Das neue Entwicklungszentrum von Google im Herzen von München

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Bisher war die Niederlassung in Hamburg mit etwa 500 Mitarbeitern der größte Standort von Google in Deutschland. Langsam und weitgehend unbemerkt wuchs der Standort München personell stetig an und daher fasste man Anfang des Jahres die bisher verteilten Standorte in einem neuen Bürokomplex zusammen. Dort arbeiten derzeit etwa 400 Mitarbeiter und für weitere 400 potenzielle Arbeitsplätze wird gerade ausgebaut, um dem rasanten Wachstum des Internetkonzerns Rechnung zu tragen. Während in Hamburg seit 15 Jahren hauptsächlich Sale, also AdWords angesiedelt ist, wird in München vor allem Engineering betrieben.

Website Boosting war für Sie zur offiziellen Eröffnung mit 200 geladenen Gästen vor Ort.

In München ist Google nun schon seit 2006 mit einer und später mehr Niederlassungen vertreten. Diese wurden nun im Arnulfpark zentral und nur fünf Minuten vom Hauptbahnhof entfernt in einer brandneuen Location zusammengefasst. Während in den ersten Jahren vor allem interne Werkzeuge für die Entwicklung programmiert wurden, sind die Aufgaben in den vergangenen zehn Jahren mittlerweile vielfältiger geworden. Der Standort verantwortet weltweit z. B. das Tool „myaccounts.google.com“, den Passwort-Manager im Chrome-Browser oder die Java-Script Engine V8. Der Assistent „Mein Konto“ erlaubt Nutzern den Zugriff auf gespeicherte Daten bei den verschiedenen Google-Diensten. Daten lassen sich dort zentral verwalten, löschen oder bestimmte Datenspeicherungen generell unterbinden. Da Deutschland bekanntermaßen einen vergleichsweise hohen Standard beim Thema Datenschutz genießt, ist es nur folgerichtig, die einschlägigen Tools hier zu entwickeln. Als Folge der Bemühungen empfehlen das BSI und die Stiftung Warentest mittlerweile Chrome als den sichersten Browser. Zufällig, aber mit viel Ironie, liegt die Münchener „Hackerbrücke“ nur wenige Meter entfernt. 

Dr. Wieland Holfelder als Standortleiter, Pressesprecher Kay Overbeck sowie Philipp Justus als Vizepräsident von Google für Deutschland und Zentraleuropa eröffneten zusammen mit Staatsministerin Ilse Aigner und dem Münchener OB Dieter Reiter in einer entsprechenden Feier am 8. April den neuen Standort. Sogar CEO Sudar Pichai schickte höchstpersönlich eine Videobotschaft aus den USA an die anwesenden Gäste.

Zwei Universitäten, hochmoderne Infrastruktur und der hohe Freizeitwert waren mit entscheidend für die Wahl von München, erläuterte Dr. Holfelder. Ein erklärtes Ziel ist dabei auch, vor allem den Mittelstand in Sachen Digitalisierung mit dem Projekt „Digital Workshop“ zu unterstützen.

Zur Eröffnung wurden einige Projekte von Google gezeigt. Optisch beeindruckend war der virtuelle Flug via Google Earth per Joystick an einer Multivisionswand in hoher Auflösung und hoher Geschwindigkeit. Als Anwendungsbeispiel reagierte das Steuerpult aber auch durch das Aufstellen kleiner Sehenswürdigkeits-Symbole (Abbildung 1, rote Markierung). Durch einen kleinen Chip erkennt das System den gewünschten Ort und transportiert den Nutzer automatisch z. B. nach London zum Big Ben oder nach News York zur Freiheitsstatue. Auch eine in 360 Grad digitalisierte Oper konnte man bestaunen.

Google München in einigen Zahlen:

  • Aktuell 400 Mitarbeiter aus 40 Nationen (Vollkapazität: 800).
  • 127 km Kabel wurden verlegt und 3.275 Steckdosen gesetzt.
  • Fast keine Serverinfrastrukur vor Ort – alles läuft in der Cloud.
  • 100 Billionen Bits Datentransfer pro Tag.
  • Der Strom wird zu 100 % von erneuerbaren Energien bezogen.
  • Die LED-Beleuchtung wird automatisch per Sensoren auf Wetter und Tageszeit angepasst. Google spart so ca. 210 Megawattstunden Energie pro Jahr ein.
  • Alle Toiletten werden über Regenwasser-Sammler gespeist.
  • Pro Monat werden
    • 2.500 kg Orangen frisch zu Saft gepresst,
    • 200 kg Kaffeebohnen zermahlen und
    • 1.700 kg Bananen verspeist.

Natürlich wurde auch der Standort München googletypisch besonders mitarbeitergerecht gestaltet. Da viele Googler mit dem Rad ins Office kommen, gibt es sogar eine eigene kleine Fahrradwerkstatt. In der abgesperrten Tiefgarage parken daher vor allem Räder statt Autos.

Für Abwechslung zu Tastatur, Bildschirmen und Meetings wurde neben einem Open-Air- Sportplatz auch ein Fitness-Studio integriert. Dort können sich die Mitarbeiter auch während der Arbeitszeit bei Bedarf auspowern und fit halten. Mehrmals pro Tag gibt es von Experten geführte Trainings, die speziell als Gegengewicht zur einseitigen körperlichen Belastung von Bürotätigkeiten gestaltet wurden. Ebenso kann man sich zusammen mit einem Trainer computerunterstützt entsprechende Fitness-Pläne ausarbeiten lassen. Für ermüdete Augen ist sicherlich der Blick von der büroeigenen Dachterrassenlounge auf die Alpen förderlich. Während die anwesenden Fernsehteams ob der gebotenen Möglichkeiten hinter vorgehaltener Hand ins Schwärmen gerieten, hat dieser Umgang mit Mitarbeitern bei Google von der ersten Minute an Tradition. Nur wer sich wohlfühlt, geht auch gerne zur Arbeit. Da die wenigsten Menschen acht Stunden voll konzentriert oder kreativ sein können, unterstützen die selbst wählbaren Pausen nicht nur die spontane Kommunikation, sondern machen den Kopf wieder weitgehend frei und produktiver beim Denken. Insofern profitieren davon unter dem Strich auch die Arbeitgeber enorm. Im Gegensatz zu den oft gehörten Lippenbekenntnissen anderer Unternehmen („Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut“) lebt man bei Google diese Maxime tatsächlich. Und der Erfolg zeigt unzweifelhaft, dass die Strategie einer ehrlichen Umsorgung sehr gut aufgeht. Journalisten vermuten dahinter allerdings oft vorschnell und etwas laienhaft einen gewissen „Sektencharakter“. Wer Mitarbeiter von Google persönlich kennt weiß, dass man dies im besten Fall als unsinnig bezeichnen muss. Wer betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse über Personalführung besitzt, ebenso.      

Apropos gesundes Arbeiten: Sehr viele der Mitarbeitertische lassen sich per Knopfdruck nach oben fahren bzw. zum Stehpult umfunktionieren. Der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen lässt die Muskulatur nicht so schnell erschlaffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen muss man hier für so einen Arbeitstisch aber keinen Antrag mit einer Befürwortung eines Orthopäden stellen. Man bekommt ihn, wenn man möchte.

Für die Kommunikation mit anderen Standorten des Unternehmens gibt es mehrere Konferenzräume und -ecken, in denen jeweils auch Videoverbindungen und Desktopsharing auf Knopfdruck praktisch vollautomatisch rund um den Globus möglich sind. Ein großer Konferenzraum mit kinoartigen Displays und Hightech bietet Platz für 200 Personen.

Aber auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Der Standort München bietet den Mitarbeitern gleich zwei Kantinen an: das „Café Wiesn“, in dem überwiegend Essen aus der Region und mit Bio-Anspruch angeboten wird, und einen Stock höher das „Café Flex“. Dort wird im wöchentlichen Wechsel landestypisches Essen aus jeweils einem Land der Welt angeboten. Fast übersieht man ein kleines, aber feines Detail: Einige Tische lassen sich aufklappen (Abbildung 6) und bringen dann Kochplatten zum Vorschein. Hier lassen sich interne oder auch Kunden-Events zum gemeinschaftlichen Kochen abhalten.

Natürlich gibt es auch die bei Google üblichen „Micro Kitchens“ auf jedem Stockwerk. Dort findet man Snacks, Getränke und natürlich Kaffeemaschinen.

Wem normaler Kaffee zu normal ist, der findet im „Coffee Corner“ einen wirklich herausragenden Barista-Service (Abbildung 7). Hier gibt es wahrscheinlich einen der besten Cappuccino im Großraum München.

Und alles ist umsonst. Im Lauf der Jahre hat man bei Google allerdings auch dazugelernt. Während früher überall Schokoriegel und andere Süßigkeiten herumlagen, hat sich die Philosophie mittlerweile spürbar geändert. So gibt es nicht nur überall genügend frisches Obst, sondern man hat den eher ungesünderen Snacks den optischen Anreiz entzogen. Sie sind zwar noch vorhanden, werden aber in diversen Dosen mit geschlossenen Deckeln „versteckt“ (Abbildung 8). Alles, was als gesund gilt, steht dagegen offen da. Der Gedanke dahinter ist, dass man eben nicht so viele unnötige Kalorien zu sich nimmt, nur weil man sie sich reflexartig wegen des zuckergesteuerten Unterbewusstseins greift. Somit hat man die kolportierten und früher berüchtigten „Google Seven“ (in den USA „Google Fifteen“) nun wohl in den Griff bekommen. Die „Seven“ steht für sieben Kilo (USA: 15 Pfund), die ein neuer Mitarbeiter in den ersten Arbeitsmonaten durch den reichen Überfluss an diversen Schokoriegeln im Schnitt zunahm.

Die neue, gut durchdachte Linie zeigt sich auch in Details. So wurde an den überall vorhandenen Kühlschränken jeweils der Teil der Glasscheiben mit Michglasfolie abgeklebt, in dem die eher ungesünderen, stark gezuckerten Getränke stehen. Auch hier wirkt das Prinzip: Was man nicht auf Anhieb sieht, löst auch kein unmittelbares Begehren aus (Abbildung 9).

In unserer vernetzen Welt kann man fast alles überall bekommen. Nur eines gibt es nur bei Google und nur in München: das eigens hergestellte Bier „gBräu“. Dafür wird amerikanischer Hopfen von einem Münchener Braumeister nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut. So verbindet sich Kalifornien nicht nur technologisch mit Bayern, sondern eben auch kulinarisch.

Den letztendlich wirklichen Startschuss für die Eröffnung gaben aber weder die Chefs von Google, noch die Staatsministerin Aigner. Der kam von einem selbstfahrenden Roboterfahrzeug, den ein innovatives Team von Schulkindern, vier Mädchen und ein Junge, entwickelt hat. Das Fahrzeug blieb brav stehen, wenn man einen Fuß in den Weg setze und gab am Ende seiner Fahrt am Rednerpult angekommen per Lautsprecher zu verstehen: „Hiermit eröffne ich das Google Büro in München!“.

Und wer sich selbst für einen innovativen Kopf hält und aus dem vielleicht schon angestaubten bisherigen Arbeitsumfeld ausbrechen möchte, für den gibt es zwei gute Nachrichten. Zum einen hat man den berüchtigten Auswahlprozess bei Google mit bisher bis zu acht Bewerbungsgesprächen deutlich verkürzt. Zum anderen sucht man noch immer nach neuen, smarten Mitarbeitern. Unter einfach.st/gmunichjobs finden Sie die aktuellen Stellenangebote für den Standort München.