AMP: EingedAMPfte Mobilmachung

Thomas Kaiser
Thomas Kaiser

Thomas Kaiser entwickelte an der TU München den ersten MPEG-Videocodierer für Windows und 1997 die erste deutsche SEO-Software. Er gründete 1997 die cyberpromote GmbH, einen Pionier im Bereich SEO, SEA und Usability, und ist seit Anfang 2021 CEO bei der +Pluswerk AG. Er schreibt Bücher, Fachartikel, ist bekannter Speaker und hält Workshops in der Google-Zukunftswerkstatt.

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Machine Learning, Accelerated Mobile Pages (kurz AMP) und strukturierte Daten werden laut Garry Illyes für SEO 2017 die wichtigsten Themen sein (http://einfach.st/selgi4). Schneller als zuvor wird die neue Technologie AMP durch Google in den Markt gepeitscht. Thomas Kaiser zeigt auf, warum AMP nicht nur für Nachrichtenseiten so enorm wichtig ist. Denn SEO steht erstmals vor einem wirklich gravierenden Umbruch.

Im Februar 2016 fiel der Startschuss für Deutschland. Das AMP-Projekt (www.ampproject.org) entstand im Rahmen der Google Digital News Initiative (https://www.digitalnewsinitiative.com/). Als Antwort auf Facebooks Instant Articles wurde ein Open-Source-Framework für schlankere und schnellere Webseiten geschaffen, das weltweit die Server von Google nutzt. Grund sind die langen Ladezeiten auf mobilen Geräten, bedingt durch deren geringe Bandbreite, und die größere Ungeduld von Nutzern mobiler Geräte.

Bereits vor Jahren fanden Google und Amazon heraus, dass lange Ladezeiten gleichbedeutend sind mit weniger Umsatz und dass jede Millisekunde zählt (http://einfach.st/glinden2). Gary Illyes stellte auf der Pubcon 2015 auch fest, dass die Aufmerksamkeitsdauer von Nutzern immer weiter abnimmt. Diese sank von durchschnittlich 10 Sekunden im Jahr 2000 auf 8 Sekunden 2013. Die junge Generation, Generation Z, hat heute eine Aufmerksamkeitsdauer von 2,8 Sekunden (http://einfach.st/bcgi5).

Die mobile Revolution und ihre Folgen

Nicht nur die extrem hohe Bedeutung der Ladezeit spielt eine Rolle, sondern auch die Gefahr des Bedeutungsverlusts für Google durch die mobile Revolution. Denn Apps übernehmen die Aufgabe, Antworten zu liefern, statt den Suchschlitz zu nutzen. Nur eine extrem schnelle und gute Suche kann auf mobilen Geräten den Erfolg erhalten. Wer sucht noch nach dem Wetter, wenn man eine Wetter-App hat? Wer sucht nach einem Hotel, wenn man eine Hotel-App hat? Das ist auch ein Grund, warum Google in die Apps hineinblicken und diese indexieren will, um die Suche als die wichtigste Funktion mobiler Geräte zu etablieren.

Die AMP-Seiten wird jeder schon einmal in den Suchergebnissen auf einem mobilen Gerät gesehen haben (siehe Bild1). Sie sind speziell gekennzeichnet mit einem runden Blitzsymbol. Doch wer denkt, AMP sei eine Nischenlösung für Nachrichten, der irrt. Denn eBay ist in den USA vom Start weg auch schon mit dabei. Google kündigte bereits viele Neuerungen rund um AMP für 2017 an. AMP ist eine neue Technologie, die für jede Website wichtig wird.

SEO-Revolution: Mobile-First-Index

Die Ankündigungen seitens Google, einen mobilen und einen Desktop-Index zu etablieren, wobei der mobile Index 2017 der primäre sein werde, verdeutlicht, dass wir an einem Wendepunkt stehen (http://einfach.st/gwebm2). Mobile Friendly und Mobile SEO bekommen eine neue Bedeutung, denn SEO wird sich nunmehr primär mit mobilen Seiten beschäftigen. Der Begriff Mobile SEO wird zum Synonym für SEO. Wer heute bereits eine Mobile-Friendly-Website hat, ist zwar gut gerüstet, kommt an AMP aber nicht vorbei.

Die Inhalte für mobile Geräte werden also den primären Index bestimmen, nicht die Desktop-Varianten. Und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis AMP-Seiten einen zusätzlichen Ranking-Boost erhalten werden oder auch in den Desktop-Ergebnissen erscheinen. Gut möglich, dass Google in ein paar Jahren den Desktop-Index begraben wird. 90 % aller Suchanfragen sind geräteübergreifend, mobile ist immer häufiger der erste Schritt in einem Suchvorgang. Die Welt wird mobil, SEO wird es auch.

Was ist AMP?

Um sich ein Bild machen zu können, zunächst zwei Beispiele:

Beispiel 1: Eine Nachrichtenseite der New York Times

Hinweis: Die Links sind hier eventuell wenig sinnvoll, da sie nur mit passendem User-Agent nachvollzogen werden können. Wenn man also die Links mit angibt, müsste man erläutern, wie man diese live ansehen kann.

(Hinweis: Zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Beitrags gab Google den Hinweis aus, dass die Seite keine valide AMP-Seite sei, und deswegen wird sie auch nicht in den Google-Suchergebissen zu finden sein. Ansonsten würde sie genauso aussehen wie in der Mitte.)

Das Bild zeigt schon die Mängel, die über AMP geäußert werden, die aber auch durch handwerkliche Fehler entstehen. Die AMP-Seite hat keine Navigation, der Nutzer wird also nicht auf der Website bleiben. Diese AMP-Seite hat auch keine weiterführenden Links. Die Schrift ist für mobile Geräte zu klein und der Rand fehlt.  

Beispiel 2: Eine Kategorieseite von ebay.com

Man erkennt, dass die AMP-Variante keine Suche hat. Formulare sind zwar grundsätzlich nicht erlaubt, aber es gibt zu vielen Einschränkungen auch Ausnahmen. Ziel von AMP ist es, Webseiten deutlich zu beschleunigen durch schlanke Kopien vorhandener Seiten. AMP-Seiten sind also wie die bereits bekannten alternativen mobilen Seiten Kopien bestehender Desktop-Seiten oder Kopien alternativer mobiler Seiten.

Die Einschränkungen von AMP

AMP-Seiten unterliegen folgenden Einschränkungen:

  • Javascript: Ausschließlich die bereitgestellten Funktionen können genutzt werden (vorgegebene Javascript-Bibliotheken). Diese werden asynchron geladen und behindern damit das Rendern einer Seite nicht.
  • CSS: Nur ein einziges <style>-Element im Quellcode mit maximal 50 KB Größe, einige CSS-Elemente sind nicht erlaubt, externe CSS-Dateien sind nicht möglich.
  • Keine Formulare
  • Seiten werden im Cache von Google vorgehalten und von dort abgerufen und nicht von den Webservern der Seitenbetreiber. Die URL lautet dann www.google.com/amp/URL_der_AMP_Seite.

Dies zeigt schon, dass die Erstellung von AMP-Templates basierend auf vorhandenen Seiten kompliziert ist. Alle CSS-Daten müssen sehr stark reduziert werden, alle genutzten Javascript-Funktionen müssen durch die von AMP ersetzt werden. Die Einschränkungen wie keine Formulare erklären, warum es bei eBay derzeit nur Kategorieseiten in AMP gibt und dort auch die Suche fehlt.

Die AMP-Extensions

Mit den AMP-Extensions kann man bestimmte Funktionalitäten doch umsetzen (http://einfach.st/github8). Das Problem: Man kann dies eben nur so tun, wie es das Framework vorgibt. Möchte man eine komplette Website auf AMP umsetzen, gibt es im Detail erheblichen Anpassungsbedarf. Die Extensions werden laufend aktualisiert und erweitert. Die vorhandenen Javascript-Funktionen ermöglichen vieles, laufen aber eben nur mit den vorgegebenen Skripten.

So gibt es beispielsweise eine Extension für Formulare (http://einfach.st/amp4), die mittlerweile auch den Status „stable“ haben. Die Verifizierung eingegebener Daten per Javascript ist möglich, befindet sich aber noch im Status „experimental“. Es wäre kontraproduktiv, würde man Webseiten vollständig ohne Einschränkung mithilfe der AMP-Extensions umsetzen. Dadurch würde man wieder viele einzelne Javascript-Dateien einbinden. Dennoch entsteht hier ein kompletter Satz an Funktionen. Manches geht aber vielleicht nie, beispielsweise dynamisch Inhalte in den Seiten in Echtzeit aktualisieren, wie die vorhandene Größe oder die verfügbare Anzahl eines Produkts. Hierzu gibt es aber seit Kurzem detaillierte Informationen von Google zum AMP-Cache (http://einfach.st/gdev2). Die Erweiterungen werden ständig mehr. Selbst für die Integration eines Trackingcodes gibt es Erweiterungen. Eine für Google Analytics existiert natürlich schon. Vielleicht werden Frameworks und Bibliotheken zukünftig an Bedeutung verlieren und AMP wird eine universelle Plattform!?

Das schlagende Argument: Die Skripte werden direkt von den Google-Servern ausgeliefert und sind daher sehr schnell. Andererseits liefert man sich der Abhängigkeit von Google aus. Auch darüber, ob das Internet als unabhängige technologische Plattform von wenigen einzelnen Unternehmen gelenkt und gesteuert werden sollte, wird es vermutlich Diskussionen geben.

Was bringt AMP?

AMP-Seiten laden auf mobilen Geräten deutlich schneller, laut Tests sind sie mindestens doppelt bis viermal so schnell. Google wird nicht müde, das Thema voranzutreiben. Derzeit haben AMP-Seiten keinen direkten Rankingvorteil, profitieren aber von den bereits vorhandenen Mobile-Friendly-Regeln. Die schnellere Ladezeit verspricht einen zusätzlichen Vorteil.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass AMP sich weiter verbreiten wird. Wer also nicht seine Website „AMPlifiet“, kann schneller, als er ahnt, ins Abseits geraten. Da es schwierig wird, komplette Websites und Shops in AMP umzusetzen, wird man sich darauf fokussieren, zumindest für relevante Suchbegriffe oder für die wichtigsten Zielseiten AMP-Seiten zu haben. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die restliche Website dann auch rasend schnell sein muss, damit der Besucher nach einem Klick in einer AMP-Seite nicht durch eine lange Ladezeit auf der Folgeseite enttäuscht wird.

Dabei wird nicht selten vergessen, dass mobile Seiten auf Desktop-PCs oder im WLAN schnell sind. Doch man muss stets an die denken, die einen schlechten Empfang haben. Daher muss man die Messlatte für die Ladezeit daran ausrichten. Unter www.webpagetest.org kann man für Tests in den erweiterten Einstellungen die Bandbreite reduzieren und einen mobilen Browser wählen. Schnelle Server sehen dann trotzdem alt aus, wenn die Website einfach zu groß ist und zu viele einzelne Dateien benötigt.

Seiten in AMP umwandeln

Wer AMP-Seiten erstellen möchte, steht vor einem Problem. Es gibt für weitverbreitete Systeme wie Wordpress (wordpress.org/plugins/amp) und Joomla bereits Plug-ins. Allerdings gibt es kein Plug & Play. Es werden Standardtemplates angeboten, die man anpassen muss, und das ist genau der Haken. Für Wordpress geht es derzeit nur für Blogartikel, nicht für Seiten. Da sich das gesamte Projekt noch laufend weiterentwickelt, kann man aktuell nur empfehlen, das Thema sehr wachsam zu beobachten und auf die Agenda zu setzen.

AMP überprüfen

Wer AMP-Seiten implementiert hat, kann diese unter einfach.st/amp5 oder unter einfach.st/searchg2 validieren. Details erhält man zudem von Google in der Search Console, sobald Google beim Indexieren einer Website AMP-Seiten findet. Dort werden ebenfalls Probleme ausgegeben. Allerdings muss man eben warten, bis Google die Seiten indexiert hat. Diese Validatoren überprüfen aber nur, ob die AMP-Seite den Vorgaben entspricht.

Damit Google AMP-Seiten findet, gelten die gleichen Regeln wie bei alternativen mobilen Seiten. Bezogen auf das Ebay-Beispiel von oben sieht das wie in Bild 4 aus:

Die AMP-Seiten müssen von der Desktop- und (soweit vorhanden) von der mobilen Version per <link rel…> verlinkt sein (im Bild die blauen Pfeile). Zudem müssen die AMP-Seiten selbst wieder per Canonical-Link auf die Desktop- bzw. mobilen Seiten verlinken (im Bild die grünen Pfeile). Nur so erkennt Google alle AMP-Seiten und interpretiert keine der Seiten als Duplicate Content. Übrigens können und sollten alle drei Varianten vollständig oder in gewissen Grenzen responsive sein, was die grauen Pfeile andeuten sollen.

Mit einer Software wie bspw. Forecheck lässt sich der Abgleich automatisch prüfen. Sehen wir uns das Beispiel 1 von New York Times an. Im Bild 5 erkennt man, dass die Desktop-Seite und die AMP-Seite denselben Titel haben (grüner Pfeil), diese Zellen sind auch hellgrün hinterlegt. Die Canonical-URL der AMP-Seite stimmt aber nicht mit der URL der Desktop-Seite überein. Der Canonical-Link verweist auf die englischsprachige Desktop-Version des gleichen Artikels. Dies darf aber nur mit einem „alternate hreflang“-Link erfolgen. Dies ist ein klarer Fehler, hier entsprechend nach Regel 3 (blauer Pfeil im Bild); Details erklärt in dem Fall zusätzlich die Hilfe mit einem Klick auf den Link zu der Regel. Dies ist aber nur ein Beispiel eines möglichen Problems. So darf beispielsweise die URL der AMP-Seite nicht von der Indexierung ausgeschlossen sein oder weiterleiten.

Vorsicht vor Abmahnung

AMP-Seiten müssen wie andere Seiten auch alle rechtlichen Bestimmungen erfüllen. Leider wird oft vergessen, auch den Link zu Impressum und Datenschutzerklärung einzubinden, daher drohen Abmahnungen, da die derzeit verfügbaren Plug-ins für CMS-Systeme vorhandene Footer nicht automatisch übernehmen (http://einfach.st/rapl3).

Die Revolution hat schon begonnen

Jeder, der eine Website hat, sollte sich mit AMP auseinandersetzen. Denn wer sich hier einen Wettbewerbsvorteil verschafft, kann sich vom Wettbewerb absetzen. AMP wird zukünftig eine große Rolle spielen. Neben Plug-ins zu CMS-Systemen wird die SEO-Branche sich wandeln müssen und Mobile in den Vordergrund stellen. Es werden neue Dienste entstehen wie www.amp.camp, und auch Frameworks, die komplett auf AMP basieren. Es ist durchaus denkbar, dass man Systeme wie Wordpress komplett auf AMP aufsetzen kann und gleich mit AMP-Templates arbeitet und dass die Desktop-Version dann die „Erweiterung“ ist.

Für Shops wird es eine größere Herausforderung sein. Doch eBay zeigt, dass es zumindest teilweise geht. Wer heute nicht schon AMP in seine Pläne einbindet, kann schnell ins Hintertreffen geraten. 2017 wird sicherlich im Bereich SEO ein AMP-Jahr werden.