Der SEO-Tag in Köln

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Zum diesjährigen SEO-DAY am 28. November trafen sich über 800 Teilnehmer – diesmal im Konferenz-Center in der Messe, um 45 Experten in über 40 Vorträgen zu lauschen. Das Motto „Hier fließt SEO Wissen“ konnte vom Veranstalter voll erfüllt werden. Website Boosting sah sich für Sie auf der Konferenz um und brachte einige Tipps für Sie von dort mit.

Content kann für eine Domain durchaus der größte Hebel sein, sofern die Domain eine gewisse Stärke aufweist. Und dieser Umstand wird noch immer von zu vielen Sitebetreibern unterschätzt, so Tobias Fox. Eine semantische Optimierung kann hier wahre Wunder bewirken. Er zeigte beispielhaft, wie man über ein SEO-Tool (hier die Searchmetrics Suite) herausfinden kann, für welche Keywords pro URL bereits ein Ranking besteht, und wie man über ein Mapping semantisch begleitender Begriffe Hinweise erhält, wie der jeweilige Text angereichert werden müsste.

Neben vielen anderen Tools empfahl der Experte auch, ab und zu einen Blick auf www.varvy.com zu werfen. Dort werden wesentliche Faktoren automatisch und kostenlos geprüft, die für ein gutes Ranking besonders zu beachten sind.

Der bekannte Social-Media-Profi Felix Beilharz zeigt u. a., wie man (öffentliche) Kommentare bei Facebook direkt über Google suchen kann. Dazu gibt man die Abfrage

site:facebook.com/*/posts seo day AND Beilharz

in den Suchschlitz ein. Die fett und kursiv gekennzeichneten Worte „seo day” und „Beilharz” sind die eigentlichen Suchbegriffe, die durch ein großgeschriebenes AND verknüpft werden. Als Ergebnis erhält man alle Postings bei Facebook, die beide Suchphrasen enthalten. Über den Zeitfilter kann man dann bei Bedarf noch auf aktuelle Ergebnisse einschränken. Somit lässt sich leicht und ohne teure Tools ein Teil der Response über Facebook zu einem bestimmten Begriff oder einer Markenbezeichnung prüfen.

Das gleiche Suchprinzip liegt der folgenden Suchabfrage zugrunde:

site:wikipedia.org suchbegriff AND "Seite nicht mehr aufrufbar"

Als Ergebnis bekommt man hier Wikipedia-Artikel, die unten im Footer Quellen (URL oder Links) hinterlegt haben, die nicht mehr aktuell sind. Die Absicht dahinter kann sein, selbst einen passenden (werbefreien!) Content zu dem Thema zu erstellen und die nicht mehr aktuellen Quellen dadurch zu ersetzen (siehe den Wikipedia-Ausschnitt in Abbildung 5). Wikipedia hält übrigens selbst ein Verzeichnis bereit, das alle toten Links der Plattform aufführt: einfach.st/wikilinks.

Grundsätzlich sollte man werthaltigen Content nicht nur über ein Format (z. B. eine Webseite) vermarkten, so Beilharz. Fragen wie, wo man das noch anders aufbereiten könnte, wen man dazu vielleicht interviewen könnte und wo sich das noch veröffentlichen ließe, helfen, hier etwas kreativer zu werden.

„Wer heute noch nach Bauchgefühl wahllos möglichst viel Content produziert, hat nicht verstanden, dass sich die Rahmenbedingungen stark verändert haben.“

Einfach wahllos Content zu produzieren, war wohl noch nie eine gute Idee. Sebastian Erlhöfer gab wertvolle Tipps, wie man Contentideen auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit prüfen kann. Hierzu gibt es nämlich schon seit fast hundert Jahren Forschungen, wann etwas zur Nachricht wird bzw. welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Die erste Studie dazu stammt aus dem Jahr 1922 von dem Amerikaner Walter Lippmann. Er fand heraus, dass möglichst viel von den nachfolgenden Elementen enthalten sein sollte, damit etwas aufgegriffen und weiterverbreitet wird:

Überraschung, Sensationalismus, Etablierung, Dauer, Struktur, Relevanz, Schaden, Nutzen, Prominenz (bekannte Namen) und (geografische) Nähe zum Publikum.

Weitere Elemente finden sich zum Nachlesen unter de.wikipedia.org/wiki/Nachrichtenwert. Wer tiefer einsteigen möchte in die Analyse der Publikumsagenda, dem sei ggf. das Werk von Winfried Schulz empfohlen („Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien“), das zwar vergriffen, aber über Bibliotheken zu haben ist.

Welcher Aufwand steckt in den unterschiedlichen Contentarten? Auch dazu gab Erlhöfer einige Einschätzungen aus seinem Erfahrungsschatz preis. Demnach sind die günstigsten Contentarten Blogbeiträge, Postcasts und Umfragen mit je etwa einem halben Personentag Aufwand. Infografiken (1,5 PT), Widgets und Whitepapers (3 PT) liegen etwas höher und die Spitze bilden Studien und E-Books (10 PT) sowie Handy-Apps (15 PT). Alles in allem entstehen damit also keine prohibitiv hohen Kosten, wenn man den potenziellen Nutzen in Form von Traffic, Aufmerksamkeit und (freiwilligen und daher guten) Backlinks dagegen aufwiegt.

Aber offenbar geht Erfolg im Web auch billiger. Prof. Dr. Hektor Haarkötter zeigte auf, dass FOCUS Online laut AGOF im Mai 2016 auf Platz 1 der Nachrichtenangebote steht. Sein Urteil über die Gründe fiel weit vernichtender aus. Seiner Meinung nach ist das Erfolgsrezept das Klauen guter Geschichten von anderen, das stündliche Wechseln von Headlines für die gleichen Beiträge (wiederholte Besuche) kombiniert mit dem Überschwemmen von Social Media mit Postings. Dazu würden teilweise Liveticker angeboten über Themen, über die es definitiv nichts zu berichten gäbe. Als Beispiel nannte er das Koma von Schumacher, bei dem es eine explizite Nachrichtensperre gab. Trotzdem „versorgte“ FOCUS Online Nachrichtensüchtige mit einem Liveticker. Auch mit den SEO´s [sic!] ging er hart ins Gericht. Ihnen fehle Inspiration, sie hätten keine Message, keinen Respekt vor den Usern, seien wenig innovativ und zeichnen sich durch eine mangelnde Kommunikationsbereitschaft aus. Er empfahl, von Journalisten zu lernen: „Schreibe einen guten Text!“, war da u. a. zu lesen, dass gute Texte eine eigene Recherche brauchen und man nicht SEO, sondern Deutsch schreiben solle.

Martin Mißfeldt wurde seinem Ruf als vordenkender SEO mit seinem Vortrag einmal mehr gerecht. Er stellte die nachvollziehbare Vermutung auf, dass wohl nur die Seiten und Sites freiwillige Backlinks von anderen bekommen, die für ein Thema auch gut gefunden würden. Wie also an solche Backlinks herankommen, wenn man mit einem neuen Content eben noch nicht gut rankt und noch unbekannt ist?

„Häufig sind es kleine ‚unbedeutende‘ Unterseiten, die die meisten Links bekommen“; Martin Mißfeldt

Mißfeldt zeigte, so wie er es immer tut, anhand konkreter eigener Beispiele einer seiner Sites, wie man für einen natürlichen Linkaufbau vorgehen kann. Für ein hart umkämpftes Keywordumfeld bekommt man in der Regel keine Backlinks oder man muss viel Geld zum Linkeinkauf bereitstellen. Daher empfahl er, auf verwandte Themengebiete auszuweichen, für die ein Ranking leichter erreicht werden kann. Dazu recherchiert man in Fragenportalen und sucht u. a. auch nach Long-Tail-Phrasen, für die kaum Wettbewerb vorhanden ist. Ein Beispiel: Statt auf „Bremsscheiben“ konzentriert man sich auf Einbauhilfen, Erklärungen zur Funktionsweise, auf einzelne Teile etc. Über Fragenportale findet man genügend Hinweise, was Menschen interessant finden und wissen möchten. Dazu erstellt man dann hilfreichen, nicht-kommerziellen Content. Diese Seite wird nun sehr viel leichter ranken, wenn sie nach den üblichen SEO-Basics erstellt wird. Die Eingangsthese war, dass Seiten, die oben in Google stehen, öfter (oder überhaupt) gefunden und aufgerufen werden und dadurch am Ende auch automatisch natürliche Backlinks bekommen. Diese von extern eingehende themenrelevante Linkpower kann man nun intern durch Links auf die Seite lenken, die in einem kompetitiveren Umfeld ranken soll. Und es funktioniert, wie Mißfeldt anhand von Screenshots zeigte. In seinem Fall hatte er seine spezielle „Long-Tail“-Seite in zwei Lehrerportale gepostet und war damit nach wenigen Tagen auf Platz 1. Das funktioniert wohlgemerkt nur dann, wenn der Content wirklich werthaltig und nützlich ist. Wer auf schnelle Erfolge durch externen Einkauf billiger SEO-Texte hofft, wird wahrscheinlich scheitern.

„The future ist Data (Science) driven“; Marcus Tober

Marcus Tober stellte die Erkenntnisse der neuen Rankingstudie von Searchmetrics vor. Er meinte, userorientierte Inhalte läuten das Ende statischer Rankingfaktoren ein. Nach umfassenden Messungen stellt seiner Meinung nach „Content-Relevanz“ 2016 einen neuen Faktor dar. Wer kein konkretes Wissen über das hat, was er tut bzw. publizieren will, habe wenig Chancen. Man muss weg vom Bauchgefühl und hin zu Daten aus den besten Informationsquellen, die man zur Verfügung hat. In der aufwendigen Studie fand man heraus, dass verschiedene Branchen wegen der unterschiedlichen Suchintentionen auch verschiedene Rankingfaktoren haben. Was im Gesundheitsbereich funktioniert, tut dies noch lange nicht bei Finanzen oder im Reisebereich. Trotz alledem bleiben technische Basics natürlich nach wie vor wichtig, so Tober.

Die neue Studie sollte zum Erscheinen dieser Ausgabe bereits zum Download auf searchmetrics.com verfügbar sein.

In einem wirklich wunderbar gestalteten Vortrag erklärte Gero Wenderholm, wie Google heute schon künstliche Intelligenz einsetzt, um Suchergebnisse auf die wirklichen Suchabsichten auszurichten. Immer häufiger müssen die Suchworte gar nicht unbedingt exakt so auf der Seite vorkommen. So bringt beispielsweise die Suchphrase „wie gehts wenn ich nix tierisches futtere“, hinter der eigentlich die Suchabsicht „Folgen veganer Ernährung“ steckt, gute Suchtreffer.

Alles in allem zeigte der SEO-DAY erneut, dass die Veranstaltung ein Muss für alle SEO-Interessierten darstellt und weiterhin eine gute Empfehlung bleibt. Save the date: Nächstes Jahr findet er am 19.10. erneut in Köln statt. Weitere Infos dazu unter www.seo-day.de.