Gendern: Wahn oder Sinn?

Michael Weber

Michael Weber arbeitet als freier Journalist mit dem Schwerpunkt Online-Content. Er ist spezialisiert auf Artikel und Ratgeber sowie Onpage-SEO. Er berät seine Kunden bei der strategischen Ausrichtung und beim Schaffen nutzerfreundlicher Inhalte. Sein Ziel ist es, Informationen so verständlich wie möglich zu präsentieren und zugleich ein Höchstmaß an Relevanz für Suchmaschinen zu schaffen.

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Man kann leicht das Gefühl bekommen, das Gendern spaltet aktuell die Menschen. Während die einen es als absolute Pflicht betrachten, sehen das andere eher gelassen und vertreten die Meinung, die Verwendung von Wörtern oder der Artikel der/die/das habe eher wenig mit der praktizierten Gleichstellung in der Gesellschaft zu tun. Verkauft man in einem Online-Shop vielleicht weniger, wenn man nur von „Kunden“ spricht? Macht es das schnelle Erfassen von Text komplizierter und wirkt sich an bestimmten Stellen sogar hinderlich aus, wenn man mit Begriffen wie „Bürger*innenmeister*innenkandiant*innen“ arbeitet? Würde ein sehbehinderter Mensch dies noch korrekt decodieren können? Und was sagen die Algorithmen von Google zu den neuen Wortschöpfungen? Sollte man gendern, aber damit riskieren, Traffic und Umsatz durch schlechtere Rankings zu verlieren? Das ist sicher keine leichte Entscheidung.

Unbestritten ist wohl, dass die rechtliche Gleichstellung aller Geschlechter unsere Gesellschaft derzeit rasant verändert. Daraus sind auf vielen Ebenen neue Anforderungen und Herausforderungen gewachsen. Eine Lösung sollen die Genderzeichen sein. Diese führen wie erwähnt zu einer stellenweise durchaus zu rabiat geführten Diskussion. Wer glaubt, das alles hätte für Online-Marketing oder Suchmaschinenoptimierung keine Relevanz, irrt leider gewaltig, denn die künstlich initiierte Veränderung der Sprache hat durchaus praktische Auswirkungen. Zum einen geht es um die korrekte Ansprache für Intersex-Personen – zum Beispiel in Formularen. Zum anderen geht es um Relevanz in Suchsystemen und damit um die Verwendung von Genderzeichen in Texten.

Michael Weber versucht für Sie eine Bestandsaufnahme – mit festem Blick auf die Praxis.

Um die Reichweite der Genderproblematik zu verstehen, sind Erläuterungen rund um das Thema und zum Status quo erforderlich. Der Begriff Gendern ist mehrdimensional. In der öffentlichen Diskussion steht die geschlechtersensible Sprache im Vordergrund. Diese soll durch geeignete Formulierungen Menschen aller biologischen Geschlechter einschließen. Dabei sind Genderzeichen wie das Sternchen oder der Doppelpunkt nur eines der verschiedenen Mittel. Genau genommen machen diese sogar nur einen kleinen, aber eben strittigen Teil davon aus.

In der Sozialpsychologie steht deutlich mehr hinter dem Begriff Gendern, der im Wortsinn das „soziale Geschlecht“ meint. Es geht, vereinfacht gesagt, um das Erkennen und Berücksichtigen geschlechterspezifischer Unterschiede und um eine daraus zu entwickelnde Strategie, Geschlechterdiskriminierung durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden.

Das Gendern der Sprache

Reduziert auf die Sprache bedeutet das Gendern, alle Geschlechter anzusprechen und abzubilden. Das ist zum Beispiel durch neutrale Wortformen wie „Arbeitskräfte“ statt „Arbeiter“ oder durch die Nennung weiblicher und männlicher Formen wie „Lehrerinnen und Lehrer“ möglich. Selbst das generische Maskulinum, also die männliche Pluralform wie zum Beispiel bei „Spezialisten“, ist im rein sprachlichen Sinn – teilweise umstritten – eine neutrale Form. Diese Formulierungen zielen jedoch in erster Linie auf Männer und Frauen ab.

Das dritte Geschlecht

Allerdings gibt es auch Personen, die sich nicht binär verorten lassen. Zur korrekten Ansprache dieser Intersex-Menschen sind andere Formen erforderlich. Seit Langem gibt es Bestrebungen von Gruppierungen, dafür besondere Schreibweisen durchzusetzen.

Was sind Genderzeichen?

Unter Genderzeichen sind besondere Zeichen zu verstehen, die männliche und weibliche Wörter zu einem neuen Begriff verbinden, mit dem so auch weitere Geschlechter angesprochen werden sollen. Im Wesentlichen gibt es die folgenden Varianten:

  • Das Binnen-I wie bei „MitarbeiterInnen“.
  • Der Gender-Gap wie bei „Autor_innen“.
  • Das Gender-Sternchen bei „Leser*innen“.
  • Der Doppelpunkt bei „Sportler:innen“.

Die aktuelle Diskussion fokussiert sich stark auf diese Genderzeichen. Das Gendern als solches rückt dadurch etwas in den Hintergrund. Das liegt letztlich auch daran, dass die deutsche Sprache für das dritte Geschlecht keinen Fundus an Wörtern hat, der den Herausforderungen gerecht wird.

Durch das Schaffen künstlicher Konstrukte entsteht jedoch eine Situation, die für alle Seiten unbefriedigend ist. Es gibt einerseits keinen gesellschaftlichen Konsens über das „Ob“. Andererseits gibt es selbst unter den Befürworterinnen und Befürwortern keine Einigung über das „Wie“.

Gendern per Gesetz: das dritte Geschlecht

Ausgangspunkt der neu entfachten Diskussion um das „Wie“ im Gendern ist das Bundesverfassungsgericht. Nach einer Klage stellte dieses verfassungskonform nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes die Gleichheit von Intersex-Personen fest. Das Urteil vom 10. Oktober 2017 (Az.: 1 BvR 2019/16 (einfach.st/buvg8)) forderte unter anderem einen dritten Geschlechtseintrag ins Personenstandsregister für Personen, die sich „dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen“.

Dem ist der Gesetzgeber nachgekommen. Die Folge sind erhöhte Anforderungen für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Vielleicht am bekanntesten sind die Änderungen bei den Stellenangeboten, die sich nun an Männer, Frauen und diverse Personen (m/w/d) richten müssen.

Juristisch sind nur Intersex-Menschen gemeint

Für die Diskussion um das Gendern ist der genaue Wortlaut des Urteils wichtig. Denn die Entscheidung bezieht sich auf Intersex-Menschen. In Deutschland ist die Datenlage überraschend unklar. Nach wissenschaftlichen Standards geschätzt handelt es sich um rund 0,2 Prozent der Bevölkerung oder ca. 165.000 Menschen. Von diesen nutzt jedoch nur ein Bruchteil die neue Möglichkeit, sich offiziell durch Eintrag in den Personalausweis bzw. ins Personenstandsregister als diverser Mensch zu bezeichnen (lt. Ärzteblatt, einfach.st/aeblatt). Alle anderen bevorzugen einen Eintrag als Mann oder als Frau.

Das klingt nebensächlich. Juristisch gelten alle Vorgaben jedoch nur für diese Gruppe. Nicht gemeint sind damit zum Beispiel Transgender-Personen, die sich im falschen Körper gefangen fühlen oder eine Geschlechtsumwandlung anstreben oder noch nicht abgeschlossen haben. In der Praxis müssten diese Menschen sich – auch bei der Anredeauswahl in Webformularen – vereinfacht gesagt für „Herr“ oder „Frau“ entscheiden. Anderslautende Klagen sind bislang gescheitert. Allerdings kann sich das durch ein geplantes Gesetz in Zukunft ändern.

Anrede: Option für Diverse ist Pflicht

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung des dritten Geschlechts hat eine enorme Relevanz für das praktische Leben – auch für das Online-Marketing und die Suchmaschinenoptimierung. Viele Standards im Internet funktionieren nicht mehr wie zuvor. Ein besonderes Problem ist eine adäquate Anrede für das dritte Geschlecht, die „Herr“ oder „Frau“ ersetzt. Eine solche dritte Auswahl ist jedoch zumindest bei Pflichtangaben in Webformularen rechtlich erforderlich. Das musste zum Beispiel die Deutsche Bahn AG leidvoll erfahren. In seinen Formularen bot das Unternehmen nur die Anrede-Auswahl „Herr“ oder Frau“ an. Das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte den Konzern im Zuge eines Verfahrens dazu, auch Intersex-Menschen eine Option anzubieten. Wie diese auszusehen hat, ließ das Gericht offen.

Das Problem mit der Anrede

Die aktuelle Rechtslage ist eindeutig: Formulare und Kundenaccounts müssen eine Option wie „divers“ bieten oder diese Abfrage ganz unterlassen. Letzteres entspricht im Übrigen auch der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Diese fordert Datenminimierung. Aber ist die klassische Anrede wirklich verzichtbar? Wie könnte eine gendergerechte Lösung lauten?

In vielen Branchen lässt sich das mit einem „Hallo“ und „Guten Tag“ lösen. Aber nicht in allen. Ein Beispiel ist das Finanzwesen, in dem ein höfliches „Sehr geehrte Frau Musterberg“ oder „Sehr geehrter Herr Musterberg“ geradezu Pflicht ist. Ein einfaches: „Guten Tag, Frauke Musterberg“, oder gar ein: „Hallo, Herbert Musterberg“, ist verpönt. Und was ist, wenn sogar der Vorname unbekannt ist? Die Schwierigkeiten für Online-Marketing-Aktivitäten wie E-Mail-Kampagnen liegen auf der Hand.

Das Problem und keine Lösung

Doch eine passende direkte Anrede ist nur eine Baustelle, die durch die rechtliche Situation und die Gender-Debatte deutlich wird. Eine weitere, viel gravierendere Folge ist das Bestreben, eine gendersensible Sprache zu finden.

Dabei scheinen Sonderzeichen auf den ersten Blick eine gute Lösung zu sein. Allerdings gibt es kein einheitliches Bild, welche Varianten zu nutzen wären. Zuletzt scheinen sich Doppelpunkt und Gender-Sternchen zumindest in einigen Kreisen durchzusetzen. Bei näherem Hinsehen ergeben sich Probleme, gegen die fehlende Pronomen und Anreden für nicht-binäre Personen fast schon Kinderkram sind.

Aufgeladene Diskussion

Für das Verständnis ist auch in diesem Punkt ein kleiner Blick auf die Situation erforderlich. Zum einen forcieren Hochschulen, Medien sowie Interessenverbände der LGBTQ-Community (LGBTQ = lesbian, gay, bisexual, trans and queer) den Gebrauch insbesondere von Doppelpunkt und Gender-Sternchen. Zum anderen ist die daraus hervorgehende Diskussion um diese Konstrukte aufgeladen. Es prallen nicht nur Meinungen, sondern ganze Weltanschauungen aufeinander. Auf allen Seiten sind Argumente stark von der eigenen Ideologie gefärbt und objektiv betrachtet häufig ein einseitiger Teil eines großen Ganzen.

Ein Beispiel dazu ist das generische Maskulinum, also die männliche Pluralform von Begriffen wie „Anwälte“. Grammatikalisch und sprachlich bezeichnet das generische Maskulinum alle Menschen und würde so explizit alle Geschlechter einschließen: Männer, Frauen und Intersex-Menschen. Wichtig für die Diskussion: Das sprachliche Geschlecht hat nichts mit dem biologischen gemein. So betont es unter anderem eine Aktion von Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern, die sich in einer aktuellen Stellungnahme vehement gegen das Gendern aussprechen (einfach.st/leser56).

Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass sich Bezeichnungen durchaus geschlechtsspezifisch entwickelt haben. Das betrifft ganz besonders Berufe und Rollen. Einige Beispiele: Krankenschwester, Hebamme sowie Ratsherr und Handwerker. Es gibt eine Entwicklung der Bezeichnungen, die im historischen Kontext als geschlechtsspezifisch und damit als potenziell diskriminierend zu verstehen sind. Sprache ist aus diesem Blickwinkel stets ein Stück Manifestation von Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern. Allerdings sind Forschungsarbeiten dazu umstritten und lassen sich mitunter durch reale Daten widerlegen.

Schafft Sprache Tatsachen?

Die Kritik am generischen Maskulinum ist genauer zu beleuchten. Insbesondere lassen sich verschiedene Forschungen, die geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Berufswahl mit der Berufsbezeichnung in Zusammenhang bringen, nicht ausreichend verifizieren. So könnten Mädchen zum Beispiel von Berufsbezeichnungen wie „Arzt“ abgeschreckt werden, Medizin zu studieren. Doch ausgerechnet bei dieser klassisch männlich gefärbten Berufsbezeichnung sprechen Zahlen dagegen (einfach.st/destatis3). Grob zwei Drittel der erfolgreich das Fach Humanmedizin absolvierenden Personen sind Frauen! Das Ergebnis lässt aufhorchen, denn im Sprachgebrauch heißt es „zum Arzt gehen“ und kaum „zur Ärztin gehen“.

Unabhängig vom eigenen Standpunkt bleibt ein Problem: Die deutsche Sprache kann in vielen Fällen Geschlechter bereits jetzt gleichermaßen umschreiben. Sie „muss“ jedoch eine Lösung finden, diverse Personen anzusprechen und sprachlich zu integrieren. Das trägt zu Gleichberechtigung bei und verhindert Diskriminierung. Genderzeichen schaffen jedoch neue Probleme.

Genderzeichen grenzen aus!

So sehr sich bestimmte Gruppierungen neue Schreib- und Sprechweisen wünschen: Genderzeichen sind ein Problem. Zwar wirken sie auf den ersten Blick elegant und scheinen als Brücke sinnvoll zu sein. Aber: Sie grenzen aus. Denn sie erschweren es benachteiligten Menschen, Aussagen und Texte zu erfassen.

„Es gibt rund sechs Millionen funktionale Analphabeten in Deutschland, aber nur rund 165.000 nicht-binäre Personen.“

Diese Zahlen sprechen gegen Genderzeichen. Es gibt in Deutschland nach Schätzungen rund sechs Millionen Menschen, die unzureichend lesen und schreiben können (einfach.st/lesen23). Es gibt Millionen von Personen mit einem Migrationshintergrund. Darunter ist ein Teil, der Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat. Sehbehinderte und blinde Menschen können mit ihren Screenreadern die genutzten Genderzeichen nur bedingt korrekt erfassen. Hinzu kommen Menschen mit einer geistigen Behinderung, die auf leichte Sprache angewiesen sind. Nicht zuletzt leiden auch Kinder unter den genutzten Sonderzeichen, da diese nicht zur gelernten Rechtschreibung passen.

Wichtig: Diese Gruppen sind teilweise deckungsgleich. Es handelt sich außerdem um Menschen, die nicht immer Zielgruppe der eigenen Online-Aktivitäten sein müssen. Vielleicht gibt es sogar Unternehmen und Webseitenbetreiber, die auf diese Gruppen als Kundschaft verzichten wollen oder können. Wer jedoch ohnehin schon Probleme hat, Sprache korrekt zu erfassen, wird es bei Genderzeichen nicht leichter haben. Damit grenzen Genderzeichen Millionen von Menschen aus, während sie im juristischen Sinne geschätzt maximal 165.000 nicht-binäre Personen einschließen sollen.

Die von der LGBTQ-Community propagierten Lösungen mit Sonderzeichen sollen ebenfalls Transmenschen ansprechen. Aber auch das sind je nach Quellen maximal wenige Hunderttausend. Der Verein Trans-Ident gibt zum Beispiel eine kleine fünfstellige Zahl an. Hierbei handelt es sich jedoch um operierte Transsexuelle, nicht um Transgender-Personen mit unklarer gefühlter Ausrichtung (einfach.st/trans3).

Vor diesem Hintergrund ist es äußerst fraglich, dass Genderzeichen „alle“ einschließen sollen. Für Männer und Frauen gibt es Lösungen. Die Zahl der außerdem zu berücksichtigenden tatsächlich betroffenen oder sich betroffen fühlenden Personen liegt je nach Quelle im niedrigen sechsstelligen Bereich. Sie bleibt deutlich hinter der Zahl der Menschen zurück, denen Sonderzeichen zusätzliche Verständnisprobleme bereiten.

Was sagt eigentlich Google zu den Sonderzeichen?

Wie schwierig das Umsetzen einer gendersensiblen Schreibweise mit Sonderzeichen ist, zeigt ausgerechnet Google auf. Denn im Online-Marketing und in der Suchmaschinenoptimierung gibt es Schwierigkeiten an überraschenden Stellen, die eine Nutzung wenig zielführend erscheinen lassen.

„Ein gutes Ranking wird mit Genderzeichen erschwert.“

Die einfache Botschaft: Ein gutes Ranking der eigenen Webseite bei Google und anderen Suchsystemen wird mit Genderzeichen erschwert. Zwar ist es möglich, dass diese Formen nach und nach anders bewertet werden. Derzeit liefern „:“, „I“, „_“ und „*“ und selbst das klassische „/-innen“ keine guten Ergebnisse beim Einsatz auf Webseiten. Zumindest nicht dann, wenn die Intention unter anderem eine gute Platzierung in der Websuche mit den so gegenderten Begriffen ist.

1. Das Binnen-I wird nicht erkannt

Die Variante mit dem Binnen-I stößt bei Google Suchmaschinen ein auf ganz besonderes Problem. Die Crawler arbeiten nicht case-sensitive. Das bedeutet: Sie erkennen zwar, ob es sich um einen großen oder kleinen Buchstaben handelt. Technisch gesehen, sind beide Formen jedoch identisch. Daher liest Google Schreibweisen wie bei „MitarbeiterInnen“ als weibliche Pluralform (Abb. 1).

Das kann dazu führen, dass wichtige Keywords (hier: „Mitarbeiter“) von den Crawlern nicht als solche erkannt werden. Das heißt, der männliche Teil mit dem – fast immer – größeren Suchvolumen geht unter.

Schlimmer noch: Je nach Einsatzform des Binnen-I erkennen Suchmaschinen möglicherweise den Zusammenhang und die Relevanz nicht mehr genau. Das kann bei der Bewertung der Such- und Nutzerintention zu einer schwächeren Einstufung führen und sogar negativ auf den wichtigen Qualitätsfaktor bei SEA-Kampagnen wirken.

2. Der Gender-Gap „_“ erscheint weiblich

Beim Gender-Gap, dem Unterstrich, sehen die Ergebnisse ähnlich aus. Sofort kommt bei Google zum Beispiel ein Vorschlag, nach der weiblichen Pluralform zu suchen. Selbst ein Klick auf die Version mit Unterstrich listet die Femininum-Form auf. Der Unterstrich ist daher wie das Binnen-I für Online-Marketing und SEO denkbar schlecht geeignet.

3. Der Doppelpunkt als Kuriosum

Kurios sind die Ergebnisse beim Doppelpunkt. Offenbar erkennt Google Begriffe mit dem Doppelpunkt. Jedoch fasst die Suchmaschine das so zusammengezogene Doppelwort als eigenes Keyword auf. Die ersten Treffer zeigen entweder Webseiten, in denen der Begriff mit Doppelpunkt häufig vorkommt, oder Informationen zum Gendern.

Erst danach kommen auf hinteren Rängen Auflistungen von Personen mit diesem Beruf. Bei anderen Suchanfragen erscheinen sowohl die Doppelpunktvariante als auch die weibliche Pluralform (Abb. 2).

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Google dabei ist, den Doppelpunkt auch als Gender-Zeichen zu verstehen. Nur der Kontext passt noch nicht immer. Das heißt: Es gehen derzeit bei der Suchmaschinenoptimierung sowohl die weibliche als auch die männliche Form verloren.

4. Das Gender-Sternchen macht es nicht besser

Das Gender-Sternchen ist laut Blinden- und Sehbehindertenverband das kleinste Übel für die Barrierefreiheit (einfach.st/dbsv8). Im Online-Marketing liefert es jedoch ebenfalls unbefriedigende Ergebnisse.

Wie beim Doppelpunkt spielt Google hier in erster Linie Treffer über das Gendern und von Seiten auf, die den Begriff mit Sonderzeichen nutzen. Deutlich wird das an der Suche nach Fußballer*innen. Zum Zeitpunkt der Suche hatte die DFB-Elf gerade die Vizeeuropameisterschaft bei den Frauen errungen. Eine passende Ergebnisliste wäre zu erwarten gewesen. Immerhin: In der Bilderleiste sind Frauen und Männer zu sehen. (Abb. 3)

5. Der Klassiker „/-“ bleibt ohne Wirkung

Auch beim Klassiker, der Schreibweise mit kombiniertem Schräg- und Bindestrich wie bei „Notar/-innen“, ist das Ergebnis nicht das, was es sein sollte. Statt beide Begriffe gleichermaßen zu lesen, liefert Google hier Treffer zum Gendern und mit der genauen Schreibweise. Auch bei diesem Konstrukt entgehen Webseitenbetreibern bei der Suchmaschinenoptimierung durch das geringere Suchvolumen Potenziale. (Abb. 4)

Googles Problem zieht sich durch alle Geschlechtsformen

Der in der Szene bekannte SEO-Spezialist Malte Landwehr veröffentlichte in Frühjahr 2022 auf Facebook eine interessante Auswertung von Suchanfragen nach männlicher, weiblicher und gegenderter Form. Demnach scheint Google ein generelles Problem mit geschlechtsspezifischen Anfragen zu haben.

Er kam zu dem Ergebnis, dass Frauen es bei der Suche nach der männlichen Berufsform wie „Zahnarzt“ kaum auf die erste Seite schaffen. Die Suche nach Zahnärztin hingegen hat in der Regel ein geringes Suchvolumen, sodass freiberuflichen Frauen viel Suchmaschinen-Traffic verloren geht. Ausnahme: Sie bezeichnen sich selbst als Zahnarzt.

Seine Ergebnisse zeigen weiter, dass der Gender-Doppelpunkt in der Singularform ignoriert und teilweise in zwei Begriffe aufgeteilt wird: „Zahnarzt in“. Die weibliche Form wird teilweise ganz verschluckt und ist erst auf einen zweiten Klick („Meinten Sie …“) in der Trefferliste der männlichen Form zu finden. Suchanfragen nach weiblichen Berufsbezeichnungen führen außerdem zu einer 19 Prozent größeren Wahrscheinlichkeit, dass Google eine Bilderleiste in der Trefferliste einblendet. Das Problem dabei: Zugleich sinkt die Chance auf eine standortbezogene Anzeige durch Einblendung von Google-Maps um 59 Prozent.

„96 Prozent der Suchanfragen entfallen auf die maskuline Berufsform.“

Bemerkenswert: 96 Prozent der Suchanfragen entfallen demnach auf die maskuline Berufsform. Einerseits zeigt sich nach den Ergebnissen von Malte Landwehr, dass Google einen sehr eigenwilligen Umgang mit geschlechtsspezifischen Bezeichnungen hat. Andererseits hängt das Suchvolumen von den Eingaben und damit von allen Nutzerinnen und Nutzern ab.

Verlust von Sichtbarkeit durch geringeres Suchvolumen

Google als wichtigste Suchmaschine im deutschsprachigen Raum erkennt also durchaus einige der Schreibweisen. Allerdings werden diese nicht in die männliche und weibliche Form aufgelöst. Die Ergebnisse zeigen entweder gegenderte Begriffe oder die weibliche Form, manchmal auch Hinweise zum Gendern.

Es wäre spannend, wenn Begriffe mit Genderzeichen zu einem Keyword mit Suchvolumen heranwachsen. Dieses steht dann allerdings nach aktuellem Stand in Konkurrenz zur klassischen Form des generischen Maskulinums sowie zur weiblichen Form.

„Wer ist schon bereit, die eigene Webseite zu deoptimieren?“

So sehr einige die Genderzeichen propagieren: Diese erzeugen aktuell weder ein nennenswertes Suchvolumen noch listet Google die Begriffe in der gedachten Weise in der Suche auf. Aktuell sind solche Ausdrücke für die Suchmaschinenoptimierung nicht tauglich. Der Einsatz führt zumindest bei SEO-relevanten Termini zu potenziellen Verlusten von Sichtbarkeit. Wer ist schon bereit, die eigene Webseite zu deoptimieren und damit Umsatzeinbußen in Kauf zu nehmen?

Blick in den Keywordplaner

Letztlich hängt alles vom Suchvolumen der gegenderten Begriffe ab. Eine Anrede mit Gender-Sternchen oder Doppelpunkt ist unverfänglich. Handelt es sich jedoch um einen wichtigen Suchbegriff in dieser Schreibweise, sind Nachteile wahrscheinlich.

Entsprechende Abfragen im Keywordplaner von Google Ads sind ernüchternd. Die folgenden Ergebnisse lassen sich für viele Berufsbezeichnungen so oder so ähnlich reproduzieren. Sie erinnern an die Anzeige in der Suche:

  • Das Gender-Sternchen wird gar nicht akzeptiert. Es folgt eine Fehlermeldung.
  • Das große Binnen-I wird auch hier (nur) als weibliche Pluralform erkannt.
  • Der Gender-Gap, der Unterstrich, taucht zwar in der Prognose auf. Allerdings ist das Suchvolumen praktisch nicht existent (Abb. 5).
  • Der Doppelpunkt teilt den Begriff in zwei Wörter. Der Keywordplaner zeigt den Begriff mit einem Leerzeichen an. Es lässt sich aus dem Tool selbst nicht ableiten, ob der Doppelpunkt nur nicht angezeigt wird oder wirklich eine Kombination aus dem Grundwort sowie „innen“ oder „in“ gebildet wird. Das ist an dieser Stelle nicht wichtig: Das Suchvolumen ist nahezu null.
  • Die klassische Schreibweise mit dem Schräg- und Bindestrich wird gar nicht angezeigt. Das bedeutet, dass die herkömmliche stilistische Verkürzung der Wortdopplung für Google-Kampagnen ebenfalls kein gangbarer Weg ist.

Google Trends bestätigen das Phänomen

Eingaben bei Google Trends bestätigen diese Erkenntnisse. Zwar sind die Trends jeweils in Relation zur angezeigten Zeitspanne und zum Maximalwert innerhalb dieses Bereichs zu lesen. Allerdings sollte bei einer so kontrovers geführten Diskussion wie um Genderzeichen für diese ein gewisser Trend zu erkennen sein. Bei der Abfrage der verschiedenen Möglichkeiten bleiben jedoch nur die männliche Pluralform und abgeschwächt die weibliche Pluralform relevant. Sämtliche Genderschreibweisen sind zu vernachlässigen (Abb. 6).

Ein Fazit daraus ist mit Vorsicht zu ziehen. Genderzeichen scheinen jedoch nicht in signifikanter Anzahl vorzukommen. Da das Suchvolumen und die Trends das Suchverhalten der Menschen widerspiegeln, ist an dieser Stelle ein Blick auf die Akzeptanz der Genderzeichen in der Bevölkerung wichtig.

Breite Ablehnung in der Bevölkerung

Eine repräsentative Umfrage von infratest-dimap aus dem Jahr 2021 zeigt sehr deutlich, dass die Mehrzahl der Menschen in Deutschland Genderzeichen ablehnend gegenübersteht (einfach.st/infratest4). Nur ein Drittel befürwortet demnach solche Schreibweisen. Die Ergebnisse der repräsentativen Erhebung lassen sich durch verschiedene aktuellere Umfragen untermauern, die fast ausnahmslos zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Einige zeigen sogar eine wachsende Ablehnung.

Ablehnung in Zahlen

Laut infratest-dimap befürworten nur zehn Prozent der Befragten geschriebene und gesprochene Genderzeichen „voll und ganz“. 16 Prozent befürworten diese „eher“. Die Zustimmung lag also nur bei rund einem Viertel der befragten Personen. Die Ablehnung ist deutlich ausgeprägt. 29 Prozent lehnen diese Sprachform „eher ab“, 36 Prozent äußern sogar, diese „voll und ganz“ abzulehnen. Je älter die Gruppe der Befragten, desto größer war die Ablehnung.

Genderzeichen sind ein Problem, das Gendern jedoch nicht

Wenn die Mehrheit der Bevölkerung Genderzeichen ablehnt, ist der Umgang von Google mit gegenderten Begriffen besser nachvollziehbar. Es erscheint geradezu folgerichtig, dass sich das im Suchvolumen in der Auflistung der Ergebnisse und für die Bewertung inhaltlicher Relevanz niederschlägt.

Ziele der Suchmaschinenoptimierung und des Online-Marketings sind mit Genderzeichen daher aktuell nur schwer erreichbar. Das gilt ganz besonders, wenn die Keywords nicht ohnehin geschlechtsneutral sind. Der Begriff „Versicherung“ ist von der Diskussion naturgegeben anders betroffen als der Begriff „Notar“.

Es gibt inzwischen eine große Anzahl von Webseiten, die Genderzeichen nutzen. Darunter befinden sich mit Plattformen wie idealo.de oder Immoscout auch führende Angebote. Für diese Seiten sind jedoch viele der durch Sonderzeichen gegenderten Begriffe nicht relevant für die Suche. Es gilt zu unterscheiden: Auf der einen Seite steht die Relevanz für Reichweite oder Conversion, auf der anderen die direkte Ansprache.

Gendern, aber richtig

In vielen Fällen ist das generische Maskulinum weiter ein guter Kompromiss, um die breite Masse zu erreichen. Zumindest gilt das bei reichweiterelevanten Begriffen. Zudem werden nur in Ausnahmefällen entsprechende Formulierungen auf echte Ablehnung stoßen. Für Google ist dieser Weg neben der Dopplung der Geschlechter die beste Wahl. Dabei geht jedoch spätestens in der direkten Ansprache („liebe Leserinnen und Leser“) das dritte Geschlecht unter.

Eine über Genderzeichen hinausgehende geschlechtersensible Sprache ist daher sinnvoll. Speziell bei einer jungen oder szenerelevanten Zielgruppe ist ein achtsames Formulieren von Sätzen anzuraten. Das gilt insbesondere auf Social-Media-Plattformen. Bei unbedachten Sätzen droht sonst der berüchtigte Shitstorm.

Für die Praxis ergeben sich jedoch ohne Genderzeichen besondere Herausforderungen. Genutzte Dopplungen wie „Studentinnen und Studenten“ sind dosiert eingesetzt durchaus elegant, in größerer Anzahl jedoch beim Lesen ermüdend. Formen wie „Studierende“ sind eine gern genutzte Alternative. Allerdings sind solche Begriffe inhaltlich streng genommen nicht korrekt. Denn es ist ein Unterschied, ob Studentinnen und Studenten an der Hochschule nur eingeschrieben sind oder tatsächlich gerade studieren.

Ein anderes Beispiel für mögliche Lösungen sind neutrale Bezeichnungen wie „Führungskräfte“ statt „Managerinnen und Manager“. Auch Umschreibungen mit einem Relativsatz wie „Kinder, die zur Schule gehen“ können eine Option sein.

Sprache wird in allen gendersensiblen Alternativformen jedoch häufig ungenauer, sperriger und weniger elegant. Mit diesen und ähnlichen Widersprüchen können und müssen Menschen jedoch leben, die einen adäquaten Kompromiss finden möchten.

„So gendersensibel wie nötig, aber zugleich so verständlich wie möglich.“

Letztlich sollen die Inhalte – geschrieben oder gesprochen – eine Verständigung ermöglichen. Wenn diese erschwert ist, kann das Auswirkungen auf das gewünschte Ziel haben. Im Online-Marketing ist das gleichbedeutend mit verpassten Umsatzchancen, in der Suchmaschinenoptimierung mit potenziell schwächeren Rankings, in der Kundenansprache mit einer negativen Wirkung auf die eigene Zielgruppe. Daher sollten alle Formulierungen so gendersensibel wie nötig, aber zugleich so verständlich wie möglich sein.

Es bleibt eine Herausforderung

Die Gesellschaft muss insbesondere für nicht-binäre Personen eine passende Ansprache finden. Alle bisherigen Möglichkeiten haben große Nachteile. Bis diese überwunden sind, sollten alle genau abwägen, ob sie genderneutral formulieren müssen und welche Wege sie dazu nutzen können.

Die Diskussion um Genderzeichen lenkt möglicherweise sogar den Fokus auf eine falsche Fragestellung. Denn inklusive Sprache bedeutet nicht nur, alle Geschlechter einzuschließen. Sie bedeutet, möglichst barrierefrei für alle zu formulieren. Das bedingt eine einfache, leicht verständliche und präzise Sprache. Diese lässt sich punktuell für besondere Zielgruppen durch Kampagnen oder Werbemaßnahmen ergänzen. Ein solches facettenreiches Vorgehen ist möglicherweise der beste Weg, bis es eine „offizielle“, von der Mehrzahl der Menschen akzeptierte und von Suchsystemen abgebildete gendergerechte Sprache für alle gibt.