.was? – Die neuen Domain-Endungen kommen

Florian Huber
Florian Huber

Florian Huber hat einen Abschluss als Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth) und ist Gründer/CEO des Domain-Registrars united-domains AG in Starnberg. Er ist Autor eines Fachbuches über Domainnamen und Gründer von domain-recht.de, des größten deutschsprachigen Blogs rund um Domainnamen. Zudem ist er als Angel Investor tätig (z. B. neubaukompass.de) und berät Unternehmensgründer in Fragen der Produkt- und Markenstrategie.

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Das Internet steht vor großen Veränderungen: Neben den bekannten Domain-Endungen wie .com oder .de wird es ab Anfang 2014 zahlreiche neue Adresskürzel geben, darunter .web, .shop, .blog, .app, .berlin und .bayern. Die Internetverwaltung ICANN hat die Einführung von über 1.000 dieser neuen Top-Level-Domains freigegeben. In Zukunft werden somit Internet-Adressen im Format ski.shop, urlaub.bayern oder justdoit.nike zum Kommunikationsalltag gehören. Mit den neuen Domain-Endungen haben alle Website-Betreiber zukünftig mehr Vielfalt und Auswahl bei der Namenswahl. Gleichzeitig stellen sich neue Herausforderungen für das Online-Marketing und jeder Markeninhaber muss sich schon jetzt fragen, wie er seinen bestehenden „guten Namen“ in diesem neuen Umfeld optimal vor Trittbrettfahren schützen kann. Domainexperte Florian Huber gibt wertvolle Tipps.

Die Anzahl der Domain-Endungen war bisher recht überschaubar: Es gab rund 20 allgemein beschreibende Kürzel wie etwa .com, .net, .org, .info, .biz oder .mobi. Zu diesen sog. generischen Top-Level-Domains kommen rund 250 Länder-Endungen, wie etwa .de für Deutschland, .fr für Frankreich und oder .jp für Japan.

Diese „Domain-Landschaft“ wird sich in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Die Internetverwaltung ICANN startet Anfang 2014 den Einführungsprozess für rund 1.400 neue Top-Level-Domains. In einem aufwendigen und teuren Verfahren konnten sich Unternehmen und Organisationen seit Juni 2011 als Betreiber für eine eigene Domain-Endung bei ICANN bewerben.

Unter den Bewerbern um eine eigene Endung waren auch viele „große Marken“ wie etwa Apple (für .apple), Nike (für .nike) und aus Deutschland zum Beispiel Audi (für .audi), BMW (für .bmw) und der Spiegel-Verlag (für .spiegel). Diese Unternehmen werden ihre eigene Top-Level-Domain als Teil der IT-Infrastruktur im Wesentlichen für sich selbst nutzen, also zum Beispiel für die eigenen Webseiten, E-Mail-Adressen von Mitarbeitern usw.

Daneben gab es rund 600 Bewerbungen für „offene“ Top-Level-Domains, also Endungen, die jedermann zur Registrierung angeboten werden sollen. In diesem Pool findet man Kürzel wie .web, .shop, .blog, .site, .hotel, .film, .music und .eco, aber auch Kurioses wie .ninja, .horse oder .sucks.

Eine weitere Gruppe bilden die sog. Geo-TLDs, also Top-Level-Domains, die sich auf eine Stadt oder eine Region beziehen. Hier findet man Kürzel wie .berlin, .bayern, .koeln, .ruhr, .hamburg, .london, .paris, .nyc (für New York City) oder .lat (für Lateinamerika). Diese geografischen Endungen werden ebenfalls für die Allgemeinheit registrierbar sein, Voraussetzung ist jedoch ein entsprechender örtlicher Bezug (Unternehmens- oder Wohnsitz).

Und der Nutzen?

Die von ICANN initiierte Einführung von neuen Domain-Endungen ist die größte Veränderung des Domain-Namen-Systems (DNS) seit 15 Jahren. Die wichtigste Frage ist: Wozu das Ganze? Worin liegt der Vorteil für den Internet-Nutzer?

Die neuen Endungen werden von vielen Seiten kritisiert: Einige rechnen mit Verwirrung und Verunsicherung bei den Verbrauchern. Auch die Trademark-Lobby – also die Inhaber von Markenrechten – begleitet den Einführungsprozess recht kritisch. Mit der Vielzahl neuer Endungen befürchten Markeninhaber, erneut Opfer von Cybersquattern und Domaingrabbern zu werden. Nicht zuletzt auf Druck der Trademark-Lobby wurden Markeninhabern umfassende Möglichkeiten zur bevorrechtigten Registrierung eingeräumt (dazu unten mehr).

Der Nutzen der neuen Endungen ist vor allem in einer großen Ausweitung der Wahlmöglichkeiten zu sehen. Bei 110 Millionen registrierten .com-Domains und über 15 Millionen .de-Domains ist in diesen Namensräumen praktisch jeder brauchbare Domainname bereits vergeben. Unternehmen und Privatpersonen haben nun die Chance, eine kurze, prägnante und passende Domain-Adresse zu erhalten. Ein Friseur aus Berlin könnte in Zukunft zum Beispiel unter „friseur.berlin“ auftreten, ein Pizzaservice in Köln unter „pizza.koeln“, ein SEO-Blogger unter „seo.blog“ und eine Familie kann unter „schmidt.family“ eine Heimat im Netz finden.

Und auch für (Start-up-)Unternehmen mit neuen Projekt- und Produktideen wird die Suche nach einer noch freien Domain in Zukunft wohl etwas entspannter sein.

Für größere Unternehmen ergibt sich die Möglichkeit, unterhalb der eigenen Top-Level-Domain einen komplett eigenen Namensraum zu besetzen. Adressen wie i3.bmw, shop.dell oder search.google werden somit bald zum Kommunikationsalltag gehören.

Im Kern geht es nicht nur darum, sein eigenes Kürzel zu haben, sondern einen Teil der Internet-Infrastruktur selbst zu betreiben, mit allen damit verbundenen technischen Möglichkeiten wie zum Beispiel erhöhten Sicherheitsstandards. So hat die international agierende Citigroup (eine US-amerikanische Großbank) bereits angekündigt, Schritt für Schritt alle Internetauftritte auf die eigene Top-Level-Domain .citi umzustellen (anstelle von etwa .de oder .com). Man erhofft sich dadurch einen besseren Schutz vor Phishing und anderen Formen des Missbrauchs.

Natürlich werden sich die Internet-Nutzer nicht „über Nacht“ an die neuen Endungen gewöhnen. Alles braucht seine Zeit. Und wer erinnert sich nicht an die endlosen Diskussionen bei der Umstellung der Postleitzahlen von vier- auf fünfstellig oder aktuell bei den Veränderungen im Bereich der Kontonummern und Bankleitzahlen (Stichwort: SEPA).

Nach ein bis zwei Jahren wird das „ungewohnt Neue“ der etablierte Standard sein und die meisten werden sich gar nicht mehr richtig erinnern, dass es auch mal anders war, da alle nun die Vorzüge des neuen Systems schätzen gelernt haben werden.

Die neuen Endungen und Suchmaschinenoptimierung

Eine spannende Frage ist, inwieweit sich die neuen Endungen auf das Thema SEO (Search Engine Optimization, Suchmaschinenoptimierung) auswirken. Dazu gab es in letzter Zeit viele Diskussionen und es wurde wohl auch einiges an „Unsinn“ verbreitet.

Angeheizt wurde die Gerüchteküche vor allem durch die Tatsache, dass sich der Google-Konzern bei ICANN selbst als Betreiber für mehr als 100(!) neue Top-Level-Domains beworben hat. Darunter sind Endungen wie .app, .book, .buy, .free, .home, .music, .new, .search, .play und .you. Aber auch kuriose Kürzel wie .boo, .lol oder .wow finden sich auf der Google-Liste.

Um es kurz zu machen: Die neuen Domain-Endungen werden kurzfristig keine Auswirkung auf das Thema SEO haben. Es wird also eine Webseite zum Thema „Autos“ nicht schon allein deshalb besser gerankt werden, weil die dazugehörige Domain mit dem Kürzel „.auto“ endet. Dies hat auch Google selbst so bestätigt.

Aber: Keine kurzfristigen Auswirkungen heißt natürlich nicht, dass mittel- und langfristig die Dinge anders sind. Alles fließt und in kaum einer Branche sind Veränderungen so an der Tagesordnung wie im Bereich SEO.

Google möchte mit seinem Suchalgorithmus die besten Ergebnisse liefern. Und das beste Suchergebnis ist das, welches für den Nutzer im konkreten Kontext die höchste Relevanz hat. In den Google-Algorithmus fließen dabei mehr als 200 verschiedene Kriterien ein, die Signale für diese Relevanz liefern. Die Top-Level-Domain ist schon jetzt eines dieser 200 Kriterien. So liefert eine Domain mit der Endung „.de“ bei der Suche nach einem deutschen Suchbegriff auf Google-Deutschland ein Relevanz-Signal.

Und sobald Webseiten mit den neuen Endungen zuverlässig Relevanz-Signale liefern können, wird dies natürlich entsprechend in den Suchalgorithmus einfließen. Dies könnte recht schnell bei geografischen Endungen der Fall sein, wie etwa .berlin. Hier ist zu erwarten, dass Google bei einer entsprechenden lokalen Suche Webseiten mit einer .berlin-Domain eine höhere Relevanz zuspricht, insbesondere auch deshalb, da für die Registrierung einer Geo-Domain zwingend ein Wohn- oder Unternehmenssitz innerhalb der jeweiligen Stadt oder Region nachzuweisen ist. Ein entsprechender lokaler Bezug ist deshalb sehr wahrscheinlich.

Ähnlich dürfte die Situation bei „branded TLDs“, also etwa .apple, .rolex oder .citi sein. Es ist davon auszugehen, dass Google Webseiten mit diesen neuen offiziellen „Marken-Domains“ relativ schnell „ganz oben“ ranken wird, insbesondere deshalb, da Betreiber dieser Webseiten nur die Unternehmen selbst sein können und somit zuverlässig das Ranking von Fake- und Phishingsites verhindert werden kann.

Vorbestellungen

Die Einführung der neuen Endungen wird ab Anfang 2014 beginnen und sich wohl zwei Jahre hinziehen. ICANN hat sich bewusst für ein gestuftes Verfahren entschieden und nicht für eine Big-Bang-Lösung (alle neuen Endungen zur gleichen Zeit). Offensichtlich möchte man so technische Instabilitäten im DNS verhindern.

Praktisch alle größeren Domain-Registrare und Provider bieten mittlerweile „Vorbestellungen“ oder „Vorregistrierungen“ für die neuen Domain-Endungen an. Diese Bestellungen sind im Regelfall kostenlos und unverbindlich. Unverbindlich deshalb, da für die meisten Endungen der genaue Einführungszeitpunkt, die Vergabebedingungen und auch die jährlichen Registrierungsgebühren noch nicht feststehen. Sobald diese Eckpunkte vorliegen, wird dem Kunden angeboten, seine unverbindliche Vorbestellung in eine verbindliche Bestellung umzuwandeln. Der Kunde kann sich dadurch schon frühzeitig einen entsprechenden Platz in der Datenbank des Providers sichern und andere Kunden von der Bestellung der eigenen Wunschdomain de facto ausschließen.

Durch eine unverbindliche Vorbestellung sichert man sich also schon jetzt eine gute Ausgangsposition beim zu erwartenden Run auf attraktive Domains. Eine Garantie, die Wunschdomain auch tatsächlich zu erhalten, kann jedoch kein Provider seinen Kunden geben.

Schutz für Markeninhaber

Angesichts dieser Veränderungen ist eine effektive Markenschutzstrategie geboten. Dazu hat ICANN das Trademark Clearinghouse (TMCH) ins Leben gerufen, eine zentrale Markendatenbank, die die Durchsetzung von Markenrechten erleichtert. Der Eintrag ins TMCH ermöglicht die Teilnahme an Sunrise-Phasen (bevorrechtigte Registrierung), warnt Domain-Besteller vor möglichen Markenrechtsverletzungen und informiert Markeninhaber über Domain-Registrierungen, die mit der Marke identisch sind.

Eingetragene Marken profitieren von zwei neu geschaffenen Rechtschutzmechanismen, den Sunrise-Phasen und dem Trademark Claims Service:

Sunrise-Phasen: Bei der Sunrise-Phase handelt es um ein kurzes Zeitfenster vor dem Start der Domain-Registrierungen für die Allgemeinheit. In dieser Phase haben Markeninhaber das Vorrecht, ihre Kennzeichenrechte als Domain zu registrieren. Damit soll verhindert werden, dass Dritte Domains registrieren, die mit der Marke identisch sind, um sie später an den Markeninhaber zu verkaufen (Cybersquatting/Domaingrabbing).

Trademark Claims Service: Hierbei handelt es sich um eine automatische Benachrichtigung des Markeninhabers, wenn eine Domain registriert wird, die mit der im TMCH hinterlegten Marke identisch ist. Schon beim Versuch eines Kunden eines Providers, eine Domain neu zu registrieren, die mit der Marke identisch ist, erhält der Besteller eine Benachrichtigung. Schließt der Besteller die Domain-Registrierung dennoch ab, erhält auch der Markeninhaber eine Benachrichtigung („Alarm“) über die Domain-Registrierung.

Alle eingetragenen Wortmarken, gerichtlich bestätigte Wortmarken und durch Gesetz oder Übereinkunft geschützte Wortmarken können in das Trademark Clearinghouse eingetragen werden. Das Trademark Clearinghouse lässt auch Marken zu, die nicht ausschließlich aus Zeichen bestehen. So können auch Wort-/Bildmarken unter bestimmten Voraussetzungen eingetragen werden.

Strategie

Für Inhaber bestehender Webseiten stellt sich eine einfache Frage: Was tun? Die neuen Endungen geben zwar allen „Domain-Suchenden“ mehr Auswahlmöglichkeiten, doch für Betreiber existierender Webseiten stellt sich das Problem des optimalen Schutzes des eigenen „guten Namens“ in einer Online-Welt mit 1.400 neuen Endungen. Denn dies heißt nicht nur mehr Wahlfreiheit, sondern auch – und das ist die Kehrseite – 1.400-mal die Gefahr des Missbrauchs des vorhandenen Namens durch Trittbrettfahrer.

Die Option, den eignen Namen unter allen neuen 1.400 Domain-Endungen selbst zu registrieren (sog. defensive Registrierungen) ist finanziell und administrativ keine akzeptable Lösung – aber auch gar nicht notwendig.

Besteht für den eigenen Namen ein Markenrecht, so empfiehlt sich ein Eintrag ins Trademark Clearinghouse (TMCH). Ein Anbieter wie Zalando würde also die Wortmarke „Zalando“ im Trademark Clearinghouse anmelden. Damit erhält Zalando dann zukünftig automatisch einen „Alarm“, falls ein Dritter die Zeichenfolge „zalando“ unter einer der neuen Domain-Endungen registriert. Die Rechtsabteilung von Zalando könnte dann entscheiden, ob sie auf juristischem Wege gegen den Trittbrettfahrer vorgehen möchte.

Zudem empfiehlt es sich für Zalando, den eigenen Namen (nur) unter auch „thematisch passenden“ Domain-Endungen selbst zu registrieren und zu nutzen, als Beispiele seien hier genannt: zalando.shop, zalando.fashion, zalando.shoes, zalando.design, zalando.store und zalando.berlin. 

Fazit

Die neuen Domain-Endungen werden das Internet verändern. Für „Namen-Suchende“ wie etwa Start-up-Unternehmen ergeben sich bei der Suche nach einem prägnanten und passgenauen Domainnamen viele neue Möglichkeiten.

Die Rechts- und Marketing-Abteilungen von Unternehmen werden durch die neuen Endungen hingegen vor große Herausforderungen gestellt. Für Rechtsabteilungen steht dabei wohl der effektive Schutz der vorhandenen Namen im Vordergrund und für die Marketing-Abteilungen wird es vor allem darum gehen, die neuen Domain-Möglichkeiten optimal für die eigene Kommunikation zu nutzen.