Lust an der Effizienz:

Das wohltemperierte digitale Spielfeld

Karl Kratz
Karl Kratz

Karl Kratz liebt und lebt feines Online-Marketing seit 1996. Er ist Autor diverser Online-Marketing-Publikationen (Welcome to the System, Haifischbecken Internet Marketing, Landingpage SEO) und betreibt die Online-Marketing-Plattform karlsCORE public.

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„Ich mache jetzt einen Podcast, um eine große Reichweite zu bekommen. Podcasts sind gerade groß im Kommen und ich kenne viele, die sehr erfolgreich damit sind.“ Ein harmloser, alltäglicher Satz – und doch zeigt er oft, dass hinter dem digitalen Aktionismus leider keine effiziente Strategie steht. Das muss nicht sein – und es ist sogar relativ einfach, sein digitales Spielfeld zu definieren.

Ein kleiner digitaler Atemzug in der Geschichte der Menschheit

Im Rahmen der Vorbereitung auf diesen Beitrag habe ich die letzten 20+ Jahre Online-Marketing vor meinem inneren Auge ablaufen lassen. Und ich muss sagen: „Wow – was für ein Ritt!“ Wahnsinn, was wir alles erlebt haben: Das WWW gehört sicher zu den bisher größten und weltverändernden Errungenschaften der Menschheit!
Als die ersten Websites das WWW bevölkerten, war auch der Gedanke der Nutzung zur Vermarktung von Angeboten nicht mehr weit entfernt: Innerhalb kürzester Zeit schossen Firmen-Websites, Vermarktungs-Plattformen, Suchmaschinen aus dem Boden.
Und was war das für ein Kommen und Gehen: Lycos, Altavisata, StudiVZ, WerKenntWen, GeoCities, Lokalisten, Friendster, Facebook, Google … ach halt, Facebook und Google sind aktuell noch da – und es fühlt sich ja auch mal wieder so an, als würde es für immer so bleiben! Wie damals bei Nokia, AOL und Yahoo …
Wir leben in einer Welt, in der sich Technologien ständig verändern und weiterentwickeln und (Such-)Systeme und Plattformen kommen und gehen.
Man könnte sich angesichts der ganzen Änderungen die Frage stellen: „Okay, welche Entwicklungen kommen in den nächsten zehn Jahren auf uns zu, worauf müssen wir uns vorbereiten?“
Oder du richtest den Fokus und deine Energie auf diese Frage:

„Was wird sich in den nächsten zehn Jahren definitiv nicht verändern?“

Durch diesen Gedanken versetzt du dich in die Lage, einen stabilen „Rahmen“ oder ein „Spielfeld“ zu erschaffen, in welchem auf vielen Ebenen dauerhafte Veränderungen stattfinden können, du jedoch weiterhin den Überblick und die Steuerungsmöglichkeiten behältst.

Ein ganz normaler Prozess im Online-Marketing

Der Standard-Bilderbuch-Prozess im Online-Marketing ist einfach und schnell erklärt:

  1. Ein Mensch erlebt ein Ereignis, eine Stimulation, einen Reiz. Wenn dieses Ereignis als relevant eingestuft wird, kann ein konkreter Bedarf entstehen.
  2. Mit diesem konkreten Bedarf und dem zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Wortschatz wendet sich Mensch an ein (Such-)System seiner Wahl oder Gewohnheit und löst eine Anfrage aus.
  3. Im Idealfall befindet sich dein Werbemittel direkt auf „Augenhöhe“ und erzeugt die Erwartungshaltung im Kopf des Betrachters, „dass du der richtige Kontakt für seine Situation bist“.
  4. Mensch kommt mit dieser Erwartungshaltung auf deine Website/Landingpage, du lenkst seine Aufmerksamkeit so, dass in seinem Kopf die Realität entsteht: „Ja, das brauche ich.“
  5. Der Rest ist einfach: Kreditkarte, zack, bezahlt, geliefert, danke.

Ganz salopp gesagt: Das ist ja wohl der fröhlich-feuchte Traum eines jeden Online-Marketing-Verantwortlichen (m/w/d)!
Was auf dem Papier so einfach aussieht, hat in der Praxis natürlich unendliche Tücken: Dieser kleine, einfache Prozess hat eine Wechselwirkung mit beliebig vielen Technologien, Plattformen, Dienstleistern, Wettbewerbern, Veränderungen auf allen Ebenen und vielem mehr.
Wann immer eine konstante Sache über einen längeren Zeitraum wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden soll, empfiehlt es sich, vorab eine gute Strategie zu entwickeln, um diese Sache sowohl betreiben als auch verteidigen und entwickeln zu können – zum Beispiel in Form eines „digitalen Spielfelds“.

Butter bei die Fische – wie geht das mit dem „digitalen Spielfeld“?

Ein wichtiger Grundsatz aus der Strategieentwicklung lautet sinngemäß:
„Definiere dein Spielfeld. Überall, wo du nichts definierst, wirst du definiert – durch andere Systeme, Systemteilnehmer und die darunterliegenden Ebenen.“
Dieser Grundsatz lässt sich 1:1 auf das Online-Marketing übertragen:
Entweder du hast die Ressourcen, ein interessantes Thema digital zu verteidigen und findbar zu sein und zu bleiben, oder es wird von anderen Systemteilnehmern eingenommen und dominiert.
Heutige (Such-)Systeme und Plattformen sehen keine gleichberechtigte „Sowohl-als-auch“-Koexistenz unterschiedlicher Anbieter vor – weder technisch noch konzeptionell: Es gibt fast immer eine Art „Ranking“ – egal auf welcher Ebene. Das wird sich in den nächsten zehn Jahren vermutlich auch nicht verändern.
Ich analysiere seit 1996 die Online-Marketing-Strategien unzähliger Unternehmen, um einen „Extrakt“ dessen herauszudestillieren, „was gut funktioniert“.

Das sind einige Erkenntnisse, welche grundsätzlichen Einstellungen in erfolgreichen Unternehmen zu finden sind:

  1. Die digitale Strategie und die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens entscheiden oft über den Erfolgsgrad im Online-Marketing – weniger das Budget oder Kompetenzhierarchien.
  2. Die Auswahl technischer Systeme leitet sich von den Anforderungen der Strategie, Taktik und Operative ab – nie umgekehrt; ansonsten kommt es vor, dass die eingesetzte Technologie erforderliche Veränderungen auf operativer, taktischer und strategischer Ebene verlangsamt, blockiert oder gar verhindert.
  3. Die Differenzierungsstrategie für (Such-)Systeme und Plattformen zur Kundengewinnung leitet sich von der Strategie ab – nicht von der Idee, dass alle Kunden bei einem einzigen Suchsystem wären.
  4. Die Planung, Erstellung und Optimierung digitaler Inhalte wird vom Content-Management gesteuert und basiert auf den Anforderungen der digitalen Strategie.
  5. Konversions-Optimierung ist keine „Abteilung“, sondern integraler Bestandteil der Online-Marketing-Strategie und in die Fehlerkultur des Unternehmens integriert.

Hinweis: Das in diesem Artikel beschriebene Modell des „digitalen Spielfelds“ wurde über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren entwickelt und immer weiter intensiviert. Es soll in diesem Format lediglich als Impulsgeber dienen. Die Beschreibung ist nicht erschöpfend – das könnte ein einzelner Beitrag auch nicht leisten. Vielmehr geht es um den Impuls, Systeme zu konstruieren, um in einer sich schnell verändernden Welt einen möglichst stabilen „Rahmen“ für das eigene Online-Marketing zu entwickeln.

Ein pragmatischer Start: dein Angebot

Bei der Entwicklung neuer Geschäftsideen und Angebote „auf der grünen Wiese“ ist es eine gute Idee, ausgehend von einem konkreten dringenden Bedarf eine attraktive Lösung zu erarbeiten und anzubieten: Solche Geschäftsmodelle funktionieren oft gut und die Vermarktung ist relativ einfach.

In der Praxis sieht es häufig anders aus: Du bekommst die Aufgabe für die digitale Vermarktung eines bereits bestehenden Angebots – egal, ob sich jemand einst Gedanken darüber gemacht hat, ob und welchen bestimmten Bedarf es erfüllt und wann und wie dieser auftritt. (Wenn du nun ungläubig die Stirn runzelst, dann gratuliere ich dir – sei dir dennoch sicher, dass es unzählige Unternehmen gibt, bei denen das genau so der Fall ist …)

Beginnen wir mit deinem Angebot. Das kennst du sicher bereits in- und auswendig: Ist es ein Produkt? Eine Dienstleistung? Ein Abo? Eine Kombination? Was sind die Eigenschaften? Und so weiter.

Die Aufgabe, dein Angebot angemessen präzise zu beschreiben und auszuformulieren, hast du sicher bereits erledigt. Falls nicht, hilft dir vielleicht diese kurze Checkliste weiter:

  1. Was ist dein Angebot?
  2. Warum kann niemand ohne dein Angebot leben?
  3. Ab wann kann ein Käufer mit Ergebnissen rechnen?
  4. Welchen Wert hat dein Angebot (im Gegensatz zu Alternativen)?
  5. Kannst du den Wert deines Angebots beweisen (z. B. durch Rezensionen)?
  6. Welche Garantien bietest du an?
  7. Gibt es einen Bonus?
  8. Wie einfach ist es, dein Angebot zu erhalten?
  9. Wie geht das Leben weiter, wenn man dein Angebot nicht wahrnimmt?

Die Aufgabe einer angemessenen intensiven Beschreibung deines Angebots ist unerlässlich, da hierdurch zum Beispiel grundlegende Informationen für das Content-Management bereitgestellt werden.

Im normalen Online-Marketing-Alltag passiert nun häufig Folgendes:

  • Vom Angebot und seinen Eigenschaften werden Suchbegriffe bzw. ganze Suchbegriff-Cluster abgeleitet. Dann wird auf diese Suchbegriff-Cluster digitale Werbung geschaltet, z. B. in Form von Google Ads.
  • In digitalen Systemen, die auf Grundlage von Kontexten und Zielgruppen-Eigenschaften arbeiten, wird die Werbung dann eben auf diese Faktoren geschaltet.

Diese Tätigkeit ist in der Tat wichtig und elementar: So wirst du von den Menschen gefunden, die ganz konkret nach deinem Angebot suchen bzw. deren Eigenschaften und Kontext vermuten lassen, dass sie dein Angebot brauchen.
Im „normalen Online-Marketing-Alltag“ endet das Engagement leider an dieser Stelle und viele Online-Marketing-Verantwortliche geben sich mit dem Ergebnis zufrieden.
Doch da gibt es noch deutlich mehr:

Ereignisorientierte Suchbegriffe und Kontexte

Grundsätzlich gibt es zu jeder Konversion auf einer Website auch ein vorangegangenes Ereignis.

Davon lässt sich eine sehr spannende und mächtige Frage ableiten:

  1. Welches Ereignis
  2. erzeugt die Situation,
  3. deren Lösung
  4. dein Angebot ist?

Ein relevantes Ereignis kann alles Mögliche sein: ein Erlebnis, eine Zustandsänderung in einem System, ein spürbarer Reiz, eine regionale oder saisonale Begebenheit und so weiter.

Allerdings führen nicht alle Ereignisse zu einer Konversion. Zunächst ist erst einmal wichtig, ob ein Ereignis überhaupt als relevant eingestuft wird. Erst wenn ein Ereignis

  1. ein wahrnehmbares emotionales Bedürfnis,
  2. einen Handlungswillen (auch: Kaufwille) und
  3. eine erforderliche Handlungskraft (auch: Kaufkraft)

auslöst bzw. aktiviert, entsteht ein konkreter Bedarf – vorher nicht.

Aus dem so entwickelten Bedarf entsteht die Grundlage für eine Konversion (was nicht mit der Ausführung einer Konversion zu verwechseln ist).
Die aus dem Ereignis und Bedarf resultierende Situation kann beispielsweise ein Problem sein, eine Chance, ein schmerzhafter oder hoffnungsvoller Moment.
Im Online-Marketing geht es nun darum, solche „rentablen“ Ereignisse zu identifizieren:
Ereignisse, bei denen feststeht, dass Menschen dein Angebot definitiv brauchen – aber sie kennen dich, deine Firma und dein Angebot noch nicht. Und sie wissen auch nicht, dass du ihnen helfen kannst.
Bei der Evaluierung derartiger rentabler Ereignisse gibt es zwei Tatsachen, auf die wir uns zum Glück weitgehend verlassen können:

  1. Alles ist für jeden beim erstenMalneu.
  2. Der Mensch ist ein nachwachsendes Wunder.

Sehr oft ist es so, dass im dauerhaft nachkommenden Strom der Menschen immer wieder dieselben oder ähnliche Ereignisse auftreten, die dafür sorgen, dass bestimmte Situationen entstehen, die wiederum durch die Wahrnehmung eines Angebots gelöst werden können.
Dabei ist es regelmäßig so, dass Menschen ein Ereignis erleben und ein konkreter Bedarf für eine Lösung entsteht. Allerdings kennen diese Menschen weder dich noch deine Firma noch dein Produkt und haben auch keine Ahnung davon, dass du ihr Problem lösen kannst.
Aus diesem Grund macht es sehr viel Sinn, sich mit den konkreten „bedarfsauslösenden Ereignissen“ zu beschäftigen, die Menschen dazu veranlassen, dein Angebot zu kaufen. Aus der Frage: „Welches Ereignis erzeugt den Bedarf, dessen Lösung dein Angebot ist?“, kannst du nun direkt neue Suchbegriffe und Kontexte ableiten und diese wieder zu Suchbegriff- und Kontext-Clustern zusammenfassen.

Auf diese Weise vervielfachst du die Anzahl der Möglichkeiten, wie Menschen mit ihrem konkreten Bedarf den Weg zu deinem Angebot finden.

Pro-Tipp 1 aus der Praxis: Im Verhältnis beschäftigen sich sehr wenige Unternehmen mit sogenannten „ereignisspezifischen Suchbegriffen“, weil es manchmal aufwendig sein kann, diese zu erarbeiten. In den Ereignissen sind jedoch oft wahre „Goldnuggets“ versteckt, die deine Wettbewerber nicht auf dem Radar haben.

Ein Beispiel: Ein Körpertherapeut mit Spezialisierung auf eine bestimmte Methode in Berlin möchte neue Klienten für seine Praxis gewinnen. Die angebotsspezifischen Suchbegriffe lauten zum Beispiel „Grinberg Therapie Berlin“ und „Grinberg Methode Berlin“.
Ich bezeichne derartig gewählte Angebots- und Suchbegriffe gerne als „esoterisch“: Es handelt sich um ein „nach innen gerichtetes Geheimwissen, das nur einem elitären Zirkel eingeweihter Wissender vorbehalten ist“. Der Anbieter „schützt“ sein Angebot praktisch vor unwissenden Kunden, indem er eine esoterische Geheimsprache verwendet, um sein Ego und seine Positionierung gegenüber seinen Wettbewerbern zu befriedigen.
Das Ereignis, das dafür sorgt, dass Menschen dieses Angebot in Anspruch nehmen würden, ist oft der Umstand, dass ein normaler Arzt oder Physiotherapeut nicht weiterhelfen konnte. Ein möglicher ereignisspezifischer Suchbegriff kann beispielsweise lauten: „Schmerzen Arzt findet nichts.“

Allgemein formuliert geht es oft darum, „Fehlercodes“ in Systemen, Prozessen, Angeboten, menschlichem Verhalten usw. zu finden – das sind oft sehr wertvolle Einstiegspunkte.

Pro-Tipp 2: Neben ereignisspezifischen Suchbegriffen ist es oft auch lohnenswert, bedarfs- und lösungsspezifische Suchbegriffe zu erarbeiten, um die Keyword- bzw. Kontext-Cluster noch weiter zu intensivieren.

Ein Beispiel:
Ereignisspezifisch: „Junkers AF Fehler 11“ (Diese Information liegt dem Betrachter vor.)
Bedarf-/situationsspezifisch: „Heizung defekt/kalt“ (Beschreibung des Zustands mit den verfügbaren Worten)
Lösungsspezifisch: „Heizung Fachmann Berlin“ (Beschreibung einer vermuteten Lösung mit verfügbaren Worten)
Angebotsspezifisch: „Mike Boldt“ (Anmerkung: Das ist ein konkreter Anbieter dieser Leistung.)

Diversifizierung von (Such-)Systemen, die deine Bedarfsgruppe identifizieren

Nach der Definition der Suchbegriff- und Kontext-Cluster kannst du dafür passende Plattformen und (Such-)Systeme identifizieren, auf denen diese Interaktionen stattfinden.
Es gibt allein im deutschsprachigen Bereich Tausende von Plattformen, die täglich von Millionen von Menschen genutzt werden.
Beim Aufbau einer diversifizierten Strategie geht es darum, aus diesen vielen Systemen genau die herauszufinden, mit denen du deine Bedarfsgruppe so präzise wie möglich identifizieren kannst.
Auf den nächsten Seiten findest du ein Modell, das in sehr vielen Unternehmen effizient eingesetzt wird.

Schritt 1: Deine eigenen, selbstbestimmten Systeme

Die Basis für deine diversifizierte Plattform-Strategie sollte grundsätzlich ein großer Anteil an Systemen sein, über die du selbst vollständige Daten-Kontrolle und Daten-Hoheit besitzt.
Das kann dein eigenes E-Mail-System sein, dein CRM oder eigene Online-Plattformen: Alles, was dafür geeignet ist, um gezielt und vollständig steuerbar mit deiner Bedarfsgruppe in Kontakt zu treten.
Selbstbestimmte Systeme sind auch perfekt für die Konversions-Optimierung geeignet, da du selbst einen Einfluss auf die Besucherqualität hast – das ist bei fremdbestimmten Systemen so gut wie nie der Fall.

Schritt 2: Bezahlte Fremdsysteme

Auf diese solide Basis kommt dann die nächste Schicht: fremdbestimmte Plattformen und Systeme mit einer nur bedingten Steuerungsmöglichkeit. Das sind Systeme, die dir nicht gehören, deren Verhalten du in einem bestimmten Rahmen jedoch steuern kannst, z. B. durch die Veränderung eines Budgets.
Hier gilt die Logik: Geld rein, System läuft. Kein Geld rein, System hält an.
Das ist vor allem bei Angeboten mit begrenzten Kapazitäten wichtig (Hotels usw.).
Neben Google Ads und dem Facebook-Ökosystem gibt es viele Tausend interessante Plattformen, in denen sich täglich Millionen von Menschen bewegen – und oftmals mit einer deutlich niedrigeren Wettbewerbsdichte, dafür mit einer wesentlich höheren Qualität der Bedarfsgruppe.

Schritt 3: Unbezahlte Fremdsysteme

Auf diese beiden Ebenen kommt obenauf jetzt die dritte Schicht dazu: Fremdsysteme, die man nicht durch den Einsatz von Geld beeinflussen kann, kurz „das, was man unter SEO versteht“. In meinen Seminaren erkläre ich es etwas salopp in etwa so:
„Organisches SEO ist professionelles, opportunistisches Gezocke auf der Basis von Wissen, Erfahrung, Werkzeugen und Glück gegen eine Blackbox, die unter beliebigem Einfluss durch Wettbewerber steht. Das kann alles eine Zeit lang gut gehen – bis jemand besseres Wissen und Werkzeuge einsetzt, mehr Glück hat oder sich das System verändert. Es kann gut laufen – aber es gibt keine Garantie dafür.“

Inhaltlich geht es bei einem modernen Verständnis von „SEO“ genau genommen um Folgendes:
Optimierung kontextueller Findbarkeit und Erwartungskonformität digitaler Assets/Entitäten für Suchende.“(Wer genau hinschaut, findet die fett gedruckten Buchstaben S-E-O im vorhergehenden Satz.) Grundsätzlich kann jedes datenbankgestützte System mit einer Eingabemöglichkeit, einer Verarbeitung und einer listenartigen Ausgabe als Suchsystem verstanden und entsprechend beeinflusst werden.
Amazon ist zum Beispiel eines der wichtigsten Suchsysteme der westlichen Welt – und die Menschen, die diese Suchmaschine bedienen, sind meistens mental bereits im „transaktionalen Modus“: Sie sitzen förmlich mit der Kreditkarte in der Hand vor dem Computer oder dem Smartphone.

Grundsätzlich ist für jedes Unternehmen eine Amazon-Strategie empfehlenswert:

  1. Entweder in Form des direkten Produktverkaufs
  2. oder durch den Verkauf von Produkten zur Qualifizierung der Bedarfsgruppe
  3. oder zum Aufbau von Reputation oder Qualifizierung der Bedarfsgruppe in Form von Büchern oder E-Books zum Kompetenzthema des eigenen Unternehmens.

Amazon-Ranking-Optimierung ist eine Sache, die man recht einfach lernen kann und im Laufe der Zeit durch Erfahrung verbessert – genauso wie organisches BING- oder Google-SEO.
Und neben Amazon, BING, Google & Co. gibt es wiederum Tausende weitere Plattformen mit oft sehr einfachen Möglichkeiten zur Optimierung.

Diversifiziere

Ich hoffe, dass mittlerweile in der Online-Marketing-Branche ein guter Konsens vorherrscht, nicht mehr alle Ressourcen auf ein einziges (Such-)System zu setzenMithilfe der ersten Bausteine deines digitalen Spielfelds kannst du nun herausfinden, in welchen Systemen sich deine Bedarfsgruppe aufhält, wenn sie gerade das auslösende Ereignis erlebt hat:
Manche suchen nach Informationen in einem Video-Portal. Andere gehen zu Amazon (und kaufen sich dort vielleicht ein Buch). Wieder andere suchen sich Unterstützung in einer Gruppe auf Facebook.
Bisher war es eine gute Frage: „Wo befinden sich die meisten Interessenten?“ Ich möchte diese Frage erweitern:
„In welchen drei bis vier unterschiedlichen Systemen lassen sich dauerhaft lohnenswerte Anteile deiner konkreten Bedarfsgruppe identifizieren?“
Um es noch deutlicher zu formulieren: „Wenn jemand Herzrasen hat und schlecht schläft, weil ein einzelner Suchmaschinen-Anbieter eine Änderung oder ein Update durchführt, ist das meist ein schlechtes Zeichen – und zwar für das ganze Unternehmen.“

Ableitung der Anforderungen an digitale Inhalte

Mit dem Wissen um die Kombination aus Ereignissen, Situationen, Lösungsmöglichkeiten und deinem Angebot sowie den jeweiligen Kontexten kann jetzt eine Briefing-Grundlage für das Content-Management erstellt werden.
Eine der zentralen Fragen hierfür lautet:
„Welche digitalen Inhalte brauche ich, um die Wahrscheinlichkeit für Konversionen zu erhöhen?“

Aus dieser Frage und den bereits erarbeiteten Ereignissen und Situationen lässt sich recht schnell und einfach eine erste Abschätzung über den Content-Management-Aufwand durchführen: Es geht nicht darum, „etwas zu bloggen oder zu podcasten“, sondern um eine ganz gezielte Erstellung digitaler Inhalte für definierte Situationen und deren Erfolgsmessung.

Die gegebenen Faktoren bestimmen nun auch den Umfang des digitalen Inhalts: Wird eine ausführliche Landingpage mit erklärenden Videos und emotionalisierenden Bildern benötigt? Oder eher eine kurze Verkaufsseite? Oder vielleicht sogar nur ein einzelnes Social-Media-Posting?

Eine wesentliche Anforderung an jeden digitalen Inhalt ergibt sich praktisch schon aus der Eingangsfrage: Jeder einzelne digitale Inhalt benötigt zwingend:

  1. eine Handlungsaufforderung,
  2. ein Konversions-Element und
  3. ein entsprechendes Tracking.

Aus diesen Messwerten werden später folgende Fragen beantwortet:

  1. Ist diese Kombination aus Einstiegs-Zeitpunkt, Plattform und digitalem Inhalt geeignet, um Konversionen zu erzeugen?
  2. In welchem Umfang trägt dieser digitale Inhalt zur Wertschöpfung im Unternehmen bei?

Es ist eine der Kernaufgaben des Content-Managements, Ressourcen möglichst wirksam zur Planung, Erstellung und Optimierung digitaler Inhalte einzusetzen, um eine Konversions-Maximierung = Gewinn-Maximierung zu erzielen.

Damit das Content-Management diese Aufgabe gut erfüllen kann, ist ein präzises Briefing durch die Online-Marketing-Strategie erforderlich. Und dieses Briefing lässt sich durch die Erarbeitung und Definition des digitalen Spielfelds in der Regel zuverlässig erstellen.

Ableitung von Werbemitteln

Eine grundlegende Frage in der Konversions-Optimierung lautet:
„Wie lenkst du Aufmerksamkeit so, dass die von dir gewünschte Realität entsteht?“
Bei der Gestaltung des Zusammenspiels aus Ereignis, Werbemittel und digitalem Inhalt lassen sich daraus die Fragestellungen für die digitale Findbarkeit ableiten:
„Wie lenkt das Werbemittel die Aufmerksamkeit der Bedarfsgruppe zu Ereignispunkt X auf Plattform Y so, dass die gewünschte Erwartungshaltung für den nachfolgenden digitalen Inhalt entsteht?“

Nun geht es darum, innerhalb der entgegengebrachten Aufmerksamkeit mit Wort, Bild, Ton, Video eine mächtige Fantasie im Kopf des Betrachters zu erzeugen, der sich niemand entziehen kann.
Die Rahmenparameter für die Gestaltung derartiger Werbemittel sind unter anderem:

  1. Die jeweilige „Informationsphase“ zwischen Ereignis und Bewusstsein um das beste Angebot.
  2. Die Suchabsicht oder der jeweilige Kontext, der die Bedarfsgruppe identifiziert.
  3. Die technischen und rechtlichen Anforderungen an das Werbemittel aufgrund der Einschränkungen und Möglichkeiten der jeweiligen Plattform.
  4. Der nach dem Werbemittel folgende digitale Inhalt und die Absicht der Handlungsaufforderung und des Konversions-Ziels.

Pro-Tipp aus der Praxis: Es ist durchaus lohnenswert, für jeden digitalen Inhalt grundsätzlich drei bis zehn Werbemittel und ihre A/B-Test-Variationen im Einsatz zu haben, um eine dauerhafte Resonanz-Analyse durchzuführen und darauf auch reagieren zu können.

Wettbewerber, Marktbegleiter, Konkurrenten

Wenn dein digitales Spielfeld „steht“, hast du einen direkten Überblick über:

  1. die Informations-Phasen deiner Bedarfsgruppe
  2. die (Such-)Systeme und Plattformen, die deine Bedarfsgruppe identifizieren, und ihre Rentabilität
  3. die erforderlichen digitalen Inhalte, um Konversionen zu erzielen
  4. die Werbemittel in den jeweiligen Plattformen, um die passende Erwartungshaltung für die digitalen Inhalte aufzubauen

Jetzt fehlt noch eine wesentliche Komponente: Die Marktbegleiter, Konkurrenten, Wettbewerber – nenne sie, wie du möchtest. Grundsätzlich geht es um die Unternehmen, Angebote und Inhalte, die alles dafür tun, um deine Kunden intensiver anzuziehen als du selbst.

Für die Wettbewerber-Analyse gibt es eine große Anzahl an technischen Werkzeugen. Prof. Mario Fischer pflegt unermüdlich zu erklären: „A fool with a tool is still a fool.” Da steckt viel Wahres drin. Im Praxis-Alltag sehe ich bei vielen Unternehmen teure und sehr leistungsfähige Werkzeuge auf eine „befremdliche Art und Weise“ im Einsatz, die weder effizient noch zielführend ist.

Durch die Definition deines digitalen Spielfelds bist du nun in der Lage, einen ganzheitlichen Blick auf die Wettbewerber-Analyse zu werfen:

  1. Welche Informationsphasen deiner Bedarfsgruppe haben andere Unternehmen bereits erschlossen? Liegt der Fokus auf der Angebotspräsentation oder haben sich andere Unternehmen ebenfalls bereits die Mühe gemacht, die Ereignisse zu erschließen, die später zur Konversion führen?
  2. Für welche Suchbegriff- und Kontext-Cluster sind andere Angebote dominanter, sichtbarer und besser auffindbar als dein Angebot?
  3. In welchen (Such-)Systemen und Plattformen sind für Suchbegriffe und Kontexte andere Unternehmen und ihre Angebote vertreten – und in welchen nicht?
  4. In welchem Umfang und in welchen Plattformen arbeiten andere Unternehmen mit der Gestaltung von Realitäts- und Erwartungsveränderung bei ihren Werbemitteln?
  5. Wie entwickelt sich die relative Qualität zwischen deinen digitalen Inhalten und denen deiner Wettbewerber?

In diesen fünf wesentlichen Bereichen sollte auf jeden Fall eine Wettbewerbsbeobachtung stattfinden, um innerhalb des digitalen Spielfelds zum Beispiel überhaupt eine Ressourcensteuerung zu ermöglichen.
Auch hier gilt wieder:
Die Strategie bestimmt den Einsatz der Technologie – nicht umgekehrt.

Konversions-Optimierung = Gewinn-Optimierung

Eine wesentliche Aufgabe eines jedes Unternehmens ist die Erwirtschaftung und Erhöhung (auch: Maximierung) von Gewinnen.
Konversions-Optimierung bedeutet ganz konkret Gewinn-Optimierung. Um Gewinne zu optimieren, werden in der Regel Prozesse verbessert. Und damit sind wir auch schon bei einem wichtigen Grundsatz der Konversions-Optimierung:

„Konversions-Optimierung kann nur auf der Basis stabiler Prozesse sinnvoll und dauerhaft stattfinden.“

Das Gegenteil von Prozessen sind zum Beispiel Kampagnen und Einzelprojekte: Kampagnen und Projekte sind u. a. zeitlich begrenzte und ressourcentechnisch endliche Konstrukte – und eben keine Prozesse.

Kenntnisse über Veränderungen im Konversions-Verhalten, die im Rahmen von Kampagnen gewonnen werden, können zwar wertvoll und erleuchtend sein, tragen in der Regel jedoch sporadisch und nicht systematisch zur Optimierung im Gesamtkontext eines digitalen Spielfelds bei.

Auf dem Weg vom Ereignis über die Absicht hin zu (Such-)Systemen, Werbemitteln, digitalem Inhalt bis hin zum Angebot gibt es eine große Möglichkeit, im Rahmen einfacher A/B-Tests strukturiert herauszufinden, „welche von zwei Komponenten resonanz- und konversionsfähiger ist“.
Das Thema „Konversions-Optimierung“ ist also keine Aufgabe einer einzelnen Abteilung, sondern gehört sowohl in die „Unternehmens-DNA“ als auch in den Aufgabenbereich jeder einzelnen Disziplin des Online-Marketings.

Eine etwas flapsig formulierte und dennoch wertvolle Erkenntnis aus der Praxis lautet:
„Testing-Frequenz und Gewinn-Wachstum korrelieren hart.“

Das bedeutet: Je schneller du in der Lage bist, aussagekräftige Tests abzuschließen und neue Tests zu starten, umso steiler ist dein Gewinnwachstum.
Durch die Definition (und Abgrenzung) deines digitalen Spielfelds ermöglichst du es den im Online-Marketing beteiligten Personen, sinnvolle Tests zu entwickeln und durchzuführen.

Was kostet mich so ein digitales Spielfeld?

Du hast nun einen Überblick über den möglichen Aufbau eines digitalen Spielfelds gewonnen: die Komponenten, die Wechselwirkungen und die wichtigsten Methoden.

Je sorgfältiger du dieses Spielfeld aufbaust, betreibst und erweiterst, umso genauer kannst du diese wichtige Strategiefrage beantworten:

„Wann möchte ich wie mit meinen verfügbaren Ressourcen auf diesem digitalen Spielfeld gewinnen?“

Die hauptsächlich benötigten Ressourcen für die Gestaltung deines digitalen Spielfelds sind graue Zellen, strategisch ausgewählte Werkzeuge und exzellente Mitspieler/-innen für die Bereiche Technik, Findbarkeit, Inhalte und die Konversions-Optimierung.

Letztendlich stellt sich vielmehr die Frage:

„Was kostet es mich, kein digitales Spielfeld definiert zu haben?“