Abgekratzt …

Karl Kratz
Karl Kratz

Karl Kratz liebt und lebt feines Online-Marketing seit 1996. Er ist Autor diverser Online-Marketing-Publikationen (Welcome to the System, Haifischbecken Internet Marketing, Landingpage SEO) und betreibt die Online-Marketing-Plattform karlsCORE public.

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„Website-Relaunch" ist eine alte germanische Redensart und bedeutet ausgeschrieben: „Wir schaffen es nicht, unsere Website stetig weiterzuentwickeln. Jetzt schauen wir mal, ob wir mit einem einmaligen Blindflug weiterkommen."

- „Hey, Zeit auf ’nen Kaffee …?" 

-- „Neee, ist gerade leider nicht drin! Wir sitzen in den letzten Zügen unseres Website-Relaunches! Das muss bis Montag alles fertig sein!"

- „Ein Relaunch? Spannend. Was soll sich denn an der Seite ändern?"

-- „Alles! Vom Design über die URL-Struktur, die Inhalte bis hin zum CMS! A L L E S!"

Wenn ein Unternehmen einen großen Anteil seiner Erträge über das Internet erwirtschaftet, gehört ein „Website-Relaunch" aus meiner Sicht mit zu den gefährlichsten und verantwortungslosesten Unterfangen überhaupt.

Die Gründe für den Wunsch nach einem „Relaunch" sind vielfältig: Dem Chef gefällt das Design nicht mehr, der Online-Marketing-Verantwortliche hat gewechselt und „der Neue" will sich beweisen, der SEO stellt die URL-Struktur infrage und so weiter. Oder ein Online-Marketing-Berater schlägt vor, das zehn Jahre alte CMS gegen „etwas Modernes" auszutauschen – in diesem Rahmen wird auch gleich die Website komplett neu gemacht. Keiner dieser Gründe hielt in der Praxis einer kritischen Befragung und intensiven, ergebnisoffenen Diskussion je stand.

Ein konventioneller Relaunch einer Website ist wie ein Test ohne Hypothese – und sogar ohne Test! Die wenigsten Relaunch-Verantwortlichen kommen ja auf die Idee, die alte Version einer Website gegen die neue Version zu testen. Weshalb eigentlich nicht? Und wie kommt es, dass viele „neue“ Website-Projekte weiterhin noch nicht einmal die grundlegendsten Anforderungen für A/B-Tests erfüllen?

Wer im Lauf der Jahre viele Relaunch-Projekte beobachten durfte, wird ehrlicherweise feststellen, dass ein Großteil der neu gelaunchten Systeme teilweise mit hohen Konversions-Einbrüchen zu kämpfen hat. Das ist kein Wunder: Oft liegt die gesamte Aufmerksamkeit auf dem Redesign, der neuen URL-Struktur, den neuen Inhalten, dem neuen CMS. Nur sehr wenige Menschen fragen sich: „Welche Fragen müssen wir uns stellen, um bessere Erträge mit der Website zu erwirtschaften? Wie lassen sich von diesen Fragen Hypothesen und anschließend Tests ableiten? Wir erhöhen wir die Sicherheit, dass wir uns in die gewünschte Richtung weiterentwickeln?"

Für Unternehmen, deren Website

 

  • funktional und aufrufbar ist,
  • relevante Erträge erwirtschaftet und
  • grundsätzlich funktioniert,

sollten Website-Relaunches prinzipiell tabu sein.

Die einzig zulässige Methode der Weiterentwicklung sollte die Kombination aus Datenanalyse, Hypothese und Test sein. Wer diese Methode als mühsam ansieht, hat die Chancen der Konversions-Optimierung noch nicht begriffen: Unternehmen, die in der Lage sind, viele Tests durchzuführen, sind grundsätzlich wettbewerbsfähiger. Die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und die Verbesserung der Benutzbarkeit sollten wesentliche Messkriterien bei jeder Website-Veränderung sein. Messen kann man jedoch nur durch Vergleich von Werten. Ohne Vergleich von Werten gibt es keine Messung, ohne Messung keine Aussage über den Erfolg der getätigten Investition.

Ein Website-Relaunch ohne Hypothese und Test ist ein absoluter Blindflug. Jeder verantwortlich handelnde Geschäftsführer bzw. Online-Marketing-Verantwortliche sollte Website-Relaunches an einer aktuell funktionierenden Website strikt untersagen und einen kontinuierlichen Konversions-Optimierungsprozess fordern, fördern und einsetzen.