Content agil

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Mitte Februar launcht Searchmetrics die neue Content Experience Suite. Das soll vor allem die bisher oft medienbrüchigen Schnittstellen im Online-Marketing besser harmonisieren und verspricht das zielgerichtete Gestalten, Einsteuern und Überwachen von Optimierungsaufgaben hinsichtlich der Contenterstellung. Ziel ist am Ende natürlich auch, Texte holistischer gestalten zu können bzw. die Einhaltung dieser Anforderungen effizient zu steuern und zu prüfen. Website Boosting hatte bereits einen exklusiven Einblick in der geschlossenen Beta-Phase und wir durften uns vorab einen Eindruck verschaffen, wie innovativ das Tool tatsächlich ist.

Wenn man mit einem ehrlichen Auge in die Praxis von Unternehmen sieht, wundert man sich nicht selten über die aufwendigen Prozesse, bis Inhalte am Ende auf einer Webseite erscheinen. Nach einer Keywordrecherche gibt ein SEO vor, auf welche Begriffe hin eine Seite optimiert werden sollte. Es wird ein lustloses Briefing für den Texter erstellt und selbst das enthält oft nur einen oder mehrere Begriffe, um die es geht. Anschließend setzt sich intern oder extern jemand an den Rechner und beginnt zu recherchieren, was man schreiben könnte, damit die geforderten 500 Wörter voll werden. Der Text kommt irgendwann zurück und wird entweder so auf die Webseite kopiert oder durchläuft noch mehrere Schleifen, bis eine Freigabe erteilt wird. Um bei größeren Mengen von Texten den Überblick zu behalten, werden oft Exceltabellen oder Online-Spreadsheets angelegt. Etwas modernere Unternehmen geben ihren Textern WDF*IDF-Werte vor (Website Boosting berichtete bereits in Ausgabe 18 Anfang 2013 in einem Titelbeitrag ausführlich). Anschließend findet der Versuch statt, einen Text in eine mathematisch berechnete Kurve zu prügeln.

„Holistisch ist das gar nicht mal so neue Zauberwort.“

Bei Experten zur Suchmaschinenoptimierung ist sicherlich unbestritten, dass der Content mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Rankingalgorithmen bei Google ist und sich die Gewichtung in naher Zukunft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch verstärken wird. Das Stichwort „holistisch“ fällt dabei immer häufiger. Man muss also auf Ganzheitlichkeit achten. Die Besucher schätzen es, wenn sie möglichst umfassend alle Informationen zu einem Thema vorfinden. Und was dem Menschen gefällt, versucht Google durch den Einsatz von immer mehr künstlicher Intelligenz und sogenannter neuronaler Netze auch für Maschinen erkennbar zu machen. Daher genügt es nicht mehr, auf einer Seite einen Suchbegriff bzw. ein Keyword zu verorten. Für holistische(re) Texte müssen mehr Begriffe herangeschafft werden, die in mehrfacher Hinsicht zu dem Thema passen. Genau hier setzt das neue Tool von Searchmetrics an und versucht, dem Nutzer möglichst viele der dazu nötigen Informationen an die Hand zu geben – und zwar an den Stellen, wo sie im gesamten Prozess gebraucht werden.

Eines gleich vorweg: Die Content Experience Suite ist kein SEO-Tool im herkömmlichen Sinn. Es setzt sich zwischen die Schnittstellen der Online-Abteilung und/oder der Suchmaschinenoptimierer einerseits und der tatsächlichen Erstellung bzw. Optimierung des Contents durch Texter auf der anderen Seite. Somit verbinden sich die Vorteile der ebenfalls enthaltenen Research Cloud von Searchmetrics mit einer deutlich agileren Erstellung von Webseitentexten.

Ein Briefing erstellen

Bei der Erstellung eines Texterbriefings wählt man u. a. das Ausgangsthema und bekommt dazu praktischerweise gleich Suchvolumen und den durchschnittlichen Klickpreis (CPC) bei Google AdWords angezeigt. Anschließend wählt man eine bereits zu diesem Thema bestehende URL aus oder legt fest, dass diese neu erstellt werden soll. Bei einer bereits vorhandenen URL werden im späteren Prozess die entsprechenden Kennzahlen bereits mit angezeigt.

Der Topic Explorer

Eines der Herzstücke ist sicherlich der neue Topic Explorer. Dort erscheinen farblich sortiert passende Themen, auswählbar nach:

  • Semantischer Nähe
  • Rankings
  • Saisonalität
  • Wettbewerbsfähigkeit
  • Suchintention
  • Verkaufstrichter

Wie beispielhaft in Abbildung 5 zu sehen ist, werden Themen dynamisch jeweils um das vorher festgelegte thematische Zentrum gruppiert. Wurde wie hier die semantische Nähe ausgewählt, lässt sich gut erkennen, was zueinanderpasst (jeweils blau dargestellt). Angrenzende, aber inhaltlich andere Cluster werden jeweils in anderen Farben dargestellt. Das Tool zeigt dabei an, dass der Kauf auf Raten bei einem Notebook sowie der Kauf eines gebrauchten Notebooks thematisch einen gewissen Abstand darstellen. Mit der Maus lassen sich per Klick u. a. Themen auswählen, beliebig erweitern und man erhält jeweils das Suchvolumen des Clusters, den CPC sowie den besten Monat (siehe in Abbildung 5 das Overlay).

Idealerweise geht man alle Sortierungsarten sorgfältig durch und nimmt je nach Absicht die Themengebiete auf, die dazu gut passen. Über den Reiter „Verkaufstrichter“ ändern sich die Cluster farblich z. B. nach Wahrnehmung, Evaluation, Kauf/Transaktion oder Kundenbindung. Möchte man eine verkaufsorientierte Seite erstellen oder darauf optimieren, findet man hier nützliche Hinweise, welche Themen darauf am besten passen – aber auch, welche man tunlichst nicht mit aufnehmen sollte, weil sie der Intention des Suchenden widersprechen oder weil die Begriffe eine (zu) verschiedene Suchsaisonalität haben.

Hier zeigt sich ein großer Vorteil für die Zusammenstellung wirklich passenden Contents. Wollte man all die keywordbezogenen Metriken einzeln recherchieren, wäre dies völlig unwirtschaftlich, und daher unterbleibt es in der Regel bisher. Da man Keywords nicht unmittelbar ansieht, welches zeitliche, wertmäßige oder semantisch-räumliche Umfeld sie haben und wie leicht oder schwer die Optimierung dafür ist, werden diese normalerweise einfach in einen Topf und anschließend auf eine Seite geworfen.

Allgemeine und produktspezifische Fragen

Je nach dem zusammengestellten Topicset erhält man im nächsten Schritt Fragen angezeigt, die allgemeiner Art und/oder auf das Produkt ausgerichtet sind. Auch hier wird per Mausklick ausgewählt und diese Auswahl wird später dem Texter mit an die Hand gegeben. Zumindest in der frühen Beta-Phase zeigte das Tool hier noch gewisse Schwächen, was sicher mit den derzeitigen Bezugsquellen für die Fragenextraktion zusammenhängt. Hier wird sicherlich noch nachgebessert werden müssen. Ebenso wäre es wünschenswert, eigene Fragen zu hinterlegen oder gar hochzuladen, wenn man sie individuell mit den Daten diverser W-Fragen-Tools ergänzen möchte.

Die Idee hinter den Fragensammlungen ist, im späteren Content eben möglichst viele Antworten zu den bereits bekannten Fragen von Suchenden zu geben. Somit wird der Text in Summe noch holistischer.

Analytics-Keywordtracking

Im nächsten Schritt erscheint eine Tabelle mit den relevantesten Erfolgskeywords der zusammengestellten Themen. Durch entsprechende Auswahl werden diese dann in der Nachverfolgung hinzugefügt. Somit lassen sich später Stand und Erfolg des mit dem Dokument erzielten Rankings einfach prüfen. 

Erweitertes Briefing

Der letzte Planungs- und Rechercheschritt schließt mit der Komplettierung der Briefingdetails ab. Hier setzt man für den Ersteller des Contents das Ziel für den sog. Content Score fest. Dieser Indikator zeigt an, wie holistisch der erstellte Text sein soll. Er umfasst u. a. den Abdeckungsgrad mit den empfohlenen Keywords, die Abweichung von der Zielwortzahl, die Verwendung natürlicher Sprache und weitere Faktoren. Die Voreinstellung liegt bei 75 % und kann jederzeit nach eigenem Anspruch oder je nach Wettbewerbsintensität in der eigenen Branche verändert werden. Ebenso lässt sich eine Wortanzahl vorgeben. Voreingestellt ist die durchschnittliche Wortanzahl der bereits für die Keywords rankenden Mitbewerberseiten.

Anschließend wählt oder ändert man den aktuellen Status (in Bearbeitung, wartet auf Freigabe, Freigabe erteilt), weist jemandem das Projekt zu und legt einen Stichtag für die Fertigstellung fest, den man später einhalten kann.

Am Ende fließt alles in den Content Editor

Ob man nun selbst an die Erstellung oder Optimierung des Contents geht oder diese Aufgabe einem internen oder externen Texter zuweist, der Editor unterstützt den Schreiber dabei, die Vorgaben bestmöglich einzuhalten. Dabei bleiben die wesentlichen Informationen stets im Blick, wie Abbildung 10 zeigt. Auf der rechten Seite erscheint der oben bereits erwähnte Content Score als Gesamtkennzahl für die bisherige Zielerreichung. Darunter wird eine Kennzahl für die Lesbarkeit des Textes angegeben, die auf Flesch-Kincaid basiert. Er fußt auf der Länge der Sätze und der Anzahl von Silben in einem Wort und bewegt sich zwischen 0 und 12. Je höher, desto besser, und desto einfacher ist ein Text zu verstehen. Der Index wurde für die englische Sprache entwickelt und gibt für deutsche Texte daher bezüglich der absoluten Zahl in der Regel schlechtere Werte aus. Das ist hier allerdings unerheblich, solange man sich auf die relativen Veränderungen des Indexwertes konzentriert.

Auf der linken Seite des Editors (Abbildung 10) werden die im Text zu verwendenden Keywords nach „Must-Have“, „Zusätzliche“ und „Empfohlene“ aufgeführt. Der Editor prüft ständig den Text und verändert bei jedem dieser Listeneinträge die aktuelle gegenüber der empfohlenen Anzahl. Ein rot-grünes Farbschema zeigt an, ob man sich noch im Rahmen der Toleranzwerte befindet. Im Beispieltext der Abbildung 10 wurde der Begriff „Keyword“ (rot hervorgehoben im Text) fünfmal verwendet (mit A gekennzeichnet). Empfohlen wird eine zweimalige Verwendung. Da sich der Wert noch innerhalb der Toleranzschwelle befindet, hat er auf der linken Seite noch einen grünen Haken. Das Wort „Unternehmen“ (im Text braun und mit B gekennzeichnet) wurde zur Verdeutlichung achtmal eingefügt. Dies wäre nach den Algorithmen des Tools zu viel (empfohlen wird eine dreimalige Verwendung) und es erscheint ein rotes Ausrufezeichen.

Wer nun glaubt, seinen Text genauestens nach diesen Vorgaben verfassen (lassen) zu müssen, der sitzt einem Irrglauben auf. Die Angaben zur Wortanzahl haben empfehlenden Charakter und bieten eine gute Hilfestellung für die Häufigkeit. Letztlich muss ein Text auch inhaltlich immer für den Menschen lesbar bleiben. Immer dann, wenn die die häufigere Verwendung „künstlich“ wirkt und die Kreativität zum sinnvollen erneuten Einsetzen eines Begriffs nachlässt, sollte man auf den gesunden Menschenverstand zurückgreifen. Und nein – auch ein solches Tool macht aus einem schlechten Texter natürlich keinen guten! Wer weiterhin geistlose SEO-Text-Abscheulichkeiten wie „Damenmode wird immer wichtiger“ auf seine Seiten schreiben lässt, dem wird auch das Content Experience Tool von Searchmetrics nicht wirklich helfen können.

Es ist sicher auch nicht jedermanns Sache, beim Schreiben nach jedem Wort auf diverse Kennzahlen zu schielen. Das kann vor allem beim kreativen Schreiben sehr ablenken. Man sollte sich daher eher auf das Schreiben und Formulieren konzentrieren und vielleicht am Ende an das Feintuning gehen und eine Annäherung an den maschinell vorgeschlagenen Optimalzustand versuchen. Wahrscheinlich gewöhnt man sich aber schnell an den Zustand des sich beim Schreiben verändernden Informationsrahmens. Vielleicht denkt man beim Anbieter auch über die Möglichkeit nach, die Kennzahlen bei Bedarf im Editor jeweils ein- und auszublenden. Das könnte letztlich auch die Akzeptanz bei Vollblut-Textern und Schreibkreativen erhöhen, die möglicherweise berufsbedingt solch optisch als allzu präsent wahrgenommenes „Schreib genau dies und das“ als zu starke Bevormundung empfinden könnten.   

Schnittstellen von und zum CMS

Wie kommt der Text in den Editor und anschließend auf die Webseite? Idealerweise automatisch. Daran hat man beim Anbieter natürlich auch gedacht und für den Start bereits eine Schnittstelle zu Wordpress angeflanscht. Damit kann man im Editor eine bestehende Seite herunterladen, optimieren und per Knopfdruck (die entsprechenden Rechte vorausgesetzt) auch wieder hochladen. Auch an den Fall, dass während einer Bearbeitung gleichzeitig jemand anders über einen anderen Zugangskanal an der heruntergeladenen Seite etwas geändert hat, hat man gedacht. Der Button „Neueste Version überprüfen“ löst daher eine entsprechende Prüfung auf Aktualität aus.

Nach Angaben von Searchmetrics möchte man schnell Schnittstellen zu anderen beliebten CMS nachziehen. Bisher bzw. zum Start gibt es die zu einem Wordpress-System. Geplant ist weiterhin die zu Drupal.

Und danach?

Nach dem Publizieren der neuen oder optimierten Seiten kann der Erfolg automatisch durch die vorher im Modul „Analytics“ ausgewählten Keywords in Form von Positionsverbesserungen gemessen werden. Man bekommt somit nicht nur ein genau passendes Controllinginstrument zur Hand, sondern gleichzeitig auch schnell ein Gefühl dafür, wie Google auf die eigene Domain, im Speziellen auf Content reagiert. Somit lassen sich meist schon nach kurzer Zeit viele einstellbare Parameter (z. B. der Content Score) noch besser anpassen. Werden bei vielleicht zu niedrig gesteckten Zielen die erwarteten Rankingerfolge noch nicht erreicht, greift man das Briefing wieder auf und passt diese weiter an. Damit lässt sich dann am Ende tatsächlich so etwas wie einen Optimierungskreislauf realisieren. Vor allem einer, den man steuerungstechnisch im Überblick behält.

Agile Content-Entwicklung mit Deep-Learning-Technologien

Um die komplexen Themensortierungen und Keywordextraktionen handhabbar zu machen, setzt man bei Searchmetrics nach eigenen Angaben sog. Deep-Learning-Algorithmen ein. Dafür wurden viele Personenjahre Entwicklerzeit investiert und auch der Maschinenpark wurde entsprechend ausgebaut. Noch läuft in der Beta-Version nicht alles perfekt und immer hoch performant. Wer sich allerdings mit der Entwicklung von Deep Learning beschäftigt hat, weiß, welch enormer Rechen- und Programmieraufwand hinsichtlich der Datenverwaltung und -verarbeitung dahinterstecken muss. Man versucht schließlich am Ende nicht mehr und nicht weniger, als ein (realistischerweise) klein wenig von Googles semantischen Algorithmen nachzubauen. Dies darf und sollte man nicht aus dem Auge verlieren, wenn man die technische Leistung hinter dem Content Experience Tool beurteilen möchte. Hier wurde aus technischer Sicht bereits bei der Startversion eher geklotzt als gekleckert. Dem Anspruch, wirklich holistischeren Content zu bauen, kommt man damit auf jeden Fall ein ganz großes Stück näher.

Fazit

Die bittere Pille gleich vorweg. Das Content Experience Tool ist keines, das man mal eben schnell ausprobieren kann. Dazu sind die Funktionen zu komplex und es besteht die Gefahr, sie gar nicht richtig zu erfassen, woraus ein suboptimaler Einsatz folgt. Daher hat sich der Anbieter trotz einer langen Warteliste entschlossen, das Tool nur nach einem einweisenden Training freizuschalten. Das macht angesichts der Fülle an Funktionen und des notwendigen Verständnisses durchaus Sinn und zeigt, dass Kundenzufriedenheit wohl vor Umsatz gestellt wird. Wer bereits die SEO-Suite benutzt, hat natürlich Vorteile bezüglich seiner Daten, da beide Suiten sich die gleiche Plattform sharen und bereits angelegte Projekte oder Keywordrecherchen übergreifend genutzt werden können. Zudem gäbe es, so Searchmetrics, Kostenvorteile bei der Lizenz für bestehende SEO-Suite-Kunden. Preismodelle für die Nutzung des neuen Tools standen zum Redaktionsschluss noch nicht fest.

Es wäre sicher vermessen zu glauben, mit einem kurzen Beitrag den vollen Funktionsumfang auch nur annähernd beschreiben zu können. Insofern kann man hier nur an der Oberfläche bleiben und trotzdem versuchen, einen möglichst guten Einblick zu geben. Wer sich aber intensiver mit dem Tool auseinandersetzt, wird schnell den potenziellen Wert für Unternehmen erkennen, die ihren Content weiter und stetig optimieren und den Prozess dazu besser und mit mehr Know-how steuern möchten. Am Ende wird dieser Prozess dann nicht nur effizienter und damit kostengünstiger, sondern das erwartbare bessere Ranking wird wohl zu deutlich mehr und zufriedeneren Besuchern führen, was sich in der Regel natürlich vor allem durch mehr Umsatz und Gewinn auszahlt.

Weitere Informationen finden Sie nach Erscheinen dieser Ausgabe unter www.searchmetrics.com/de.