Auch zehn Jahre: SEOkomm und OMX

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Im November letzten Jahres jährte sich die SEOkomm in Salzburg zum zehnten Mal. Dort gab es erneut viel wertvolles und aktuelles Know-how zur Suchmaschinenoptimierung. Einen Tag vorher startete für Online-Marketer die OMX. Auch diese Konferenz wurde ihrem Ruf gerecht und bot viel Interessantes. Website Boosting war für Sie vor Ort und sah sich nach den Perlen um. Und eines gleich vorweg: Beide Konferenzen legten erneut zu und untermauerten damit ihren Anspruch, zu den Leitkonferenzen zählen zu dürfen.

Eine schlechte Nachricht gleich zu Anfang: Marcus Tandler kündigte auf der SEOkomm an, dass dies seine letzte Keynote auf dieser Konferenz war. Er hielt seine Eröffnungsreden nun seit zehn Jahren und möchte Platz machen für eine Nachfolgerin (sein expliziter Wunsch). Kurz danach verstanden die interessierten Zuhörer dann auch, warum der Aufwand für ihn mit der Zeit zu hoch wird. Er hatte das ganze Jahr recherchiert und wochenlang für diesen einen Vortrag Folien zusammengestellt. Und der hohe Aufwand lohnte sich: Es wurde eine der besten Keynotes der gesamten Branche. Belohnt wurde er mit Standing Ovations. Nach einem kurzen Rückblick auf die letzten zehn Jahre SEOkomm und Google ließ er den Blick nach vorne schweifen, präsentierte Patente und Forschungspapers und kombinierte sie mit aktuellen Technikströmungen, insbesondere AMP. Heraus kam unter anderem die durchaus plausible Überlegung, ob es in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht sogar ein zweites, schnelles, von Google gehostetes Web geben könnte? Ob das den Sitebetreibern passt, wäre dabei nicht die Frage, sondern ob die Nutzer diese superschnelle und einfache „neue“ Web gut finden und zunehmend lieber nutzen.

„Nie war Google seinem Ziel und seiner Vision näher!“; Marcus Tandler

Der Platz hier reicht bei Weitem nicht aus, alle seine Gedanken und Denkimpulse für die Zuhörer wiederzugeben. Da der etwa einstündige Vortrag glücklicherweise komplett aufgezeichnet wurde, ist er kostenfrei bei Facebook abrufbar (siehe Kasten).  

Tipp

Wer die Keynote „Unspoken. Der Endgegner“ von Marcus Tandler nicht sehen konnte, dem sei wärmstens das aufgezeichnete einstündige Video auf Facebook zu empfehlen unter einfach.st/tandlervortrag. Nehmen Sie sich die Zeit – es lohnt sich!

Sebastian Erlhofer versprach mit „Data Driven SEO über ein SEO-Datawarehouse“ das Gegenteil von Bauchgefühl und schnellen Tricks, Hacks oder Tooltipps. Er betonte, dass datengetriebenes Analysieren und Entscheiden ein Mindset darstellt und einen kulturellen (und technologischen) Wandel in der Branche bzw. im Unternehmen erfordert.

Zitat: „Das Gegenteil von Bauchgefühl“; Sebastian Erlhofer

Er stellte die Frage, wie datengetrieben man im eigenen Unternehmen arbeite. Kennzeichnend sind seiner Ansicht nach u. a.:

  • Teams werden im Umgang mit Daten geschult
  • Es gibt ein explizites Budget für Datensammlungen
  • Daten werden nicht verwendet, um jemanden zum Sündenbock zu machen
  • Ziele sind immer mit einem Indikator und einer Erreichungsabsicht verbunden
  • Jeder kann abteilungsübergreifend auf die Daten zugreifen, die er braucht
  • Man spricht über die Zahlen, auch wenn die Performance aktuell schlecht ist
  • Wenn Meinungen und Entscheidungen geäußert werden, bilden immer Daten die Grundlage

Aber Erlhofer beließ es nicht bei warmen Worten, wie man sich umorganisieren müsse, um einen Schritt weiter zu mehr Professionalität beim Thema SEO zu gehen. Er stellte (s)ein neues Framework vor, an dem er mit seinen Mitarbeitern derzeit arbeitet: dawis (Daten kombinieren, Analyse von Daten vereinfachen, Warehouse zur Sicherung nutzen, Informationen über Zustände (Alerting), System, das alles in einem verbindet). Er lud alle ein, daran mitzuentwickeln, und kündigte die kostenlose Verfügbarkeit für 2020 an. Die einzelnen Module sollen einfach zu konfigurieren sein und nach einem gewissen Initialaufwand kostet der Betrieb dann keine nennenswerte Zeit mehr.

Anschließend nannte Erlhofer einige Anwendungsmöglichkeiten für dawis. So unter anderem etwa das Beobachten wichtiger Canonicals, Probleme mit „noindex“, Abzug oder die dauerhafte Speicherung aller Daten aus der Google Search Console. Will man nach einem Google-Update beispielsweise analysieren, ob sog. Shorthead Keywords, Mid- oder Longtail betroffen sind, kann man Verschiebungen der Klicks anhand der Suchwortlänge leicht grafisch erkennen. Auch Seitentypen lassen sich mit dawis künftig aggregieren. Eine solche Clusterbildung erleichtert Analysen und Erkenntnisse zur Entscheidungsableitung bei Änderungen oder Optimierungsmaßnahmen. Sehr interessant ist auch die Möglichkeit, die Position eines Suchergebnisses nach Pixelhöhe zu bestimmen, etwa um die Frage zu beantworten, ob eine Optimierung von Platz 3 auf 1 lohnt. Sind nämlich über den organischen Ergebnissen z. B. vier Suchanzeigen zu finden und eine Map mit lokalen Ergebnissen, taucht selbst der erste blaue Link so tief ab, dass er vergleichsweise wenig Klicks bekommt. Statt nach Positionen, wird also nach Pixeln, von oben her gezählt, entschieden. Und als letztes Beispiel lassen sich die Ladezeiten aller URLs einfach automatisch bestimmen und bei Bedarf stündlich ablegen. Wer auf dem Laufenden in Sachen dawis bleiben möchte, kann sich in den Newsletter dafür unter www.mindshape.de/dawis.html eintragen.   

Eine weitere, aber andere Art der Automatisierung der Datenbeschaffung stellten Sabine Langmann und Johannes Kunze vor. Sie zeigten, wie man das SEO-Tool Screaming Frog dazu einsetzen kann, sehr viel Zeit für Datenerhebungen aller Art zu sparen. Dazu lässt man den Frog Webseiten zunächst nutzerspezifisch crawlen. Hier können SEO-relevante Daten erfasst werden, aber über Xpath z. B. auch Preise, Verfügbarkeiten oder Bewertungssterne von Mitbewerbern. Seit Version 11 läuft Screaming Frog ja automatisch zu definierten Zeitpunkten und ohne Benutzereingriff.

Anschließend müssen die Daten aufbereitet werden. Dazu kann man laut den beiden Vortragenden sehr gut das Daten-Tool Knime einsetzen. Damit lassen sich erhobene Daten automatisiert säubern, ergänzen, zusammenführen oder transformieren. Welche Rolle spielt Knime bei diesem Prozess? Das kann man sich an dem folgenden kleinen Beispiel deutlich machen: Man muss z. B. via Excel bei bestimmten Dateien die Textcodierung so ändern, dass deutsche Umlaute erscheinen, leere Zellen löschen und bestimmte Daten per Filter/Sortieren modifizieren. Und das jedes Mal manuell neu. In Knime definiert man einmalig solche Prozesse und dann erstellt das Tool eine Automatisierungsroutine, die einem fortan die manuellen Änderungen erspart. Knime liest also z. B. eine CSV ein, entfernt vier definierte Spalten, filtert nach hinterlegten Kriterien, ergänzt in jeder Zeile das aktuelle Datum und schreibt eine fertige Exceldatei.

Schreibt man die so modifizierten Daten z. B. auf Google BigQuery, kann man sie online und in Echtzeit z. B. mit dem Google Data Studio visualisieren. So entsteht im Lauf der Zeit ein wertvolles Online-Archiv, das automatisch jede Woche oder jeden Tag mit frischen Daten befüllt wird. Wann hat Mitbewerber X seine Preise gesenkt? Wann wurde der Title der URL Y verändert? Wie schnell oder wie oft sind bestimmte Produkte bei Mitbewerbern ausverkauft? Diese und viele Fragen mehr lassen sich so beantworten. Aber natürlich nur, wenn man die Daten präventiv erhebt und nicht erst, wenn eine Frage auftaucht. Denn dann fehlt die Aufzeichnung über die Zeit.  

Tipp

Eine ausführliche Beschreibung zum Screaming Frog finden Sie in unserer SEO-Tool-Reihe in Ausgabe 51 und 52 oder online kostenlos aufrufbar unter einfach.st/frog1 und einfach.st/frog2.

„Pimp my CTR“ – Julian Dziki zeigte, wie man die Klickraten in den Suchergebnissen durch die Optimierung von Titles und Descriptions erhöhen kann. Allerdings müsse man sehr aufpassen, die Click-Throug-Rate (CTR) richtig zu interpretieren, wie das Beispiel in Abbildung 5 verdeutlicht. Ein einziges Suchergebnis erzeugt hier je eine Impression für fünf URLs der Domain.

Neben der alten Regel, das wichtige Keyword möglichst weit vorne im Title zu platzieren und diesen nicht zu lang zu gestalten (wird abgeschnitten), gab Dziki den Tipp, durchaus auch Fragen und/oder Zahlen im Title unterzubringen. Kurze Sätze, knackig, Alleinstellungsmerkmale herausstellen und weg vom üblichen Werbegeschwafel, so sein Credo. Wer herausfindet, was seine Besucher bewegt, sollte dies in die Texte mit aufnehmen. Auch das kann die Klickrate teils drastisch erhöhen. Ansonsten gilt wie so oft im Online-Marketing: Testen, testen, testen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber Erkenntnisse aus der Reaktion der Besucher bzw. Suchenden bringen deutliche Vorteile gegenüber den Mitbewerbern. Apropos Mitbewerber: Auch die solle man laut Dziki nicht unberücksichtigt lassen. Schlaue Online-Marketer lernen überall und von jedem.

Auf der OMX war Christian Kroll, der Gründer der alternativen Suchmaschine Ecosia, ein von vielen erwarteter Speaker. Der Marktanteil lag zum Zeitpunkt des Vortrags bei 0,42 % (mobile) in Österreich. Neben der Besonderheit, für Suchvorgänge Bäume zu pflanzen, speichert Ecosia nach eigenen Angaben keine Benutzerprofile. Das bedeutet allerdings auch, dass Ecosia die besonderen Suchbedürfnisse im Zeitverlauf nicht anpassen bzw. optimieren kann. Die eigentliche Suchmaschine hinter Ecosia ist Bing. Microsoft liefert nicht nur die Suchergebnisse, sondern auch ergänzende Infos wie das Wetter oder weitere Informationen. Streng genommen stellt Ecosia damit keine Suchmaschine dar, sondern eher ein besonderes Benutzerinterface zu Bing. Besonders nachhaltige Unternehmen sollen künftig mit einem grünen Blatt (siehe Abbildung 5) in den Suchergebnissen versehen werden. Kroll erklärte, dass man Unternehmen, „… von denen wir glauben, dass sie nachhaltiger sind …“, bevorzugen möchte. Dieser augenscheinlich menschliche, ggf. subjektive, Eingriff („wir glauben“) in eine neutrale Sortierung nach inhaltlich ausgerichteten Algorithmen traf nicht bei allen Teilnehmern auf Verständnis – lässt man die besonders zu lobende und unstrittige Ausrichtung auf Nachhaltigkeit einmal außen vor. Krolls Message war am Ende, dass man bei Ecosia besser und profitabler Werbung schalten könne als bei Google oder Bing. Zudem wird Nachhaltigkeit ein Rankingfaktor. Das ist durchaus ein mutiger Anspruch, tatsächlich entscheiden oder heute schon wissen zu können, was wirklich nachhaltig ist. 

Charity-Aktionen funktionieren derzeit in Social Media laut Felix Beilharz hinsichtlich der Viralität unter anderem besonders gut. Die Weihnachtsaktion von Sistrix, für jeden Klick je einen US-Dollar für ein Projekt von kiva.org zu spenden, war recht erfolgreich. Auch bei Rossmann konnte man andere für das eigene Verhalten spenden lassen. Wer bei einer Filiale via Foresquare eincheckt, veranlasst diese zu einer Spende bis zu zwei Euro.

Auch das Kreieren eines zweistufigen Contents kann sehr erfolgreich sein, so Beilharz. Dabei denkt man eine Stufe weiter, also an die Kunden der eigenen Kunden. So erzeugt man nicht nur mehr Fans, sondern stärkt die eigenen Absatzkanäle. Als besonderen Tipp zeigte er, wie man bei Pinterest Shares findet bzw. herausbekommt, wer die eigenen Bilder geteilt hat. Dazu tippt man in die Browserzeile das folgende Muster ein:

www.pinterest.de/source/[domain]

Die eckigen Klammern bzw. deren Inhalt ersetzt man dann durch den Domainnamen, also z. B. www.pinterest.de/source/www.otto.de, um alle Bilder anzeigen zu lassen, die von Pinterestnutzern von Otto gepinnt wurden. 

Sowohl die OMX als auch die SEOkomm sind eine Reise wert und gehören in jeden Kalender ernsthafter Online-Marketer, die ihr Wissen auffrischen und über den eigenen Tellerrand blicken wollen. Die großzügigen Pausen erlauben und fördern das wichtige Networking. Und nicht zuletzt muss man Oliver und Uschi Hauser als Veranstalterteam für das viele Herzblut danken, das sie seit so vielen Jahren mit großer Leidenschaft in die Konferenzen stecken. Auch das spürt man deutlich.