingespielt wurde. Die Folgen des Google-Updates tragen erheblich zur personalisierten Suche bei. Die Google-Suche wird lokaler und der Standort des Users zum Rankingfaktor. Lokale Treffer werden auf den Suchergebnisseiten (SERPs) weiter oben gelistet. Das bedeutet: Die Ergebnisse von Produkten und Dienstleistungen in der Suchmaschine fallen unterschiedlich aus, je nachdem, an welchem Ort der Suchende die Anfrage stellt. Sucht ein Nutzer aus Düsseldorf nach einer Konditorei, werden ihm überwiegend regionale Kuchen- und Tortenbäcker angezeigt und nicht solche aus München, Berlin oder gar Köln (siehe Abbildung 1 zur standortbezogenen Suche).

Um eines klarzustellen: In den SERPs heißt dies nicht, dass Seiten „abgestraft“ werden und Venice für ein schlechteres Ranking sorgt. Die Treffer und auch die Reihenfolge der ortsunabhängigen Resultate bleiben immer identisch, es mischen sich jedoch lokale Treffer je nach Standort in die vorderen Ergebnisse. Die Anzahl der ortsbezogenen Ergebnisse, die nun ganz vorne mit dabei sind, ist jedoch je nach Google-Suche verschieden, sodass sich keine klare Tendenz ausmachen lässt.

Doch wie erkennt Google den lokalen Bezug eines Users und somit die relevanten personalisierten Seiten? Bei jeder Suchanfrage übermittelt der Browser die IP-Adresse (Internetprotokoll), in welcher der Standort des Rechners verschlüsselt liegt. Damit kann die Suchmaschine Ergebnisse ausspucken, die einen lokalen Bezug zum Standort des Suchenden haben.

Google is watching you – oder doch nicht?

Allein über die IP ist es Google also möglich, standortbezogene Ergebnisse zu generieren. Dem User bleibt einzig die Möglichkeit, den Standort bei der Suche abzuändern (siehe Abbildung 2). Dies ändert jedoch nichts daran, dass dennoch ein lokaler Bezug hergestellt wird und die Suchergebnisse „verunreinigt“ werden.

Eine Möglichkeit, um „neutrale“ Suchergebnisse zu ermitteln, die ohne diese lokale Bestimmung berechnet werden, kann theoretisch über die Einstellungen des jeweils verwendeten Browsers geschaffen werden.

  1. Firefox
    Das standortbezogene Surfen mit dem „Feuer-Fuchs“ ist freiwillig und kann mit kleinen Änderungen über die Optionen abgeschaltet werden. Geben Sie „about:config“ in der Adressleiste ein, anschließend geo.enabled in der Filterzeile und durch einen Doppelklick auf die Einstellung ist das standortbezogene Surfen deaktiviert. Zum Aktivieren muss der Vorgang einfach wiederholt werden.
     
  2. Internet Explorer
    E wie einfach. Auch der Internet Explorer und die verwendete Google-Toolbar ermöglicht das Ausschalten der Standortübermittlung. Lediglich das Symbol „Mein Standort“ muss deaktiviert werden.
     
  3. Opera
    Unter den „Einstellungen“ lässt sich die Geolocation bei Opera abstellen. Hierfür muss unter „Netzwerk“ das entsprechende Häkchen entfernt werden.

Zusätzlich sollte der Cache des Browsers geleert werden, um Cookies von Websites, die eventuelle Standortangaben beinhalten, aus dem Zwischenspeicher zu entfernen. Die empfohlenen Maßnahmen sollen die letzten Zeichen der IP-Adresse anonymisieren, sodass eine genaue Standorterkennung theoretisch nicht mehr möglich ist. Doch diese Einstellungen an Firefox, Internet Explorer und Co. bringen nur geringfügigen Erfolg gegen die „Venice-Falle“. Spezielle Listen für Werbetreibende (ip2country), die Nummernkreise zu bestimmten Hostern zuordnen können, ermöglichen es Google, die Region eines Users zu bestimmen, auch wenn dieser die letzten Ziffern seiner IP über die Einstellungen am Browser verschleiert hat.

Verstecken spielen mit Proxy

Offensichtlich sind auch die Browser selbst machtlos gegen die eindeutige Zuordnung lokaler Faktoren. Entscheidend für die neutrale Überprüfung von Rankings auch nach dem Venice-Update können Proxy-Server sein. Diese holen und versenden quasi als „Vermittler“ Daten aus dem Internet und sind dementsprechend gegen die automatische Standortbestimmung immun. Somit steht der Computer, von dem die Suchanfrage gestartet wurde, zu keinem Zeitpunkt in direktem Kontakt mit dem Zielserver. Auf der Suchergebnisseite bei Google werden somit neutrale Ergebnisse angezeigt, die mit einer lokalen Relevanz seitens Google nichts zu tun haben. Das Beispiel der Konditorei soll das Prinzip näher erläutern, dieses Mal jedoch unter Berücksichtigung eines Proxy-Servers. Sendet man eine Suchanfrage an Google, wird eine Anfrage (Request) an den Server beziehungsweise Google gestellt. Die Suchmaschine wertet die Suchanfrage aus, aber statt Ihrer IP-Adresse erkennt sie lediglich die des Proxy-Servers, sodass Sie keine Ergebnisse geliefert bekommen, die auf Sie beziehungsweise den Düsseldorfer Raum bezogen sind. Der Nachteil: Die Suchabfrage über einen Proxy dauert länger als die herkömmliche Variante und die Suche nach einem geeigneten Proxy ist oft mühsam. Bei Firefox gibt es ein AdOn „Foxy Proxy“, welches den Vorgang erleichtert.

Der spurenfreie Computer: Hier gibt’s nichts zu sehen

Eine andere Variante, wie man die Google-Ergebnisse frei von Websites mit lokalem Bezug erhält, ist die Benutzung einer sogenannten „Goat Machine“, zu deutsch Opferlammcomputer. Grundidee ist dabei ein jungfräulicher Computer mit weißer Weste. Sowohl die Search History als auch das Cookie-Verzeichnis sind dabei leer.
Und so funktioniert’s: Ein Computer wird komplett neu aufgesetzt und anschließend eine 1:1-Kopie der Festplatte angefertigt. Nach Überprüfung der Rankings in Google, bei der unerwünschte Daten durch die IP-Adresse und Cookies hinterlassen werden, wird die Festplatte gelöscht und das System dank der Sicherheitskopie wieder installiert. Es gibt jedoch auch Linux- oder Windows-Versionen, die von CD-ROM booten und so einen Schritt einfacher in der Handhabung sind. Vorteil bei diesem Verfahren: Der Computer hat immer einen absolut frischen Browser. Jedoch ist auch hier über die immer zu wiederholende Systemerneuerung mit einem erheblichen Mehraufwand zu rechnen.

„Virtual Machine“ – Excalibur gegen Venice

Wer jedoch noch weniger Zeitaufwand in der Überprüfung der Rankings investieren möchte, für den eignet sich der Einsatz einer sogenannten „Virtual Machine“ (VM). Die virtuelle Maschine wird mittels einer Software auf dem „physischen“ Computer installiert. So ist es möglich, mehrere virtuelle Maschinen gleichzeitig zu betreiben. Besonderheit der VM ist, dass sie als Betriebssystem ausgeführt werden.

Für SEOs wird die virtuelle Maschine bei der Überprüfung der Rankings interessant, da dadurch die Neuinstallation des Betriebssystems erspart wird und dennoch ein jungfräulicher Webbrowser bei der Suchanfrage vorhanden ist. Anbieter für eine solche VM gibt es verschiedene (unter anderem www.oracle.com), die Funktionsweise ist jedoch bis auf kleine Unterschiede gleich (siehe Abbildung 3).

Fazit: Ein bisschen mehr Aufwand muss es schon sein

SEO-Agenturen und Website-Besitzer, die dachten, dass die „Venice“-Welle kaum Einfluss auf das Suchmaschinenranking hat, sind sich nun der Folgen des Google-Updates bewusst. Die „Venice-SEO-Falle“ hat zugeschnappt und stellt bisherige Rankingfaktoren auf den Kopf. Die lokale und somit personalisierte Suche wird nach und nach kommen und SEO-Agenturen müssen sich auf einen erheblich höheren Aufwand einstellen. Eine wirklich optimale Lösung ist bisher noch nicht gefunden worden: Herkömmliche Einstellungen über die Browser haben in der Anzeige der Suchergebnisse leider keinen großen bis gar keinen Effekt und bringen nicht so viel, wie sie versprechen. Auch mit Berücksichtigung der empfohlenen Browser-Settings werden lokale Websites dennoch auf den höheren Rängen gelistet. SEOs, die professionell das eigene Ranking abfragen möchten, sollten daher auf einen Proxy oder eine Virtual Machine umsteigen – optimalerweise beides. Nur so kann garantiert werden, dass der Erfolg von SEO-Maßnahmen sachlich überprüft wird. Das bedeutet aber auch gleichzeitig einen erheblich höheren Zeitaufwand als die herkömmliche Herangehensweise ohne die kleinen technischen Hilfsmittel, denn die Ladezeiten der Seiten sind sehr lang und eine Rankingüberprüfung wird dementsprechend mehr Zeit in Anspruch nehmen. Neutrales Google-Ranking? Da darf’s auch ein bisschen mehr Aufwand sein – oder muss sogar.

Kosten-Nutzen-Effekt?

Die zentrale Frage, die sich für SEO-Agenturen und Besitzer von Websites stellt, ist dabei jedoch: Wann lohnt sich eine überregionale, deutschlandweite oder sogar globale Überprüfung des Rankings? Kleine bis mittelständische Unternehmen, die ihre Dienstleistungen hauptsächlich lokal anbieten, sollte es weniger interessieren, wie ihre Platzierung in Köln aussieht, wenn ihr Kundenstamm aus Düsseldorf kommt. Diesbezüglich profitieren die regionalen Anbieter ja von Google Venice im Suchmaschinenranking. Dementsprechend sollte umfassend darüber nachgedacht werden, ob die erläuterten Maßnahmen in der Kosten-Nutzen-Rechnung eines Kunden wirklich sinnvoll sind. Für die SEO-Branche bedeutet dies: Suchmaschinenoptimierung wird noch individueller – Venice sei Dank.