Site-Klinik

www.TechnikDirekt.de

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Vor zwei Ausgaben haben wir die Site-Klinik als festen Bestandteil in der Website Boosting wieder reaktiviert. Wie immer haben wir aus den Anfragen ein Beispiel ausgesucht, bei dem nicht nur der Betreiber des Webauftritts, sondern möglichst viele Leserinnen und Leser profitieren können.

Diesmal haben wir uns den Shop www.technikdirekt.de näher angesehen. Dort findet man Herausforderungen, die sicherlich viele Shops haben, und vielleicht entdeckt der eine oder die andere etwas, was man bereits für die eigene Website diskutiert hat und jetzt zum Nutzen der Besucher wieder aufgreift?

Viel Spaß beim Lesen!

Normalerweise finden Sie zu Anfang unserer Website-Klinik immer eine First Impression. Einen ersten Eindruck. Die ersten Sekunden sind bekanntlich entscheidend, und in unseren Gehirnen laufen automatisch komplexe Beurteilungen ab, die aufgrund bisheriger persönlicher Erfahrungen gebildet werden. Aber auch davon unabhängige Muster, die tief im Unbewusstsein verankert sind, werden mit einbezogen.   

Welchen Eindruck hinterlässt die First Impression bei Technikdirekt? Um sich diesen Eindruck zu verschaffen, muss man zunächst erst einmal warten. Sehr und ungewohnt lange. Während wir uns mittlerweile daran gewöhnt haben, dass auch optisch umfangreichere Startseiten durchaus ein klein wenig länger beim Aufbau dauern, wird die Geduld hier leider stark strapaziert. Das erste Laden dauert zu lange – wobei wir diesmal bei einer ungewöhnlichen First Impression wären.   

Der erste Eindruck

Wir starten einen ersten Test über den Chrome Browser. Dazu klickt man rechts oben auf die drei Punkte, dann auf „Weitere Tools“ und anschließend auf „Entwicklertools“. Mit der Tastenkombination STRG & Hochstelltaste (Shift) & I gelangt man ebenfalls dort hin. Es öffnet sich unten oder rechts ein neues Fenster. In dem Menü des neuen Fensters klickt man auf „Lighthouse“. Hier sitzt ein nützliches Tool von Google zur Messung der Seitengeschwindigkeit. Anschließend klickt man auf den blauen Button „Seitenaufbau analysieren“.

Wenn man diese Analyse auf dem Computer startet, wird eine mobile Verbindung simuliert. Allerdings beeinflussen die Ressourcen des Computers zum Teil die Messung. Das Ergebnis zeigt sowohl einen groben Überblick als auch bei Bedarf Details zu den einzelnen Messmetriken. Abbildung 1 zeigt eine Messung mit der Einstellung „Mobil“. Es ist unschwer zu erkennen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Was zu tun wäre, liefert das Tool gleich frei Haus weiter unten aufgelistet mit. Dort erkennt man, dass der Server für eine „Erstzeitreaktion“ sehr viel Zeit benötigt. Die Messungen zeigen teils stark schwankende Zeiten. Das lässt darauf schließen, dass er wahrscheinlich relativ schnell überfordert ist, wenn er mehrere Anfragen erhält. Das ist typisch für schwach dimensionierte Hardware, welche dynamisch aus Datenbankinhalten Webseiten zusammenbauen muss. Ist die Last gering, merkt man oft keine spürbaren Einbußen. Kommen aber zu viele Seitenanfragen zusammen, bekommt die Datenbank schnell Schluckauf und kann durch diverse Flaschenhälse nicht genügend für den Seitenaufbau zusammenstellen. Dann bekneift sich das gesamte System und reagiert so wie hier mit langen Auszeiten.  

Über das Lighthouse Tool von Chrome bekommt man für technikdirekt bereits so viele Vorschläge, was zu tun ist, damit die Seite in einen normalen Geschwindigkeitsbereich gelangen kann, dass man sie hier gar nicht alle aufzählen kann. Das wird in diesem Fall wahrscheinlich nicht so einfach sein, denn die Startseite hat fast 1,8 MB Übertragungsvolumen und enthält über 6.000 DOM-Elemente. Vereinfacht gesagt hat das programmierte Inhaltsverzeichnis, was wo zu finden ist, über 6.000 Verweise. Das zwingt den schnellsten Browser in die Knie.  

Um sich zu versichern, dass die Messung nicht etwa so schlecht ausfällt, weil der eigene Rechner Dinge blockiert, kann und sollte man immer auch extern messen. Das gelingt etwa mit pagespeed.web.dev, das ebenfalls von Google kostenlos bereitgestellt wird. Hier werden nicht nur die sogenannten Core Web Vitals gemessen, sondern auch die Durchschnittswerte gezeigt, die echte Besucher auf der Seite erlebt haben (sofern die URL genügend Traffic hat). Links oben in Abbildung 2 kann man „So sieht die Ladezeit auf der Nutzerseite aus“ lesen. In diesen Daten liegt echter Nutzen! Im Schnitt dauert es also mehr als fünf Sekunden, bis das größte Contentelement bei Besuchern angezeigt wird (LCP). Und 2,9 Sekunden, bis überhaupt das erste Byte vom Server übertragen wurde (Time to first Byte). Die zu lange Reaktionszeit des Servers wird also von der Masse der Seitenbesucher „bestätigt“. In Summe besteht die Seite den Core-Web-Vital-Test nicht. Hier ist sogar der sogenannte CLS-Wert, der Cumulative Layout Shift, mit 0,71 ungewöhnlich hoch. Dieser Wert beschreibt, wie viel sichtbarer Content sich um wie viel beim Seitenaufbau verschiebt – also umgangssprachlich unruhig „hüpft“.  

Apropos unruhig hüpfen. Die Startseite empfängt den Besucher gleich mit zwei Slidern über der Falz (Abbildung 3). Der obere, größere Teil wischt automatisch alle fünf Sekunden weiter. Das ist so schnell, dass man selbst als Lese-Idefix nicht genügend Zeit hat, die dort gewischten Angebote zu lesen. Ein Besucher nimmt im Slider z. B. das Cashback-Angebot von Canon wahr. Noch während es wahrnimmt, müsste er bereits klicken, denn es verschwindet, noch während man überlegt. Derart geplagte Website-Besucher haben bereits gelernt, dass man einfach nur etwas warten müsse – das kommt schon irgendwann wieder. Diesen Eindruck bekommt man hier allerdings nicht bestätigt. Sage und schreibe 15 Sliderinhalte wechseln sich hier ab. Deutlich über eine Minute müsste man bis zur Wiederholung warten.

Direkt darunter werden die Topseller ge“slidert“. Jeweils acht Elemente werden hier nach links verschoben. In jeweils drei Sekunden. Niemand kann acht Angebote in drei Sekunden wahrnehmen, geschweige denn die Beschreibungstexte lesen oder die Preise.

Erschwerend für die Aufmerksamkeit kommt hinzu, dass sich die beiden Slider zeitlich in unterschiedlichen Takten verändern. Erst bewegen sich die Topseller, zwei Sekunden später der obere Slider und bereits eine Sekunde später rollen die Topseller erneut. Nach vier Sekunden rollen dann beide gleichzeitig. Drei unserer Tester wurden regelrecht aggressiv beim Betrachten. Und diese Zeilen zu tippen, während im Browserfenster auf dem zweiten Bildschirm das zweigeteilte Rollen lief, war schlicht unmöglich. Jegliche Konzentration ist dahin.  

Exkurs: Woran liegt es, dass unerwartete und ungewollte Bewegungen auf Webseiten unseren Wahrnehmungsapparat stören? Das hat mit unserer Art des Sehens zu tun. Dort, wo wir hinsehen, also z. B. ein Wort oder ein Bildbestandteil, sehen wir hochauflösend und extrem scharf. Hier machen uns Bewegungen nichts aus. Weil die Kapazität des Sehnervs begrenzt ist, können wir aber nicht überall in High Density sehen. Es ist auch gar nicht nötig. Worauf wir uns nicht fokussieren, also wo wir nicht hinblicken, müssen wir auch nicht scharf sehen. Das wäre eine Ressourcen- und Kapazitätsverschwendung. Daher sehen wir in Randbereichen, also rund um den Fokuspunkt nur unscharf. Wollen wir dort etwas sehen, fokussieren wir es und verschieben den Blick dorthin. Jetzt sehen wir das Neue scharf. Außerhalb des Fokusbereichs nehmen wir hauptsächlich Bewegungen wahr. Hier reicht die grobe Auflösung, eine Bewegung lässt sich auch so wahrnehmen. Das kommt aus der Frühzeit unserer Entwicklung. Kommen Gefahren und Angreifer von oben, unten oder von der Seite in unser Blickfeld, reagieren wir sofort (und sehen dorthin). Bewegungen im peripheren Blickfeld werden also zunächst im Millisekundenbereich als potenzielle Gefahr interpretiert. Wir sehen instinktiv hin, und in der heutigen Zeit gibt es zum Glück meist Entwarnung – auch im Millisekundenbereich. Das geht so schnell, dass uns das meist gar nicht bewusst wird. Aber der Schaden ist trotzdem bereits angerichtet. Wir wurden abgelenkt. Defokussiert. Geistig von etwas weggezogen. Daher sehen wir sofort beim Anzeichen einer Bewegung eines Sliders oder Banners dorthin. Was wir gerade noch gelesen haben, haben wir sofort vergessen. Das urinstinktliche Alarmsignal hat es wegdominiert. Slider lenken also ab, wenn man gerade woanders mit Aufmerksamkeit einen Text liest. Und liest man den Text auf bzw. in einem Slider, reist der genau diesen nach wenigen Sekunden aus unserem Blickfeld. Ein Slider verhindert also sowohl das Lesen an anderer Stelle noch auf den Slidern selbst.

Das Auswahlmenü für die Produkte ist recht umfangreich. Ein Klick auf „Kategorien“ legt ein Mega-Overlay über die Startseite, wie Abbildung 4 zeigt. Dabei werden nach dem Klicken auf einen Hauptpunkt die Ebenen zwei und zwei (!) weitere Unterebenen gleichzeitig geöffnet. Hier noch den Überblick zu behalten, ist keine leichte Aufgabe. Dazu kommt, dass weder die zweite noch weitere Ebenen eine erkennbare Sortierung haben. Es beginnt mit Waschen & Trocknen, gefolgt von Bodenpflege, Raumklima und Küchengroßgeräte und geht u. a. über Körperpflege, Sicherheit zu eAutomobility. Hier hilft also weder das Alphabet noch sonst eine Logik, die man sich ausdenken könnte. Die Navigation endet abrupt mit dem Punkt „Badzubehör“ (Ziffer 2 in Abbildung 4), und es entsteht der Eindruck, dass der Browser bei der Komplexität einfach die Flügel gestreckt hat und nichts weiter anzeigen kann oder möchte.     

Ein wichtiges Prinzip bei Navigationen ist, dem Besucher anzuzeigen, wo in der Navigation er sich gerade befindet. Technikdirekt hat das über das Größer-/Kleinerzeichen gelöst, wie in Abbildung 5 zu sehen ist. Hier ist gerade „Haushalt Wohnen“ aufgeklappt. Ob das optisch minimale Signal „<“ statt „>“ im linken Original auch wahrgenommen wird, darf man zumindest anzweifeln. Hier würde sich eine farbliche Hervorhebung des gewählten Menüpunkts sicher besser anbieten (rechts beispielhaft gezeigt). Dies kann für die nötige Orientierung sorgen.  

Nutzt man die Navigationsebenen tiefer, offenbart sich ein heftiger Programmierfehler, der wahrscheinlich mit der erzeugten Komplexität der Seite zu tun hat. Ein Klick auf einem Menüpunkt, in Abbildung 6 dargestellt mit „Kochutensilien“, bewirkt lediglich ein wahrnehmbares Flackern in der Navigation. Um dem auf den Grund zu gehen, haben wir ein Video davon gezogen und die Einzelbilder analysiert. Hier offenbart sich, dass beim Klick die Navigation für den Bruchteil einer Sekunde einklappt und sofort wieder ausklappt. In der Abbildung wurde dieser Sprung mit dem rechten Teil visualisiert, in dem die Maus plötzlich auf „eAutomobility“ steht. Allerdings haben wir auch einen Fix gefunden, wie man den Fehler umgehen kann. Ein langer Mausklick über mehrere Sekunden öffnet dann doch die gewünschte Kategorie. Aber ob ein Besucher diesen „Trick“ nach mehreren erfolglosen Suchen wohl herausfindet?

Die gute Nachricht für die Produktseiten lautet, dass man hier tatsächlich gut strukturiert sehr viele Informationen zu dem jeweiligen Produkt findet. Zum Teil fehlen allerdings wichtige Bilder, wie in Abbildung 7 zu sehen ist. Statt Produkteigenschaften gibt es Broken Images. Hat man ein Produkt ausgewählt bzw. ist man auf einer Produktdetailseite, verschwindet die Navigation rechts unerwartet komplett. Wer nicht auf Anhieb das Richtige ausgewählt hat, muss über „Kategorien“ oben erneut durch die Mühle der Hauptnavigation laufen. Ein absolutes No-Go, selbst für den tolerantesten Online-Shopper. Gehe zurück auf Los, aber ziehe keine 4.000 DM ein, würden eingefleischte Monopoly-Spieler an dieser Stelle rufen und den Shop spätestens jetzt verlassen.

Die Bewertungsfunktion unten am Ende der Produktdetailseiten ist prinzipiell eine gute Idee. Jedoch kommunizieren Formulare immer, manchmal ungewollt. Wie Abbildung 8 zeigt, ist nur die Eingabe einer „Kurzbewertung“ Pflicht. Die Bewertung ist bereits mit 5 vorbelegt, ein Name ist nicht nötig. Ebenso wenig wie das Ausfüllen des Miniaturfelds „Ihre Meinung“, was eigentlich einladend groß sein sollte – möchte man signalisieren, dass dies das wichtige, primäre Feld ist. Dass man „Ich bin kein Roboter“ anklicken muss, um sich als Mensch zu authentifizieren, sorgt allerdings auch heute noch bei Besuchern für Verwunderung. Nicht jeder Webnutzer weiß, was dies bedeutet und warum Betreiber solche Abfragen machen.  

By the way: Links zu Produktdatenblätter führen z. T. auf eine nicht sichere Fremddomain, wie z. B. www.mediasupply.eu/Datenblatt/767118_Denver_DE.pdf. Hier fehlt das „s“ bei https. Das könnte rechtlich durchaus problematisch werden.

Die Zahlstrecke hält auch einige Hürden bereit. Unebenheiten hier schlagen sich sehr schnell auf den Umsatz durch, denn wer bereits Produkte in den Warenkorb gelegt hat, möchte in der Regel tatsächlich meist auch kaufen. Treten jetzt Probleme auf, schmerzt ein Abbruch an dieser Stelle besonders. Wahrscheinlich ist es der fehlenden Servergeschwindigkeit bzw. der hinter dem Shop hängenden Systeme geschuldet, aber wir konnten die aufgetretenen Fehler nicht auf Fehleingaben oder von außen sichtbare Ursachen zurückführen. Mal gelang es, bis zum Ende zu kommen, mal bekamen wir kuriose Fehlermeldungen, wie in Abbildung 9. Statt einer aussagekräftigen Fehlermeldung meinte das System, dass wir unsere Internetverbindung prüfen sollen. Ein potenzieller Abbruchpunkt. Wie in Abbildung 10 zu sehen ist, erschien ab und an ein Ladekreis an der Stelle, wo eigentlich die Zahlungsarten erscheinen sollten. Dieser blieb dann auch minutenlang. Wenn das System sich verschluckt, hilft nur noch, den Warenkorb noch einmal zu durchlaufen. Und wenn die Zahlungsarten dann erscheinen, fragt man sich vielleicht, was „Rechnung by Consors Finanz“ bedeutet. Profis wissen, dass die Rechnungsforderung an einen Zahlungsdienstleister abgetreten wird. Laien wissen das nicht. Beide fragen sich aber vielleicht, wer dann eigentlich der Vertragspartner ist, wenn Consors Finanz die Rechnung stellt? Möglicherweise kann es auch einen schlechten Eindruck hinterlassen, wenn man seinen Kunden finanziell derart misstraut, dass man eine Forderung bereits im Entstehen an ein Inkassounternehmen abtritt? Die Motivation des Betreibers könnte sein, mit Rechnungen und Mahnungen keinen Ärger haben zu wollen und gegen eine Gebühr einen sicheren Zahlungseingang zu haben. Das ist durchaus nachvollziehbar. Die Wirkung auf potenzielle Käufer kann aber durchaus negativ und damit eine völlig andere sein.

Am Ende des Bestellprozesses darf der Käufer eine Bemerkung hinterlassen (Abbildung 11). Das kann je nach Eintrag juristische Folgen für den Kaufvertrag haben. Trägt jemand hier ein, dass er bestimmte Leistungen (wie z. B. ein exakter Liefertermin) für wichtig hält und der Shop bestätigt automatisch vom System gesteuert die Bestellung, ist dieser Eintrag Bestandteil des Kaufvertrags. Bei Nichterfüllung könnte im schlimmsten Fall Schadensersatz anfallen. Ein prominent sichtbares Gutscheinfeld kann Kaufwillige genau an dieser Stelle pausieren lassen und sie gehen via Google auf die Suche nach Rabattgutscheinen. Und wie fast immer wird man fündig, wie Abbildung 12 zeigt. Das Problem ist hier oft, dass die ergoogelten Gutscheine nicht (mehr) funktionieren bzw. abgelaufen sind, man aber im Kopf behält, dass man bis zu 50 % Nachlass haben könnte. Wer nach einigen Versuchen keinen Nachlass bekommt, muss schon ein arger Fan sein, jetzt noch den vollen Preis zu zahlen. Andere bekommen das augenscheinlich ja günstiger – was natürlich nicht immer stimmt. Aber wie immer zählt nicht die objektive Wahrheit, sondern der Eindruck beim Besucher. Die Fehlermeldung bei falscher Gutscheineingabe ganz oben auf der Seite muss man übrigens schnell lesen, sie verschwindet nach wenigen Sekunden automatisch.

Wie sieht es mit dem Thema SEO aus?

Die gute Nachricht zuerst: Hier ist noch sehr, sehr viel Potenzial vorhanden. Wenn man alle Hausaufgaben gemacht hat und trotzdem keine nennenswerten Rankings bekommt, muss man tiefer gehen. Das ist aufwendig. Im vorliegenden Fall sind einige technische Handbremsen angezogen worden, sodass Google offenbar nur mit halbem Wind segeln kann. Die strukturellen Probleme alle aufzulisten, ist wegen des beschränkten Platzes hier nicht möglich. Nicht existente URLs werden mit einem 200er-Statuscode gemeldet, sehr viele Weiterleitungen, Duplikate und weitere Unpässlichkeiten führen dazu, dass sich die Problem-URLs fast in den sechsstelligen Bereich aufsummieren. Die Verwirrung, die bei Google erzeugt wird, führt dazu, dass normale Produktseiten zwar gecrawled, also vom Googlebot besucht werden, aber nicht in den eigentlichen Suchindex aufgenommen werden. Das passiert häufig, wenn man dem Crawler durch interne Verlinkung zu viele irrelevante oder falsche URLs liefert. Das System bei Google „schützt“ die Ressourcen und den Speicherplatz dann vor dem echten oder vermeintlichen Datenmüll (Dubletten etc.) und fährt sein Engagement für eine Domain herunter.

Dies spiegelt sich unmittelbar im Ranking wider. Zwar rankt der Shop mit einigen Begriffen wie „Küchengroßgeräte“, nur sind das Suchvolumen bzw. der Wettbewerb hier nicht so groß. Verbraucher suchen meist nicht nach solchen internen generischen Kategoriebezeichnungen. Eine Auswertung aller Rankings bzw. Keywords zeigt eine deutliche Asymmetrie zwischen den sogenannten Brand-Keywords (die den Domainnamen in verschiedenen Schreibweisen enthalten) und allen anderen Treffern. 71 % allen Traffics von Google haben also einen sogenannten navigational intent. Man sucht gezielt diesen Shop. Viele Website-Betreiber wissen, dass man mit dem eigenen Shopnamen fast immer rankt, hier macht Google einen guten Job, und wenn nicht mal das klappen sollte, hat man ein echtes Problem. Umgedreht bedeutet das aber, dass echter organischer Produkt-Suchtraffic an technikdirekt vorbeigeht.  

Einem deutlichen Aufschwung durch das Google Core Update im Januar 2020 folgte ein ziemlich harter Absturz im dritten Quartal letzten Jahres (Abbildung 16). Zu diesem Zeitpunkt war kein bekanntes Update aktiv, das Spam-Update erfolgte erst nach dem Absturz. Insofern muss in diesem Zeitraum ein anderer, domainspezifischer Grund vorliegen. Möglicherweise hängt ein Relaunch, der laut der Wayback Machine etwa in diesem Zeitraum stattfand, damit zusammen. Dabei wurde eine transparente Top-Hauptnavigation aufgegeben und technisch deutlich komplizierter in die aktuelle Version überführt.  

Die Domain hat für einen Shop eine vergleichsweise große Anzahl an Backlinks, von denen allerdings grob ein Drittel von diversen Tools wie den LinkReseachToosl oder SEMRUSH als „toxisch“, also potenziell schädlich eingestuft werden. Natürlich können diese Tools solche Metriken nur vermutungsweise berechnen, weil die genauen Google-Kriterien niemand kennt. Prüft man allerdings einige der als potenzielle Linknetzwerke ausgewiesenen Backlinks nach, erscheinen durchaus fragwürdige Katalogdienste, Foren oder gar Seiten, deren Zweck ganz offensichtlich der Aufbau von Backlinks war – allerdings im billigsten Format (Abbildung 17). Aber nicht immer muss dahinter der Betreiber stecken. Natürlich kann das schon zehn oder mehr Jahre her sein, von einem damals ambitionierten Mitarbeiter initiiert worden sein, und das wurde längst vergessen. Natürlich kann das auch ein Linkspammer gewesen sein, der meinte, das Anlinken von seriösen Domains hilft den anderen Links – was nicht der Fall ist, aber früher viele geglaubt haben. Was auch immer der Grund ist, man ist nie sicher, ob Google solche Backlinks einfach ignoriert oder ob zu viele davon vielleicht schädliche negative Signale erzeugen. Daher empfiehlt es sich, hier immer ein kritisches Auge zu behalten und Links am besten wieder abzubauen bzw. abbauen zu lassen. Ob das Einstellen in das Disavow-File tatsächlich präventiv hilft, darüber gibt es (leider) unterschiedliche Aussagen von Google.   

Wie erwähnt, hat die Domain viele strukturelle Probleme, v. a. auch mit den internen Links. Durch nicht angepasste Links werden Weiterleitungskasaden ausgelöst, die am Ende in 404-Fehlerseiten münden. Die unnötige Arbeit belastet den/die offenbar sowieso schon am Limit arbeitenden Server zusätzlich. Einige Stichproben haben ergeben, dass es wohl früher auch die Subdomain shop.technikdirekt.de gab. Sie wird weitergeleitet auf shop.technikdirekt.de/de (ohne das s nach http) und ist somit nicht erreichbar. Laut Sistrix laufen über 1.500 Backlinks auf diese Shop-Subdomain. Durch den 404-Fehler wird die Übertragung einer möglichen Backlinkspower allerdings verworfen. Ein kurzer Blick auf die Struktur dieser Backlinks zeigt jedoch, dass sie sicherlich noch aus einer alten Zeit stammen und mit zu vielen sogenannten Money-Keywords jeweils tief auf Produktseiten gesetzt wurden. Insofern ist die fehlende Weiterleitung auf die neue Adresse hier vielleicht durchaus angebracht. Wäre diese Subdomain heute noch live am Netz, würde sie wahrscheinlich schnell ein Opfer diverser Filter von Google. Auch hier gilt also wieder: genau hinsehen, prüfen und erst dann entscheiden.

Einen weiteren Anhaltspunkt liefert das Tool ahrefs (Abbildung 19). Die Rankings der Domain waren seit 2016 relativ stabil (orange Linie). Ebenso die Anzahl an Domainlinks (blaue Linie). Ab Anfang letzten Jahres ist die Anzahl der verlinkten Domains stark angestiegen. Etwa ab diesem Punkt haben sich die Rankings stetig verschlechtert. Das muss keinen Zusammenhang bedeuten und wäre erst bei einer tiefer gehenden Analyse besser beurteilbar, die hier leider den Rahmen sprengen würde. In der Regel (er)kennt Google Backlinks früher als externe Tools, daher ist ein Einfluss durchaus möglich. Zumal eine stetige Zunahme an Backlinks in der Regel eher positive Wirkungen hat. Viele der neuen Links sind sogenannte Hotlinks auf Bilder von technikdirekt. Das heißt, andere Website-Betreiber verwenden per Link deren Bild – weltweit.   

Vielleicht wurden dann aber auch die 374.849 internen Links auf „nofollow“ gesetzt und damit entwertet. Hier wird heftig  und völlig unnötig wertvoller Linkjuice sprich PageRank entwertet und damit vernichtet. Leider wird dieses Linkattribut noch immer falsch eingesetzt, weil man der Meinung ist, damit Linkpower für die restlichen Links aufzusparen. Das ist ein Mythos und falsch. Soll eine Seite nicht in Googles Index, versieht man diese mit einem „noindex“ im <head> und markiert nicht die Links, die dorthin führen.   

Fazit

Die Site-Klinik war dieses Mal ein wenig anders. An vielen Stellen konnten wir aus Zeitgründen nicht tiefer gehen, weil wir an der Oberfläche bereits so viele Dinge vorgefunden haben, die es zu erklären galt. Und hier steckt auf jeden Fall noch sehr viel mehr Potenzial verborgen, das wir gar nicht alles hier aufführen können. Für die Optimierung des Shops bzw. der Domain gibt es tatsächlich viele Angriffsflächen. Möglicherweise muss das gesamte Navigationskonzept mit all den Auswirkungen auf den Besucher und auf Google neu überdacht werden. Das ist sehr viel Arbeit. Andererseits sollte man es nicht so lassen, wie es sich derzeit darstellt. Google mag die Domain offenbar nicht besonders, da es nicht nur keine klaren strukturellen Signale gibt, sondern im Gegenteil viele Umleitungen, Fehler, Duplikate und defekte Seiten den Analysesystemen bei Google die Arbeit schwer und zum Teil unmöglich machen. Praktisch alle SEO-Tools, die wir verwendet haben (ahrefs, semrush, sistrix, ryte, linkresearchtools, sitebulb, die Google Search Console und andere), zeigen Fehler teils im vierstelligen Bereich. Das klingt dramatisch, aber die Erfahrung zeigt, dass oft kleine und einfache Änderungen an Vorlagen und/oder des Shopsystems diese Fehlermeldungen drastisch eindampfen können. Hier dürfte viel zu holen sein, und das sollte sich lohnen.

Was die Benutzerfreundlichkeit angeht, muss sich jeder selbst eine Meinung bilden. Was aber wahrscheinlich nicht diskutierbar ist, wäre mindestens die mangelnde Geschwindigkeit (auch für Suchmaschinen ein Thema), fehlende Bilder auf den Produktseiten, die auftretenden Fehler in der Bestellstrecke sowie die wirklich unübersichtliche Navigation. Hier braucht es zunächst keine Experten. Ein wirklich kritischer Blick und eigene, mutige Tests können solche Dinge schnell zutage fördern. Wenn die Zahlungsmöglichkeiten nicht erscheinen, gibt es nichts zu entscheiden. Das darf so nicht bleiben. Wenn bei provozierten Fehleingaben die Hinweise nach wenigen Sekunden wieder verschwinden – auch das sollte so nicht sein. Wahrscheinlich ist hier noch einiges andere im Argen, was wir beim – wirklich – schnellen Blick noch gar nicht entdeckt haben. DAS ist wie erwähnt eine gute Nachricht. Die Probleme liegen recht offen sichtbar da und sollten behoben werden. Wäre alles tipptopp und blieben trotzdem Besucher und Verkäufe aus, müsste man sehr viel tiefer graben, um die Ursachen zu finden.