Verteilungskämpfe – Teil 2

Thomas Kaiser
Thomas Kaiser

Thomas Kaiser entwickelte an der TU München den ersten MPEG-Videocodierer für Windows und 1997 die erste deutsche SEO-Software. Er gründete 1997 die cyberpromote GmbH, einen Pionier im Bereich SEO, SEA und Usability, und ist seit Anfang 2021 CEO bei der +Pluswerk AG. Er schreibt Bücher, Fachartikel, ist bekannter Speaker und hält Workshops in der Google-Zukunftswerkstatt.

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Die Seitenverteilung beschreibt den hierarchischen Aufbau einer Website. Sie legt auch dar, mit wie vielen Klicks ein Besucher von der Startseite zu einer bestimmten Unterseite kommt, also auf welcher Ebene oder welchem Level diese liegt. In der letzten Ausgabe wurde gezeigt, dass eine flache Hierarchie einer Website grundsätzlich bessere Platzierungen in den Suchmaschinen erzielt. Die entscheidende Frage ist, wie man einer Website eine flachere Hierarchie verpasst und gleichzeitig die Usability verbessert oder zumindest nicht verschlechtert. Thomas Kaiser zeigt die verschiedenen Möglichkeiten auf.

Zunächst zur Erinnerung eine kurze Wiederholung der Ergebnisse aus der letzten Ausgabe: Die Auswertung ein paar Hundert größerer Websites bestätigte die Vermutung – flache Hierarchien sind vorteilhaft für die Platzierungen. Dies bedeutet, dass man versuchen sollte, die meisten Seiten einer Website mit sehr wenigen Klicks von der Startseite aus erreichbar zu machen. Die Zahl der Klicks von der Startseite auf eine Unterseite entspricht ihrer Ebene. Je kleiner dieser Wert, desto besser. Im Folgenden werden drei Möglichkeiten für die Umsetzung genauer betrachtet: die Paginierung in Shops, der Aufbau von Menüs und die Nutzung von Querverlinkungen.

Das wichtigste Element im Shop: die Paginierung

In Heft 38 wurde bereits die Paginierung bei docmorris.de analysiert. Die Abbildung 1 zeigt den Menüpunkt Schönheit & Pflege > Gesicht. Man erkennt oberhalb und unterhalb des Produkts die Pfeiltaste, neben der steht „4 von 47“ (markiert mit 1 und 2). Hinweis: Zur besseren Darstellbarkeit ist auf dem Bild nur ein Produkt zu sehen, natürlich sind es auf der Website immer zehn Produkte.

Es ist verständlich, dass Besucher, aber auch die Suchmaschinen, nicht 20, 40 oder mehr Klicks machen, um sich alle Produkte anzusehen. Für die Besucher mag das Problem nicht so groß sein, wenn es die Produkte auch in anderen Kategorien gibt und wenn diese nach Beliebtheit sortiert sind. Kommen also die wichtigsten Produkte innerhalb weniger Klicks, mag es den Besucher nicht so stören.

Das Bild zeigt, dass docmorris einen sehr großen Button „Weitere 10 Produkte anzeigen“ eingebaut hat (markiert mit 3). Dies ist eine interessante Variante und könnte zum Weiterblättern animieren. So etwas kann für Nutzer hilfreich sein, das muss man aber austesten.

Die Paginierung ist in den meisten Shops das wichtigste Element. Je größer die Auswahl, desto wichtiger ist die Funktion des „Stöberns“. Zusätzlich sollte der Besucher immer wissen, wo er sich gerade befindet.

Seit das Thema Mobile Friendly so wichtig geworden ist, muss die Paginierung auch so gestaltet sein, dass man auf Smartphones mit dem Finger die Buttons leicht treffen kann. Und den Suchmaschinen möchte man den Weg in die Tiefe möglichst einfach machen. Die Paginierung sollte also viele Seiten der Kategorie verlinken, gleichzeitig auch leicht zu klicken sein. Ansonsten sollen weitere Aspekte hier nicht berücksichtigt werden, sie sind aber natürlich ebenfalls wichtig. Kann man wie in vielen Shops die Zahl der angezeigten Produkte anpassen, muss man wissen, was man die Suchmaschinen indexieren lässt und was nicht, um Duplicate Content zu vermeiden. Hier soll aber der Blick nur auf die Paginierung fokussiert werden.

Die Abbildung 2 zeigt einige Beispiele. Reise.de, gimahhot und weg.de zeigen viele Buttons, die es den Suchmaschinen ermöglichen, schnell alle Seiten einer Kategorie zu erreichen. Die Beispiele zeigen aber auch, dass es viel Kreativität und Optimierungspotenzial gibt. Bei Expedia ist die Paginierung so gut versteckt, dass man sie leicht übersieht, da sie unten auf der Seite linksbündig zu sehen ist.

Zalando bietet nur eine kleine Paginierung. Allerdings geht Zalando einen anderen Weg. Es gibt viele Produkte auf einer Seite, man kann lange scrollen. Die Zahl der Produkte auf einer Seite lässt sich gar nicht ändern. Bei Amazon sind es zwischen 40 und 80 Produkte pro Seite. Zudem verlinkt Amazon immer auch auf andere, passende Produkte und hat dadurch viele Querverlinkungen.

Viele Produkte auf einer Seite reduziert die Zahl der Seiten je Kategorie. Dadurch und mit mehr Links in die Tiefe lässt sich ein Shop mit einer flacheren Seitenstruktur ausstatten. So verspielt Thalia beispielsweise diese Möglichkeit, Produkte aus der Tiefe weiter nach oben zu heben. Doch bei Thalia gibt es noch weitere Probleme, denn die Paginierung gibt es nur auf Unterkategorien. Die Abbildung 3 zeigt Thalia.de in der Kategorie Bücher > Fantasy & Science-Fiction (roter Pfeil). Diese Seite hat keine Paginierung. Man muss eine weitere Unterkategorie auswählen oder den Button „Mehr“ anklicken (grüner Pfeile). Scrollt man auf der Seite nach unten, geht es nicht weiter.

Hier ist ein klarer Flaschenhals, der sowohl Besuchern als auch Suchmaschinen den Weg in die Tiefe erschwert, denn dadurch verschieben sich alle Produkte der Unterkategorien auf eine Ebene tiefer. Abgesehen davon fragt man sich, wozu es den Link „mehr“ gibt und warum man nicht die Überschrift der Kategorien verlinkt. Dass der Link „mehr“ auch noch deutlich kleiner geschrieben und nicht als Link erkennbar, z. B. unterstrichen, ist, macht stutzig. Bei Amazon sieht dieselbe Kategorieseite anders aus (http://einfach.st/amazkat). Hier kann man über alle Unterkategorien in den Produkten blättern.

Flache Hierarchien durch Monstermenüs

Die Navigation spielt natürlich bei der Seitenverteilung eine sehr große Rolle. Absoluter Spitzenreiter in der Analyse ist otto.de mit deutlich mehr als 700 Links auf der Startseite. Diese entstehen hauptsächlich durch eine extrem große Navigation. Allein der Menüpunkt Kinder hat mehr als 50 Unterpunkte.

Die Links mit dem Text „mehr“ deuten an, dass man eigentlich noch mehr passende Menüpunkte anbieten könnte. Die Produktseiten haben auch sehr viele Produkte auf einer Seite, sodass man wenig blättern muss. Bei vielen Produkten auf einer Seite muss man allerdings wissen, dass Google schon 2006 den Versuch machte, 30 statt 10 Suchergebnisse auf einer Seite auszugeben. Das Ergebnis: 20 % Umsatzeinbruch. Den Grund musste man erst lange suchen, doch dann fand man heraus, dass Google für 30 Suchergebnisse im Schnitt eine Sekunde benötigt, um diese anzuzeigen, für 10 Suchergebnisse braucht Google nur eine halbe Sekunde. Eine Differenz von einer halben Sekunde bedeutete 20 % Umsatzeinbruch! Auch bei Amazon führte eine Verlangsamung von 100 ms auf Produktseiten zu 1 % Umsatzeinbruch (http://einfach.st/glinden2), und zwar vollkommen linear. Jede Millisekunde zählt also!

Gebetsmühlenartig erzähle ich diese Geschichte auf jedem Vortrag und jedem Workshop und immer wieder ernte ich erstaunte Blicke. Die Frage, ob zwei Sekunden Ladezeit schnell genug ist, kann man nur damit beantworten, dass die optimalste Ladezeit stets die schnellstmögliche ist.

Wenn man also Produktseiten ausliefert mit 40 oder mehr Produkten, muss man sicher sein, dass die Ladezeit darunter nicht leidet. Gleiches gilt für so große Menüs. Eine bessere Seitenstruktur sollte man sich nicht durch eine schlechtere Ladezeit erkaufen. In jedem Fall sollte man die Menüs an das Nutzerverhalten anpassen. Was die Nutzer nicht anklicken, kann man weglassen. Dies gilt allerdings nicht für die Paginierung. Da sind viele der Links zu anderen Produktseiten sicherlich eher für die Suchmaschinen sinnvoll. Im Zweifel muss man testen, messen und optimieren.

Idealo.de hat ebenfalls ein sehr großes Menü, welches allerdings im Gegensatz zu dem von otto.de besser „versteckt“ ist. Es verbirgt sich komplett hinter dem Menüpunkt „Kategorien“. Wählt man diesen Punkt, klappt das vollständige Menü auf und bietet zahlreiche Unterpunkte. Schaut man sich den Quellcode der Seite an, stellt man fest, dass der Teil des Menüs ganz unten im Quellcode steht und nach dem Quellcode für den Footer kommt.

Grundsätzlich spielt dies natürlich auch eine Rolle. Das Menü klappt erst bei einem Klick auf und ist zumindest aus Sicht des Quellcodes relativ unwichtig, da es am Ende des Quellcodes nach dem Footer kommt. Schaut man sich die Links im Menü an, so sind nur wenige der Linktexte bei Google in den Top 10, dann aber meistens eher am Ende der Top-10-Platzierungen. Otto.de hat hingegen für viele der Menüpunkte absolute Top-Platzierungen für die entsprechenden Linktexte, zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels Platz 1–3 beispielsweise für „Futonbetten“, „Android Handys“, „Ecksofas“, „Blazer“ und sogar bei Marken wie „Bruno Banani“. Allerdings lässt sich das sicher nicht allein auf die Art des Menüs zurückführen.

Flache Hierarchien durch Querverlinkungen

Die bereits genannten Produktvorschläge bei Amazon sind auch Querverlinkungen, auch wenn sie nicht immer in andere Produktkategorien verlinken. Grundsätzlich sind solche Querverlinkungen ideal, da sie nicht nur den Suchmaschinen einen Zugang zu anderen Seiten ermöglichen, sondern auch den Nutzern sinnvolle Links anbieten. Wikipedia hat auf der deutschen Startseite keine großen Menüs, daher sind auf der Startseite vergleichsweise wenige Links. Die Themengebiete haben dann aber sehr viele Links, die Artikel dahinter verlinken dann viel untereinander.

Hierarchien im Vergleich

Die Abbildung 7 zeigt nun die Seitenverteilung von vier verschiedenen Websites. Der gewichtete, gemittelte Wert für die Seitenverteilung (gemessen und optimaler Wert) gibt an, ob eine Website der Ideallinie nahekommt oder besser als diese ist (siehe hierzu die letzte Website Boosting Ausgabe #38).

Otto und Wikipedia sind dem Ideal sehr nah. Amazon könnte an der Hierarchie sogar noch etwas verbessern, da gibt es noch Luft nach oben. Docmorris zeigt, wie man mit schlechter Paginierung seine Seitenverteilung ruiniert.

Allerdings genügt ein Blick auf diese technische Analyse allein natürlich nicht. Auch hier steckt die Tücke im Detail und nur ein tiefer Blick in Daten zeigt auf, wie man es wirklich richtig macht.

Optimale Linkverteilung

Eine flache Hierarchie besagt nicht automatisch, dass die Seiten optimal in den Suchmaschinen gefunden werden. SEO-Tools wie z. B. Forecheck analysieren bei einer Prüfung zunächst nur den „kürzesten Weg“ von der Startseite aus zu einer Unterseite, sprich die geringste Zahl an Klicks. Damit diese Hierarchie auch noch eine optimale Auffindbarkeit ermöglicht, sollte die Verlinkung optimal sein. Eine Unterseite auf Ebene 3, die nur einen eingehenden Links hat, tut sich schwer, gute Platzierungen zu erzielen. Die drei oben genannten Möglichkeiten haben daher eine unterschiedliche Auswirkung auf die interne Verlinkung:

Paginierung: Dies verbessert die Hierarchie, aber man kann schlecht steuern, wie man wichtigere Produkte stärker verlinken kann. Dies kann man durch Querverlinkungen, z. B. Produktvorschläge auf Produktebene wie bei Amazon. Steuern kann man dies natürlich darüber, dass Bestseller zuerst gelistet werden, Ladenhüter zum Schluss (nicht basierend auf den eigenen Daten, sondern basierend auf externen Quellen, da die Position natürlich das Kaufverhalten beeinflusst).

Navigation: Hier ist eine Steuerung der Verlinkung gar nicht möglich, da Menüs in der Navigation immer gleich sein sollten und daher die Menüpunkte alle gleich stark verlinkt sind. Unwichtigere Kategorien lassen sich wie bei otto.de in einem Menüpunkt bündeln. Querverlinkungen könnten auch hier wichtigere Produkte bzw. Seiten stärker verlinken.

Querverlinkung: Was bei Wikipedia Teil des Konzepts ist, ist auch für Besucher hilfreich. Neben einem Automatismus wie bei Produkten gibt es leider kein automatisches System, welches innerhalb sinnvoller Texten Querverlinkungen automatisch einbaut. Hier muss man mithilfe relevanter Keywords und durch Analyse der Inhalte prüfen, wo Querverlinkungen sinnvoll sind.

Um gezielt zu analysieren, wo einzelne Seiten Schwächen haben, kann man den sog. Link Juice, also die Power, die von eingehenden Links ausgeht, berechnen bzw. von einem SEO-Tool berechnen lassen. So kann man diejenigen Seiten identifizieren, die am schlechtesten verlinkt sind. In Abbildung 8 sieht man beispielhaft einige Seiten einer Domain mit Produkten, die im Vergleich zu anderen wenige eingehende Links haben, aber deutlich mehr ausgehende Links. Der Wert Link Juice setzt nicht nur eingehende und ausgehende Links ins Verhältnis, sondern gewichtet diese Links (Seiten, die selber einen geringen Link-Juice-Wert haben, vererben auch weniger als Seiten mit hohem Link Juice). Gerade wichtige Produkte sollten natürlich öfter verlinkt sein. Das automatische Vorschlagsystem von Amazon verlinkt aber natürlich eher Produkte, die oft gekauft werden, daher findet man bei Amazon kaum schlecht verlinkte Bestseller.

Nun folgt eine genauere Analyse eines konkreten Beispiels. Abbildung 9 zeigt einen Ausschnitt aller Seiten auf Ebene 3 bei expedia.de. Die markierte Zeile (roter Pfeil) ist eine Seite für Städtereisen nach Kyoto (https://www.expedia.de/Kyoto.d6131486.Reise-Angebote-Staedtereisen?rfrr=TG.Flights.Packages).

Diese Seite hat nur einen eingehenden Link auf der Website und daher einen sehr schlechten Link-Juice-Wert. Dennoch reicht das aus, damit die Seite bei Google auf Platz 1 landet (Abbildung 10).

Dies verdeutlicht, dass der Umgang mit den Ressourcen, hier interne Verlinkung und Seitenstruktur, sehr weise gewählt werden muss. Denn optimal wird das Problem gelöst, wenn man mit minimalem Aufwand das beste Ergebnis erzielt.

Diese Kyoto-Städtereisen-Seite wird von einer Seite von Expedia (http://einfach.st/exp6) verlinkt mit dem Linktext „Kyoto – Click&Mix Reisen“ (siehe Abbildung 11).

Auf dieser Seite muss man weit nach unten scrollen, um diesen Link zu finden (Abbildung 12).

Obwohl der Linktext nicht „Städtereisen Kyoto“ lautet, hat diese Seite dafür diese Traumplatzierung bei Google. Im Übrigen hat diese Seite auch noch andere Top-Platzierungen: Bei den Begriffen „Kyoto Reisen“ (Platz 1) und „Kyoto Urlaub“ (Platz 2) und weiteren.

Zugegeben, dies sind absolute Nischenbegriffe und sehr wenig gesucht. Dennoch: Mit einem Link ein paar sehr gute Platzierungen zu erzielen, zeigt, dass man mit Verlinkungen schlau umgehen muss. Sieger ist nicht der, der alles intern auf Teufel komm raus verlinkt. Entscheidend ist, die Verlinkung so zu setzen, dass Seiten für Themen und dazu passende Suchbegriffe, die stark gesucht werden, auch stärker verlinkt sind und wenig gesuchte Themen mit wenig Verlinkungen auskommen. Wer dann noch passende Inhalte bietet, wird sich über bessere Platzierungen freuen.

Deep Learning Verlinking

Amazon gab erst kürzlich ganz überraschend sein Deep-Learning-System DSSTNE als Open Source frei (http://einfach.st/amazondls). Auf diesem System basiert auch das Vorschlagsystem bei Amazon. Für Shopanbieter also eine interessante neue Option, da das System sehr performant und selbstlernend ist. Vermutlich könnte man basierend darauf auch durch das Nutzerverhalten herausfinden, welche Inhalte in einem Bezug zueinander stehen, und dadurch auch lernen, wo Querverlinkungen sinnvoll wären. Man darf gespannt sein, ob die Technologie des Machine Learning nicht nur bei den Suchmaschinen den Weg in die Algorithmen findet, sondern auch bei den Websites.

Mit diesen drei genannten Möglichkeiten hat jeder Webmaster ein Instrument, um die Hierarchie seiner Website zu verbessern. Neben dieser strukturellen technischen Anpassung ist das Thema interne Verlinkung natürlich mindestens ebenso wichtig wie das Nutzerverhalten und gute Inhalte. Da diese Möglichkeiten aber auch dem Besucher eine Hilfe sein können, sollte man sich mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen. Da man an den URLs selber nichts ändert, aber strukturellen Umbau betreibt, kann man hier mit wenigen Maßnahmen viel erreichen.