OMLIVE in Berlin – Take 1

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Schon wieder eine neue Online-Marketing-Konferenz? Aktuell hat man den Eindruck, dass mittlerweile jeder Online-Marketer, vornehmlich SEO, mit mehr als 1.000 Freunden auf Facebook eine eigene Konferenz veranstaltet, sodass jede Woche irgendwo eine stattfindet. Aber wenn jemand wie der Conversion-Optimierer Nils Kattau, über den Thorsten Becker von e-Sixt sagt: „Er weiß einfach, wovon er redet. 100 % Infos – 0 % Bullshit", eine eigene Konferenz ansetzt, dann kann daraus durchaus etwas werden. Und es wurde.

Eine Eröffnungsrede, 15 Fachvorträge und eine abschließende Paneldiskussion mit nachfolgender Aftershow-Party – das alles an einem Tag und in nur einem gemeinsamen Track. Das klingt genauso anstrengend, wie es sich anhört. Umgekehrt konnten die Teilnehmer, die sich bereits ab 7.30 Uhr in Huxleys Neuer Welt in Berlin einfanden, natürlich auch ein Maximum an Inhalten mitnehmen. Durch die Auswahl an Top-Speakern wie z. B. André Morys, Karl Kratz, Boris Häring, Jens Fauldrath, Björn Tantau und Dominik Wojcik war dies praktisch garantiert. Aber auch die anderen Sprecher, die meisten davon nicht weniger bekannt, lieferten wirklich interessante Inhalte und Einblicke ab.

So plauderte Dominik Wojcik tatsächlich aus dem intimen Nähkästchen und präsentierte das Beste aus fünf Jahren seiner SEO-Arbeit. Matratzen mit einem Newcomer online verkaufen – keine leichte Aufgabe, da auch hier wie in vielen Branchen mittlerweile die Claims bei Google & Co. abgesteckt sind. Er nahm diese Herausforderung vor vier Jahren an und ließ sich von den finanzstarken und etablierten Anbietern nicht abschrecken. Sein Erfolgsrezept war, mit der klassischen Keywordanalyse zu beginnen und die Informationsarchitektur konsequent daran auszurichten. Aus technischer Sicht fuhr er eine konsequente Noindex-Strategie. Nur Seiten, die auch eine Suchintention bedienen, dürfen in den Index bei Google. Alle anderen Seiten wurden auf Noindex gesetzt.

„Seiten, die eine Suchintention bedienen, kommen in den Index, alle anderen auf Noindex“; Dominik Wojcik

Paginierungen wurden mit rel next/rel prev ausgezeichnet und sämtliche Parameter wie „oderby“, „price“ oder ähnlich werden per Canonical-Tag auf die Ursprungsseiten umgeleitet oder erst gar nicht verlinkt. Dabei ist es wichtig, so Wojcik, sinnvollen Querys, wie z. B. einer facettierten Suche nach einer Größe, eine eigene, sprechende URL zu geben und dies auch zu verlinken. Von einer Nutzung der robots.txt zur Behebung typischer Shop-URL-Probleme riet er ab bzw. meinte, dass man dies nur im (technischen) Notfall tun sollte – und auch dann nur temporär. Auch alle anderen typischen Hausaufgaben wie z. B. die Optimierung der Snippets bzgl. Title und Description im Hinblick auf die Klickattraktivität, die Nutzung strukturierter Daten (schema.org), des Pagespeeds oder der Headings (H1-Hx) wurden gemacht.

„Content – werde Experte in deinem Bereich!“; Dominik Wojcik

Auch der schnellen und einfachen Texterstellung erteilte er eine Absage. Wer den Bereich, für den er schreibt, nicht wirklich verstanden oder keine Zeit hat, sich darum zu kümmern, wird mit Zukauf wohl nicht glücklich werden. Leser spüren schnell, ob ein Student für eine Agentur erst mal selbst recherchiert hat und die üblichen SEO-Texte verfasst, die man so oder so ähnlich auf vielen Seiten findet. Mittlerweile hat wohl auch Google ein immer stärker werdendes Gespür dafür. Der Erfolg, den Dormando im Web mittlerweile erreicht hat, gibt Wojcik recht. Fundiertes SEO-Wissen alleine reicht schon lange nicht mehr aus. Man muss auch in das Thema bzw. die Branche eindringen.

Nützliche Tipps zu AdWord-Skipten kamen von Marcel Prothmann. Er zeigte in vielen Beispielen, wie man sich durch solche Skripte nicht nur viel Arbeit sparen kann, sondern auch, wie man an Informationen kommt, die man in der täglichen Arbeit oft übersieht. Von Google gibt es den sog. „Anomalie Detektor“, der in einem Account Unregelmäßigkeiten sucht und ggf. mit einer Mail darauf aufmerksam macht (http://einfach.st/anomaly). Da das Originalskript nur wenig Flexibilität und Funktionen enthält, entwickelte Prothmann es kurzerhand weiter. Auch die Keywordoptimierung oder das Geo-Targeting lässt sich mit Skripten deutlich vereinfachen. Eine gute Quelle für kostenlose AdWords-Skripte ist Brainlabs (http://einfach.st/brainlabs), empfahl er den Zuhörern.

Er warnte aber auch alle Anwesenden eindringlich. Wenn man nicht wirklich wisse, was man tue, solle man sehr vorsichtig sein. Bereits eine falsche Zeile in einem Skript könne den gesamten Account zerstören.

„Es gibt für praktisch alles schon Skripte“; Marcel Prothmann

Fast schon Pflicht und durchaus sinnvoll auf solchen Veranstaltungen sind gute und praxisorientierte Vorträge von Rechtsanwälten. Dr. Thomas Schwenke lotete u. a. für die Teilnehmer aus, wo die Grenzen der Legalität beim Newsletterversand zu sehen sind. Manche Unternehmen ignorieren bestimmte Vorschriften ganz bewusst und kontrolliert, weil eine präventiv völlig weiße Weste oft arge Einschränkungen mit sich bringt. Er sprach dabei von sog. „smart risks“.

„Werbung ist (fast) alles“; Thomas Schwenke

So kann ein Spruch in der Signatur eines Unternehmens bereits als Werbung interpretiert werden und wäre bei einer entsprechenden Beschwerde abmahnfähig. Selbst ein Spendenaufruf könne darunter fallen, so Schwenke. Eine Einwilligung zum Erhalt solcher „werblichen“ Mails muss immer explizit vorliegen. Eine Erwähnung in den AGB reicht dazu nicht aus. Am besten informiert man z. B. Newsletterabonnenten auf der Seite der Eintragungsmöglichkeit, was sie inhaltlich erwartet. Das ist natürlich nicht nur aus rechtlicher Sicht sinnvoll, sondern auch aus derjenigen guter Usability. Wer sich für den Newsletterversand eines Dienstleisters bedient, braucht auch dazu (Übermittlung der Daten) eine Einwilligung der Abonnenten oder sollte seinen Dienstleister nach einem sog. „Data Processing Agreement“ fragen. Die Bitkom stellte dazu einen Leitfaden mit englischer Übersetzungshilfe zum kostenlosen Download zur Verfügung (http://einfach.st/bitkomadv). Wer Statistiken und Auswertungen erstellt, muss seine Nutzer ebenfalls darüber informieren.

Ab Mai 2018 sollte man auch keine Gratisangebote wie z. B. kostenlose E-Books oder Studien mehr ins Netz stellen und daran ein Newsletter-Abo koppeln. Für eine echte Schenkung ist ein „Zwangs“-Newsletter nämlich nicht nötig. Schwenke empfiehlt hier, besser einen Tausch anzubieten: ein Newsletter-Abo gegen E-Book. Rechtlich läge hier dann keine Schenkung mit einer Zwangskoppelung vor, sondern ein Tausch Ware gegen E-Mail. Der explizite Hinweis auf die erwartete Gegenleistung soll die Verbraucher darüber aufklären, dass ihre Daten etwas wert sind. Nach der kommenden neuen Datenschutzverordnung sind künftig Bußgelder bis zu 20 Mio. Euro möglich. Es wird daher zukünftig noch wichtiger, eine wirklich sauber gepflegte und dokumentierte Blacklist für E-Mail-Adressen zu führen. Fällt das Kind dann doch mal in den Brunnen, sollte man im Umgang immer betont freundlich sein und sich auf jeden Fall entschuldigen. Das hilft oft, eine Abmahnung seitens eines aufgebrachten Beschwerdeführers zu vermeiden.

Ben Küstner zeigt u. a. auf, wie schnell man sich bei der Werbung in Facebook (zu) hohe Streuverluste einfangen kann. Wer nach Interessen z. B. einfach auf generische Begriffe wie „SEO“ bucht, darf sich nicht wundern, wenn man in Summe sehr viel Geld dafür bezahlen muss. Küstner empfahl, nach den tieferen Interessen und Vorlieben der Zielgruppe zu recherchieren und dann auf diese Begriffe zu buchen. Die dabei angezeigte Reichweite ist in der Regel dramatisch niedriger, aber meist erreicht man damit genau die richtigen Nutzer, und das mit einem sehr viel niedrigeren Budget. Im Fall von „SEO“ könnten das z. B. Begriffe wie Matt Cutts, Black Hat, Kissmetrics, Neil Patel oder auch Search Engine Land sein. Jedem dürfte unmittelbar klar sein, dass Interesse an „Matt Cutts“, dem früheren und extrem bekannten SEO-Sprachrohr von Google, sehr viel tiefer auf ein echtes SEO-Interesse zielt und gleichzeitig aber eine deutlich niedrigere Reichweite hat. Über solche Nischen statt mit einem Moonshot zu starten und dann über Tests sich dann ggf. „nach oben“ zu arbeiten, ist seiner Erfahrung nach eine gute und kostensparende Strategie. Ein Problem sei aber, so Küstner, dass Facebook ständig Änderungen vornimmt und Einschränkungen einführt.

Eine Zufriedenheitsanalyse des Veranstalters ergab, dass fast alle Teilnehmer nächstes Jahr ganz sicher oder vielleicht wieder kommen wollen. Ein paar organisatorische Quengeligkeiten, die beim ersten Start einer solch großen Konferenz noch vorhanden und bestimmt verzeihbar waren, sollen dann auch behoben sein. Alles in allem sollte man die OMLIVE sicherlich auf dem Zettel haben.

Weitere Infos unter om.live