Saisonaler Content – Muster und Cluster

Niels Dahnke
Niels Dahnke

Niels Dahnke ist seit Anfang 2021 Director SEO Strategy bei Content Fleet, einer der größten Content-Marketing-Agenturen Deutschlands. Er ist beruflich seit 1993 in Online-Business u. a. als Speaker, Fachautor und Dozent tätig und zählt zu den SEOs der ersten Stunde. Sein Schwerpunkt liegt auf der redaktionellen und technischen Suchmaschinenoptimierung. Neben zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen vertrauen große Konzerne und Verlagshäuser und deren Kunden auf die Erfahrung und Expertise von Niels Dahnke.

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Heide von der Decken

Heide von der Decken ist Senior SEO-Managerin und seit 2017 bei Content Fleet, einer der größten Content-Marketing-Agenturen Deutschlands. Hier konnte Sie nach dem International-Management-Studium (MA) ihr umfangreiches SEO-Know-how aufbauen und einen besonderen Fokus auf Content-SEO legen. Expertise in technischem SEO und komplexen Analysen gehen automatisch damit einher. Diese Fähigkeiten setzt sie bei Pitches, Neuprojekten und Bestandsprojekten ein, um in jeder Situation bestmöglich agieren und beraten zu können. Weiterhin zählen regelmäßige Schulungen im Content-SEO zu ihren Spezialitäten.

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Für viele Websitebetreiber geht es immer wieder um die Frage, welche Daten bei der Identifikation von Saisonalitäten hilfreich sein können. Insbesondere sollte man sich nicht nur auf die Einschätzung diverser Tools verlassen, um Suchtrends zu identifizieren, sondern eben auch das sich oft schnell ändernde Konsumentensuchverhalten berücksichtigen. Doch wie lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse sinnvoll zusammenführen? Wie kann man detaillierte Muster innerhalb solcher Saisonalitäten identifizieren? Die beiden Experten Niels Dahnke und Heide von der Decken geben Ihnen im zweiten Teil (erster Teil in Ausgabe 74) der kleinen Reihe zum Thema saisonaler Content wichtige Hinweise und Hilfestellungen.

Bevor es mit Teil zwei dieser Serie weitergeht, soll noch einmal kurz in Erinnerung gerufen werden, was bisher geschah (Ausgabe #74 Website Boosting): Saisonale Inhalte ergeben sich aus einer schwankenden Nachfrage mit regelmäßigen Mustern. Sie lassen sich von saisonalen Ereignissen oder Bedingungen (Saisonalitäten) ableiten, die ganz unterschiedlicher Art sein können. Es gibt feste, unveränderbare Muster wie Weihnachten und den Valentinstag oder variable Muster, die nicht ganz so zuverlässig wiederkehren. Zum Beispiel eine bestimmte Messe. Hinzu kommen gereifte Saisonalitäten. Sie zeigen sich durch Muster, die in der Vergangenheit auftraten und auch zukünftig erwartet werden (z. B. iPhone-Releases), oder junge Saisonalitäten (z. B. die Sportart „Roundnet”), die sich erst noch bilden müssen, aber bereits zu erahnen sind.

Saisonale Inhalte sind ein wichtiger Faktor für modernes Marketing. Es gilt, mit den richtigen Inhalten zum richtigen Zeitpunkt in Social-Media-, Print- und Digitalwerbung sowie an Toppositionen in Google und in anderen Suchmaschinen auffindbar zu sein. Für Anbieter einer Dienstleistung oder Ware erhöht sich die Chance, mit gut rankenden Inhalten Umsätze und letzten Endes Gewinne zu erzielen. Ein Blick in die Datenlage beweist: Saisonale Schwankungen gibt es in (fast) jeder Branche.

Wie wird die Saisonalität in einer Branche identifiziert?

Nachdem jetzt die unterschiedlichen Arten von Saisonalitäten, Trends und Einflussfaktoren klar sind, stellt sich die Frage, wie relevante Muster strukturiert identifiziert werden können. Rein intuitiv ist sicher, in welchem Zeitraum das Thema „Winterreifen“ relevant wird und wann das Sommerloch bevorsteht. Frei nach dem Motto: „Kann man sich doch denken.“ Aber ist das eigene Bauchgefühl wirklich verlässlich? Wie sieht es zum Beispiel mit dem Thema „Caipirinha“ aus? Ganz logisch: Die Suchanfragen steigen im Sommer, wenn Strand- und Cocktailpartys bei einem Drink gefeiert werden. Oder? Ein Blick in die Daten von Google Trends zeigt deutlich: Nicht nur in den Sommermonaten, sondern insbesondere im Dezember haben die beliebten Caipis Hochsaison. In den Sommermonaten wird das Mixgetränk zwar konsumiert, das maximale Suchvolumen entsteht jedoch im Winter, wenn die Cocktailbar am Strand längst geschlossen ist und man selbst zum Barkeeper wird.

Wie an diesem Beispiel zu sehen ist, liegt man mit seiner Intuition schnell mal daneben. Dabei war dies kein sonderlich komplexes Thema. Noch schwieriger wird die Einschätzung, wenn es nicht nur um ein einzelnes Keyword, sondern um ein ganzes Themencluster geht. Wählt man als Themengebiet „alkoholische Getränke“, besteht nicht ansatzweise ein Gefühl für eine Saisonalität der darin enthaltenen kleineren Themencluster. Es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt eine ausgeprägte Saisonalität gibt. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die Frage, ob es innerhalb der Themenbereiche bestimmte Suchbegriffe oder Cluster gibt, die sich stärker oder weniger stark saisonal verhalten und dadurch für das gesamte Themengebiet ein einigermaßen gleichbleibendes Gesamtsuchvolumen erzeugen. Dabei ist selbst dieses Beispiel in puncto Komplexität eher als gering einzustufen. Ganz anders sieht es aus, wenn ganze Branchen oder semantisch kaum abgrenzbare Themen analysiert werden sollen. Aber zunächst mehr zum Aufbau von Keywordclustern.

Wie sehr die Saisonalität eines Clusters durch Subthemen geprägt sein kann, wird am Beispiel Natriumchlorid (NaCl) deutlich. Ganzjährig besteht eine recht gleichbleibende Nachfrage nach Kochsalz im Haushalt. Gleichzeitig steigt im Winter die Nachfrage nach Streusalz, das bis zu 98 Prozent aus herkömmlichem Kochsalz besteht. Würde man diese Suchanfragen jedoch in einem Cluster „Salz” zusammenfassen, entstünde ein Muster, das diese Differenzierung nicht abbilden kann. An die Lösung dieser Problematik sollte daher möglichst strukturiert herangegangen werden. Nur so behält man den Überblick und erkennt sich überlagernde saisonale Muster. Die Grundlage bildet eine umfassende, thematisch geclusterte Keywordanalyse. Semantisch zusammenhängende Suchbegriffe werden in sogenannten Themenclustern zusammengefasst, die wiederum aus Unterclustern bestehen, sodass eine logische Themenstruktur entsteht, in der die Keywords eingeordnet werden. Mittels KI bzw. „Machine Learning“ können die Keywords außerdem anhand der Suchergebnisseiten geclustert werden und somit granulare Keywordcluster bilden, die der Optimierung einzelner Zielseiten dienen. In dieser geclusterten Keywordanalyse werden pro Keyword die monatlichen Suchvolumen festgehalten und darauf aufbauend Trendanalysen vorgenommen.

Allerdings ergibt sich im Rahmen der Keywordanalyse aus der Erstellung und dem Zusammenfassen ähnlicher Keywords zu Clustern direkt die nächste Herausforderung. Welche Themen nimmt man mit auf? Wie werden die thematischen Cluster voneinander abgegrenzt? Dies lässt sich durch das Beispiel „USA-Reisen“ als Grundlage einer Recherche verdeutlichen. Die semantischen Themencluster können zum Beispiel Themen wie Strände, Wanderungen oder Landschaften bilden. Aber auch XXL-Food, Drinks oder Partys sind denkbar. Andererseits ließe sich auch eine Reise durch die USA mit einem geschichtlichen oder politischen Fokus gestalten. Dann würden die Keywords wiederum ganz anders aussehen. Irgendwann entsteht bei einer semantischen Analyse eine riesige Keywordliste mit Begriffen, die sehr weit vom Thema „USA-Reisen“ entfernt sein können. Aus unternehmerischer Sicht ergibt es ebenfalls keinen Sinn, all diese Themen in ihrer Gesamtheit abzudecken. Die Analyse sollte daher von Beginn an eingegrenzt werden, denn nur dann passen Umfang der Analyse und Themencluster zum eigentlichen Analyseziel. Vor Beginn der Recherche und der Clusterbildung sollte eine Frage geklärt werden: „Was will ich?“ Noch wichtiger ist jedoch die Frage: „Was will ich nicht?“ Erst durch diese Abgrenzung ist eine zielgerichtete Analyse möglich. Außerdem muss geprüft werden, ob die eigenen Vorstellungen zu der Zielgruppe passen. Denn die Marketingmaßnahmen auf Basis der Analyse sollen schließlich Kundinnen und Kunden erreichen und nicht nur einem selbst gefallen. Hier ist also vorab eine grundlegende Zielgruppendefinition und -analyse erforderlich, die bei der Keywordrecherche berücksichtigt werden muss. Bleibt man bei dem Reisebeispiel, sollte man sich fragen: Ist die Zielgruppe mehr an Roadtrips und Landschaften interessiert? Interessiert sie sich stärker für Partys oder sollen Bildungsreisende erreicht werden? Aber auch andere Eingrenzungen der Analyse sind möglich. Zum Beispiel die Berücksichtigung von Zielgruppenbedürfnissen (Help-Content, Unterhaltung, News), Customer Journey (Aufmerksamkeit, Information, Abschluss), rechtlichen Gegebenheiten (z. B. Heilmittelwerbegesetz), betriebswirtschaftlichen Aspekten (ROI der Texte) oder die Aufteilung nach Interessen oder Produktarten (z. B. Individualreisen, Gruppenreisen, Motorradreisen) führen ebenso zu einer Verringerung der Keywords und Cluster. Die Liste kann noch lange fortgeführt werden.

Je nach Ziel können die so gebildeten Themengebiete weiter in kleinere Keywordcluster unterteilt werden. Bei Listen bis wenige Tausend Keywords lässt sich die Zuordnung zu Themengebieten und Clustern noch händisch vornehmen. Je größer das initiale Keywordset ist, desto sinnvoller ist die teilautomatisierte Zuordnung mithilfe maschineller, selbstlernender Systeme. Ab einer gewissen Größe erfolgen lediglich menschliche Stichprobenkontrollen zur Qualitätssicherung. Das Ziel sollte sein, qualifizierten Traffic zu erzeugen. Also Traffic, der im Rahmen der Ziele verwertbar ist, im Gegensatz zu unqualifiziertem Traffic, der lediglich die Kosten hochtreibt. Maximale Reichweite wird daher gegen eine vorqualifizierte Reichweite bei geringeren Kosten bereits in der Analysephase ermöglicht.

Datenquellen anzapfen

Sind die semantischen Cluster abgegrenzt, stellt sich die Frage, wo verlässliche Keyworddaten zu finden sind. Hier gibt es eine ganze Reihe von Anbietern, unter anderem auch den Google Keyword Planner. Für den deutschen Markt wurden sehr gute Erfahrungen mit SISTRIX gemacht. Aber auch die Daten von Semrush und Searchmetrics eignen sich. Bei umfangreichen Analysen bietet es sich an, die Keywords aus mehreren Tools zusammenzufassen, um das Keywordset möglichst umfassend abzudecken. Die Daten aus dem Keyword Planner von Google Ads sind allerdings mit Vorsicht zu bewerten. In einem Konto ohne Werbebudget sind keine exakten Daten vorhanden oder die Keywords sind so zusammengefasst, dass sie für die Analyse kaum nutzbar sind. Bessere Daten erhält man im Keyword Planner durch die kostenpflichtige Schaltung von Werbung mit Google Ads. Die durch eine Ads-Kampagne gewonnenen Daten liefern nicht nur im Keyword Planner interessante Insights. Vielmehr können SEA-Kampagnen zur Vorbereitung eigener Maßnahmen in anderen Bereichen (z. B. SEO oder Display-Ads) genutzt werden. So erhält man exaktere Daten im Keyword Planner für Themen, die andere Keyword-Tools nicht oder nur teilweise abdecken können. Zudem lassen sich mit den Daten aus dem Google Keyword Planner die Angaben anderer SEO-Tools prüfen. Insbesondere der Vergleich zwischen den Keyworddaten und den Angaben in der Google Search Console hilft bei der Einordnung der Datenqualität. Das ist gerade bei größeren Kampagnen wichtig oder wenn mehrere Themen bzw. Keywords mit ähnlichem Suchvolumen laut SEO-Tool existieren.

Mithilfe der Kampagnendaten aus Google Ads oder von anderen Banner-Vermarktern kann außerdem eine zusätzliche Qualifizierung in Bezug auf saisonale Muster vorgenommen werden. Durch die gezielte Schaltung von Bannern auf den Webseiten der Wettbewerber können Markt- und Nutzungsdaten gesammelt werden, die sonst verborgen blieben. Mit genügend Vorlauf und Budget wäre eine Bannerschaltung über eine vollständige Periode der saisonalen Schwankungen ideal. Dies ist jedoch nur bei sehr großen Kampagnen-Budgets realistisch. Bei kleineren Budgets hilft es zumindest, die geschätzten Trafficdaten mit realen Daten zu vergleichen.

Da nun erste grobe Cluster und Keyworddaten vorliegen, können die Daten bereits auf erkennbare saisonale Schwankungen analysiert werden. Je undifferenzierter man die Cluster betrachtet, desto schwieriger lassen sich Ableitungen über die Saisonalität treffen. Analysiert man die Daten auf Ebene der Themengebiete, ergibt sich häufig ein ungenaues Bild. Das gesamte Suchinteresse der einzelnen Keywordcluster führt in Summe eher zu einer Abbildung von Saisonalitäten innerhalb einer Branche. Komplett gegenläufige Saisonalitäten einzelner Keywordcluster führen dann zu Mustern, die scheinbar schwächere Ausprägungen in der saisonalen Schwankungsbreite zeigen. So sieht man zum Beispiel beim Themengebiet „Schmerzen“, dass das Keywordcluster „Schmerzen in Körperteilen“ eine relativ geringe saisonale Ausprägung besitzt. „Halsschmerzen“ als Subcluster hingegen zeigt deutliche Ausprägungen im Frühling und den Wintermonaten.

Wesentlich eindeutiger ist die Betrachtung einzelner Keywordcluster, da hier nur die Saisonalitäten der relevanten Keywords in einem Teilbereich abgebildet werden. Aber auch einzelne Keywords können stark von der Saisonalität des Keywordclusters abweichen und damit den Gesamtschnitt des Clusters verfälschen. Die Frage ist hierbei, wie wichtig dieses Keyword innerhalb des jeweils betrachteten Clusters ist. Auch muss die Frage gestellt werden, ob ein Keywordcluster auf Grundlage extremer Schwankungen einzelner Keywords weiter aufgeteilt werden sollte. Handelt es sich um das Fokuskeyword eines Keywordclusters (z. B. Halsschmerzen), so sollte die Saisonalität dieses Keywords eine übergeordnete Rolle spielen. Ist es eher ein Nebenkeyword (z. B. Schmerzen im Hals), spielt eine abweichende Saisonalität eine untergeordnete Rolle. Existieren scheinbar unpassende Keywords mit saisonal deutlich abweichendem Muster in einem Cluster, so empfiehlt es sich, solche Ausreißerkeywords in ein separates Cluster auszugliedern.

Muster ohne historische Daten

Doch was tun, wenn noch nicht genügend historische Daten zu Suchvolumen pro Monat vorhanden sind? Bei sehr aktuellen Themen, die eine junge Saisonalität haben, stehen nicht ausreichend Keyworddaten zur Verfügung. Damit lassen sich in der Regel noch keine klaren Muster erkennen. Hier sind Marktkenntnisse bzw. Hintergrundwissen gefragt, ob es sich um ein neues Thema handelt. Ist das der Fall, können Trendanalysen wie Google Trends beim Auffinden von Mustern helfen. Es kann nämlich sein, dass sich neue Begriffe für ein Thema erst einmal etablieren müssen und anfangs unter anderen Suchbegriffen in angrenzenden Themengebieten auf Basis beschreibender Merkmale Verwendung finden. Insbesondere bei neuen, disruptiven Technologien sowie bei neuartigen Krankheiten bilden sich Gattungsbegriffe erst mit der Zeit.

Somit kann sich die Saisonalität auch aus dem Zusammenspiel der saisonalen Nachfrage für die Vorgängerbegriffe entwickeln oder das Fokuskeyword kann sich verändern. Gut sichtbar ist dies beim Keyword „E-Bike“. Bis 2010 war „Elektrofahrrad“ der dominante Suchbegriff. Ergänzend kam „Pedelec“ als zusätzliche Produktart hinzu. Erst seit 2012 hat sich der Begriff „E-Bike“ als übergreifender Gattungsbegriff so weit dominant entwickelt, dass er die Suche nach „Elektrofahrrad“ fast vollständig ersetzt und gleichzeitig im allgemeinen Sprachgebrauch die Pedelecs subsumiert hat. Die Saisonalität für E-Bikes war jedoch bereits 2006 erkennbar. Nur eben unter anderen Suchbegriffen.

Neben Suchvolumendaten aus SEO- bzw. SEA-Tools sowie Google Trends gibt es allerdings auch eine Vielzahl anderer Datenquellen, die für die Suche nach Saisonalitäten genutzt werden können. Dazu gehören auch Trendstudien sozialer Medien. Beispielsweise stellt Pinterest Trendanalysen mit globalen Pinterest-Suchdaten zur Verfügung. Hier werden nicht nur vergangene Trends analysiert, sondern zudem Ableitungen für das aktuelle Jahr getroffen. So haben sich in der Vergangenheit nach Aussage von Pinterest acht von zehn der Trendvorhersagen für 2021 bewahrheitet. Die Vorhersage von Trends trägt bei Pinterest den Namen „Pinterest Predicts֧“ (business.pinterest.com/de/pinterest-predicts/). Zudem bietet Pinterest für einige Zielmärkte die Trendanalyse vergangener Entwicklungen an (trends.pinterest.com). Für die Ableitung eigener Marketing-Aktivitäten oder die frühzeitige Identifikation neuer Saisonalitäten können dies zusätzliche Quellen sein.

Konsumverhalten analysieren

In Bezug auf das Konsumverhalten bieten Prospekte von Discountern ebenfalls eine verlässliche Quelle für saisonal wiederkehrende Bedürfnisse. Hier sind es zum Beispiel die Fitnessgeräte zum Jahresanfang, die Gartenthemen im März oder die Heimwerkerthemen im September. Interessant sind zudem Entwicklungen, die sich im Laufe der Zeit verändern, wie beispielsweise bei dem Produkt „Mottenpapier” in der historischen Betrachtung auf Basis der Prospekte. Google Trends zeigt eine verlässliche Hochsaison für Juni bis August. Discounter haben dieses Produkt vor zehn Jahren noch direkt innerhalb der Hochsaison im Sortiment angeboten. Mittlerweile hat sich der Angebotsrhythmus jedoch in den April verschoben, da die Nachfrage hier bereits ansteigt und Kundinnen und Kunden scheinbar schon für die Hochsaison vorsorgen wollen. Im Juni und Juli haben also alle schon ihr Mottenpapier und die Kaufnachfrage sinkt bereits wieder. Den Bedarf bereits vor dem Trend zu bedienen, sollte in die eigenen Aktivitäten einbezogen werden. Für die Contentproduktion bedeutet dies einen zusätzlichen Vorlauf, der bei der Produktionsplanung berücksichtigt werden muss.

Ähnlich verhält es sich mit Marketing- und Contentplänen zum Beispiel von Zeitungen und Printmagazinen. So veröffentlicht zum Beispiel die Zeitschrift „Brigitte“ von Mai bis Juli die Bade- und Sommermoden, von August bis Oktober geht es stärker um die Gestaltung von Innenräumen, ab Oktober verstärkt um Adventsdekoration und Weihnachtsplätzchen. Das Ganze gipfelt im Special zu Völlegefühl in Magen und Darm im Dezember. Diäten hingegen sind rum ums Jahr eingeplant. Für Werbekunden wird diese Planung gewöhnlich in den sogenannten Mediadaten der Verlage vorab kommuniziert. Somit ist bereits Monate im Voraus bekannt, welche Themen durch reichweitenstarke Massenmedien befeuert werden.

Welche Erkenntnisse ergeben sich daraus und welche Fallstricke gibt es?

Jetzt stellt sich bei all diesen plakativen Beispielen bestimmt trotzdem die Frage: Lohnt sich das saisonale Marketing überhaupt für mich bzw. in meiner Branche? Gegenfrage: Wo lohnt sich saisonales Marketing nicht? Es gibt keine Branche, in der sich keine saisonalen Aspekte nutzen lassen. Dafür ist es allerdings nötig, genau hinzuschauen und über den Tellerrand hinauszublicken. Der grobe Blick auf das Thema, bei dem sich keine Saisonalität ableiten lässt (oder man diese nicht erwartet), kann täuschen, denn die Saisonalität verbirgt sich meist im Detail, wie schon bei der Betrachtung der Unterschiede auf Themen-, Cluster- und Keywordebene festgestellt wurde.

Zunächst sollte man sich bewusst sein, was für die Muster einzelner Branchen verantwortlich ist. Andererseits gibt es auch Gegebenheiten, die die gewohnte Saisonalität aufbrechen können. Wird zum Beispiel das altbekannte Datum einer jährlich wiederkehrenden Messe in einem Jahr plötzlich verschoben, kann dies zur Folge haben, dass das gewohnt hohe Suchinteresse in diesem Jahr geringer ausfällt. Somit bricht die Saisonalität zunächst weg, bis sich ein neuer (oder wieder der alte) Rhythmus eingestellt hat. Auch führt ein verschobenes Branchenevent häufig zur Verschiebung davon abhängiger Themen, zum Beispiel, weil dadurch neue Produkte zu einem anderen Zeitpunkt die Markteinführung erfahren (siehe Beispiel „Mobile World Congress“).

Nicht vergessen sollte man die trügerischen Ausreißer, die als einzelne Keywords die Saisonalität des gesamten Clusters verfälschen können. So zu sehen beim Thema Flut. Als Thema in Bezug auf Gezeiten und jahreszeitlich bedingte Phänomene zeigt es eine natürliche Saisonalität in Sommer und Winter auf. Durch einzelne, besonders starke Flutkatastrophen, wie im Sommer 2021, sorgt das einzelne Keyword „Flutkatastrophe“ für einen starken Anstieg des gesamten Themenclusters, welcher die sonstige Saisonalität minimal erscheinen lässt.

Regionalität & Semantik

Regionale Besonderheiten wurden bereits kurz angesprochen. Das Suchvolumen kann regional große Unterschiede aufweisen. Derartige Unterschiede sieht man auf internationaler Ebene genauso wie beim Suchverhalten nach Bundesländern und sogar im Sublokalen. So sorgt das Thema „Gartenbeleuchtung“ in Bayern für eine rege Saisonalität, die jeweils im April/Mai den Höhepunkt erreicht. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen weht diesbezüglich ein eher laues Lüftchen, aus dem sich keine starke Saisonalität ableiten lässt. Dieses Wissen kann man sowohl für die Steuerung von Kampagnen nutzen als auch für die Ansprache von Kundinnen und Kunden.

Ein weiterer Punkt in der Liste der Stolpersteine ist die semantische Abgrenzung der Themencluster. Es kann passieren, dass innerhalb eines Clusters unbemerkt ein semantisch angrenzender Themenraum erfasst wurde, der Einfluss auf die Saisonalität nimmt. Wie bei dem Beispiel Kfz-Zubehör. Hier überlagern sich Suchbegriffe aus dem Ersatzteilmarkt mit Tuningzubehör. Suchintention und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden könnten kaum weiter auseinanderliegen. Daher lohnt sich eine Segmentierung der Themengebiete trotz deutlicher Überschneidung der zugrunde liegenden Keywords.

Um dies zu vermeiden, bietet sich eine SERP-getriebene Clusteranalyse an. Dazu werden die Keywords eines Clusters aufgrund der Ähnlichkeit der Suchergebnisse innerhalb der Suchergebnisseiten (SERPs) für die Top 10 oder Top 20 zusammengefasst. Mit dem strukturellen Aufbau der SERPs zeigt Google zusammenhängende Keywordcluster. Gleichzeitig verrät der Aufbau der SERPs viel über die Suchintention. Semantisch verwandte Keywords können mithilfe solcher SERP-Muster automatisch separaten Clustern zugeordnet werden. Auf Grundlage dieser granularen Cluster lassen sich dann Musteranalysen anwenden.

Was bringt das Wissen über die Saisonalität für die eigene Contentstrategie?

Teilweise lassen sich anhand saisonaler Nachfrage der gesamte Produktlebenszyklus und das damit gekoppelte Suchinteresse abbilden. Daraus wiederum können wichtige Ableitungen zur Contentstrategie erfolgen. Ziel dabei ist, dass bereits vorhandener Content zum richtigen Zeitpunkt in Suchmaschinen verfügbar ist und positive User-Signals gesammelt hat. Contentlücken lassen sich zudem mithilfe der zuvor beschriebenen Analysen auffüllen. Ergänzt um SEO-Maßnahmen können Inhalte so zum richtigen Zeitpunkt in die Top 10 der Suchmaschine geschoben werden, noch bevor die Nachfrage ansteigt und ihren Höhepunkt erreicht. So wird potenziell der komplette Nachfrage-Peak in unternehmerisch wertvollen Traffic verwandelt.

Nimmt man als Beispiel Apples iPhones, kann man ab dem Moment des Produktlaunches im September die erwarteten Suchanfrage-Peaks sehen, meistens gefolgt von einem weiteren Anstieg zum Weihnachtsgeschäft im November/Dezember. Hier sollten bereits alle relevanten Produktdetailseiten, Vergleiche, Tests und Kaufratgeber online sein und die Zielgruppe abholen. Beim Suchbegriff „iPhone wasserdicht“ erkennt man, dass dieser bereits vor dem Produktlaunch stärkeres Interesse erzeugt. Wer jedoch erst mit der Verfügbarkeit eines Produkts Online-Inhalte erstellt oder anbietet, wird die größte Nachfrage nicht bedienen können. Gerüchte und News zu Funktionalitäten oder dem (möglichen) Aussehen des Produktes werden lange vor Markteinführung gesucht. Will man das Themencluster vollumfänglich bedienen und den Markt frühzeitig besetzen, muss somit weit im Voraus Content erstellt und das Informationsbedürfnis der Zielgruppe bedient werden, noch bevor daraus transaktionale Suchanfragen werden. Ein Teil der informationellen Inhalte verliert mit dem Produktlaunch seine Relevanz, sammelt aber bereits User-Signals und sorgt für Autorität gegenüber Suchmaschinen. Zubehörthemen wie „iPhone Hülle“ hingegen steigen meist erstmals im Dezember kurz nach dem Produktlaunch auf ihren Höchstwert. Aber auch zum Launch ist bereits ein hohes Interesse an Zubehör vorhanden, worauf mit entsprechendem Content bzw. Produkten rechtzeitig reagiert werden sollte. Das Interesse an Help-Themen wie „iPhone Akku“, „iPhone Screenshot“ und „iPhone einrichten“ steigt meist wenige Wochen oder Monate nach der Verfügbarkeit bzw. dem Erwerb deutlich an. Dies sind außerdem Evergreen-Themen, die das ganze Jahr über relevant bleiben. Die Planung der Evergreen-Themen lässt sich gewöhnlich durch die Muster früherer Gerätegenerationen und Gerätefunktionen durchführen. Für maximalen ROI ist es daher sinnvoll, Service-Content (z. B. „iPhone wie am besten laden") bereits mit dem Produktlaunch bzw. so früh wie möglich zu veröffentlichen.

Eine grafische Aufarbeitung der Saisonalität wichtiger Keywordcluster zeigt deutlich, zu welchem Zeitpunkt welche Art von Inhalten nachgefragt wird. Nicht nur für Ratgeber- und News-Content sind diese Saisonalitäten wichtig. Auch für Shops lassen sich hilfreiche Erkenntnisse ableiten. Wie oben bereits angedeutet, sollten auch die Produktdetailseiten rechtzeitig zum Produktlaunch oder zu Neuerungen online sein. Das Beispiel des iPhones lässt sich nicht auf jede Branche übertragen. Betrachtet man einmal einen Anbieter von Premium-Grills, liegen das Präsentieren von Grillrezepten rechtzeitig zur Saison, Produkttests und das Angebot von Zubehör nahe. Und wie wäre es mit einem Allergiekalender für Grillfreunde? So können unter Heuschnupfen leidende Grill-Enthusiasten nachsehen, zu welcher Zeit sie problemlos und ohne Allergietabletten draußen grillen können.

Positive Kontakte können auf vielfältige Weise entstehen. Insbesondere unerwartete positive Kontakte zu Marken bleiben im Gedächtnis und wecken das Interesse. Der Hersteller nutzt bewusst die Nische, um Aufmerksamkeit zu erregen, und kann gleichzeitig weitere saisonale Nachfrage nutzen. Derartige Kontakte zu Kundinnen und Kunden lassen sich um Remarketing oder E-Mail-Marketing ergänzen und so auch antizyklisch realisieren. Eine solche Kampagne kann also bewusst entgegen den bekannten saisonalen Mustern die Bedürfnisse der Zielgruppe bedienen oder das Interesse kurz vor Beginn der Saisonalität positiv beeinflussen.

Wie hoch der Erfolg (Traffic, Transaktionen etc.) bei saisonalen Inhalten ist, hängt maßgeblich vom Veröffentlichungszeitpunkt ab. In der obigen Abbildung der Keywordmuster wird beispielsweise angezeigt, zu welchem Zeitpunkt die Nachfrage bei den einzelnen Keywords am stärksten ist (dunkelgrün eingefärbt). Vor diesem Zeitpunkt weisen allerdings viele Keywords schon eine anfängliche Nachfrage auf (gelbe Färbung). Dies zeigt, wie weit im Voraus entsprechender Content online sein muss, um die ersten Nachfragenden zu erreichen und den Peak in vollem Umfang mitzunehmen. Außerdem zeigt uns die Grafik, wie lange die Nachfrage nach dem Peak (hier ein Produktlaunch) noch besteht und wie hoch sie ist. Die Publikation der Inhalte muss allerdings noch viel früher erfolgen, denn zum Teil dauert es Wochen und Monate, bis Inhalte in den Suchindex aufgenommen werden und sie sich auf einer Position in den SERPs eingependelt haben. Vor dem Peak ergibt sich so die Möglichkeit, Autorität und Trust für das Thema aufzubauen. So ist es leichter, sich gegen starke Wettbewerber zum Nachfrage-Peak durchzusetzen. Werden hingegen Push-Kanäle genutzt, so kann es bei schönstem Sommerwetter ein regelrechtes Sommerloch geben, in welches mit Push-Marketing nur dann direkt publiziert werden sollte, wenn das Interesse durch entsprechende Reichweite befeuert werden kann. Ist absehbar, dass eine Schlechtwetterfront kommt, sind die Zielgruppen digital leichter zu erreichen, da die Screen-Time wieder steigt. Denn je weniger Nutzer und Nutzerinnen ihre Zeit vor einem Display verbringen, desto eher verpufft der erzielbare Effekt der Contentkampagnen.

Bei all den Einschränkungen und Sonderfällen saisonaler Muster darf man nicht aus den Augen verlieren, welche Cluster das größte Potenzial haben. Was bringt ein saisonales Content-Piece bei insgesamt geringer Nachfrage oder extremem Wettbewerb? Wichtig ist also, die „golden Nuggets“ zuerst zu bedienen. Das bedeutet, herauszufinden, welche Cluster ein hohes Suchvolumen bei gleichzeitig moderatem Wettbewerb aufweisen und zu den Zielen passen. Je stärker der Wettbewerb ist, desto früher sollten Optimierung, Produktion und Marktbeobachtung beginnen. Als grober Richtwert gilt, dass der anvisierte Themenraum bereits sechs Monate vor Saisonstart besetzt werden sollte. Der genaue Zeitpunkt ist allerdings stark branchenabhängig. Bei starker Newsabhängigkeit kann kurzfristiges Handeln effektiv sein. Bei langfristig besetzten Themen, insbesondere aus dem Bereich YMYL (Your Money/Your Life), sollte mit längeren Vorlaufzeiten für den Aufbau entsprechender Google-Autorität geplant werden. Empfehlenswert ist ebenfalls, die wichtigsten Keywords mindestens sechs Monate vor Saisonbeginn in Bezug auf Rankingveränderungen zu beobachten. Nur so lassen sich Wettbewerbsaktivitäten oder andere Veränderungen in den SERPs frühzeitig erkennen. Optimierungsintervalle für saisonalen Evergreen-Content können gewöhnlich aus historischen Daten abgeleitet werden. Mindestens muss aber drei Monate vor der Saison mit ersten Optimierungen begonnen werden. Bei Auswahl der Inhalte und des Veröffentlichungszeitpunkts sollte man sich allerdings nicht ausschließlich auf Tools und Analysen verlassen. Eine spezialisierte Redaktion besitzt wertvolles Insiderwissen und Erfahrungswerte, die kein Tool ersetzen kann und die unbedingt berücksichtigt werden müssen.

Für die Contentproduktion ist es sinnvoll, die eigenen Contentprozesse wie Analyse, Briefing, Abnahme, Produktion etc. auf den Nachfragetrend zu optimieren. Dabei sind Lücken in der Nachfrageintensität nützlich, um antizyklisch produzieren zu können. Nicht nur Produktion, Einkauf und Lagerhaltung der Hersteller oder Händler richten sich nach saisonaler Nachfrage, sondern eben auch die eigenen Contentkalender. So wird dem frischen Content genügend Zeit gegeben, sich zu akklimatisieren, User-Signals zu sammeln und sich in den SERPs günstig zu platzieren. Eine Anreicherung bestehender Inhalte um weitere Aspekte kurz vor oder in der Anfangsphase einer Saisonalität sendet positive Rankingsignale an Suchmaschinen. Das sollte in der Planung der Contentaktivitäten berücksichtigt werden.