101 Rechtsfehler im Online-Marketing – Teil 6

Martin Schirmbacher
Martin Schirmbacher

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei HÄRTING Rechtsanwälte in Berlin. Er berät Mandanten im Datenschutz und IT-Rechtsfragen. Zu seinen Mandanten zählen Großkonzerne ebenso wie kleine AdTech-Start-ups. Seit Jahren trägt auf Branchenevents vor und schreibt über Rechtsfragen im Online-Marketing.

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Im Online-Marketing kann man bekanntlich viele teure Fehler machen. Für viele Marketer besonders mysteriös sind rechtliche Mängel. Seit Heft 67 gingen wir den häufigsten Fehlern auf den Grund und stellten jeweils kurz dar, was man alles falsch machen kann – und wie es besser geht. In der sechsten und letzten Folge geht es um die Zusammenarbeit mit Agenturen, um Ärger mit Datenschutzbehörden, Abmahnungen und die Durchsetzung eigener Ansprüche. In sechs Folgen sind es schließlich 191 rechtliche Fehler im Online-Marketing geworden. Der Hauptfehler allerdings – und das ist hoffentlich klar geworden – ist es, sich mit den rechtlichen Vorgaben überhaupt nicht zu befassen. Wer den Kopf in den Sand steckt und sich nicht mit der Rechtslage beschäftigt, wird früher oder später Lehrgeld zahlen.

Fehlen ordentlicher Verträge

Viel zu häufig vergeben Unternehmen Aufträge an Agenturen oder andere Dienstleister ohne eine vernünftige vertragliche Grundlage. Die Chefin eines inhabergeführten Unternehmens mag einem befreundeten Dienstleister auf Zuruf oder per Handschlag einen Auftrag erteilen, in größeren Unternehmen ist das Risiko viel zu hoch. Möchte die Marketingabteilung eine Agentur beauftragen, sollten mindestens Leistungsumfang, Vergütung und Laufzeit schriftlich fixiert sein.

Vertragsschluss durch Unbefugte

Es kommt selten vor, aber bisweilen wird im Streitfalle von Kundenseite bestritten, dass überhaupt ein Auftrag erteilt wurde. Manchmal beauftragt das Marketing direkt und später stellt sich die Frage, ob die Handelnden dort überhaupt zeichnungsberechtigt waren, ob sie das Unternehmen also überhaupt vertraglich binden durften. Jedenfalls bei größeren Verträgen ist aus Dienstleistersicht daher Vorsicht geboten. Im Zweifel sollte man darauf bestehen, dass die Geschäftsführung den Auftrag unterschreibt.

Mangelhafte Leistungsbeschreibung

Erstaunlich wenig Aufwand wird bei Online-Marketing-Verträgen auf die Leistungsbeschreibung verwendet. Dabei kann man für die genaue Definition dessen, was eigentlich geschuldet sein soll, kaum zu viel Zeit aufwenden. Wenn Gerichte mit der Auslegung eines Vertrages befasst sind, wird zunächst auf die Beschreibung der vereinbarten Leistungen geschaut, um den Vertragstyp zu definieren. Jedes Unternehmen sollte für jeden Vertrag genau prüfen, welche Leistungen dem Kunden eigentlich versprochen werden sollen. Umgekehrt müssen sich Auftraggeber fragen, ob sie genau wissen und im Zweifel belegbar ist, was ihnen versprochen wurde.

Fehlende AGB-Einbeziehung

Agenturen wenden häufig viel Zeit und Geld für die Gestaltung von allgemeinen Geschäftsbedingungen auf (o. k., bisweilen wird auch einfach bei der Konkurrenz kopiert). Deutlich weniger Sorgfalt wird dagegen auf die Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag mit Kunden aufgewendet. Erforderlich ist, dass auf die AGB hingewiesen wird und diese durch den Kunden einfach zur Kenntnis genommen werden können. Agenturen sollten auch nicht allzu schnell auf die Geltung der eigenen AGB verzichten. Vom Kunden gewünschte Abweichungen von den AGB können im Angebot des Dienstleisters festgehalten werden. An den AGB selbst sollte man nichts ändern.

Fehlende Berücksichtigung bestimmter Vergütungsmodelle

Während auf das Verhandeln der absoluten Höhe der Vergütung vergleichsweise viel Energie verwendet wird und bei der Ausgestaltung von Vergütungsmodalitäten der Fantasie keine Grenzen gesetzt scheinen, werden die Folgen der Vereinbarung bestimmter Vergütungsmodelle vertraglich oft nur unzureichend berücksichtigt. Wird etwa eine Pauschalvergütung vereinbart, ist es für beide Parteien wichtig, möglichst flexible Kündigungsregeln festzulegen. Aus Sicht der Agentur bietet es sich an, zusätzlich Preisanpassungsklauseln einzusetzen. Soll die Vergütung vom Erfolg abhängen, bedarf es einer klaren Definition des Erfolgs und auch bestimmter Auditrechte. Werden Budgets festgelegt, muss geregelt werden, was bei Über- oder (seltener) Unterschreitung des Budgets geschehen soll.

Fehlende Definition von Mitwirkungspflichten

Aus Sicht der Agentur ist es wichtig, den Kunden zur Mitwirkung zu verpflichten. Solche Nebenpflichten können etwa die Lieferung von Content bei einem Webdesign-Vertrag oder die Definition von Keywords bei einem Vertrag, der SEO-Leistungen zum Gegenstand hat, sein. Auch die Datensicherung ist eine typische Nebenpflicht.

Mangelhafte Regelung von Nutzungsrechten

Aus Sicht des Kunden wesentlich ist, genau zu definieren, welche Nutzungs- und Verwertungsrechte eingeräumt werden sollen. Dies gilt ganz allgemein und unabhängig von dem Vertragstyp und vom Gegenstand des Vertrages. Wichtig kann vor allem das Bearbeitungsrecht sein. Auch die Frage, wo und wie lange überlassener Content veröffentlicht werden darf, sollte im Detail geregelt werden.

Fehlende Regelungen zu Change-Requests

Ausufernde Change-Requests sind für die Agentur vor allem ein Problem, wenn für die Erstellung eines Projekts ein Pauschalpreis vereinbart wurde. Ein Steuerungsmittel kann die Festlegung einzelner Projektphasen sein. Ist die Freigabe für einen vorab definierten Schritt durch den Kunden erteilt worden, müssen Änderungswünsche, die bereits freigegebene Arbeitsergebnisse betreffen, eine gesonderte Vergütung auslösen.

Agile Projekte zum Fixpreis

Wer sich ausufernde Pflichtenhefte ersparen möchte, entwickelt heutzutage agil. Praktisch alle größeren IT-Projekte (auch im Marketing) sind agile Projekte. Zugleich bestehen Auftraggeber aber häufig auf Einhaltung eines fixen Budgets. Steht der Preis fest, nicht aber, was eigentlich genau herauskommen soll, ist das auch mit Risiken verbunden. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit der Vertragspartner, das Projekt zum Erfolg zu führen.

Vergessener Kunde bei agilen Projekten

Hauptgrund für das Scheitern agiler Projekte ist, dass der Kunde nicht in ausreichendem Umfang in das Projekt einbezogen wird. Fehlt es dann an einem vernünftigen auf das agile Vorgehen zugeschnittenen Vertrag, ist ein Desaster nahezu vorprogrammiert. Die Erwartungen gehen mangels offener Kommunikation zu Beginn des Projekts häufig so weit auseinander, dass ein zufriedenstellender Abschluss oft nicht mehr möglich ist. In allen größeren Projekten bedarf es ausreichenden Know-hows auch auf Kundenseite.  

Verantwortlichkeit für die rechtliche Prüfung

Oft fehlt es an Regelungen dazu, wer für die rechtliche Prüfung der Inhalte verantwortlich sein soll. Aus Sicht der Agentur bietet es sich an, die Verantwortung auf den Kunden zu verlagern, der die Inhalte gegebenenfalls bereitstellt. Aus Kundensicht muss die Agentur für die rechtliche Zulässigkeit der Inhalte jedenfalls dann einstehen, wenn sie für die Beschaffung oder Erstellung der Inhalte verantwortlich war.

Fehlen eines Auftragsdatenverarbeitungsvertrages

Immer wenn personenbezogene Daten (meist von Kunden des Kunden) durch den Anbieter einer Dienstleistung verarbeitet werden, sollte ein schriftlicher Auftragsdatenverarbeitungsvertrag geschlossen werden. In diesem Fall bedarf die Verarbeitung der Daten durch den Dienstleister in der Regel keiner weiteren Rechtfertigung.

Nutzung der Kundendaten zu eigenen Zwecken

Toolanbieter, SaaS-Provider und Agenturen haben häufig ein Interesse daran, die bei der Nutzung der Services anfallenden Daten zu eigenen Zwecken zu verwerten. Dies kann der Verbesserung des Produktes oder der Fehlerbehebung dienen; manchmal kann der Dienstleister auch neue Erkenntnisse zu den Bedürfnissen der Kunden gewinnen. Fast immer werden die erhobenen Daten aber Personenbezug haben. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Daten durch den Dienstleister überhaupt verarbeitet werden dürfen. Selbst eine Anonymisierung der Daten ist – abgesehen davon, dass eine Anonymisierung ein schwieriges Unterfangen ist – kein Selbstläufer, weil Datenschützer auch eine Anonymisierung für eine rechtfertigungsbedürftige Datenverarbeitung halten und eine Rechtfertigungsgrundlage nicht so leicht zu finden ist.

Falsche Versprechungen

Es ist eher selten geworden. Aber konkrete Versprechungen bei SEO-Verträgen („Platz 1“, „20 Links aus deutschen Tageszeitungen“) führen dazu, dass sich der Dienstleister an diesen Zusagen messen lassen muss und im Zweifel unabhängig vom tatsächlichen Aufwand nicht oder deutlich geringer vergütet wird, wenn der Erfolg nicht eintritt. Das gilt natürlich nicht nur im SEO-Vertrag, sondern generell, wenn konkrete Versprechungen gemacht werden. Diese muss der Dienstleister auch einhalten, wenn er das gesamte vereinbarte Entgelt erhalten möchte.

Ignorieren von Schreiben der Datenschutzbehörde

Datenschutzbehörden in Deutschland zeigen ein großes Interesse an Vorgängen im Online-Marketing und haben in der Vergangenheit schon viele Unternehmen angeschrieben und um Auskünfte gebeten. Es ist keine gute Idee, solche Schreiben einfach zu ignorieren. Zwar hat die Behörde nicht immer einen Anspruch auf Antwort und häufig ist es in der Tat nicht zwingend, solche Schreiben zu beantworten. Eine mögliche Reaktion sollte jedoch immer mit Juristen oder Datenschutzbeauftragten abgestimmt werden.

Allzu auskunftsfreudige Antworten an Datenschutzbehörden

Bei Antworten an Datenschutzbehörden ist Vorsicht geboten. Es besteht keine Notwendigkeit, den Behörden mehr als unbedingt notwendig mitzuteilen. Jedenfalls in Situationen, denen ein konkreter Fall oder Verdacht zugrunde liegt, sollte zunächst Akteneinsicht beantragt werden, bevor Auskünfte erteilt werden. 

Nichtmeldung von Datenschutzverstößen

Die DSGVO zwingt Unternehmen dazu, Datenschutzverstöße an die jeweils zuständige Datenschutzbehörde zu melden. Droht aufgrund einer Datenpanne ein Risiko für die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer, muss eine Meldung erfolgen. Schon die Nichtmeldung ist ein Datenschutzverstoß, der mit einem Bußgeld geahndet werden kann.

Fehlende Abmahnung vor gerichtlichem Vorgehen

In vielen Fällen ist es aus Kostengründen empfehlenswert, vor einem gerichtlichen Vorgehen einen Rechtsverstoß zunächst abzumahnen. Für Wettbewerbsverstöße ist das sogar gesetzlich vorgesehen.

Mangelnde Beweissicherung bei Rechtsverstößen

Werden im Internet Rechte (zum Beispiel Markenrechte) verletzt, wird dies oft mit einer Abmahnung gerügt. Im Anschluss an die Abmahnung verschwinden die Verstöße schnell. Müssen dann noch weitere Rechte geltend gemacht werden, kommt es darauf an, ob der Verstoß vorab hinreichend gut dokumentiert wurde.

Zu zögerliches Vorgehen vor Beantragung einer einstweiligen Verfügung

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs Dringlichkeit voraus. Lässt sich der Anspruchsteller mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs zu viel Zeit, gibt er dadurch zu erkennen, dass ihm die Sache nicht eilig ist. Das Gericht wird den Antrag dann allein aus diesem Grunde verwerfen.

Ignorieren einer Abmahnung

Eine Abmahnung zu erhalten, gehört nicht gerade zu den positivsten Erlebnissen eines Unternehmers. Die schlechteste Art, darauf zu reagieren, ist die Vogel-Strauß-Politik. Auch scheinbar unberechtigte Abmahnungen sollten sorgfältig geprüft werden. Nur sehr selten ist es empfehlenswert, auf eine Abmahnung überhaupt nicht zu reagieren.

Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ohne Prüfung

Häufig sind vorformulierte Unterlassungserklärungen zu weitgehend, d. h., sie geben dem Abmahnenden mehr, als ihm zusteht. Selbst wenn der gerügte Verstoß im Kern zutrifft, ist es sinnvoll, die geforderte Unterlassungserklärung sorgfältig zu prüfen und nur dann zu unterzeichnen, wenn sie genau dem entspricht, was der Abmahnende verlangen kann. In vielen Fällen empfiehlt es sich, nur eine eingeschränkte Unterlassungserklärung abzugeben.

Falsche Priorisierung bei Erhalt einer Abmahnung

Mit einer Abmahnung wird in der Regel ein Unterlassungsanspruch und Abmahnkosten geltend gemacht. Der Abgemahnte soll sich verpflichten, einen Rechtsverstoß einzustellen und in Zukunft nicht mehr zu begehen. Damit die Ernstlichkeit deutlich wird, soll eine Unterlassungserklärung abgegeben werden, mit der für den Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe versprochen wird. Wer sich allein auf die Abmahnkosten fokussiert, macht einen schweren Fehler. Wichtig ist vor allem, den angeblichen Verstoß rechtlich prüfen zu lassen und gegebenenfalls sehr schnell in der Praxis einzustellen. In den kurzen Fristen der Abmahnung besteht das eigentliche Risiko. Bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung muss der Verstoß dauerhaft eingestellt werden.

Verstoß besteht weiter, nachdem Unterlassungserklärung abgegeben wird

Wenig ist ärgerlicher als die Abgabe einer Unterlassungserklärung, wenn nicht wirklich alle Verstöße vorher beseitigt sind. Dies betrifft alle Websites des Unternehmens auch auf anderen Plattformen und auch die Werbung von Publishern im Auftrag des Unternehmens. Werden einzelne Verstöße übersehen, droht die Inanspruchnahme auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.