Klassische Werbung beflügelt den Online-Handel

Der Smart-TV als Werbeplattform

Philipp Müller
Philipp Müller

Philipp Müller ist Student an der FHWS in Würzburg und studiert E-Commerce. In seinem Studium spezialisierte er sich in Richtung Open Innovation und Management digitaler Innovationen. Nebenbei ist er als Werkstudent im Bereich Paid Advertising bei der eology GmbH im unterfränkischen Volkach tätig.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Seit Jahren werden wir im Internet regelrecht von Werbung verfolgt, welche unsere Suchhistorie und unsere Interessen widerspiegelt. Beim gemütlichen Fernsehabend blieben wir bisher davon verschont. HbbTV 2.0 bringt interessante neue Möglichkeiten für die Marketingabteilungen in Unternehmen, für die Fernsehsender und für die SEA-Spezialisten.

Immer öfter hört man davon, dass das lineare Fernsehen (Kabel/Satellit) ausstirbt. Streaming-Dienste, Mediatheken und Videoplattformen sprechen vor allem junge Zuschauer an. Doch stimmt diese Aussage nicht ganz. TV-Kampagnen sind selbst in Zeiten des Internets das größte und wichtigste audiovisuelle Medium für Werbetreibende. Trotz der Möglichkeit, dank internetfähiger Fernsehgeräte auf herkömmliches Fernsehen zu verzichten, werden europaweit wöchentlich 75 Prozent der Bevölkerung mit diesem Werbeformat bespielt. Der Beweis: Google und Amazon werben auch nicht ausschließlich online, sondern geben hohe Beträge für TV-Spots aus.

Targeting gibt es auch für lineares Fernsehen

Mittlerweile ist es sogar möglich, personalisierte Werbung zwischen Filme und Serien im Free-TV auszustrahlen. Bis jetzt war Fernsehwerbung immer teuer und nur große Marken mit viel Budget konnten sich diese, besonders zur Prime-Time, leisten. Doch mit dem neuen Standard HbbTV 2.0 (Hybrid broadcast broadband TV; auch Addressable TV genannt), werden Werbevideos personalisiert und für die spezifische Zielgruppe ausgestrahlt. Teure Werbefenster gehören somit der Vergangenheit an. Internet und lineares Fernsehen verschmelzen sozusagen miteinander.

Somit ist es möglich, auch zur Prime-Time seine Zielgruppe auf einem der größeren Sender zu erreichen, und das zu einem günstigeren Preis. Die bisherige Berechnung der Kosten für einen Werbeslot setzt sich aus Spot-Länge, Sender und Ausstrahlungszeit zusammen. Auf Tochterkanälen der großen Sender sind diese zwar günstiger, doch man erreicht weniger Zuschauer. Dank des neuen TV-Standards kann jetzt jedes Unternehmen einen auf seine Zielgruppe ausgerichteten Werbespot zur Prime-Time auf begehrten Sendeplätzen ausstrahlen lassen.

Wo ist der Haken?

Die Verbreitung von internetfähigen Fernsehgeräten ist schon sehr weit fortgeschritten. Leider gibt es einen Unterschied zwischen HbbTV 1.5 und 2.0. Die meisten Geräte unterstützen lediglich den erstgenannten Standard, da HbbTV-2.0-fähige Geräte erst seit 2017 auf dem Markt verfügbar sind. Mit der alten Version kann man zwar auch personalisierte Werbung schalten, aber nur in Form von Einblendungen im laufenden Programm und nicht mit bildschirmfüllenden TV-Spots. Diese Pop-ups laden meist zur Interaktion ein, indem man einen der farbigen Knöpfe auf der Fernbedienung drücken soll. Schließlich öffnet sich der Internetbrowser oder YouTube und man sieht den beworbenen Inhalt.

Die Inhalte von HbbTV 1.5 werden jedoch eher als störend empfunden, da sie sich über das aktuelle Bild legen und gar wichtige Sequenzen während einer Sendung oder eines Filmes beeinträchtigen. Der neue Standard kann neben unzähligen anderen Funktionen, wie das Anwählen verschiedener Kameraeinstellungen während eines Sport-Events, nun auch bildschirmfüllende TV-Spots anzeigen. Die Werbung wird nicht über den Satelliten übertragen, sondern aus dem Internet geladen. Somit kann die Werbung eines Films oder zwischen einzelnen Sendungen nicht nur aus dem Internet geladen, sondern gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Zuschauer zugeschnitten werden.

TV-Werbung funktioniert nun wie Online-Anzeigen

Traditionell konnten TV-Spots nur nach Alter und Geschlecht gekauft werden, nicht jedoch nach demografischen Merkmalen. Das heißt, dass ein Hundeliebhaber eine Anzeige für Pferdefutter oder eine vegan lebende Person eine Anzeige für Wurst und Milchprodukte erhalten könnte. Diese Kunden will man natürlich nicht erreichen. Sie entsprechen nicht der anvisierten Zielgruppe, weshalb die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie das beworbene Produkt nicht kaufen. Adressierbare Anzeigen zielen somit darauf ab, die Botschaften relevanter für den Endkunden zu machen.

Vergleichen kann man diese Art der Werbung mit den Werbebannern auf Webseiten. Gibt man in der Suchmaschine den Suchbegriff „Ventilatoren” ein, wird man auf verschiedenen Webseiten hier und da Anzeigen sehen, die Ventilatoren oder ähnliche Geräte anbieten.

Informieren sich Kunden nun via Smartphone oder Tablet über Ventilatoren, könnte passend ein Werbespot zu Ventilatoren geschaltet werden. Es fühlt sich wie ganz normale TV-Werbung an, doch ist diese auf den Kunden zugeschnitten. Per Tastendruck auf die Fernbedienung ist es auch möglich, den Kunden auf eine Smart-TV-gerechte Internetseite oder den hauseigenen YouTube-Kanal zu leiten.

Auf den Datenschutz achten

Mit dem Datensammeln sollte man es jedoch nicht übertreiben. Vor allem sollte man seine Kunden darüber informieren und ihre Einwilligung einholen. Wie man es nicht machen sollte, sieht man anhand eines Beispiels aus den USA:

Das US-Unternehmen Vizio überwachte das Fernsehverhalten der Kunden, sammelte ihre Daten und verkaufte diese an Drittanbieter. Vizio CTO Bill Bexter bestätigte dies in einem Interview mit dem Verge-Magazin. Die Strategie des Unternehmens war es, die Geräte somit günstiger den Kunden anbieten zu können, da diese dann mit ihren Daten bezahlen. Leider wurden die Nutzer der Vizio-Geräte nicht darüber informiert und somit wurde das US-Unternehmen letzten Endes verklagt.

Gut Ding will Weile haben

Der HbbTV-2.0-Standard ist noch sehr neu und die kompatiblen Geräte sind noch nicht weit verbreitet. Wahrscheinlich werden Ende 2019 erste Ausstrahlungen möglich sein. Die Zukunft der personalisierten TV-Werbung wird jedoch erst richtig beginnen, wenn sich der technische Standard HbbTV 2.0 in der Fläche durchgesetzt hat. Denn dann wird es möglich sein, die Werbespots im linearen Fernsehen auszutauschen und damit individuell an den Zuschauer anzupassen.

Ein weitreichenderes Problem von Addressable TV via HbbTV 2.0 ist der Mangel an Nutzerdaten. Kampagnen genauso zielgenau und treffsicher auszuspielen wie beim Online-Marketing, ist deshalb noch das Nadelöhr dieser Technologie. Um einigermaßen für die kommenden Möglichkeiten gewappnet zu sein, haben sich vor allem die Privatsender Data-Management-Plattformen zugelegt, wo diese eigens erhobene Angaben und auch Marktforschungsdaten integrieren. Zudem müssten diese Daten noch den Werbetreibenden zur Verfügung gestellt werden, damit sie die Qualität überprüfen können und nicht die Katze im Sack kaufen.

Es muss nicht immer das Neueste sein

Addressable TV der ersten Generation hingegen wird schon seit mehreren Jahren von Werbetreibenden zur Reichweitenoptimierung genutzt. Dabei wird ein Overlay über das aktuelle Programm gelegt und mithilfe der roten Fernsehtasten auf der Fernbedienung kann man, je nach Anzeige, ein Video öffnen oder eine App herunterladen. Die Interaktion beschränkt sich also auf Click-to-Video oder Click-to-Microsite.

Das Overlay kann dabei den linken und den unteren Rand, nur den unteren Rand oder ein Rechteck in der rechten unteren Ecke bedecken.

Die Werbeanzeige kann statisch oder animiert sein. Somit sind viele gestalterische Möglichkeiten gegeben. Limitiert ist man lediglich durch Pixelvorgaben und maximale Dateigrößen von nicht einmal 1 MB.

Werbemöglichkeiten im Home-Menü des Smart-TV

Werbespots sind hier fehl am Platz

Um Kunden zu erreichen, erweitern sich mit der voranschreitenden Technologie auch die Werbekanäle im „klassischen Fernsehen”. Immerhin wollen die öffentlichen und privaten Sender nicht noch weiter Boden verlieren. Moderne Smart-TVs erleichtern dem Nutzer nicht nur das Konsumieren von Film und Fernsehen, Internetvideos, Mediatheken, Musik und Streaming-Diensten, sondern auch Werbetreibende haben dank neuer, definierter Werbestandards die Möglichkeit, Kunden direkt zu adressieren. Heutzutage sucht man Fernsehgeräte ohne Internetverbindung nahezu vergeblich.

Die Werbung auf einem Smart-TV sollte aber anders gestaltet sein als Werbung auf dem PC oder Smartphone. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass hier keine klassischen Eingabemethoden wie Tastatur oder ein Touchdisplay notwendig sind, sondern Fernbedienungen vollkommen ausreichen. Deshalb eignet sich der Smart-TV vor allem dafür, sein Branding zu verstärken und die eigene Reichweite zu erhöhen. Das Weiterleiten zu einem Online-Shop ist daher nicht ratsam. Besser kann man auf seine neuen Videos auf YouTube hinweisen oder Apps und Dienste bewerben.

Die drei Platzhirsche auf dem Fernseh-OS-Markt

Generell wird die derzeitige Gerätelandschaft bei Fernsehern von vier verschiedenen Betriebssystemen befeuert. Die größten und am weitesten verbreiteten sind Samsungs Tizen, LGs WebOS sowie Android TV, welches mehrere Hersteller verwenden. Das vierte Betriebssystem ist Firefox OS. In Amerika ist vor allem noch Vizio und TCL mit eigener Software vertreten.

Alle Betriebssysteme, auch auf teuren High-End-Geräten, zeigen Werbung an. Meistens ist es eine Kachel oder eine Reihe an gesponserten Inhalten, welche Filme, Serien, Apps oder Spiele darstellen. Je nach Oberfläche sind diese mehr oder weniger aufdringlich bzw. fügen sich unauffällig in den Homescreen ein. Diese Anzeigen können statisch sein oder einen Videoclip laden und abspielen, wenn man über sie „drüberfährt“. Je aufdringlicher die Werbung, desto höher ist die Gefahr, dass diese negativ wahrgenommen wird. Auf dem PC, Handy oder Tablet greifen immer mehr Internetnutzer zu AdBlocker-Diensten. Das sind Anwendungen, welche auf Webseiten nach Werbeelementen suchen und diese entfernen. Diese kleinen Programme kommen meist als Plug-ins daher und werden als Erweiterung des Browsers installiert.

Für den Smart-TV hingegen, bei dem das App-Angebot an sich schon sehr überschaubar ist, gibt es solche Werbeblocker noch nicht offiziell in den jeweiligen App-Marktplätzen. Lediglich über Umwege kann man bei diesen Systemen die Werbung entfernen. Dies ist sehr aufwendig. Meist muss man in der Internetrouter-Konfiguration herumspielen oder zusätzliche Hardware beschaffen. Für einen Großteil der Nutzer sollte das viel zu aufwendig sein und somit wird die Werbung unumgänglich.

In wenigen Jahren wird personalisierte TV-Werbung neue Wege bereiten, Kunden zu erreichen. Dies wird ein spannendes neues Marketing-Umfeld erschaffen, in dem sich Analysten und SEA-Spezialisten austoben können. Ob in 10 bis 20 Jahren dann noch Fernsehen via Satellit und Antenne geschaut wird oder alles in das Internet ausgelagert wird, ist noch nicht abzusehen.