Wie kann das sein? Der markenrechtliche Schutz von Allgemeinbegriffen am Beispiel von „Black Friday“

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Wenn Sie dieses Heft in Händen halten, ist er längst vorbei. Die Rede ist vom „Black Friday“, dem 4. Freitag im November jedes Jahres. Seit Kurzem ist dieser Begriff in Deutschland markenrechtlich geschützt und wird vom Rechteinhaber dazu genutzt, alle anderen Unternehmen von der Verwendung des Begriffes auszuschließen. Dieser Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr beleuchtet am Beispiel von „Black Friday“, wie es sein kann, dass Allgemeingriffe als Marke geschützt werden und wie sich betroffene Unternehmer in diesen Fällen am besten verhalten sollten.

Teil 1:  Die Ausgangslage

Das deutsche Markenrecht bestimmt die Rechtslage eigentlich klar und eindeutig: Begriffe, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt, können grundsätzlich nicht als Marke geschützt werden (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Daraus darf aber nicht der voreilige Rückschluss gezogen werden, dass somit überhaupt kein Allgemeinbegriff als Marke eintragungsfähig ist. Vielmehr bestimmt das Gesetz ausdrücklich, dass dem Begriff speziell für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft fehlen muss. Es kommt somit entscheidend darauf an, wofür der Markenanmelder den Begriff schützen lassen will.

Wer in Deutschland eine Marke anmeldet, erlangt nicht automatisch für den gesamten Waren- und Dienstleistungsbereich Schutz, sondern muss sich vielmehr entscheiden: Es gibt insgesamt 45 unterschiedliche Klassen, in die sämtliche Produkte und Dienstleistungen, die es am Markt so gibt, gegliedert sind. Dieses Klassenverzeichnis listet insgesamt ca. 9.000 Bereiche auf. Klasse 15 beinhaltet zum Beispiel Musikinstrumente wie Flöten, Gitarren oder Klaviere. In Klasse 35 finden sich die meisten Bereiche des Internets wieder, z. B. Optimierung von Suchmaschinen oder Pay-per-Click-Werbung.

Der Anmelder einer Marke entscheidet also, für welchen Bereich genau der Begriff Schutz erlangen soll. Die Anmeldung einer nationalen Marke kostet in Deutschland grundsätzlich 300,- EUR und umfasst den Schutz von drei Klassen. Will der Anmelder den Schutz auf weitere Klassen ausdehnen, fallen pro zusätzlicher Klasse 100,- EUR an.

Wie bereits erwähnt, ist die Frage, ob ein Begriff unterscheidungskräftig ist, immer in Relation zu den angemeldeten Klassen zu beantworten. Daher kann es durchaus Allgemeinbegriffe geben, die für bestimmte Klassen anmeldefähig sind.

Beispiel:
Der Begriff „Apple“ ist der englische Begriff für das deutsche Wort „Apfel“, eigentlich der klassische Fall eines allgemeinen Wortes. Obgleich es sich um einen Allgemeinbegriff handelt, ist das Wort eintragungsfähig, nämlich z. B. für den Bereich „Computer und Rechner“. Denn Äpfel haben nichts mit Computern zu tun, sodass niemand hier eine Assoziation mit Granny Smith & Co. bilden wird.
Für die Klasse „Lebensmittel“ hingegen wäre „Apple“ nicht eintragungsfähig, da hier jeder sofort an die Paradiesfrucht denkt.

Es ist also falsch, wenn immer wieder behauptet wird, dass Allgemeinbegriffe grundsätzlich vom Markenschutz ausgenommen sind. Ein solcher Automatismus existiert im deutschen Markenrecht nicht. Freilich gibt es viele Worte, die klassenübergreifend eine allgemeine Bedeutung genießen, sodass für diese stets eine Anmeldung ausscheidet.

Vor einiger Zeit wurde nun bekannt, dass der Begriff „Black Friday“ als Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt geschützt ist. Das Wort ist insgesamt für drei Klassen eingetragen, insbesondere für die Internet-relevanten Klassen 35 und 41, u. a. für „Werbung im Internet für Dritte“ und „Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von E-Commerce“

Wie kann das nun aber sein?

Denn „Black Friday“ ist in den Vereinigten Staaten der Freitag nach Thanksgiving. Da Thanksgiving immer auf den vierten Donnerstag im November fällt, gilt der darauffolgende Black Friday als Beginn eines traditionellen Familienwochenendes und als Start der Weihnachtseinkaufsaison. Und selbst wem dies unbekannt sein sollte: Entsprechende Einträge in zahlreichen Enzyklopädien, z. B. Wikipedia, zeigen, hier handelt es sich ganz klar um einen Allgemeinbegriff. Studien belegen, dass jedem zweiten Bundesbürger das Wort bekannt sein sollte.

Auch im Online-Bereich hat der Black Friday inzwischen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Alleine in Deutschland wird ein Umsatz im hohen dreistelligen Millionen-Bereich erwartet.

Angesichts dieser Fakten also noch einmal die Frage: Wie kann es sein, dass ein solcher Begriff für den Bereich des Internets als Marke geschützt wird?

Die Antwort ist – leider – relativ simpel: Ganz offensichtlich hat hier ein Mitarbeiter des Markenamtes nicht aufgepasst und einen Begriff durchgewinkt, der jedenfalls für einen Teil der angemeldeten Klassen so niemals hätte geschützt werden dürfen. Bei 70.000 Markenanmeldungen pro Jahr sind solche Fehler kaum auszuschließen.

Bei Begriffen wie „Winterschlussverkauf“ oder „Sale“ liegt die mangelnde Unterscheidungskraft auf der Hand, bei „Black Friday“ anscheinend nicht.

Der Blick in die Praxis zeigt, dass es sich bei „Black Friday“ um keinen Einzelfall handelt, sondern dass es durchaus häufiger dazu kommt, dass Allgemeinbegriffe eingetragen werden, die dann später aufgrund fehlender Unterscheidungskraft gelöscht werden. Immer wieder versuchen Unternehmen auf diese Weise, Allgemeinbegriffe zu monopolisieren, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen.

Auch im Fall „Black Friday“ beruft sich der Markeninhaber, eine Firma aus Hongkong, darauf, dass nur sie berechtigt sei, das Wort zu verwenden. Das Unternehmen ist bereits unter Hinweis auf seinen Markenschutz gegen Mitbewerber vorgegangen und hat deren Facebook-Seite und Twitter-Account sperren lassen.

Teil 2:  Die Rechtslage

Das Markenrecht verbietet jedem Dritten die Verwendung des geschützten Begriffes. Dabei ist es unerheblich, ob der Betroffene selbst das Wort verwendet oder ob er einen Dritten unterstützt, der diesen Begriff benutzt.

Beispiel:
Online-Plattform A, auf der Unternehmen ihre Waren zum Verkauf einstellen können, verwendet den geschützten Begriff. In einem solchen Fall begeht nicht nur das Portal A eine Markenverletzung, sondern auch sämtliche Verkäufer, die ihre Waren dort anbieten. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Unternehmen die Benutzung bekannt ist.

Damit wäre die freie Verwendung des Begriffs in Deutschland aus und vorbei. Nur noch der Markeninhaber dürfte das Wort „Black Friday“ benutzen.

Jeder kann gegen eine eingetragene Marke ein amtliches Löschungsverfahren initiieren. Das Problem dabei ist nur: Ein solches Verfahren zieht sich in aller Regel sehr lange, häufig über einige Jahre hin. Bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung gilt die Marke als eingetragen. Der Markeninhaber genießt also entsprechenden Schutz.

Beruft sich der Markeninhaber im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einem Mitbewerber auf dieses Markenrecht, kommt dem angerufenen Gericht keine eigene Verwerfungskompetenz zu. Dies bedeutet, dass das Gericht nicht selbst darüber entscheiden kann, ob die Marke zu Recht eingetragen wurde oder nicht. Vielmehr bestimmt hierüber alleine das Markenamt im Rahmen des Löschungsverfahrens. Das Gericht ist somit formal an die Markeneintragung gebunden und muss zwingend den Markenschutz berücksichtigen, auch wenn es die Markeneintragung für absolut unsinnig hält.

Als einziges Mittel bleibt dem Gericht in solchen Fällen nur die Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen und das Löschungsverfahren abzuwarten. Dies ist jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, nämlich nur dann, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Löschungsverfahren erfolgreich ist. Die Logik dahinter ist folgende: Der Markeninhaber hat ein gesteigertes Interesse an einer zeitnahen gerichtlichen Entscheidung, da es andernfalls ein Leichtes wäre, den Markenschutz zu unterlaufen, indem einfach ein Löschungsverfahren beantragt und dann die Aussetzung des Verfahrens begehrt wird.

In der Praxis setzen die Gerichte markenrechtliche Rechtsstreitigkeiten daher nur in seltenen Ausnahmefällen aus. Vielmehr ist gängige Übung, dass es zu einem Urteil kommt. Auch hinter diesem Ansatz steckt eine gewisse Logik: Ein Unternehmen, das wegen eines Markenschutzes unberechtigt in Anspruch genommen wurde, hat entsprechende Schadensersatzansprüche gegen den Rechteinhaber, wenn später die Marke aufgrund fehlender Unterscheidungskraft gelöscht wird. Insofern sind die betroffenen Unternehmen grundsätzlich vor unberechtigten Inanspruchnahmen geschützt.

Die Betonung liegt dabei aber auf dem Wort „grundsätzlich“. Denn ein Schadensersatzanspruch schützt den unberechtigt in Anspruch Genommenen effektiv nur dann, wenn der Markeninhaber auch ausreichend liquide ist, um den entstandenen Schaden zu ersetzen. Fehlt es hieran oder wird die Durchsetzung der Ansprüche erheblich erschwert, so steht das betroffene Unternehmen im Ergebnis doch schutzlos da.

Denn selbst wenn das betroffene Unternehmen die Gerichtsprozesse gewinnt, bedeutet dies nicht, dass es am Ende nicht doch für alles aufkommen muss. Können nämlich vom Verlierer eines Rechtsstreites die Gerichtskosten nicht beigetrieben werden, so haftet der Sieger als sogenannter Zweitschuldner hierfür. Der deutschen Justiz ist es dabei egal, dass das Unternehmen den Rechtsstreit eigentlich gewonnen hat. Somit kann eine Firma den Gerichtsprozess gewinnen und doch zugleich wirtschaftlich verlieren. Da bei Markenstreitigkeiten die Streitwerte in aller Regel sehr hoch sind, können über mehrere Instanzen durchaus Euro-Beträge im höheren fünfstelligen Bereich anfallen.

Zusätzliche Probleme bereitet auch die Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen im Ausland. Selbst wenn ein gerichtlicher Titel über eine bestimmte Summe vorliegt, ist keineswegs sicher, dass das Geld auch durch den Gerichtsvollzieher beigetrieben werden kann. Gerade bei Zwangsvollstreckungen im außereuropäischen Ausland steht der Gläubiger nicht selten vor massiven praktischen Problemen, die mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sind. Häufig wird der Gläubiger dann mit der Frage konfrontiert, ob sich die Investition weiteren Geldes überhaupt lohnt oder ob hier nicht der klassische Fall vorliegt, dass man schlechtem Geld noch gutes hinterherwirft.

Im „Black Friday“-Fall handelt es sich bei dem betreffenden Markeninhaber um eine Limited, die ihren Sitz in Hongkong hat. Damit wäre die chinesische Gerichtsbarkeit gegeben. Da zwischen Deutschland und China keine Vollstreckungsvereinbarung existiert, müsste der Gläubiger somit das deutsche Urteil erst in China anerkennen lassen. Dies ist in der Praxis aber nicht möglich, sodass der deutsche Gläubiger ins Leere läuft. Er hat zwar ein deutsches Gerichtsurteil, kann damit aber rein gar nichts anfangen.

Teil 3:  Unsere Empfehlung

Jedes Unternehmen, das derzeit überlegt, den Begriff „Black Friday“ zu verwenden, sollte sich der zuvor beschriebenen rechtlichen und wirtschaftlichen Problematik bewusst sein. Es wäre fatal, einfach darauf zu vertrauen, dass die beantragten Löschungsverfahren am Ende schon erfolgreich sein werden. Denn wie zuvor aufgezeigt kann der Markeninhaber sich zunächst auf seine Eintragung berufen und entsprechende Gerichtsprozesse initiieren.

Und selbst wenn am Schluss der gerichtlichen Auseinandersetzung der Erfolg steht, so ist keineswegs sicher, dass die angefallenen Kosten nicht doch zu bezahlen sind, eben weil bei dem Dritten nichts zu holen ist.

Ob und inwieweit der aktuelle Fall „Black Friday“ sich entwickelt, ist derzeit noch nicht einmal im Ansatz vorhersehbar, denn die rechtliche Auseinandersetzung in dieser Angelegenheit steht noch ganz am Anfang.

Die betroffenen Firmen sollten also für sich selbst analysieren, ob sie das zuvor beschriebene wirtschaftliche Risiko eingehen und den Namen verwenden wollen oder ob sie Vorsicht walten lassen und erst einmal bis zur Klärung der Rechtslage von einer weiteren Verwendung des Wortes absehen. Eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung also.