Google Analytics: Neue und nützliche Features in der neuen Version 4

Tobias Aubele
Tobias Aubele

Dr. Tobias Aubele ist Professor für E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und Berater für Webcontrolling (u. a. „Deutschlands bester Conversion Optimierer 2018“ sowie „CRO Practitioner of the year 2020“). Er lehrt das Themenumfeld Conversion-Optimierung, Usability und Webanalytics im Studiengang E-Commerce. Zuvor war er viele Jahre in einem internationalen Multi-Channel-Unternehmen in diversen Führungspositionen tätig, zuletzt als Bereichsleiter E-Commerce.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Google Analytics 4 ist laut Google der neue Standard und der designierte Nachfolger von Universal Analytics. In der letzten Ausgabe der Website Boosting wurde bereits über das Update bzw. die Vorteile des parallelen Betriebs beider Versionen von Google Analytics berichtet. Obwohl offiziell aus der Beta-Phase erhoben, ist die permanente Weiterentwicklung von Google Analytics 4 spürbar. Da aktuell keine Datenmigration geplant ist, macht es durchaus Sinn, bereits heute mit der neuen Plattform zu experimentieren und eine Datenhistorie aufzubauen. Vielleicht überzeugen die folgenden Features, einen Blick in das neue Analytics zu werfen bzw., sofern bereits geschehen, weitere Optimierungen durchzuführen.

Wie in der Website Boosting 65 erläutert, ist in Google Analytics 4 vieles vereinfacht worden bzw. sind neue Möglichkeiten hinzugekommen. Das Datenmodell wurde angepasst – weg von Sitzungen und Pageviews, hin zu Nutzerinteraktion und Events. In den folgenden Aspekten, welche in GA4 neu sind bzw. modifiziert wurden, sollen weitere Einblicke in Google Analytics 4 eröffnet werden und ausgewählte Veränderungen zum etablierten Universal Analytics aufgezeigt werden.

Event vs. Event – in Google Analytics 4 ist alles ein Event

Events waren und sind in Google Universal Analytics die meistgenutzte Möglichkeit, um Nutzerverhalten zu messen. Lädt ein Nutzer bspw. ein PDF herunter, so kann dieses Verhalten als Event getrackt, im weiteren Verlauf als Ziel behandelt und ggf. an Google Ads als Conversion übergeben werden. Typischerweise erweitern die Websitebetreiber Universal Analytics um eine Vielzahl dieser Events (bspw. Klick auf externe Links, Klick auf eine Telefonnummer, Absenden eines Formulars, Scrollaktivitäten etc.), um die Interaktionen auf den einzelnen Seiten besser zu verstehen und letztlich die Online-Marketing-Kampagnen effektiver und effizienter steuern zu können. Dazu muss im Tag-Manager ein entsprechendes Tag angelegt werden, welches als Tracking-Typ „Ereignis“ hat und über die weiteren frei definierbaren Parameter (Kategorie, Aktion, Label, Wert) verfügt (siehe Abb. 1).

In GA4 hat sich das Datenmodell geändert, sodass alles ein Event ist – bis hin zum Pageview. Weiterhin besteht ein Event nur noch aus der Kombination „Name“ und „Parameter“ mit Wert und ist damit sehr flexibel (siehe Abb. 2).

Soll bspw. die Nutzung eines PDFs auf einer Website ausführlich getrackt werden, müssen in Universal Analytics neben den Parametern auch ggf. weitere benutzerdefinierte Dimensionen angelegt werden oder Inhalte mit Trennstrichen zusätzlich in die Aktion bzw. Labelfelder integriert werden – was für eine Analyse suboptimal ist. Das neue Modell in GA4 ist dahingehend einfacher aufgebaut, da über den wählbaren Namen des Events weitere Eigenschaften in Form von bis zu 25 Parametern übergeben werden können. Demnach ergibt sich als Übersicht folgender Unterschied zwischen Universal Analytics und Analytics 4 (siehe Tab. 1). In Summe sind 500 verschiedene Events trackbar.

Universal Analytics:

Event-Kategorie: Download
Event-Aktion: PDF
Event-Label: www.test.de/speisekarte.pdf
Event-Wert: [optional]
Benutzerdefinierte Dimension 1: Mittagskarte
Benutzerdefinierte Dimension 2: KW5

Analytics 4:

Event-Name: Download
Download-Typ: PDF
Download-Name: www.test.de/speisekarte.pdf
Download-Inhalt: Mittagskarte
Download-Stand: KW5

Tab. 1: Unterschied Events in Google Universal Analytics und GA4

Hinweis: Damit die im Google-Tag-Manager definierten Events bzw. Parameter im Interface von GA4 angezeigt werden, müssen diese definiert bzw. verwaltet werden. Hierzu bei den Ereignissen die entsprechende Schaltfläche „Benutzerdefinierte Definitionen verwalten“ klicken (siehe Abb. 3) und den entsprechenden Parameter aus dem Tag-Manager übertragen. Ansonsten werden die benutzerdefinierten Parameter nicht angezeigt. Google empfiehlt, diverse Ereignisse nebst Parametern zu hinterlegen (siehe: einfach.st/ga343).

Wie in Abb. 3 ersichtlich, kann durch den Schalter „Als Conversion markieren“ das entsprechende Event zu einer Conversion erweitert werden. Somit hat sich die Definition von Zielen (Conversions) deutlich vereinfacht.

Vereinfachtes Cross-Domain-Tracking – ganzheitliches Tracking bei Unternehmen mit mehreren Domains

Sofern ein Unternehmen mehrere Domains betreibt und messen möchte, welches Verhalten ein Besucher über (eigene) Sites hinweg zeigt, bietet sich der Einsatz von Cross-Domain-Tracking an. Die Möglichkeit besteht bereits in Universal Analytics (Details siehe: einfach.st/ga435). Wird der Besucher bspw. über den unternehmenseigenen Blog www.test1.de auf die Shopseite www.test2.de weitergeleitet und kauft dort ein, wäre es mittels Cross-Domain-Tracking möglich, diese Journey ohne Beachtung von Domainwechsel zu tracken und alle Aktivitäten einem Nutzer zuzuordnen. Ohne domainübergreifendes Tracking würde ein separater Nutzer mit separaten Sitzungen und je Domain getrackt. In GA4 kann dies direkt über das Interface eingestellt werden, was im Vergleich zur Implementierung mit Linkern in Universal Analytics deutlich komfortabler ist. Zu finden ist dies unter „Weitere Tagging-Einstellungen“ in den Datenstreams (siehe Abb. 4). Bitte um Beachtung, dass diese Einstellung ein bereits implementiertes Cross-Domain-Tracking beeinflusst und bei einem empfohlenen Dual-Tagging die Einrichtung für beide Properties konsistent sein muss (Details unter einfach.st/ga436).

Internen Traffic kennzeichnen und ein- bzw. ausschließen

Die internen Zugriffe der Belegschaft verfälschen typischerweise die Analysen. Aus diesem Grunde gab es bereits in Universal Analytics die Möglichkeit, die eigene IP-Adressen herauszufiltern (sofern das Unternehmen über eine fixe IP-Adresse verfügt). Diese Filterlogik wurde in GA4 komplett geändert. In einem zweistufigen Prozess muss interner Traffic zuerst gekennzeichnet (siehe Abb. 5) und anschließend über die Datenfilter bearbeitet werden (siehe Abb. 6).

Die Bearbeitung des Datenfilters (im Bereich Verwaltung) wurde um den Filterstatus erweitert. Der Filter ist entweder aktiv oder inaktiv, d. h., der interne Traffic wird in diesem Falle ausgeschlossen oder nicht. Zusätzlich gibt es den nützlichen Status „Test“, der den Filter bedingt anwendet, indem die Daten einer auswertbaren Dimension zugeordnet werden, wodurch die Korrektheit direkt analysiert werden kann. Sofern der Filter korrekt angewendet wurde, kann der Status von „Test“ auf „Aktiv“ gesetzt werden. Dadurch wird ggf. Datenlöschungen durch fehlerhafte Filter vorgebeugt.

Daten an BigQuery übertragen – Rohdatenanalysen at its best!

Was bislang für die kostenpflichtige Version Google Analytics 360 verfügbar war, ist mit GA4 ebenfalls in der kostenlosen Variante im Standard möglich: der Export und die anschließende Analyse der Rohdaten in Google BigQuery. Dem in Universal Analytics üblichen Sampling und verzerrten Berichten bei segmentierten Daten ist damit ein Ende gesetzt (siehe Abb. 7).

Mit BigQuery können im weiteren Verlauf alle Daten in großem Maße mit der Rechenleistung von Google aufbereitet, analysiert und ausgegeben werden. Für den Export der Analytics-Daten in eigene BI- oder CRM-Systeme der Unternehmen ist damit ein weiterer Weg eröffnet (neben der bisherigen limitierten Lösung über die Google-Analytics-API). Um BigQuery nutzen zu können, bedarf es eines aktiven Kontos in der Goolge-Cloud-Plattform (Details siehe https://cloud.google.com/bigquery?hl=de; ggf. fallen bei intensiver Nutzung von BigQuery vergleichsweise geringe Kosten an), einer Verknüpfung von Analytics mit BigQuery (siehe Abb. 8) und Kenntnisse in SQL (siehe Abb. 9).

Nach Eingabe des Google-Cloud-Projektnamens kann der Speicherort für die Datenhaltung bestimmt werden, damit entsprechende gesetzliche Vorgaben des Unternehmens eingehalten werden können. Weiterhin kann definiert werden, ob die Daten täglich und/oder fortlaufend an BigQuery übermittelt werden. Zusätzlich können die entsprechenden Datenstreams ausgewählt werden, womit ein selektiver Export von Daten (bspw. nur die Daten der App) an BigQuery möglich ist.

Sobald die Daten in BigQuery sind, können auf Rohdatenbasis alle erdenklichen Fragestellungen beantwortet werden. Über den Abfrageeditor können die Daten beliebig selektiert bzw. analysiert werden und Antworten auf Fragen gefunden werden, welche mit dem bestehenden Analytics User Interface nicht beantwortet werden können. Attribution bzw. Seitenanalysen diverser Customer Journeys sind nur exemplarische Einsatzmöglichkeiten. Weiterhin können die Daten in die notwendigen Formate der eigenen BI- bzw. CRM-Systeme aufbereitet und exportiert werden. Die Abfragen erfolgen im Editor, der mittels SQL die entsprechenden Daten verarbeitet. Beispielhafte Abfragen sind unter einfach.st/ga437 abrufbar. Abb. 9 zeigt den Code für die Ermittlung der Nutzer in einem bestimmten Zeitraum für eine spezifische Google-Ads-Kampagne.

Erweiterte Analysen und Visualisierungen

Neben der BigQuery-Integration ist der Bereich der Analysen die größte Veränderung in GA4 gegenüber Universal Analytics. Neben bspw. individuellen Pfadanalysen, freien explorativen Analysen, Kohortenanalysen und Segmentanalysen können umfassende Trichteranalysen durchgeführt werden (siehe Abb. 10).

Im bestehenden Analytics waren die Trichteranalysen in den Zielen sehr limitiert, Abhilfe konnten bislang Segmentdefinitionen mit Interaktionsschritten schaffen bzw. die Definition benutzerdefinierter Metriken. In der kostenpflichtigen Google Analytics 360 waren die Analysen deutlich umfassender, was Einzug in die kostenfreie GA4-Version erhielt. Es könnten sehr individuelle Trichteranalysen vorgenommen werden, die Fragen in Zahlen und Visualisieren beantworten, bspw.: Wie viele neue Besucher kamen auf die Seite, haben binnen fünf Minuten gescrollt (sofern konfiguriert als Parameter bis x Prozent) und anschließend die Kontaktseite aufgerufen? Nach Definition der einzelnen Schritte mit umfassenden Ausgestaltungsmöglichkeiten stehen die Daten auch rückwirkend zur Verfügung (Parametrierung der einzelnen Schritte siehe Abb. 11).

In Summe sind dies ausgewählte Aspekte, welche einen weiteren Eindruck hinsichtlich der neuen Funktionen von Analytics vermitteln sollen. Da die weitere Entwicklung in GA4 stattfinden wird, werden sicher noch weitere Features hinzukommen bzw. (muss) der Status quo optimiert werden. Zeit für eine Migration von Universal Analytics wird sicher bestehen. Dennoch stellt sich wieder die Frage: Warum dennoch warten, wenn ein paralleler Betrieb möglich ist und Möglichkeiten mit BigQuery und neuen Analysen eröffnet werden?

In diesem Sinne: Werfen Sie gerne einen Blick in das neue Analytics. Gegebenenfalls bietet das System eine Analysemöglichkeit bzw. ein Feature, welches Sie bislang vermisst haben bzw. von dem Sie gar nicht wussten, dass Sie es vermissen.