Frontend-Prototyping für eine bessere Usability

Karolina Schilling
Karolina Schilling

Karolina Schilling ist Diplom-Ingenieurin für Medientechnik (FH), UX-Designerin, Persönlichkeits-Coach und ressourcenorientierte Therapeutin, die ihr Wissen im täglichen Team-Miteinander einsetzt und interdisziplinäre Teams mithilfe von Design-Thinking zur Zusammenarbeit und durchs Projekt führt.

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Usability ist die Basis für Conversions. Gute Usability herzustellen, geht heute viel einfacher und ist nicht nur Design-Profis vorbehalten. „Design ist how it works“, sagte Steve Jobs.
Wie es funktioniert, kann man relativ zügig mit einem Klick-Prototyp herausfinden. Dazu braucht man vornehmlich Menschenverstand und gute Tools – die sind endlich da. Steve Krug sagt, mit fünf Testern (inklusive Ihnen selbst als Pre-Tester) haben Sie die schlimmsten Probleme gefunden und sind auf der sicheren Seite. Wie zeigt Ihnen Karolina Schilling in diesem Beitrag.

Den Begriff „Rapid-Prototyping“ kennen Sie vielleicht aus der Industrie oder der Software-Entwicklung. Je schneller die Zeit tickt, desto rapider müssen Prototypen erstellt werden – egal, in welchem Bereich. Seien es 3-D-gedruckte Formen oder Oberflächen, die bedient werden wollen. Gerade mobile Apps und Web-Applikationen sollen für Nutzer intuitiv, selbsterklärend und übersichtlich sein. Was speziell mobile Apps mit einfachen Oberflächen vormachen, weil sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren, wird auch für Web-Applikationen, Webseiten und alle erdenklichen Oberflächen beliebter. Denn die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen ist und bleibt begrenzt – die Interaktionen mit Geräten werden immer kürzer, Geräte kleiner, die Welt lauter und voller. 

Häufig wurde ein „Prototyp“ mit einem Machbarkeitstest verglichen. Die Technik sollte etwas implementieren, damit die Idee überhaupt eine Form bekommt, benutzbar (usable) wird. Doch Programmierung ist teuer und gar nicht der einzige Weg, um etwas Essenzielles herauszufinden. Das Frontend-Prototyping ist eine wunderbare, günstigere Alternative, um eine Idee zu testen und anzufühlen, bevor die kostspielige Schleife der Programmierung beginnt. Es gibt noch andere Vorteile.

Frontend-Prototyping – machen Sie anfühlbar, worüber alle anderen reden 

Zuallererst ist ein Frontend-Prototyp eine sichtbare Motivation für alle Beteiligten im Team. Für den Kunden, für Sie, für die Entwickler und für das Marketing. Alle Seiten können schon etwas anklicken, bekommen Gefühl für das Produkt und ein Bild davon. Genau darum geht’s. Der Prototyp ist die erste Version Ihres Produkts – sei sie auch noch so einfach und flach. Ab da haben Sie das Produkt anfassbar – nicht nur im Kopf – und müssen es „nur“ noch verbessern. 

Der Prototyp kann Ihr Tool für Nutzertests sein. Sie testen mit dem klickbaren, schlicht gestalteten Prototyp den Navigationsfluss, die Verständlichkeit und den Kontext (das ist ein Button, aha, darauf steht „Bestellen“, okay) und ob der Use-Case der Applikation gut herausgearbeitet wurde. Sie testen das Konzept. Die Optik verfeinern Sie später, viel später. Tipp: Trotzdem sollte der Prototyp nicht ranzig, liederlich oder hingerotzt aussehen. Da haben die vorgestellten Tools unterschiedliche Herangehensweisen. Manche brauchen die Anbindung an ein Grafik-Programm (und somit Kenntnisse desselben), andere nicht.

Noch ein Vorteil: Mit einem Prototyp müssen Sie Ihren Programmierern oder dem Dev-Team nicht mehr so viel erklären. Ihr Team kann ihn anklicken und wird gut verstehen, was sich hinter der Applikation und jedem einzelnen Screen verbirgt. Der Prototyp ist wie das zum Leben erwachte Pflichtenheft. So wie der Nutzer sich in seinen Erwartungen an gute Software entwickelt hat, haben sich auch die Methoden zur Software-Entwicklung verändert. „Agil“ (lat: flink, beweglich) ist hier das schon leicht abgegriffene Zauberwort. Gültig ist es trotzdem, und was könnte Agilität besser verkörpern als ein Prototyp im Test und der Entwicklung.

Agil und lean – ein Prototyp erfüllt mehrere Aufgaben in mehreren Bereichen

Er macht eine Applikation realistisch und für das gesamte Team sowie den Kunden benutzbar. Somit dient er als konkrete Diskussionsgrundlage und verlässt das Feld der Annahmen, Idee-Bubbles und idealisierter Wunschvorstellungen.

Ein Prototyp gibt außerdem ein Ausmaß für das Projekt an. Häufig wird Komplexität unterschätzt und gern in Dokumenten von einem Absatz zum anderen verschoben. Ein ernst gemeinter Prototyp ist eine Ernüchterung und eine Chance zugleich. Der Übergang von der ungreifbaren, erhobenen, virtuellen Idee zur handfesten Form ist immer mit Entscheidungen, mit Begrenzung und Reduktion verbunden. Und gleichzeitig rufen Begrenzungen und Reduktion Kreativität hervor. Die Hauptfrage ist: „Wie können wir es dem Nutzer noch einfacher machen?“ Die Lösung gibt den Weg vor – nicht die im Team propagierte Machbarkeit, die möglicherweise auf gewohnten Lösungen basiert. Wie soll etwas Neues entwickelt werden, wenn wir es uns einfacher machen statt dem Nutzer? 

Ist ein Prototyp ansehnlich und liebevoll angelegt, so können mit ihm User-Tests durchgeführt werden. Damit wird die Idee für andere Menschen – zum Beispiel die konkrete Zielgruppe – erfahrbar. Hier kann Risiko minimiert werden, indem ein Konzept geprüft wird, während es in der Entwicklung steckt. Willkommen in der Welt von lean. Schlank denken, noch schlanker ausdrücken und dann noch mal verschlanken auf das Wesentliche. Der Schöpfer des „Kleinen Prinzen“, Saint-Exupéry, meinte: „Perfektion ist, wenn man nichts mehr weglassen kann.“ In Alltagssprech auch: „Weniger ist mehr.“ Nirgends merkt man das so intensiv wie bei der Entwicklung eines eigenen Prototyps. 

Schließlich – oder ganz zu Beginn – kann ein Prototyp für die Argumentation gegenüber Chefs, Geldgebern, Marketing und Akquise genutzt werden. Mithilfe des Prototyps wachsen die Chancen, diese unterschiedlichen Positionen unter einen Hut zu bekommen. Wenn es mehr braucht: Machen Sie Nutzertests und konfrontieren Sie das Entwicklungsteam mit konkreten Ergebnissen. 

Prototypen-Arten

Wenn Sie einen Prototyp entwickeln wollen, sollten Sie zunächst überlegen, zu welchem Zweck Sie ihn brauchen und wem sie ihn zeigen wollen. Ein Prototyp für den technischen Leiter, das Dev-Team, die Marketing-Abteilung oder Test-Kunden hat unterschiedliche Ausprägungen. Hinterfragen Sie davor, wie viel digitales Vorstellungsvermögen die jeweilige Gruppe hat. Beispiel: Für das Dev-Team reicht möglicherweise vornehmlich die Abbildung der Screenabfolge, weil das Team daran interessiert ist zu verstehen, was im Hintergrund passiert. Für Test-Kunden hingegen könnte lediglich interessant sein, welcher Inhalt ihnen im Frontend angezeigt wird. Je flacher ein Prototyp, desto einfacher das Tool dazu und desto mehr Vorstellungsvermögen wird bei den Testern gebraucht. 

  • Skizzen und Storyboards: Skizzen zeigen handgezeichnete Screens, das Storyboard zeigt mehrere handgezeichnete Screens, die miteinander verbunden sind. Skizzen helfen dabei, erst einmal den Ablauf im Groben und Ganzen zu besprechen und erste Ungereimtheiten aufzuspüren. Ein Gefühl der Nutzung geben sie noch nicht, da sie sehr grob sein können und der Ablauf nicht erfahrbar ist. 
  • Paper Prototypes: Paper Prototypes gehen mehr auf die echten Größen und Proportionen der Screens ein. Ob Templates mit Smartphone-Rahmen, Stencils (Schablonen) oder eine ausgeschnittene Smartphone-Attrappe: Paper-Prototyping ist der erste Schritt, um echte Ausmaße der App zu fassen. Der Rahmen wird Sie automatisch dazu bringen, detailgetreuer zu arbeiten. Dabei helfen Schablonen für Apps oder Web-Applikationen beim Einhalten der Größe. Diese kann man sich einfach suchen über beispielsweise „printable screen templates“.
  • Tapbare Skizzen: Papierschablonen können fotografiert und mit einem Tool wie Pop von Marvel untereinander verlinkt werden. Hier hätten Sie eine Mischung aus Ablauf und bereits konkreten Interaktionselementen. Diese Vorgehensweise ermöglicht Ihnen ein erstes Anfühlen der App auf dem Smartphone und sogar in einer App. Die Pop-App gibt es für Android, iPhone und Apple Watch. Für ganz schnelle Zeichenkünstler brauchen Sie nur ein Smartphone, die App und die Papierskizzen, die Sie mit klickbaren Bereichen unterlegen. Wenn Sie doch schon etwas „Echteres“ brauchen, bedienen Sie sich aus dem Marvel-Standard-Set. Ein Projekt ist meist kostenlos. 
  • Klickbare) Wireframes: Wireframes sind digitalisierte Skizzen. Nicht fotografiert, sondern aus Elementen gebaut, die zwar noch nicht der Gestaltung der App nahekommen (müssen), aber das Layout bestimmen – also die Verteilung der Elemente auf dem Screen. Ein Button bekommt die Anmutung eines Buttons, auch wenn er nicht ästhetisch gestaltet ist. Formulare, Listen, Bilder, Texte bekommen bereits ihre echten Ausmaße und Positionen zugewiesen – so wird deren Wirkung wahrnehmbar. Heutzutage bieten die guten und meisten Wireframing-Tools Verlinkungen der Ansichten untereinander an, damit ein echter Navigationsfluss entsteht. Wer hier ein Projekt kostenfrei und zügig anlegen will, ist mit den webbasierten Tools Marvel, UX-Pin, InVision und Prott sehr gut bedient. Marvel undPrott sind vor allem stark für mobile Apps und bieten ihre eigenen Apps an, in denen Sie Ihren Prototyp gleich testen und zeigen können. UX-Pin begann mit dem Wireframing für Desktop und ist jetzt flexibel für alle möglichen Fälle einsetzbar. Wer es lean will, nutzt Marvel oder Prott. Wer Oberflächen schon im Detail simulieren möchte, arbeitet sich in UX-Pin ein. Dieses ist mächtig, bietet viele Vorlagen, die Möglichkeit zur Kollaboration sowie – ganz modern – Spezifikationen für die Übergabe an Developer. Kein Photoshop, kein Grafikprogramm. Das ist rapid.
  • Interaktive Wireframes: Diese Art Wireframes bieten dem Nutzer bereits echte Interaktionen – nicht nur Verlinkungen. Wenn er tapt, springt etwas auf, etwas blendet sich ein, etwas wird animiert. Diese Wireframes sind dafür geeignet, Usability zu testen und bereits Richtung UX zu gehen. Auch Animationen sind hierbei möglich und vorbereitet. Tools: UX Pin und seit Jahren in der Szene für komplexere Fälle: Balsamique oder Axure RP. Nicht ganz so fancy und einfach im Einstieg wie die neuen Tools, aber solide und bekannt.
  • (Klickbare) Mock-ups: Als Mock-up bezeichnet man eine Attrappe im Sinne einer Fassade. Der Screen sieht echt aus, ist aber nicht mit Funktionalitäten hinterlegt. Hier geht es vornehmlich um die Ästhetik des Produkts. Mock-ups sind gut geeignet für Marketing-Tests. Welcher Screen spricht wen mehr an? Kunden können sich dann besser vorstellen, wie eine App aussieht und was sie macht. 
  • Interaktive Mock-ups: Sind die Sahnehaube des Prototypings und dementsprechend benötigen sie mehr Zeit zur Umsetzung. Die Krönung des interaktiven Mock-ups ist ein mit Code nachgebautes fertig gestyltes Frontend, das mit echten Daten gefüttert werden kann und auf Eingaben des Nutzers reagiert. Ja, hierzu braucht man als DesignerIn Programmierkenntnisse. Tools wie Framer benötigen Code-Kenntnisse, die man sich selbst aneignen kann und designerfreundlich konzipiert sind. Auch Apple bietet mit SWIFT eine Programmiersprache an, die "von jedem" gelernt werden kann. Hier ist der Übergang zwischen Design und Entwicklung fließend und das Team sollte herausfinden, bis wohin wer die Verantwortung übernimmt. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass es programmierende Designer und designende Programmierer gibt. Und diese arbeiten an einem digitalen Produkt zusammen. 

Nutzerzentriert denken

Heutzutage bemüht man sich, nutzerzentriert zu denken und bei dem Szenario zu bleiben, das dem Nutzer im Alltag oder bei der Arbeit begegnen könnte. Taxi hier und jetzt. Klarer Bedarf, klare Oberflächen, leicht zu testen. Ein Paradigmenwechsel: Microsoft & Co. konnten früher monatelang entwickeln, etwas auf den Markt werfen und hatten garantiert Nutzer, weil es keine ebenbürtige Konkurrenz gab. Auch Adobe brachte so seine Feature-Titanen Photoshop, InDesign und alle Mitglieder der Palette unter die Leute – zu horrenden Preisen. Heute ist das bis auf einige immer noch sehr spezielle Tools anders: Jeder kann eine Software in die Welt bringen und dabei gewinnt nicht die Anzahl der vorhandenen Features, sondern die zum Szenario des Nutzers am besten passende Software. Jetzt wissen Sie, warum es im App-Store so von Apps wimmelt. Wir leben im Zeitalter der Alternativen, der Auswahl – moderne Nutzer wissen das und lassen sich nicht mehr abspeisen.

Designer machen nicht einfach „schön“ 

Stattdessen durchdenken sie die Nutzung aus Sicht des Nutzers konsequent von Anfang bis Ende. Und stellen unbequeme Fragen. Die gute Nachricht: Sie müssen weder malen können noch tolle Farbkombinationen zusammenstellen. Das ist nicht „Design“. Design ist die Frage nach dem „Wie“. Und das in einer Kaskade: „Wie kann der Nutzer am einfachsten, am schnellsten, am bequemsten sein Ziel erreichen?“ Als Interaktionspartner dient ihm beispielsweise ein Screen. Screens haben unterschiedliche Größen und können dadurch Inhalte, Informationen, unterschiedlich tief anzeigen. Je kleiner der Screen, desto einfacher und kürzer sollte die Information sein. Größere Screens erlauben komplexere Darstellungen. Passt häufig zum Use-Case: Kaum jemand bewegt sich mit einem großen Monitor ums Handgelenk durch die Stadt oder schaut den ganzen Tag im Office auf die Apple Watch. Die Gerätetypen geben das Szenario vor, weil sie schon für das Szenario entwickelt wurden. 

Microinteractions – in schnellen Zeiten schnelles Feedback und Erfolgserlebnis geben

So häufig wird das Vorhandene wieder neu benannt, damit es mit einem anderen Wort noch mal Aufsehen erregen und sich in das Bewusstsein einer immer breiteren Masse einnisten kann. Das machen zum Beispiel „Microinteractions“. Sie kennen sie! Die älteste digitale Microinteraction ist der blinkende Cursor in der Console oder in Word, der bei Eingabe oder nicht die ganze Zeit blinkt und sich zurückmeldet: „Ich warte auf Deine Eingabe.“ Er signalisiert dem Nutzer seine Bereitschaft. Ein neueres, sehr bekanntes Beispiel ist das Autocomplete-Suchfeld in der Google-Suchmaske, entwickelt von Kevin Gibbs. 

Je schneller die Zeit, desto kürzer die Aufmerksamkeit, desto kürzer die Interaktion, desto eher das Feedback. Die Bereitschaft der Nutzer, auf etwas zu warten, hat in den letzten Jahren abgenommen. ​​​​​​​

Essenzen für das Frontend-Prototyping

Ein gelungenes Interface ist in erster Linie eine Frage der Anordnung und Klarheit. Eine angeordnete und leicht nachvollziehbare Oberfläche ist einfach angenehm. Überblicken zu können, heißt Kontrolle zu behalten. Der Nutzer wünscht sich, Kontrolle über die Website oder Applikation zu haben – Rätselraten raubt mentale Energie und als Schöpfer eines Frontends wissen Sie nie, wie viel Ausdauer jemand mitbringt. Deshalb sollte ein massentaugliches Frontend für diejenigen funktionieren, die am wenigsten bereit sind, Energie aufzubringen, um etwas herauszufinden. Wenn sie diese Menschen in Ihren Tests ernst nehmen und nicht als Störenfriede wahrnehmen, dann können Sie und Ihr digitales Produkt unglaublich davon profitieren. Eine Oberfläche steht zu Diensten und vermittelt dem Nutzer das durch absolute Unkompliziertheit. 

Der Fokus der meisten Applikationen, am besten zu sehen bei mobilen Apps, liegt auf Interaktion, also auf Aktion, nicht auf Information. Ausgenommen sind davon natürlich E-Book-Apps, Newsreader oder ähnliche. Mit der Aktion des Nutzers wird ein klares Ziel verfolgt: Mails checken, Fahrzeit nachsehen, Rechnung stellen, etwas rechnen, anrufen etc. Die Information ist häufig ein begleitendes Element, das sich im Feedback oder einem Ergebnis zeigt – beispielsweise die Ergebnisseite einer Suchanfrage. Die Anfrage selbst, die Aktion, fand jedoch davor statt. Und nur eine vollendete Suchanfrage kann überhaupt Ergebnisse bringen. Fokussieren Sie sich also auf die Aktion des Nutzers.

Die Oberfläche bemüht sich immer, die Aufmerksamkeit des Nutzers zu binden – durch Microinteractions. Allerdings, wie das Wort micro impliziert, kurz. Die Aufmerksamkeit des Nutzers wird an eine kurze Interaktion gebunden, in der er einen Schritt weiterkommt – zum Beispiel das Ausfüllen eines Feldes. Die Oberfläche ermöglicht ihm, dann fortzufahren, wenn eine Teilaufgabe vollendet ist oder der Nutzer wieder Aufmerksamkeit bereitstellt. Der Preis unserer heutigen Mobilität ist die Fragmentierung unseres Alltags in immer kürzere Abschnitte. 

Geben Sie dem Nutzer immer das Gefühl, dass er die Kontrolle hat – auch dafür sind Microinteractions hervorragend geeignet. Als lang empfundenes Warten entzieht sich der Kontrolle des Nutzers genauso wie unerwartetes Verhalten seitens der Applikation. Sehr anstrengend ist es für Menschen, wenn sie auf ein Interaktionselement gedrückt haben, aber nichts passiert. Häufig beginnt dann ein Sturm von wiederholten Eingaben oder Klicks, der nur verursacht, dass das System diesen Fall neben seinem ersten Bug auch noch managen muss. In diesem Fall sind Qualität und Rückmeldung für die Kommunikation mit dem Nutzer essenziell. Ein Beispiel: Ihr Zug kommt zu spät oder fällt aus. Die Bahn gibt Ihnen am Gleis Bescheid: „Der Zug ist verspätet.“ Das haben Sie wahrscheinlich schon selbst bemerkt. Das wertvollere Feedback wäre: „Ein nächster Zug wird in 20 Minuten bereitgestellt.“ Vielleicht ärgern Sie sich, aber für das Problem gibt es bereits eine Lösung. Ihr Vorhaben findet verspätet statt, aber es findet statt – die Kontrolle ist wieder zurück bei Ihnen. 

Das Aussehen der Interaktionselemente verrät etwas über ihre Aufgabe und ihr Verhalten, und das je nach Medium. Ein Beispiel im Kontext mobiler Apps: Sehen Sie sich die Guidelines der Plattform-Anbieter Apple, Google, BlackBerry, Microsoft an, um plattformkonform zu bleiben und das Erlernte aus anderen Apps in Ihrer App wiederzuverwenden – einfaches Beispiel ist das Scrollen. Es wäre eigenartig, wenn man eine Liste in Ihrer App nicht mit dem Finger scrollen könnte, sondern irgendwelche Buttons mit Pfeilen nach oben und unten an der Seite drücken müsste. Auf einem Touch-Screen fassen Menschen Elemente direkt an.

Das Design einer Applikation steht nicht im Vordergrund, sondern unterstützt die Interaktion. Form, Größe und Farbe erfüllen keinen Selbstzweck, sondern sind auf eine bessere Performanz des Nutzers ausgerichtet.

Wie anfangen? Beim Kernnutzen!

Schön, wie fangen Sie an? Wichtigste Frage: Was ist das Hauptfeature der Applikation? Ohne welches Feature würde Ihre Applikation keinen Sinn machen? Beispiele: Taschenrechner ohne Zahleneingabe und Operationen, Taxi-App ohne die Abholposition, Wetter-App ohne Wetter-Prognose (das aktuelle Wetter sieht man ja), Banking-App ohne Buchungen und Kontostand und so fort. Beginnen Sie damit, diesen Kernnutzen, das Killer-Feature, einmal von Anfang bis Ende in einem Prozess abzubilden. Die zu erfüllende Aufgabe einmal durch. Das kann im Bereich Web genauso gut ein Kauf, ein Download sein.

Mein Tipp: auf Papier. Papier ist für den Menschen das älteste abstrakte Medium und es kann Gedanken wunderbar aufnehmen, gleichzeitig reagiert es wie ein Spiegel und Filter. Die eigenen Ideen auf Papier zu sehen, ist der erste Schritt der Konkretisierung und Schöpfung. Skizzieren Sie, geben Sie der Oberfläche eine klare Form und probieren Sie zeitnah das Prototyping auf dem Gerät aus, für das Ihre Applikation gedacht ist – es öffnet Ihnen die Augen schneller als gedacht. Die gezeichneten Screens machen Sie einfach klickbar. Sie werden merken, wo die Reise hingeht, und können sich nun steigern, indem Sie den Prototyp immer feiner, immer schicker machen. Alle Ressourcen dafür sind im Web vorhanden.