Brand Boosting!

So optimieren Sie die Wirkung Ihrer Marke auch online

Karsten Kilian
Karsten Kilian

Dr. Karsten Kilian ist Professor für Marketing und Markenmanagement an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und leitet dort den Masterstudiengang Marken- und Medienmanagement. Daneben berät er mittelständische Unternehmen in Markenfragen und betreibt mit Markenlexikon.com das größte Markenportal im deutschsprachigen Raum. Er ist Mitglied im Herausgeberbeirat der Fachzeitschrift „Transfer“ und Gründungsmitglied des „Expertenrat Technologiemarken“. Seit mehreren Jahren erklärt er jeden Monat in der Fachmagazin „Markenartikel“ in „Kilians Markenlexikon“ Fachbegriffe aus der Welt der Marken.

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Websites und Webshops stehen im Fokus der Website Boosting. Nur warum das alles? Warum der ganze Optimierungsaufwand? Um am Ende das eigene Geschäft zu beflügeln, mehr Umsatz zu erzielen und loyale Kunden zu erhalten! Und vielleicht auch, um einen höheren Preis realisieren zu können als die Wettbewerber, die meist nur zwei bis drei Klicks entfernt sind. Dabei gilt: Erst die Marke, dann das Boosting! Erst die Werte, dann die Website! Markenexperte Prof. Dr. Karsten Kilian erklärt, dass und wie man die eigene Marke, neudeutsch „Brand“, auch online optimieren kann.

Marke ist mehr als Design, Marke ist differenzierend

Wer Marke meint, kann nicht nur Design wollen. Denn eine starke Marke geht weit über „schönes Design“ hinaus. Das Logo, Farben, Formen und Schlüsselbilder gehören ganz klar dazu, reduzieren eine Marke aber zu sehr auf ihr Aussehen und ihre Gestaltung. Doch eine Marke ist mehr! Eine Marke hat eine Identität und damit ein überschaubares Set an Markenwerten, dass die eigene Leistung, sei es ein Produkt oder eine Dienstleistung, klar vom Wettbewerb abgrenzt und beim Kunden für Präferenz sorgt – und damit für mehr Umsatz, was zugleich das ultimative Ziel jedes Website Boostings darstellt, da Besucherzahlen alleine noch keinen Umsatz garantieren, geschweige denn Gewinn. Das erreichen nur tatsächliche Verkäufe und möglichst regelmäßige Folgekäufe zu einem guten Preis. Sie führen dazu, dass aus den Markenwerten Markenwert wird.

Über 700 Markenbewertungen von Biesalski & Company aus München haben gezeigt, dass im Schnitt fast 40 % des Unternehmenswertes heute auf die Marke(n) entfallen, wobei der Anteil bei Haushaltswaren bei 49 % liegt, bei Unterhaltungselektronik bei 62 %, bei Textil und Mode bei 75 %. Bei Nahrungsmitteln und Getränken liegt der Anteil des Markenwerts am Unternehmenswert sogar bei 83 %, weshalb Marken in vielen Branchen das Wertvollste darstellen, was Unternehmen rein juristisch gesehen besitzen. Faktisch ergibt sich der Wert einer Marke aus dem Wissen der Kunden über die Marke – und damit aus allem, was Neu- und Bestandskunden, aber auch die breite Öffentlichkeit, die einen geplanten Kauf vielfach positiv oder negativ beeinflusst, „über die Marke wissen“. Dieses Markenwissen gilt es aufzubauen und zu pflegen. Als Ausgangspunkt dient das Selbstverständnis der Marke: die Markenidentität.

Einzigartige Markenwerte schaffen Markenwert

Die eigene Markenidentität muss definiert werden und über Qualität und Innovation hinausgehen. Denn Qualität und Innovation, aber auch Kundenorientierung führen nicht zum Ziel, da sie generisch und austauschbar sind. Wie eine Meta-Analyse des Autors von vier Studien über mittelständische, Hightech-, börsennotierte und internationale Unternehmen gezeigt hat, verwenden 36 % der untersuchten Unternehmen Qualität als Markenwert und 30 % Innovation, weshalb beide als generische Markenwerte angesehen werden können. Sie sind meist nicht geeignet, die Marke vom Wettbewerb abzugrenzen und Präferenzen zu erzeugen. Das Gleiche gilt für Kundenorientierung bzw. Kundenzufriedenheit, was beides per se als Markenwert ungeeignet erscheint, da es zu den grundlegenden Aufgaben von Unternehmen gehört, den Kunden in den Mittelpunkt der eigenen Arbeit zu stellen. Kundennähe ist demgegenüber als Markenwert denkbar, da die Nähe zu den Kunden nicht selbstverständlich ist – und differenzierend wirken kann. Neben der häufigen Verwendung inhaltlich austauschbarer Markenwerte lassen sich drei Ursachen schwacher Markenidentitäten benennen: Markenwerte sind häufig

  • vieldeutig,
  • unrealistisch und/oder
  • abstrakt und damit inhaltsleer.

Da nützt dann auch das beste Website Boosting nichts. Vielmehr braucht es zwei bis vier möglichst einzigartige Markenwerte, die „auf Kurs sind“. Das bedeutet nicht, dass Qualität, Innovation und Kundenorientierung nicht bedeutsam für die Identität einer Marke sind. Sie sind es! Nur helfen die abstrakten „Überbegriffe“ selbst nicht weiter, da sie für viele erfolgreiche Unternehmen Gültigkeit besitzen und damit nicht zur Differenzierung beitragen. Vielmehr empfiehlt es sich, inhaltsstarke Markenwerte zu definieren, die „für sich sprechen“ und von den Mitarbeitern und Kunden schnell und leicht verstanden und verinnerlicht werden können. Erreicht werden kann dies, indem Teilaspekte der genannten generischen Werte markentechnisch besetzt und glaubwürdig on- und offline vermittelt werden. Qualität beispielsweise kann hochwertig, langlebig, robust, wertstabil, zuverlässig oder sicher bedeuten, im übertragenen Sinne auch wertvoll oder kompetent. Bei Lebensmitteln kommen Bedeutungen wie natürlich, nachhaltig, gesund, schmackhaft und genussvoll dazu. Es ist deshalb immer besser, auf einen Teilaspekt von Qualität als Markenwert zu setzen als auf „das große Ganze“, da Letzteres zu viel Interpretationsspielraum bietet und damit nicht für die notwendige Klarheit und Orientierung im Unternehmen sorgt, geschweige denn beim Kunden. Gute Markenwerte sind profilstarke Markenwerte, die aus sich heraus Sinn ergeben und von den Mitarbeitern und Kunden ohne viele erklärende Worte, Workshops oder Werbespots verstanden werden und gut offline und online „gepusht“ werden können.

Markenwerte müssen auf KURS gebracht werden

Als Ansatzpunkt zur Ermittlung profilstarker Markenwerte bieten sich die KURS-Kriterien des Autors an (vgl. Abbildung 1). Die Markenwerte und der Markenkernwert müssen demzufolge möglichst konkret, ursächlich, relevant und spezifisch sein. Sie sind bedeutungsvoll und inspirierend, im Unternehmen begründet, für Kunden bedeutsam und im Vergleich zum Wettbewerb für die eigene Marke charakteristisch.

Die zuvor genannten Markenwerte Qualität, Innovation und Kundenorientierung sind alles andere als konkret. Auch sind sie nicht ursächlich für einen Markenwert, sondern lediglich Resultat dahinterliegender Markentreiber. Demgegenüber kann beispielsweise der Markenwert „präzise“ im Unternehmen sowohl die Bedeutung millimetergenauer Verarbeitung betonen als auch eine klar verständliche Preispolitik sicherstellen. Alles, was Präzision zuwiderläuft, passt nicht zur Marke und wird deshalb nicht gemacht. Das verstehen alle: die Geschäftsführer, die Mitarbeiter in der IT-Abteilung und am Empfang. „Relevant“ wiederum bezieht sich primär auf die Zielgruppe, die Kunden. Nur wenn Präzision für den Kunden relevant ist oder durch entsprechende Kommunikation Relevanz erlangen kann, macht es auch als Markenwert Sinn. Ist nun ein Unternehmen im Handeln und in seiner Leistungserstellung präzise, stellt sich als Resultat die Qualitätswahrnehmung von selbst ein. „Spezifisch“ schließlich meint, dass ein Markenwert nur bzw. insbesondere für die eigene Marke Gültigkeit besitzt, zum Beispiel aufgrund der besonderen Unternehmenshistorie.

Die Markenidentität gilt es anschließend in Markenelemente zu übersetzen bzw. bei bestehenden Marken regelmäßig auf Stimmigkeit untereinander und in Bezug auf die Markenwerte zu überprüfen und fallweise durch weitere Design- und Gestaltungselemente zu ergänzen. Zu den zentralen Markenelementen zählen Schlüsselbilder und Charaktere sowie Farben und Formen, Materialien und Klänge, die allesamt zum Ausdruck bringen sollten, wofür die Marke steht. Von besonderer Bedeutung sind der Markenname und das Markenlogo, da sie langfristig markenrechtlich geschützt werden können. Gemeinsam werden sie zum Wissensspeicher, der alle Erfahrungen mit der Marke in sich vereint. Im Internet wird ein Markenname zudem als Domainadresse, Facebook-Fanpage und Twitter-Hashtag zum zentralen Suchkriterium für Mitarbeiter, Kunden und Multiplikatoren.

Farben und Formen vielsagend verwenden

Exemplarisch werden im Folgenden die beiden Markenelemente Farben und Formen näher betrachtet. Sie verleihen dem Schriftbild des Markennamens, der Gestaltung des Logos und weiteren visuellen Elementen Ausdruck. Physiologisch betrachtet werden zunächst Farben, dann Formen und zuletzt Texte wahrgenommen. Primär aus Farben und Formen bestehende Bilder werden nicht nur fast immer als Erstes fixiert, sondern auch deutlich länger und mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit betrachtet als geschriebene Texte. Die Farbwahrnehmung durchläuft drei Stufen der Bewusstwerdung. Auf Farbeindrücke folgen Empfindungen, die wiederum eine entsprechende Wirkung hervorrufen. So wird zum Beispiel die Farbe Gelb häufig mit einem gellenden Dur-Ton assoziiert, als glatt und weich empfunden, mit Wärme in Verbindung gebracht und als leicht beurteilt. Neben den sinnesbezogenen Assoziationen lösen Farben auch allgemeine Assoziationen und Wirkungen aus, wie Tabelle 1 zeigt.

Farbe

Assoziationen

Wirkung

Blau
 

Stille, Harmonie; Raum, Ewigkeit; Himmel, Weite, Unendlichkeit; Sauberkeit

still, beruhigend, harmonisch, sicher; sehnsüchtig; sympathisch, freundlich, spontan; pflichtbewusst, konzentriert; rational denkend

Rot

Ich; Feuer, Blut; Liebe, Sexualität, Exotik, Fantasie; Lebensfreude, Lebensenergie, Tatendrang

dynamisch, aktiv, kraftvoll, herrlich; aggressiv, gefährlich; erregend, begehrend, herausfordernd; emotional fühlend

Grün

Jugend, Frühling, Natur; Hoffnung, Zuversicht; Ruhe, Entspannung; Toleranz; Sicherheit; Gesundheit

natürlich, angenehm, beruhigend; lebendig, lebensfroh, erfrischend; naturverbunden; friedlich, gelassen; sensitiv empfindend

Gelb

Fruchtbarkeit, Sommer, Segen, Überfluss; Gefahr, Bedrohung; Eifersucht, Neid, Geiz; Vorsicht

strahlend, fröhlich, sonnig, klar, frei; kommunikativ, verbindend, anregend, extrovertiert; intuitiv sinnlich

Braun

Gesundheit, Geborgenheit; Behäbigkeit, Faulheit; Unmäßigkeit: Spießigkeit, Biederkeit

warm, erdverbunden, behaglich; statisch, gemütlich, unerotisch; zurückgezogen, erschlafft

Weiß

Anfang, Unschuld, Reinheit, Frömmigkeit, Glaube, Ewigkeit, Wahrhaftigkeit, Genauigkeit

vollkommen, ideal; einfach, funktional; klinisch, sauber, steril; heiter; illusionär, geistig, realitätsfern

Grau

Nachdenklichkeit, Pünktlichkeit, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit, Trübsal, Bescheidenheit

modern, schlicht; alt; unbeteiligt, indifferent, ausgleichend, neutralisierend, angepasst; abgeschirmt, heimlich, verborgen

Schwarz

Ernsthaftigkeit; Finsternis, Trauer, Tod, Ende, Leere; Egoismus, Schuld, Bedrängnis; Magie, Macht

erhaben, elegant; technisch, stark, mächtig; vergänglich, statisch, passiv; verschlossen, pessimistisch, zwanghaft, hoffnungslos

Am stärksten aktivierend wirkt der Farbton Rot. Er wird kulturübergreifend mit Blut und damit mit Angst in Verbindung gebracht, was auch erklärt, warum die meisten Warnschilder rot sind. Die von einem Farbton ausgehende Aktivierung ist eng mit der Wärme des Farbtons verbunden. Während warme Farben wie Rot, Orange und Gelb stark aktivieren, haben kalte Farbtöne wie Violett, Blau und Grün nur wenig Aktivierungskraft. Neben dem Farbton nehmen vor allem die Farbsättigung (Intensität und Reinheit) und die Farbhelligkeit (Hell-dunkel-Empfindung) Einfluss auf die Markenwahrnehmung. Farben mit höherer Farbsättigung aktivieren stärker und gefallen meist besser. Gleiches gilt für hellere Farben. Die Farbhelligkeit ist häufig mit bestimmten Assoziationen verbunden. Während dunkle Farben eher mächtig und aktiv wirken, weshalb sie als stark, überlegen, lebhaft, hart und bewegt empfunden werden, wirken helle Farben eher schwach und passiv. Wir empfinden sie als weich, zart und ruhig, aber auch als gemächlich und ergeben.

Bei der das Design vieler Marken prägenden Formensprache kann wiederum zwischen der Dimension (Punkte, Linien, Flächen und Körper), der gestalterischen Umsetzung, der Begrenzung (Kontur), der Quantität (absolute bzw. relative Größe) und der Qualität unterschieden werden. Die Formqualität bezieht sich auf den Konturverlauf eines Objektes. Während spitzwinklige Formen, z. B. Dreiecke, aktiv und mächtig sowie wandelbar, spannungsvoll und konstruktiv wirken, werden rechtwinklige Formen, z. B. Quadrate, als mächtig und passiv empfunden – aber auch als männlich, hart, bestimmt und verstandesbetont. Demgegenüber wirken runde Formen, z. B. Kreise, eher passiv und schwach und zugleich weiblich, weich, bewegt, unbestimmt und gefühlsbetont.

Multisensualität gibt es nach wie vor fast nur offline

Fast immer werden mehrere Markenelemente gleichzeitig verwendet und zu komplexen multisensualen Markensignalen kombiniert. Während physische Kontaktpunkte, z. B. Geschäfte, vier bis fünf Sinne ansprechen können, sind es online meist nur ein bis zwei Kanäle. Auf Facebook beispielsweise werden über 90 % aller Videos ohne Ton nur mit Untertitel betrachtet. Das erklärt auch, warum selbst einstige Online-Pure-Player, zumindest punktuell, eigene Offline-Repräsentanzen unterhalten, darunter About You, Amazon, Casper, Cyberport, Fahrrad.de, Google, Home24, Mister Spex, MyMuesli, MyToys, Shopify, Urlaubsguru, Vistaprint, Westwing, YouTube und Zalando. Sie ermöglichen es, die Marke multisensual zu erleben. Neben Umfeldern lassen sich mit Produkten, Medien und Personen insgesamt vier Arten von Markensignalen unterscheiden. Gemeinsam prägen sie die Kundenerlebnisse an den Berührungspunkten (Touchpoints) mit der Marke entlang der Customer Journey.

Im Folgenden werden die personenbezogenen Markensignale exemplarisch näher betrachtet. Hierzu zählen insbesondere die eigenen Vertriebs- und Servicemitarbeiter, aber auch alle übrigen Mitarbeiter des Unternehmens. Zufriedene Kunden, typische Verwender und bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Influencer gelten ebenfalls häufig als wichtige Markensignale. Von zentraler Bedeutung dabei ist, den Mitarbeitern die eigene Marke immer wieder klar und verständlich zu vermitteln, da sie das Markenimage maßgeblich prägen. Dabei gilt: Ein Kundenerlebnis mit einem Mitarbeiter prägt die Marke wesentlich stärker als eine schick designte Website. Zu den primären personenbezogenen Markensignalen zählen:

  • Gründer, Geschäftsführer und Markenverantwortliche (z. B. in Werbung und PR)
  • Eigene Mitarbeiter mit Kundenkontakt (insb. im Vertrieb und Service)
  • Werbefiguren und Charaktere (z. B. eigene virtuelle Influencer)

Insbesondere das Verhalten des Gründers, Geschäftsführers und der Markenverantwortlichen nimmt maßgeblich Einfluss auf die Markenwahrnehmung und den Markterfolg. Auf Pressekonferenzen und bei vielen öffentlichen Auftritten wird die Marke von den Vertretern des Unternehmens durch ihr Verhalten verkörpert. Das Gleiche gilt für die Mitarbeiter an den verschiedenen Touchpoints, insbesondere in den Bereichen Vertrieb und Service. Fallweise bietet sich auch der Einsatz eigener Werbefiguren und Charaktere an. Daneben nehmen auch Mitarbeiter von Partnern und mediale Promotoren als sekundäre Markensignale Einfluss auf die Markenwahrnehmung. Dazu zählen insbesondere:

  • Mitarbeiter des (Fach-)Handels am Point of Sale (POS)
  • Mitarbeiter von Outsourcingpartnern (z. B. im Service)
  • Markenrepräsentanten in den Medien (z. B. reale externe Influencer)

Wenngleich Mitarbeiter von Vertriebs- und Servicepartnern per se keine Unternehmensmitarbeiter sind, so werden sie aus Kundensicht doch häufig dem Unternehmen zugeordnet. Damit ist ihr Verhalten auch markenprägend.

Influencer sorgen für Relevanz, Resonanz und Reichweite

Bei den Markenrepräsentanten wiederum kann zwischen extern entwickelten Avataren bzw. Charakteren sowie zwischen unbekannten Darstellern und prominenten Testimonials unterschieden werden, die als echte oder gespielte Experten und/oder Mitarbeiter bzw. Kunden für die Marke eintreten. Bei prominenten Testimonials neu hinzugekommen ist vor einigen Jahren der eigene Reichweitenaufbau in den sozialen Medien, der den Wert prominenter Testimonials zusätzlich erhöht hat. Neben Prominenten aus Sport, Musik, Mode oder Film und Fernsehen ist mit den sogenannten Social-Media-Stars eine neue Gruppe prominenter Markenfürsprecher entstanden, die meist als Influencer bezeichnet werden. Es handelt sich dabei meist um für Jüngere oder Gleichaltrige interessante junge Menschen, die durch eigene Texte, Bilder und/oder Videos in den sozialen Medien und darüber hinaus bekannt geworden sind und heute vielfach als Testimonials eingesetzt werden.

Beim Influencer-Marketing kann zwischen vier Arten von Influencern unterschieden werden. Bei den „klassischen“ Influencern handelt es sich traditionsgemäß um prominente Influencer, die durch ihre Medienpräsenz in TV, Print und Radio weithin bekannt geworden sind und zugleich über hohe Fan-, Abonnenten- und/oder Followerzahlen in den sozialen Medien verfügen. Zu den „neuen“ Influencern zählen mehr oder weniger prominente Internet-Influencer, die aufgrund ihrer Aktivitäten in den sozialen Medien bekannt, beliebt und bewundert werden und teilweise über mehrere Millionen Fans, Abonnenten und/oder Follower verfügen. In Abhängigkeit von ihrer Followerzahl kann zwischen folgenden fünf Größenklassen unterschieden werden:

  • Nano: 1.000–9.999 (4-stellig)
  • Mikro: 10.000–99.999 (5-stellig)
  • Makro: 100.000–999.999 (6-stellig)
  • Mega: 1.000.000–9.999.999 (7-stellig)
  • Giga: 10.000.000 oder mehr (8-stellig)

Daneben gibt es mit Corporate Influencern und virtuellen Influencern zwei weitere, relativ neue Influencer-Typen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Corporate Influencer ergänzen seit mehreren Jahren in einer Reihe von Unternehmen die Arbeit der Unternehmenskommunikation. Sie erweitern damit das Spektrum der Unternehmensrepräsentanten, das seit vielen Jahrzehnten vor allem von klassischen Celebrities und unbekannten Testimonials geprägt war und vor gut einem halben Jahrzehnt bereits durch junge Menschen erweitert wurde, die sich innerhalb kurzer Zeit zu Social-Media-Stars entwickelten.

Vermehrt Corporate Influencer und virtuelle Influencer

Bei Corporate Influencern, die auch als „Unternehmensbotschafter“ bezeichnet werden, handelt es sich um Mitarbeiter, die ihr Unternehmen, meist ergänzend zu ihrer regulären Tätigkeit, repräsentieren. Sie versuchen, insbesondere externe Interessengruppen (Stakeholder) im Sinne des Unternehmens zu beeinflussen, können fallweise aber auch nach innen Wirkung entfalten. Ganz allgemein lassen sich die Beeinflusser einteilen in Topmanager, Pressesprecher und PR-Experten auf der einen und ausgewählte Mitarbeiter mit Interesse an persönlicher und medialer Kommunikation auf der anderen Seite. Während die Abteilung Unternehmenskommunikation z. B. Pressemitteilungen versendet und Pressekonferenzen abhält, können ausgewählte Mitarbeiter in ihrer Rolle als Corporate Influencer meist freier und authentischer auftreten und z. B. einen persönlichen Blick hinter die Kulissen gewähren, da sie nicht Teil der Kommunikationsabteilung sind, aber von ihr unterstützt werden. Die Corporate Influencer können dadurch die Relevanz und Reichweite des Unternehmens stärken, vor allem in den sozialen Medien, aber auch auf Barcamps, in Podiumsdiskussionen oder durch Interviews. Während prominente Influencer und Social-Media-Stars für regionale und Industrieunternehmen meist nicht sinnvoll erscheinen, da die Kosten oft in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen stehen, bietet sich als Alternative die Etablierung eigener Corporate Influencer an, da eigene Mitarbeiter passgenau aufgebaut werden können.

Virtuelle Influencer gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben gegenüber den zuvor genannten Influencer-Typen den Vorteil, dass sie dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung stehen, nicht anfällig für Fehlverhalten sind und nicht zum Wettbewerb wechseln können. Mithilfe modernster Softwarelösungen können sie täuschend echt wirken, wobei vielfach ganz bewusst darauf verzichtet wird, „zu echt“ zu erscheinen, um die besondere Anmutung virtueller Personen zu bewahren und um nicht verdächtigt zu werden, Echtheit vortäuschen zu wollen. Bekannte Beispiele computergenerierter Werbefiguren mit realem Marketingpotenzial sind Mattkuwata (mit aktuell 0,34 Mio. Followern auf Instagram), Noonoouri (0,36 Mio.) und Lil Miquela (2,23 Mio.). Daneben gibt es mit Model Daisy für den Online-Modehändler Yoox, der virtuellen Kunstfigur des KFC-Gründers Colonel Sanders und Renault-Kadjar-Testfahrerin Liv bereits erste unternehmenseigene digitale Influencer.

Während sich klassische prominente Influencer, Social-Media-Stars und virtuelle Influencer vor allem national und international für Konsumgüter und B2C-Dienstleistungen einsetzen lassen, eignen sich Corporate Influencer ganz besonders für regional tätige Firmen und für B2B-Unternehmen, wie Abbildung 2 zeigt.

Für Personen, aber auch für die Markensignale Produkte, Medien und Umfelder gilt, dass die durch sie ausgelösten Wirkungen regelmäßig qualitativ und/oder quantitativ erfasst werden sollten. Die Kundenerlebnisse können vielfach mit einer geeigneten Taxierung ermittelt werden, insbesondere was den Status quo und die Veränderungen im Wettbewerbs- und im Zeitvergleich betrifft.

BEST of Branding in vier Schritten

Als zentraler Handlungsrahmen kann hierfür der „BEST of Branding“-Ansatz des Autors dienen, der sich in Botschaft, Elemente, Signale und Taxierung unterteilen lässt, wie Abbildung 3 deutlich macht.

Ziel der Taxierung einer Marke ist die qualitative Beurteilung und Bewertung der Markenstärke (Brand Strength) und fallweise ihre Quantifizierung in Form eines monetären Markenwerts (Brand Equity). Zentrale Ansatzpunkte der qualitativen Taxierung sind der Markenkauftrichter, die Erfassung der Markenwahrnehmung und die regelmäßige Ermittlung der Wertschätzung der Marke, z. B. in Form der Weiterempfehlungsbereitschaft.

Zu den zwei zentralen Maßgrößen der Markentaxierung zählen die Bekanntheit und das Image der Marke in der relevanten Zielgruppe. Bei der Bekanntheit kann allgemein zwischen Recall (Erinnerung) und Recognition (Wiedererkennung) unterschieden werden. Konkret kann erstens die ungestützte Bekanntheit ermittelt werden, wobei zwischen Erstnennung (Top-of-Mind) und Folgenennungen unterschieden wird. Der abgefragte Bereich kann dabei sehr breit oder sehr eng gefasst werden. Bei einer Marke wie Coca-Cola beispielsweise kann allgemein oder spezifisch gefragt werden, wie folgendes Beispiel deutlich macht:

Bitte nennen Sie mir alle ...

  • US-amerikanischen Marken
  • Lebensmittelmarken
  • Getränkemarken
  • Alkoholfreien Getränkemarken
  • Cola-haltigen Getränkemarken

... die Ihnen einfallen.

Grundsätzlich gilt: Je allgemeiner der beschriebene Kontext, in dem eine Marke genannt wird, umso besser. Im zweiten Schritt kann die gestützte Bekanntheit ermittelt werden, wobei Hinweise (Cues) gegeben werden, ohne jedoch den Markennamen selbst zu nennen. So kann z. B. eine bestimmte Situation (z. B. eine Websuche) angeführt oder das Logo bzw. eine aktuelle Onlinekampagne (Werbespot oder Banner) beschrieben werden. Im dritten Schritt wird die Wiedererkennung erfasst, meist mit der Frage: „Kennen Sie die Marke …?“, oder indem gefragt wird, ob der Befragte die Marke in letzter Zeit on- und/oder offline gesehen hat.

Kundenpotenzialanalyse mit dem Markenkauftrichter

Die gestützte Markenbekanntheit stellt die erste erfasste Stufe des in Abbildung 4 wiedergegebenen Markenkauftrichters dar. Für die zweite Stufe wird nach der Vertrautheit mit der Marke gefragt, in der dritten Stufe wird erfasst, ob die Marke in die engere Wahl gezogen wurde, anschließend, ob die Marke, z. B. eine Automarke, auch faktisch gekauft wurde. Bei schnelldrehenden Konsumgütern (FMCG) kann die Kaufstufe weiter differenziert werden in die Stufen einmal vs. häufiger gekauft (z. B. bei Getränken) oder in gelegentlich vs. regelmäßig gekauft (z. B. bei der Betrachtung unterschiedlicher Onlineanbieter). In der letzten Stufe wird ermittelt, ob der Kunde die Marke erneut wählen würde. Pro Stufe wird dazu der Prozessstufenwert erfragt. Er gibt an, welcher Anteil der Zielgruppe die betrachtete Prozessstufe erreicht hat. Im vorliegenden Fall kennen z. B. 65 % der Befragten gestützt die analysierte Marke. Neben der Erfassung der Prozessstufenwerte ist die prozentuale Veränderung zwischen zwei benachbarten Prozessstufenwerten, die sogenannte Transferrate, von Interesse. Die Transferrate macht deutlich, welcher Anteil der Zielgruppe die nächste Prozessstufe erreicht. In obigem Fall beispielsweise ziehen nur 64 % der Befragten die ihnen vertraute Marke in die engere Wahl. Der im Vergleich zu den übrigen drei Transferraten z. T. deutlich niedrigere Wert macht deutlich, dass mehr als ein Drittel der Personen der befragten Zielgruppe die Marke nicht in die engere Wahl zieht, was weitere Nachforschungen nahelegt, z. B. Einzelinterviews oder Fokusgruppen.

Bei der Imageanalyse wiederum empfiehlt es sich, das Image (Fremdbild) in der relevanten Zielgruppe näher zu betrachten und mit der Identität (Selbstbild) der Marke zu vergleichen. Im Hinblick auf die Identität werden hierzu meist – soweit vorhanden – der Markenkernwert, die Markenwerte und der langfristig verwendete Markenclaim näher betrachtet. Ergänzend wird die Kernzielgruppe vielfach in regelmäßigen Abständen untersucht und überprüft, ob Mission, Vision und Strategie der Marke noch zeitgemäß sind. Während die Identität und das Design leicht auf Basis vorhandener Unterlagen bzw. exemplarisch anhand ausgewählter Leistungen (z. B. Produkt, Whitepaper oder Website) analysiert und miteinander verglichen werden können, sind für die Erfassung des Images meist Kundenbefragungen erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Markenpersönlichkeit. Demgegenüber sind die Leistungsattribute bekannt und über den Kundennutzen liegen meist aktuelle Studien vor, z. B. als Ergebnis regelmäßig durchgeführter Kundenzufriedenheits- oder TQM-Befragungen.

Neben der Markenpersönlichkeit, dem Kundennutzen, den Leistungsattributen und der Bewertung der eigenen Markenwerte aus Kundensicht können ergänzend Markenwerte von Wettbewerbern und potenziellen Kooperationspartnern sowie weitere relevante Aspekte herangezogen und als Imagedifferenziale dargestellt werden. Kann zusätzlich der Branchendurchschnitt pro Merkmal ermittelt werden, sind Stärken-Schwächen-Profile mit dem Mittelwert pro Merkmal als Nullpunkt möglich. Den Kunden von Premium-Automarken könnten dann z. B. folgende Aussagen vorgelegt werden, die sie auf einer siebenstufigen Likert-Skala von 1 für „stimme überhaupt nicht zu“ bis 7 für „stimme voll und ganz zu“ für alle infrage kommenden Marken bewerten:

[Markenname] ...

  • ist sportlich.
  • ist nachhaltig.
  • bietet Komfort.
  • bietet hohe Sicherheit.
  • hat einen unverwechselbaren Stil.
  • bietet eine gute Kundenbetreuung.

Ergänzend können markenunabhängige Aussagen überprüft werden, die für die gesamte Branche relevant sind:

[Markenname] …

  • ist eine moderne Marke.
  • ist besonders wertstabil.
  • ist eine sympathische Marke.
  • bietet umfassende Serviceleistungen.
  • ist etwas für anspruchsvolle Menschen.
  • ist eine international anerkannte Marke.

Daneben sind allgemeine Inventare, z. B. Polaritätenprofile und semiometrische Profile (Wertefelder) zur Erfassung des Images der eigenen Marke und von Wettbewerbsmarken denkbar.

Der Net Promoter Score erfasst die Weiterempfehlungsbereitschaft

Schließlich erscheint es sinnvoll, eng mit dem Markenerfolg zusammenhängende Erfolgsparameter zu erfassen, z. B. die Kundenzufriedenheit oder das Weiterempfehlungsverhalten. Letzteres kann über umfangreiche Befragungen erfasst werden oder, Reichheld folgend, über eine einzige Schlüsselfrage:

„Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie [Firma X] einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen würden?”

Die Frage nach der Weiterempfehlungsbereitschaft (Word of Mouth) dient als Schlüsselindikator für Loyalität und Wachstum. Zur Erfassung der Antworten wird üblicherweise die in Abbildung 5 wiedergegebene elfstufige Likert-Skala verwendet. Mit ihrer Hilfe wird der sogenannte Net Promoter Score (NPS) als Differenz des Anteils der Promotoren und Kritiker berechnet. Dabei ist zu beachten, dass die beiden berücksichtigten Antwortbereiche nicht gleich groß sind und der Anteil der Unentschlossenen keine direkte Berücksichtigung findet, aber indirekt doch mit einfließt, da er den Anteil der Kritiker bzw. Promotoren mehr oder weniger stark reduziert. Der NPS wird mittlerweile von vielen Unternehmen (z. B. HRS, Pixum und Vodafone) eingesetzt, da eine einzige Frage die Antwortwahrscheinlichkeit deutlich erhöht, die Auswertung spürbar erleichtert und damit das Ergebnis sofort vorliegt (was im Gegensatz dazu bei umfangreichen Befragungen meist nicht der Fall ist). Allerdings variieren die Formulierungen der Frage, die Skalendarstellungen und/oder die Skalenbeschriftungen teilweise, wie die vier Beispiele in Abbildung 6 deutlich machen.

Egal ob der Net Promoter Score, ein Wertefeld, ein Polaritätenprofil, das Markenimage, der Markenkauftrichter und/oder die Bekanntheit der Marke ermittelt werden: Entscheidend ist, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und die eigene Markt- und Markenpräsenz durch konsequentes Handeln Schritt für Schritt zu optimieren.

Erst eine profilstarke Markenbotschaft, die auf KURS ist, passende Markenelemente, die das Besondere der Marke zum Ausdruck bringen, perfekt abgestimmte Markensignale, die die Marke über alle Touchpoints einheitlich erlebbar machen, und eine periodisch durchgeführte Taxierung der Marke, die den eigenen Status quo im Wettbewerbsumfeld herausarbeitet, lassen es wahrscheinlich werden, dass die Marke ihre volle Wirkung entfaltet und BEST of Branding Wirklichkeit wird.