Abgekratzt …

Karl Kratz
Karl Kratz

Karl Kratz liebt und lebt feines Online-Marketing seit 1996. Er ist Autor diverser Online-Marketing-Publikationen (Welcome to the System, Haifischbecken Internet Marketing, Landingpage SEO) und betreibt die Online-Marketing-Plattform karlsCORE public.

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„Das haben wir schon immer so gemacht!“ Ein Webshop muss immer wie ein Webshop aussehen! Jede SEO-Strategie muss auf Google basieren! Erst mal schauen, was der Wettbewerber macht! Wir brauchen Resultate, keine Kreativität!

Ich kenne kein einziges Unternehmen, welches den Begriff der „Kreativität“ nicht an irgendeiner Stelle in der Unternehmenskommunikation einsetzt: Sei es in der Darstellung der Unternehmensphilosophie, direkt auf der Startseite der Website, in Stellenausschreibungen oder auf Motivationspostern, die in den Büros hängen.

„Kreativität“ kann ein wichtiger Faktor für Unternehmen sein: Kreativität kann Unternehmen wettbewerbsfähiger machen. Kreativität kann die Angebotskommunikation von Unternehmen zu den (potenziellen) Kunden resonanzfähiger machen. Kreativität kann Emotionen wecken, beflügeln, Aufmerksamkeit lenken, Wahrnehmung verändern, neue Realitäten erschaffen.

Kurzum: Unternehmen, die kreativ agieren, können richtig cool abräumen. Nur – wie ist das in der Praxis – zum Beispiel im Bereich des Online-Marketings?

Digital gesehen leben wir in einer sehr coolen Zeit: Mit ein paar Klicks, ein paar Zeilen Code, ein paar Werkzeugen erschaffen wir für andere Menschen praktisch aus dem Nichts neue Welten, neue Erfahrungen, neue Werkzeuge. Wer digitale Kreativität beherrscht, kann im Zeitalter des WWW abräumen, bis der Arzt kommt. Wenn da nicht „die fehlenden Ressourcen“ wären. Oder „die IT, die das nicht hinbekommt“. Oder „das Management, das nicht will". Oder „der Datenschutz da nicht mitmacht“. Oder „man da mal bei Gelegenheit echt drüber nachdenken müsste“.

Kreativität hat einen ganzen Haufen Gegenspieler. Zum Beispiel den Erfolgsdruck: „Wann ist die kreative Überschrift für die Landingpage denn jetzt endlich fertig?“ Oder Alltags-Stress. Oder die Angst, etwas falsch zu machen. Der äußere und innere Skeptiker ist schlicht Killer Nummer 1 für Kreativität: diese übermächtige Angst, einen Fehler zu machen, etwas Neues auszuprobieren, einen Weg zu gehen, den noch nie jemand gegangen ist.

Stattdessen existiert eine nahezu unstillbare Gier nach Tools, Konzepten, Best Practices, konkreten Anleitungen, fertigen Templates und Baukästen. Unternehmen betreiben teilweise mehr Mitbewerber-Analyse als Kunden-Analyse. In einem besonders dreisten Fall wurde vor Kurzem ein Inhalt 1:1 von einem Unternehmen übernommen, welches auf seiner Website schrieb: „Finde Deinen eigenen Weg.“ Solch ein Verhalten parodiert sich quasi selbst.

Kreativität entsteht in nur in den seltensten Fällen durch Imitation. Im Gegenteil: Imitation verhindert regelmäßig die Entstehung von Denkoptionen. Kreativität führt zu Unterschiedlichkeit. Und schon aus der Disziplin der Suchmaschinen-Optimierung wissen wir: Wenn ein exzellenter Inhalt sich von anderen Inhalten deutlich unterscheidet, ist das regelmäßig die Eintrittskarte in sehr gute Positionierungen.

Der Griff zu einem „fertigen Erfolgs-Template“, zum „beliebtesten Analyse-Werkzeug der Branche“ oder zum „Konversionsoptimierungs-Whitepaper“ hat grundsätzlich seinen Preis: Wer diese Möglichkeiten und Optionen nicht lediglich als Grundlage für den eigenen mutigen Kreativitätsprozess sieht, wird bekommen, was alle anderen bekommen: Wettbewerbs- und resonanzarmen Einheitsbrei.

Unternehmen, die Kreativität als Teil der Testing-Strategie in die Firmen-DNA integriert haben, stellen oft in kürzester Zeit fest, dass sie mit der Strategie überhaupt nicht verlieren können. Sie lernen, „dass sie nicht recht haben wollen, sondern das kreativste, das beste Ergebnis“.

Wann räumst du dir oder deinen Mitarbeitern Zeit und Ressourcen für Kreativität ein?