Werbemöglichkeiten unter dem neuen Glücksspiel-Staatsvertrag 2021

Chancen und Risiken

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Mitte 2021 soll der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft treten.

Welche Neuerungen in puncto Werbemöglichkeiten und Werbeformen gibt es? Was ist zukünftig verboten, was ist zukünftig erlaubt? Welche neuen Chancen für Werbung und Direktmarketing gibt es auf Basis der neuen Bestimmungen?

Der Artikel richtet sich an alle Unternehmen, die entweder direkt selbst im Glücksspiel-Bereich oder als Direktmarketing-Agentur oder in sonstiger Weise (z. B. als Affiliate) tätig sind. Er konzentriert sich auf das Wesentliche: Was Unternehmen, die im glücksspielrechtlichen Direktmarketing tätig sind, im Jahr 2021 wissen müssen.

Teil 1: Der neue Glücksspiel-Staatsvertrag 2021 Die 16 deutschen Bundesländer haben sich vor einiger Zeit entschlossen, das deutsche Glücksspielrecht zu reformieren und den bestehenden Glücksspiel-Staatsvertrag zu aktualisieren. In Kraft treten sollen die Neuerungen des Glücksspiel-Staatsvertrages 2021 (GlüStV 2021) zum 01.07.2021. Die Regelungen müssen noch von der EU genehmigt werden. Es spricht jedoch vieles dafür, dass Brüssel den Neuregelungen vermutlich zustimmen wird. Nach jahrzehntelanger nationaler Abschottung öffnet sich der deutsche Glücksspielmarkt nunmehr und erfährt mit dem GlüStV 2021 eine gewisse Liberalisierung. Zukünftig wird es damit auch privaten Unternehmen ermöglicht, Glücksspiele anzubieten. Dies gilt vor allem für so interessante Bereiche wie Online-Poker und Online-Casinos. Dieser Artikel beschäftigt sich im Weiteren nicht mit den Anforderungen zum Erhalt einer solchen Lizenz, sondern setzt sich vielmehr mit den neu entstandenen Werbemöglichkeiten für die unterschiedlichen Angebote auseinander. Teil 2: Gemeinsame Leitlinie der Bundesländer Anfang Oktober 2020 hat eine Leitlinie der Bundesländer Aufsehen erregt. Insbesondere ein FAZ-Artikel zu diesem Thema hat für viele Missverständnisse und Verwirrung gesorgt. In diesem Dokument verlangen die deutschen Bundesländer von interessierten privaten Unternehmen, sich bereits heute, also vor Inkrafttreten des GlüStV 2021, rechtskonform zu verhalten und bestimmte inhaltliche Mindestanforderungen (vor allem zum Jugend- und Spielerschutz) einzuhalten. Diese Anforderungen betreffen insbesondere virtuelle Automatenspiele und Online-Poker. Dieses Dokument ist nicht Teil des GlüStV 2021, sondern nur eine vorgelagerte Handlung der Länder. Die Länder machen dabei den privaten Glücksspiel-Anbietern ein „unmoralisches Angebot". Wer sich nämlich zur Einhaltung dieser Normen freiwillig verpflichtet, soll bei der späteren Lizenzvergabe im Jahr 2021 nicht benachteiligt werden. Wörtlich heißt es in dem Dokument: „Werden die vorgenannten Anforderungen erfüllt, so wird einem Anbieter im Rahmen eines späteren Erlaubnisverfahrens in der Regel nicht die Zuverlässigkeit wegen des Eigenvertriebs oder der Veranstaltung von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker abzusprechen sein. Ein Anspruch auf Erlaubniserteilung oder ein Präjudiz für ein späteres Erlaubniserteilungsverfahren wird, auch mit Rücksicht auf die weiteren Anforderungen des geltenden Rechts, durch diese Ausübung des Vollzugsermessens jedoch nicht begründet." Diese konkrete Vorgehensweise ist klar rechtswidrig, denn den Ländern fehlt natürlich die Kompetenz, die Rechtsordnung auf diese Weise zu ändern. Diese Vorgehensweise zeigt anschaulich, dass auch im Jahr 2020 die Interessen der Beteiligten vorwiegend wirtschaftlicher und politischer Natur sind und nicht rechtlich begründet sind. Viele Behörden und Ämter haben sich daher auch zu Recht geweigert, etwaige Maßnahmen zu unterlassen, um nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung ausgesetzt zu werden. Teil 3: Begriffe des GlüStV 2021 Um die Reichweite der Neuerungen zu verstehen, ist es zunächst sinnvoll, sich im groben Überblick anzuschauen, welche Bereiche der GlüStV 2021 erfasst. Das sind: - Wetten - Sportwetten - virtuelle Automatenspiele - Online-Casinospiel - Online-Poker Die letzten drei Bereiche kannte das deutsche Glücksspielrecht, denn diese waren in der Praxis bis dato grundsätzlich so verboten. Lediglich in Schleswig-Holstein tummelten sich entsprechende Online-Casinos. Dies ändert sich nun. Nunmehr gibt es eine sehr breite Öffnung des Online-Bereichs, die auch endlich alle Spiele erlaubt, die es im Online-Ausland bereits seit Jahrzehnten gibt. Wie werden nun die einzelnen Bereiche abgegrenzt? Virtuelle Automatenspiele sind nach der Definition des GlüStV 2021 im Internet angebotene Nachbildungen terrestrischer Automatenspiele. Es wird dann ab nächstem Jahr möglich sein, an Automatenspielen (wie z. B. dem bekannten einarmigen Banditen) auch online teilzunehmen. Weiter unterscheidet das neue Gesetz zwischen Online-Casino und Online-Poker. Die Neuregelungen stellen jeweils unterschiedliche Anforderungen, sodass diese getrennt im Gesetzestext erwähnt werden. Ein Online-Casino liegt immer dann vor, wenn ein sogenanntes Bankhalterspiel gegeben ist, d. h., an der Organisation des Spiels nimmt auch eine Bank teil. Anders ist dies beim Online-Poker, wo die Spieler ohne Bankhalter sich virtuell gegenübersitzen. Teil 4: Werbemöglichkeiten unter dem GlüStV 2021 1. Allgemein: Dreh- und Angelpunkt in puncto Werbung ist der neue § 5 GlüStV. Es kann nur dringend empfohlen werden, dass sich jedes Unternehmen, das sich mit der Materie auseinandersetzen will, diesen Paragrafen einmal näher anschaut. Dies gilt auch für Nicht-Juristen! Der GlüStV 2021 bringt klar zum Ausdruck, dass weiterhin Werbung nur für solche Glücksspiele legal ist, die eine Lizenz nach dem GlüStV 2021 haben. Für alle anderen Anbieter, die über keine derartige Genehmigung verfügen, insbesondere Anbieter mit ausländischen Lizenzen, darf hingegen nicht geworben werden. Das neue Gesetz stellt klar, dass, anders als nach bisherigem Recht, Werbung relativ weitreichend erlaubt ist. Grundsätzlich können die Glücksspiel-Anbieter auch Dritte beauftragen, z. B. Agenturen, Partnerprogramm-Betreiber oder Affiliates. Zwar darf auch weiterhin die Werbung nicht „übermäßig" sein und der Bekämpfung der Glücksspielsucht zuwiderlaufen. So darf beispielsweise keine gezielte Werbung an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Gruppen (z. B. Glücksspielsüchtige) erfolgen. Gleichwohl bieten die Neuregelungen an dieser Stelle eine wichtige Öffnung. Im Gesetzestext heißt es nämlich ausdrücklich, dass „besondere Merkmale des jeweiligen Glücksspiels bei der Werbung herausgehoben werden dürfen". So soll die Bewerbung der gemeinnützigen Verwendung von Erträgen, einer große Jackpot-Summe oder hoher Ausschüttungsquoten erlaubt sein. 2. Werbekanal Telekommunikation: Werbung mittels Telekommunikation (z. B. Telefon oder SMS) ist – wie bislang auch schon – zukünftig verboten. Einzige Ausnahme: Bei Inbound-Anrufen des Kunden oder Spielinteressierten ist Werbung hingegen zulässig. Das heißt, ruft der Kunde an, so darf der Glücksspiel-Anbieter Werbung in diesen Telefonaten betreiben. Bei reinen aktiven Service-Calls des Anbieters hingegen (z. B. Überprüfung des Geburtsdatums) ist dies verboten. 3. Werbekanal E-Mail und Briefpost: Werbung mittels Briefpost und E-Mail ist in Zukunft grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn a) eine vorherige Einwilligung des Users vorliegt und b) ein Abgleich mit einer Spiel-Sperrdatei stattgefunden hat. Diese Voraussetzungen gelten jedoch nur, wenn die Werbung an „einzelne Personen adressiert" ist. Dieses Merkmal wird bei E-Mails immer erfüllt sein, da stets der konkrete Empfänger genannt ist. Bei Postwurfsendungen und reinen Werbeflyern hingegen bestehen erhebliche Zweifel, ob dieses Merkmal gegeben ist. Hier spricht einiges dafür, dass in dieser Weise auch ohne die vorgenannten Bedingungen geworben werden darf. Gänzlich ausgenommen von diesen Beschränkungen ist der Bereich der Lotterien und der Pferdewetten. Hier darf unbeschränkt Werbung mittels E-Mails und Briefpost gemacht werden. 4. Werbekanal Internet, Rundfunk und Fernsehen: Eine große Neuerung betrifft den Bereich des Internets, Rundfunks und Fernsehens. Hier wird die bis dato sehr zurückhaltende Werbeerlaubnis massiv ausgeweitet, d. h., Werbung ist zukünftig in diesen Medien grundsätzlich erlaubt. Von diesem Grundsatz existieren aber einige Ausnahmen: a) Für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinos darf nicht zwischen 06:00 und 21:00 Uhr geworben werden. b) Für Sportwetten darf vor und nach Liveübertragungen nicht geworben werden. c) Keine Internet-Werbung für Sportwetten bei Live-Zwischenständen, es sei denn, es geschieht auf der eigenen Webseite des Glücksspiel-Anbieters. d) Keine Werbung für Sportwetten mit aktiven Sportlern und Funktionären. 5. Werbekanal Affiliates: Online-Werbung mittels Affiliates ist unter dem GlüStV 2021 grundsätzlich erlaubt. Der Merchant darf jedoch keine variable, einzahlungs- oder einsatzabhängige Vergütung gewähren. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die üblichen Vergütungssysteme der Partnerprogramme nächstes Jahr grundlegend umgestellt werden müssen. Die vorgenannten Einschränkungen gelten nicht für den Bereich der Lotterien und der Pferdewetten. 6. Überblick: Um den Lesern einen Überblick über die Neuerungen zu ermöglichen, nachfolgend ein kurzes Schaubild mit den wichtigsten Punkten: Werbekanal Grundsatz Ausnahmen Telekommunikation Verboten Erlaubt bei Inbound-Anrufen des Kunden oder Spielinteressierten Briefpost und E-Mail Grundsätzlich nur noch dann erlaubt, wenn a) vorherige Einwilligung des Empfängers vorliegt b) Abgleich mit Spieler-Sperrdatei vorliegt Unklar, ob Einschränkung auch bei nicht-adressierten Nachrichten gilt Erlaubt ohne Einschränkungen a) Lotterien mit max. 2 x Wochenspielen b) Lotterien in Form des Gewinnsparens c) Pferdewetten Internet, Rundfunk und Fernsehen Grundsätzlich erlaubt Werbung ist verboten: a) 06:00 – 21:00 Uhr: virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinos b) Vor + nach Liveübertragungen keine Werbung für Sportwetten c) bei Live-Zwischenständen keine Sportwetten-Werbung auf Drittseiten, auf eigener Homepage zulässig d) keine Sportwetten-Werbung mit Sportlern oder Funktionären e) nur noch beschränkte Affiliate-Werbung Teil 5: Ausblick Auch wenn der GlüStV 2021 noch keine grundlegende Liberalisierung des deutschen Glücksspiel-Marktes darstellt, öffnen sich hier in jedem Fall für Glücksspiel-Anbieter, Agenturen und sonstige Werbetreibende neue Türen: Denn erstmals sind Glücksspiel-Angebote wie Online-Casinos und Online-Poker erlaubt und dürfen legal beworben werden. Zwar enthalten die Regularien einige Ausnahmen. Diese fallen jedoch keineswegs so restriktiv aus, dass in der Praxis keine effektive Werbung mehr möglich ist. Ab Juli 2021 bieten sich also für den Online-Bereich neue lukrative Werbemöglichkeiten an.