Behörde darf bei Bußgeldverfahren betroffene Firmen nicht namentlich erwähnen

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Leider kommt es in der letzten Zeit immer wieder vor, dass Behörden Pressemitteilungen veröffentlichen, in denen sie Unternehmen namentlich nennen, zum Beispiel, wenn es um die Verhängung von DSGVO-Bußgeldern geht oder jüngst um die BSI-Warnung vor der Virensoftware Kaspersky. Besonders kritisch ist dies, wenn die erlassenen Bescheide noch gar nicht rechtskräftig sind und somit noch nicht abschließend gerichtlich überprüft ist, ob die behördliche Maßnahme tatsächlich rechtmäßig ist. Der heutige Artikel beschäftigt sich mit der Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten ein betroffenes Unternehmen hat, um gegen eine solche namentliche Erwähnung vorzugehen. Hier sticht insbesondere eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster hervor.

Teil 1: Die Problemlage

Im vorliegenden Fall ging es um eine Pressemitteilung der Bundesnetzagentur.

Die Behörde hatte in der Vergangenheit auf ihrer Webseite eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie über die Verhängung des Bußgeldes gegen das klägerische Unternehmen berichtete. Darin wurde der Klägerin vorgeworfen, dass sie nach Weisung ihres Auftraggebers Kunden im Nachgang eines Telefonats Zusatzdienstleistungen untergeschoben hätte, die diese überhaupt nicht bestellt hätten.

Auch seien – so die amtlichen Erklärungen in der Medienmitteilung – gegenüber Neukunden Werbeanrufe getätigt worden, obwohl keine gültige Einwilligung vorgelegen habe. Viele Betroffene hätten angegeben, dass sogar trotz ausdrücklicher Untersagung weitere Anrufe erfolgt seien, durch die sie sich massiv belästigt gefühlt hätten. Die Klägerin habe zudem Adresskontingente bei Adresshändlern eingekauft, ohne in einem ausreichenden Maße zu prüfen, ob die Betroffenen tatsächlich wirksam in den Erhalt von Werbeanrufen eingewilligt hatten.

Die klägerische Firma wurde dabei mit vollem Namen genannt.

Teil 2: Pressemitteilung der Bundesnetzagentur

Hiergegen wehrte sich die klägerische Firma und bekam vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster) recht.1

Zwar sei die Bundesnetzagentur, wie jede andere Behörde in Deutschland, grundsätzlich berechtigt, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und die Allgemeinheit über wichtige Ereignisse und Entwicklungen zu informieren. Für ein solches Handeln bedürfe es keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage.

Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn durch die Pressemitteilung in die Rechte von Dritten eingegriffen werde. Dann sei eine ausreichende Rechtsgrundlage notwendig.

Eine solche Konstellation sei – wie im vorliegenden Fall – beispielsweise dann gegeben, wenn unter Nennung des Firmennamens berichtet werde:

„Die mit der Pressemitteilung verbreiteten Informationen sind inhaltlich geeignet, die Markt- und Wettbewerbssituation mittelbar-faktisch zum wirtschaftlichen Nachteil der Antragstellerin zu verändern. Im Einzelnen informiert die Bundesnetzagentur sowohl über die Verhängung des Bußgeldes selbst als auch über das der Antragstellerin bzw. ihrer Geschäftsleitung in diesem Zusammenhang zur Last gelegte Fehlverhalten. [...]
Da die Antragstellerin in der Pressemitteilung mehrfach unter ihrer vollen Firma genannt wird, können ihr die Feststellungen der Bundesnetzagentur individuell zugeordnet werden. Bisherige Geschäftspartner der Antragstellerin können die mitgeteilten Informationen zum Anlass nehmen, schon aus Sorge vor einer eigenen Rufschädigung von einer weiteren Zusammenarbeit mit der Antragstellerin Abstand zu nehmen. Potentielle neue Geschäftspartner können durch die mitgeteilten Informationen verschreckt werden und sich vorsorglich für die Inanspruchnahme anderer ‚unbelasteter‘ Dienstleister entscheiden.
Nicht zuletzt kann der Antragstellerin die eigene Tätigkeit im Bereich des Telemarketings dadurch erschwert werden, dass ihr Ruf im Kreis der Verbraucher in Mitleidenschaft gezogen wird und Anrufe ihrer Mitarbeiter wegen der gemäß § 312a Abs. 1 BGB gebotenen Offenlegung der Identität der Antragstellerin als Unternehmerin per se als unseriös bewertet und abgewehrt werden."

Das Oberverwaltungsgericht Münster stellt also fest, dass die herausgegebene Pressemitteilung extrem negative Auswirkungen auf das betreffende Unternehmen haben kann.

In derartigen Fällen, in denen schwerwiegend in die Grundrechte einer Firma eingegriffen werde, bedürfe es einer ausreichenden Rechtsgrundlage.

Eine solche Ermächtigung konnte das OVG Münster für die Bundesnetzagentur im vorliegenden Fall nicht feststellen.

Kein ausreichender Grund sei es jedenfalls, wenn die Behörde angebe, dass die Antragstellerin angeblich ihr rechtswidriges Verhalten fortsetze. Zwar sei dann eine Berichterstattung möglicherweise erlaubt, jedoch nicht über das eigentliche Bußgeldverfahren:

„Der Erlass eines Bußgeldbescheides ersetzt für sich genommen nicht die für eine angestrebte öffentliche Warnung vor der Geschäftspraktik der Antragstellerin erforderlichen hinreichenden Verdachtsmomente dafür, dass sich die Antragstellerin auch weiterhin regelwidrig verhalten wird.
Die von der Bundesnetzagentur angeführte spezialpräventive Wirkung eines Bußgeldbescheides zur Sanktionierung begangener Rechtsverstöße liegt ja gerade in der Erwartung, dass der Betroffene das Bußgeld zum Anlass nimmt, sich künftig regelkonform zu verhalten.
Falls der Bundesnetzagentur belastbare Verdachtsmomente für künftiges regelwidriges Verhalten der Antragstellerin vorlägen, würde dies wiederum nicht die hier in Mitten stehende Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Erlass eines Bußgeldbescheides, sondern allenfalls eine konkrete Warnung vor künftigem Fehlverhalten rechtfertigen […]
Eine allgemeine generalpräventive Wirkung oder eine etwaige Verstärkung der Sanktionswirkung des verhängten Bußgelds gegenüber der Antragstellerin ließen sich auf die der Abwehr einer konkreten Gefahr dienende Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG von vornherein nicht stützen."

Teil 3: Pressemitteilung des BSI zu Kaspersky

Für viel Aufsehen hat auch die jüngste Pressemitteilung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gesorgt. Am 15. März dieses Jahres warnte das BSI vor der Verwendung der Virenschutzsoftware der Firma Kaspersky.2

Aufgrund des Ukraine-Krieges sei nicht ausgeschlossen, so die Behörde, dass Russland auf den Anbieter Druck ausüben würde und so die Gefahr bestünde, dass die Software zu Cyberangriffen missbraucht werden könne.

Kaspersky wehrte sich über zwei Instanzen gegen die Veröffentlichung, blieb am Ende jedoch erfolglos. Gleichwohl sind die gerichtlichen Entscheidungsgründe lesenswert, da auch diesem Fall das Gericht3 deutlich macht, dass an die namentliche Erwähnung einer Firma hohe Voraussetzungen geknüpft sind.

In der juristischen Sprechweise liest sich das in den gerichtlichen Entscheidungen dann wie folgt:

„[…] Haben sich amtliche Äußerungen an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren.
Mitgeteilte Tatsachen müssen objektiv zutreffend wiedergegeben werden. Werturteile dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, d. h. sie müssen bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen, und dürfen zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten."

Sei die Richtigkeit eines Sachverhaltes noch nicht abschließend geklärt, könne die Behörde in Ausnahmefällen gleichwohl öffentlich unter Verwendung des Firmennamens warnen. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass ein wichtiges öffentliches Interesse bestünde:

„Die zuständige Behörde kann zur Verbreitung von Informationen, wozu auch Emp­fehlungen oder Warnungen gehören, unter besonderen Voraussetzungen auch dann berechtigt sein, wenn ihre Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist.
In solchen Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist.
Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden."

In derartigen Konstellationen sei es jedoch zwingend notwendig, auf die bestehende Unklarheit hinzuweisen:

„In solchen Fällen wird es angezeigt sein, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.
Im Übrigen ist die Verbreitung von Informationen unter Berücksichtigung möglicher nachteiliger Wirkungen für den Betroffenen auf das zur Informationsgewährung Erforderliche zu beschränken."

Im Klartext: Aufgrund der besonderen Umstände nahm das Gericht hier ein derartiges öffentliches Interesse an, da die Gefahr eines Cyber-Angriffs bestünde und die Allgemeinheit informiert werden müsse. Kaspersky müsse also seine namentliche Nennung hinnehmen.

Das Gericht kommt insbesondere auch deswegen zu dieser Entscheidung, weil das BSI gerade von Gesetzes wegen befugt ist, Warnungen vor Sicherheitslücken in IT-Systemen zu veröffentlichen. Eine gleichartige Regelung für die meisten anderen Behörden fehlt jedoch. Insbesondere im Datenschutzrecht gibt es keine solche Norm.

Teil 4: Praktische Konsequenzen

Die praktischen Konsequenzen der beiden gerichtlichen Entscheidungen können kaum überschätzt werden. Es ist bereits heute absehbar, dass sie über kurz oder lang zu deutlich mehr Verfahren gegen Pressemitteilung von Behörden führen werden.

Insbesondere im Bereich des Datenschutzrechtes haben Ämter in der letzten Zeit über Bußgeldverfahren gegen Unternehmen berichtet, teilweise sogar in Fällen, in denen die Bescheide noch gar nicht rechtskräftig waren.

Die Entscheidungen des OVG Münsters bieten betroffenen Unternehmen deutlich mehr Chancen, sich gegen derartige behördliche Äußerungen erfolgreich zu wehren. Denn kein Betrieb muss es hinnehmen, in der Öffentlichkeit gebrandmarkt zu werden, wenn die Vorwürfe unberechtigt sind oder der Sachverhalt noch nicht abschließend geklärt ist.


1 OVG Münster, Beschl. v. 17.05.2021 – Az.: 13 B 331/21.
2 Online abrufbar unter bit.ly/39ekIJD.
3 OVG Münster, Beschl. v. 28.04.2022 – Az.: 4 B 473/22.

Die Ämter werden zukünftig sorgsam abwägen müssen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das eine vorzeitige Publikation rechtfertigen kann. Die Gerichte stellen klar, dass hierfür hohe Anforderungen gelten und die Behörden nicht vorschnell ein solches Interesse bejahen dürfen.

Es wird abzuwarten sein, welchen konkreten Einfluss die aktuelle gerichtliche Entscheidung auf das zukünftige behördliche Verhalten haben wird.