hashtag.business 2017 in Köln

Von Einhörnern und Heavy-Metal-Fans bei Facebook

Sebastian Düring
Sebastian Düring

Sebastian Düring ist SEO & CRO Manager bei netspirits Online Marketing GmbH in Köln. Er mag die schönen (Web-)Seiten des Lebens und schaut stets über den Online-Marketing-Tellerrand.

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Während halb Köln bei saharaähnlichen Temperaturen im Freibad lag, fand am 20. Juni 2017 die dritte von Felix Beilharz veranstaltete hashtag.business-Konferenz statt. Im Pullman Cologne traf sich das Who’s who der Social-Media-Branche, um über Krisenkommunikation im Social-Media-Bereich, Chatbots und Social-Media-Integration in Unternehmen zu fachsimpeln. Dabei erwartete die knapp 200 Teilnehmer ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm: Zur Agenda gehörten Branchengrößen, Fachanwälte und Social-Media-Hidden-Champions.

Von der Entwicklung der Social-Media-Abteilung bei der Deutschen Bahn

Nico Kirch, seines Zeichens Social-Media-Manager bei der Deutschen Bahn AG, stand als erster Redner auf der Bühne. Im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber war Nico vorbildlich pünktlich. Wesentlicher Bestandteil seines Vortrags war die Entwicklung der Social-Media-Arbeit innerhalb des Unternehmens. Mittlerweile gibt es zwei Units jeweils in Frankfurt und Berlin. Das Credo der Deutschen Bahn – nicht nur im Social-Media-Bereich:

„Die Deutsche Bahn soll als Teil eines angenehmen Lebensgefühls in Deutschland etabliert werden.“

Laut Nico wird dieses Ziel durch eine themenzentrische Strategie umgesetzt. Dabei stehen nicht die Kanäle im Fokus, sondern die Story für die angestrebte Zielgruppe. Das Motto der Bahn ist klar: agieren statt reagieren. Dabei werden alle möglichen Kundenkontaktpunkte miteinander vernetzt. Diese Strategie hat sich besonders bei der proaktiven Krisenkommunikation, beispielsweise in Streikphasen der GDL, als vorteilhaft erwiesen. Um diesem Prozess nicht unnötig Steine in den Weg zu legen, mahnte Nico an, dass kurze Entscheidungswege bei einer agilen Social-Media-Kommunikation unerlässlich sind.

WE are connected – das Motto bei Würth Elektronik

Als Icebreaker gab es vom Senior Manager Digital Communications bei Würth Elektronik, Christopher Becht, etwas zum Anfassen für das Publikum: all die elektronischen Bauteile, die das Leben der Digital Natives erst möglich machen und die aus der Schmiede von Würth Elektronik kommen, in einem Schaukasten. Die wesentliche Herausforderung besteht laut Christopher nach wie vor darin, alle Würth-Eletronik-Länder und Tochtergesellschaften unter einen einheitlichen Social-Media-Hut zu bekommen. Dennoch sollen die lokalen Märkte und Gepflogenheiten in der B2B-Kommunikation Berücksichtigung finden, daher ist die Devise:

Die wesentliche Vorgabe, mit der diese Prozesse gesteuert werden, ist der Corporate Content auf Länderebene. Somit gewährleistet Würth Elektronik trotz globaler Interaktion in den einzelnen Märkten einen einheitlichen Social-Media-Auftritt.

Kennt ihr noch die Brigitte? Die Digitalisierung einer Traditionsmarke

Das Image der Brigitte ist alles andere als verstaubt: Die Zeitschrift erreicht heute 7,5 Millionen Menschen. Dabei stellte Florian Meier, Head of Social Media, klar, dass Facebook der wichtigste Social-Media-Motor für das Unternehmen ist, mit dem das Live-Format „Caro & Laura“ sehr erfolgreich ist. So verzeichnete das Facebook-Profil einen Traffic-Zuwachs von 500 Prozent seit 2015.

WhatsApp dagegen bringe der brigitte.de kaum Traffic, sei aber enorm wichtig, um den Kontakt zur jungen Zielgruppe zu halten und auszubauen, so Florian. Auch im Vergleich haben bei der Brigitte Instagram-Stories eine zehnmal höhere Follower-Anzahl als das Pendant bei Snapchat.

Alle Social-Media-Bemühungen von Brigitte folgen grundlegend fünf goldenen Regeln:

  1. Wecke Emotionen
  2. Kommuniziere auf Augenhöhe
  3. Löse die Probleme deiner User
  4. Höre den Nutzern genau zu
  5. Sei offen für Neues und wage Experimente

Diese Regeln sollte natürlich jedes Unternehmen bei der Kommunikation über die Social-Media-Kanäle berücksichtigen, aber man kann das nicht oft genug betonen. Danke dafür, Florian.

Better call Solmecke: 8000 Mandanten durch YouTube

Rechtsanwalt Christian Solmecke zeigte, wie er sich mit ausgeklügeltem Online-Marketing, vornehmlich über YouTube, als Experte für Internetrecht positionierte – und somit zahlreiche neue Mandanten sowie ein starkes Wachstum seiner Kanzlei erreichte. Wesentlicher Erfolgsbaustein für Christian ist der eigene Anwaltsblog und ein YouTube-Format, das sich wöchentlich den Fragen der User stellt.

Die wichtigsten Kanäle für Solmecke sind der Kanzleiblog sowie der YouTube-Kanal (auf dem er seit Jahren jeden einzelnen Tag ein Video veröffentlicht). Die Facebook-Seite bringt ihm deutlich weniger Erfolge, er setzt eher auf das persönliche Profil. Bei YouTube ist Solmecke mittlerweile Europas größter Jura-Kanal mit über 115.000 Abonnenten und über 20 Millionen Aufrufen.

Im Diskussionspanel: Agentur oder inhouse?

Auf der einen Seite das Team „Agentur“ mit Burak Murat Gömez (Nexum), Hendrik Unger (36grad) und Lisett Schmuck (Gramercy Global Media), auf der anderen Seite Nic Lecloux (truefruits) und Kai Thrun (FREIgeist Hotels). Quasi ein „Clash of cultures“. Nic, der durch eine ausgezeichnete Slipper-Auswahl hervorstach, setzte gleich zu Beginn ein Statement:

„Social Media ist eine sehr persönliche Sache, deswegen machen wir das lieber selbst.“

Der Tenor auf Agenturseite: Es ist ein wichtiger Teil des Prozesses, vom Kunden ausführliche Briefings zu bekommen, um als Agentur wie der Kunde zu denken.

Die einhellige Meinung war: Wenn inhouse sehr gut ausgebildete Leute sitzen, wird nur dann eine Agentur zurate gezogen, wenn diese nicht mehr weiterkommen. Agenturen müssen dem Rechnung tragen und ihre Mitarbeiter stetig weiterbilden. Ein schönes Schlusswort der Diskussionsrunde war die Bemerkung von Lisett Schmuck:

„Bei der Auswahl der Agentur zählt, ob die Expertise stimmt und Tracking im Leistungsumfang enthalten ist.“

Social Media ist Rock’n’Roll

Roman Hilser vom Summer Breeze Open Air zeigte, wie man ein Rock- und Metal-Festival über Social Media bestmöglich vermarktet. Roman, ein höchst sympathischer Zeitgenosse, spielt selbst in einer Band und hat das Festivalhandwerk von der Pike auf gelernt. Schnell war klar, dass das Summer Breeze Romans absolute Herzensangelegenheit ist. Weil er vom Fach ist, kennt er seine Zielgruppe ganz genau – was enorm wichtig ist bei der manchmal rüden Kommunikation der Metal-Fans auf den sozialen Kanälen.

Die wesentliche Herausforderung für Roman Hilser: Content, der das ganze Jahr wirken soll, muss in fünf Tagen eingefangen werden. Die Zielgruppe, um nicht zu sagen Fangemeinde, klassifiziert er selbst in der Kommunikationsstrategie in „Gäste”, „Freunde” und „Könige”, nach dem Grad der Reaktionen auf seinen angebotenen Facebook-Content. Zusätzlich profitieren Bands, die auf dem Festival auftreten, wenn sie den Summer-Breeze-Hashtag in ihren Posts verwenden. So wird fokussiert Reichweite aufgebaut.

40 Millionen Views auf YouTube: die Vlog-Kampagne der Bundeswehr

Dirk Feldhaus ist für die Arbeitgebermarke der Bundeswehr verantwortlich. Seine Herausforderung: Seit die Wehrpflicht im Jahr 2011 abgeschafft wurde, muss die Bundeswehr sich auf dem Arbeitsmarkt als normaler Arbeitgeber positionieren. Die Werbekampagne auf Plakaten, Aufstellern in Fitnessstudios und Videos wurde teils kontrovers in den Medien diskutiert. Sie war und ist dennoch (oder gerade deswegen) mit 40 Millionen Views und 220.000 Abonnenten auf YouTube ein großer Erfolg. 40 Prozent der seit 2016 unter anderem über Snapchat angesprochenen Zielgruppe kennen die Vlog-Serie „Die Rekruten“ – ein Erfolg für die Bundeswehr beim Recruiting neuer Arbeitnehmer.

„In Zukunft könnten Chatbots Apps verdrängen” – Chatbot-Diskussionspanel

Grundlegend lassen sich Chatbots zurzeit in solche mit freier Texteingabe oder mit einer Guided Communication unterteilen. Die Runde, bestehend aus Michelle Skodowksi (BOTfriends), Eric Heinemann (Hanseflow) und Sascha Böhr (dirico.io), war einhellig der Meinung, dass die Interaktion mit dem Nutzer zukünftig immer mehr Richtung Sprachsteuerung gehen wird. „Unternehmen können Kunden auf einer ganz anderen Ebene begegnen“, so Michelle Skodowski. Dabei liegen die Potenziale klar auf der Hand: das Ausspielen von Ads und eine Reduktion der Kosten für die Kundenkommunikation. Doch wie nähern sich Unternehmen bei der Implementierung von Chatbots an? Im Wesentlichen sollten sie sich die Frage stellen, welchen repetitiv genutzten Content sie mittels Bot an die Zielgruppe kommunizieren können.

Das Social-Media-Recht-Update 2017 mit Niklas Plutte

Der erste gut gemeinte Rat von Niklas: „Facebook-Gruppen und -Veranstaltungen benötigen für die Rechtssicherheit zwingend ein Impressum.“ Plutte wies zudem darauf hin, dass kurze Tweets, Posts bei Facebook und Hashtags nicht urheberrechtlich geschützt sind, weil sie in der Regel zu kurz sind. Daher gilt auch nicht das Markenschutzrecht. Aber es gibt doch eine Möglichkeit, verrät Niklas: Der Schutz kann über ein eingetragenes Design- oder Geschmacksmuster gewährleistet werden.

Die Story: Wie Visual Statements zur Medienmarke wurden

Eine Nettoreichweite von 20 Millionen Menschen und eine Content-Farm im eher beschaulichen Freiburg: Das sind mal Ansagen von Unternehmer Benedikt Böckenförde, wenn er über sein Baby spricht, die Marke Visual Statements. Seine Markenfamilie, zu der auch die Seiten „Ich hör nur mimimi“ oder „Vollzeitprinzessin“ gehören, ist mittlerweile Europas interaktionsstärkster Facebook-Publisher mit einer Reichweite von 20 Millionen Menschen und 8 Millionen Interaktionen auf Facebook und Instagram pro Monat.

„Mit hochemotionalem Content werden Marken aufgeladen, wie zum Beispiel ‚Lieblingsmensch’ “, so Benedikt zur Vermarktungsstrategie.

In diesem Kontext kann Visual Statements Native Advertising anbieten, dass so native ist, dass Nutzer dies nicht als negativ wahrnehmen. Längst haben die Produkte des Unternehmens den Einzelhandel erreicht. Erfolgsgarant ist dabei das Merchandise rund um das Thema „Unicorn“. Um auch diese Marke weiter zu stärken, wurde 2016 erstmalig die Wahl zur Miss Unicorn in das Marketing-Portfolio aufgenommen. Da sich gehörnte Pferde irgendwann aus Vermarktungssicht erschöpft haben, feilt Visual Statements längst an neuen Produkten für die Zielgruppe und erkennt dabei Social-Media-Trends frühzeitig.

Fazit zur hashtag.business 2017

Auch dieses Jahr war die die hashtag.business ein absoluter Erfolg. Die ausgewogene Mischung an Speakern ist einer von vielen positiven Aspekten dieser Konfi. Ob große Unternehmen im Markt ihre Strukturen in der Social-Media-Arbeit enthüllen oder Publisher virale Trends aufzeigen: Jeder in der Branche profitiert von einem Besuch der Konferenz und kann die lockere und inspirierende Atmosphäre genießen – so auch im nächsten Jahr wieder. Ich bin mir sicher, ich spreche für alle, die dieses Jahr dabei waren: Wir freuen uns drauf!