So geht effizientes Lead Scoring im B2B

Ali Saffari
Ali Saffari

Ali Saffari ist Vertriebs- und Marketingdirektor bei der Trusted Shops GmbH in Köln. Er ist verantwortlich für ein nahezu 100-köpfiges internationales Team in acht europäischen Ländern. Davor war er zuletzt als Unternehmer tätig und baute ein führendes Online-Reputationsmanagement-Unternehmen für die Hotellerie und Gastronomie auf.

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Britta Kristin Böhle
Britta Kristin Böhle

Britta Kristin Böhle arbeitet als Director Inbound-Marketing bei der Trusted Shops GmbH in Köln. Gemeinsam mit ihren Teams entwickelt sie internationale Marketing-Strategien für sieben B2B-Märkte. Zuvor war sie bei einer E-Commerce-Agentur als Online-Marketing-Managerin tätig und hat sich dabei besonders auf den Bereich Suchmaschinen-Marketing spezialisiert.

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Für einen erfolgreichen Vertrieb im B2B ist ein effizientes Leadmanagement unerlässlich. Vertriebler sollten sich darauf konzentrieren können, Kundengespräche zu führen und zum Abschluss zu bringen. Dafür muss ein funktionierendes Leadmanagement Kontakte in ausreichender Menge und möglichst hoher Qualität bereitstellen. Doch wie kann man die Qualität eines Leads messen, noch bevor dieser vom Vertriebler kontaktiert wurde? Die Autoren beschreiben in diesem Artikel einen Lösungsweg, der in einem mittelständischen Unternehmen aus der E-Commerce-Branche implementiert wurde.

Warum ist Leadmanagement so wichtig für den Vertrieb?

Für erklärungsbedürftige Produkte ist oft ein persönlicher Kontakt zwischen potenziellem Kunden und einem Vertriebler notwendig. Um diesen Dialog anstoßen zu können, ist der Vertriebler auf die Bereitstellung von Leads (Kontaktdaten potenzieller Kunden) angewiesen. Damit diese sich tatsächlich darauf konzentrieren können, Kundengespräche zu führen und zum Abschluss zu bringen, empfiehlt es sich, die Leadgenerierung aus dem reinen Vertrieb auszugliedern und die Kontakte den Vertrieblern zur Verfügung zu stellen.

Bei der Leadgenerierung können sowohl kalte als auch warme Leads bereitgestellt werden. Kalte Leads werden z. B. durch Recherche generiert, warme Leads durch verschiedene Marketingmaßnahmen, bei denen die Kontaktdaten des Interessenten abgefragt werden. Dabei bekommt der Interessent üblicherweise einen kostenlosen Content (Inhalte wie Whitepaper, Webinare, Infografiken) zur Verfügung gestellt. Diese beiden Arten können auch vermischt und dem Vertrieb mit entsprechender Kommunikation übergeben werden. Bei warmen Leads besteht der Vorteil, dass dieser Kontakt freiwillig auf Marketingaktionen reagierte und dabei ein positives Erlebnis mit dem Unternehmen hatte.

Zum Leadmanagement gehören auch die Qualifizierung eines Leads hinsichtlich Datensauberkeit und die Qualitätsbewertung eines Leads (Lead Scoring).

Was ist eigentlich Lead Scoring?

Lead Scoring ist ein Verfahren zur Bewertung von Leads, um die Frage der Qualitätsbewertung zu lösen. Die Kaufwahrscheinlichkeit des Leads wird in Form eines numerischen Wertes wiedergegeben. Mit diesem Wert kann der Vertriebler, noch bevor er das erste Mal zum Hörer greift, das Potenzial des Kontaktes einschätzen.

Gerade im B2B-Umfeld reicht es häufig nicht aus, nur die Wahrscheinlichkeit eines Kaufabschlusses zu kennen, sondern nötig ist auch eine Abschätzung über den möglichen Umsatz, den der Lead mitbringt. Somit beantwortet Lead Scoring idealerweise folgende Fragen:

  1. Wie interessiert ist ein Lead an meinem Produkt oder meiner Dienstleistung?
  2. Wie viel Geld ist derjenige in der Lage, für mein Produkt oder meine Dienstleistung auszugeben?

Wenn in Unternehmen überhaupt ein Lead Scoring vor der Kontaktaufnahme eingesetzt wird, erfolgt meistens nur eine Betrachtung hinsichtlich eines Kriteriums. Aber gerade die zweidimensionale Betrachtung, Eignung und Interesse, ist zielführend bei der Frage, ob Ihr Unternehmen und der Lead zusammenpassen. Somit empfiehlt es sich, ein zweidimensionales Lead Scoring einzusetzen, das genau auf die Beantwortung dieser zwei Fragen abzielt. Dadurch können die Kontakte nach Interesse und Potenzial in A-, B-, C- und D-Kontakte unterteilt werden (Abbildung 1).

Das Interesse wird hierbei auf der x-Achse, das Potenzial auf der y-Achse abgetragen. Ein hohes Potenzial und ein hohes Interesse stellen den Idealkunden dar, der möglichst schnell kontaktiert werden sollte. Leads mit wenig Interesse und Potenzial sollten vermieden und zum aktuellen Zeitpunkt nicht kontaktiert werden. Bei Leads mit hohem Umsatzpotenzial und bisher wenig Interesse muss das Interesse entsprechend geweckt werden. Bei hohem Interesse und aktuell weniger Potenzial kommt es darauf an, dass der Lead möglichst effizient und trotzdem zu seiner Befriedigung bedient wird.

Dadurch wird für jeden Lead transparent, wie es vom Vertrieb bedient werden sollte. So kann auch ein entsprechendes Controlling aufgesetzt werden, ob die empfohlene schnelle Kontaktaufnehme für A-Leads tatsächlich durchgeführt wird.

Aber trotzdem müssen noch zwei Werte zur Einordnung der Leads in die Matrix erstellt werden: der Interessen- und der Potenzialscore.

Dabei ist die vorherige Erstellung einer Persona unabdingbar. Eine Persona ist die Zielvorstellung eines Ihrer typischen Kunden. Aus welcher Branche kommen die Kontakte, welche Entscheiderebene haben sie, welche Ziele und Herausforderungen haben sie? Können sie sich Ihre Produkte und Dienstleistungen leisten bzw. können diese vom Unternehmen des Kontaktes erfolgreich eingesetzt werden?

Dabei wird ein Katalog von Kriterien erstellt, die ein guter Lead, aber auch ein negativer Lead, statistisch gesehen erfüllt. Bei Erfüllung der positiven Kriterien bekommt der Lead Punkte zugeschrieben, bei Erfüllung negativer Kriterien werden Punkte abgezogen. Außerdem wird jeweils ein Schwellenwert definiert, ab welchem Wert zwischen niedrig und hoch unterschieden wird.

Kalkulation des Interessenscores

Mit dem Interessenscore soll ausgedrückt werden, wie interessiert der Lead an den Produkten und Dienstleistungen und am Unternehmen selbst ist. Das Interesse wird durch verhaltensbedingte Kriterien gemessen, z. B.:

  • Anzahl der Webseitenbesuche
  • Aufrufen einer Schlüsselseite (z. B. Preise)
  • Download von Content-Angeboten
  • Anmeldung zum Newsletter
  • Anbieter der E-Mail-Adresse
  • Interaktion mit Social-Media-Inhalten
  • Anschauen von Videos
  • Verweildauer
  • Teilnahme an Webinaren

Je nach Aufbau des Content-Angebots sollte man auch zwischen den Arten des Contents unterscheiden. Je nach Lifecycle Stage (Phasen, in denen sich ein Kontakt vor seinem Kauf befinden kann) gibt es Inhalte, die eher allgemein sind, und solche, die sich stärker mit den angebotenen Produkten oder Dienstleistungen beschäftigen. Somit sollten Sie für den Download allgemeiner Materialien weniger Punkte vergeben als für Inhalte, die sich mit Ihrem Angebot beschäftigen.

Kalkulation des Potenzialscores

Durch den Potenzialscore soll ermittelt werden, inwieweit der Lead aus Ihrer Sicht zu Ihrem Unternehmen passt. Kann er Ihre Produkte oder Dienstleistungen einsetzen und kann er sich diese leisten? Hier sollten Kriterien herangezogen werden, die die Eignung des Leads überprüfen, z. B.:

  • Geschätzte Werbeausgaben
  • Werbekanäle
  • Sichtbarkeit der Domain
  • Eingesetzte Systeme
  • Entscheiderebene
  • Größe des Unternehmens
  • Branche

Hier kommt es darauf an, Kriterien zu finden, die statistisch belastbar sind und sich möglichst automatisieren lassen, z. B. durch Crawling der Webseiten. Andere Daten wie Größe des Unternehmens können beim Download mit abgefragt werden.

Zusammenlegen der Einzelwerte zum zweidimensionalen Lead Scoring

Bildet man die Leads anschließend mit beiden Werten in einer Matrix ab, erhält man ein Bild wie in Abbildung 2. Der Interessenscore eines Leads wird auf der x-Achse, der Potenzialscore auf der y-Achse abgetragen. Dadurch ergibt sich eine Punktewolke, aus der sich die Vier-Felder-Matrix ableiten lässt. Bei dieser Abbildung wurden die einzelnen Quellen der Leads nach Farbe gekennzeichnet.

Aus der Einordnung jedes Leads in einen der vier Quadranten lässt sich eine Anweisung an den Vertrieb ableiten, wie dieser mit dem Lead zu verfahren hat. Besonders in der ersten Zeit nach Implementierung dieses Modells sollte man Feedbackrunden zwischen Leadmanagement und Vertrieb einplanen. Da die Kriterien für die beiden Einzelscores immer individuell für jedes Unternehmen sein sollten, kann das Modell in der ersten Iteration nicht perfekt sein. Vielmehr muss Feedback zur Performance der Leads gegeben werden, damit dieses dann möglichst in weitere oder angepasste Kriterien einfließen kann. Solch ein Modell muss immer im Wandel sein, damit es die Chance hat, besser zu werden.

Beispielsweise kann es sein, dass Leads von einer bestimmten Quelle wie Social Media von den Vertrieblern als qualitativ schlechter wahrgenommen werden als Leads von anderen Quellen. Durch diese Information kann das Leadmanagement die Daten auswerten und ggf. Punktabzüge für die Quelle Social Media geben. Aber es können sich auch weitere Kriterien ergeben, die bisher nicht in das Scoring eingeplant wurden und die man nicht direkt herleiten würde. Evtl. haben auch geografische Faktoren oder Alter des Unternehmens einen Einfluss auf die Qualität, was Sie bisher nicht berücksichtigt haben.

 

Auswirkungen

Durch Einsatz eines Lead-Scoring-Systems, das an die Persona und das eigene Angebot angepasst ist, lässt sich die Effizienz sowohl im Vertrieb als auch im Marketing steigern. Der Vertrieb kann einen Lead schon vor dem ersten Kontakt einschätzen und so sein Angebot besser abstimmen, das Marketing bekommt durch das Scoring einen genauen Eindruck in die Qualität der generierten Leads und kann das Feedback für weitere Marketingaktivitäten verwenden.