ONLINE MARKETING ROCKSTARS 2016

Übertrieben groß & wahnsinnig laut – Rockstars eben

Dominik Quambusch
Dominik Quambusch

Dominik Quambusch ist E-Commerce-Student an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, zudem ein passionierter Online-Marketer und Berater für alle Fragen, die das Thema SEO und SEA betreffen.

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Sebastian Jund
Sebastian Jund

Sebastian Jund ist Wirtschaftsinformatik-Student an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Als Freelancer und bei uberlift.de betreut er seit 2012 Kunden im Online- und Social-Media-Marketing.

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Am 25. und 26. Februar 2016 luden die Hamburger Online Marketing Rockstars bereits zum sechsten Mal zu ihrem zweitägigen Festival ein. Dieser Einladung folgten mehr als 16.000 Online-Marketing-Begeisterte. Dieses Mal fand das Event nicht, wie in den Jahren zuvor, im Millerntor-Stadion und dem Stage Theater, sondern in der Hamburger Messe statt. Die Veranstaltung mit einer Mischung aus Messe und Konferenz entwickelt sich mehr und mehr zu einem Pflichttermin für deutsche Online-Marketer. Auf der Expo, welche sich zum zweiten Mal jährte, konnte man in zwei Hallen vom kleinen Start-up- bis hin zum Google-Messestand eine bunte Mischung an Unternehmen aus der Online-Branche antreffen. Für Deutschlands größte Online-Marketing-Bühne konnte der Veranstalter Philipp Westermeyer abermals nationale wie auch internationale Top-Speaker gewinnen. Dominik Quambusch und Sebastian Jund sahen sich für Sie dort um.

Scott Galloway, Professor an der New York University und Gründer von L2 Inc., eröffnete die Konferenz mit seiner Keynote „Media and Marketing tomorrow”. Diese war durch Zahlen und Fakten sowie eine ordentliche Portion Pessimismus geprägt. Zu Beginn seines Vortrages verdeutlichte er mit einem grandiosen Vergleich die Entwicklung des Börsenwertes der „Group of Four”, wie er kurzgefasst über Apple, Google, Facebook und Amazon sprach. So steigerten die Branchenriesen 2015 ihren gemeinsamen Börsenwert von 1,3 Trillionen Dollar, was in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Spanien entspricht, auf 1,6 Trillionen Dollar.

Dieser Wert gleicht dem Bruttoinlandsprodukt von Kanada, wird aber von einer Mitarbeiteranzahl gestemmt, die gerade einmal der Population von Mannheim entspricht.

Die größte Gemeinsamkeit der „Group of Four”-Mitglieder sah Galloway übrigens in der Personalfluktuation. Hier wechseln laut Galloway die meisten Angestellten der großen Vier am liebsten zu UBER. Eine weitere spannende Zahl war Apples Umsatzwachstum von 2015. Der Hersteller mit dem Obst-Logo konnte ein Umsatzplus von 50 Milliarden Dollar verzeichnen, dies gleicht dem Jahresumsatz der Luxusmarken Louis Vuitton, COACH, KERING, MICHAEL KORS, Richmont, Hermès und Prada von 2014 zusammen.

Anders als auf Konferenzen üblich, wollte Scott Galloway nicht nur über die Gewinner dieser Entwicklung sprechen und ging daher ebenso auf die Opfer ein. Jedes Unternehmen, welches heutzutage mehr als 2 % Wachstum verzeichne, werde von einem der „Group of Four” geschluckt. So werde also der heranwachsende Mitbewerber kurzer Hand einfach mit aufs Boot geholt. Daraus resultiere früher oder später, dass Tech-Giganten in branchenfremde Gefilde wie etwa den Automobilbau eintauchen, weil alles Branchennahe bereits weitestgehend geschluckt wurde. Weiter sprach er darüber, dass klassisches Brandmarketing immer mehr an Bedeutung verliere. Dies komme daher, dass durch neue Technologien die Menschen auch mit „kleinem” Budget und ohne großes „Marken-Tamtam” erreicht und überzeugt werden können. Man sollte sich also da befinden, wo der Kunde ist, und sich nicht nur auf die eigene Marke verlassen. Das Ende seines Vortrages leitete er mit den folgenden Worten ein:

Inequality is a good thing, because it motivates us to work harder.”

Scott Galloway wollte die Angst vor der mehr und mehr zunehmenden Automatisierung und „the rise of the Machines” nehmen, denn alle Unternehmen setzen letztlich „nur” Technologie ein, um zu skalieren. Genau diese Technologien lassen sich am Ende des Tages zu Leidenschaft, Risikobereitschaft und Verlangen umkehren.

„Ad-Tech is a great business, as long as you work for Facebook or Google.”

How to break the Newsletter Codes and monetize a Community

Fany Péchiodat, Gründerin von My Little Paris, startete 2008 einen gleichnamigen Newsletter, obwohl sie bis dato noch keine Erfahrung mit dem Versenden digitaler Post gesammelt hatte. Bis heute wuchs das Unternehmen um den Newsletter auf bis zu 120 Mitarbeiter an. Zu Beginn versendete Péchiodat ihre E-Mails, gespickt mit Insider-Tipps zu Paris, an lediglich 50 Freunde. Binnen eines Monats wuchs die Community auf rund 10.000 Abonnenten an. Mittlerweile verschickt sie ihre Inhalte an überwältigende 2 Millionen Subscriber. Die Reichweite und Anzahl der Abonnenten wurde ausschließlich durch „Word-of-Mouth”-Empfehlungen ausgebaut. Die Gründerin kündigte kurzer Hand ihren Job und stand nun vor dem Problem der Monetarisierung. Die Lösung für dieses Problem waren Kooperationen mit Marken, anfangs durch gesponserte Newsletter mit großen französischen Brands. Hierbei wurde jedoch stets darauf geachtet, der eigenen Linie und dem eigenen Style treu zu bleiben und immer interessanten Content für die Leserschaft zu liefern.

Zu vergangenen Werbepartnern zählen laut Péchiodat unter anderem Marken wie Chanel und Hermes oder auch Netflix, zu dessen Frankreich-Start hin My Little Paris einer der größten Partner war. Die durchschnittliche Öffnungsrate der Newsletter betrage ca. 60 %, was weit über dem französischen Durchschnittswert von 20 % liege.

Ihr Erfolgsrezept bestehe aus drei Zutaten: Respekt vor den Abonnenten, Treue zu ihrer Marke sowie ihrem Design.

Engineering Growth

Mit Digital-Marketing-Guru Neil Patel betrat der Gründer des Content-Creation-Blogs Quicksprout.com sowie des Analyticstools KISSmetrics die Bühne. In seinem interessanten Vortrag brachte er den Zuschauern die Methodik des Growth Hackings näher. Hierbei soll durch Kreativität und Analytik mit möglichst einfachen Mitteln ein Wachstum erzielt werden.

Durch seine Erzählungen profitierten vor allem Unternehmer von den beschriebenen Vorgängen. Patel erläuterte detailliert, wie sie ihr Business mittels Growth Hacking optimieren können. Hierbei wies er darauf hin, wie wertvoll es sein kann, einen Nutzer ein Produkt zunächst testen zu lassen, bevor man ihn zum Kauf auffordert.

Kurz: Den Funnel einfach umdrehen.

Weiter zeigte er auf, zu welchem Anstieg der Conversion-Rate es führen kann, wenn im Sign-up-Prozess neben der klassischen E-Mail-Adresse auch das Log-in mit Social-Media-Kanälen angeboten wird. So müssen sich Nutzer nicht erst registrieren, sondern haben direkt die Möglichkeit, sich einzuloggen.

Im Grundlegenden hielt er für seine Zuhörer eine Message bereit: „Mache es deinem Nutzer so einfach wie möglich, dein Produkt auszuprobieren, und mache es unwiderstehlich.”

Inside the Leading National Advertising House

Im folgenden Dialog mit Philipp Westermeyer und Florian Heinemann (Project-A) berichtete Christian Schmalzl (COO Ströer) über die Strategien und Wege, die Ströer verfolgt, um neue Geschäftsbereiche zu erschließen und weiter zu wachsen. Der Anteil digitaler Umsätze am Gesamtumsatz wird dieses Jahr voraussichtlich bei knapp 50 % liegen. Vor weniger als drei Jahren lag dieser Wert laut Schmalzl bei gerade einmal 5 %. Diese Werte unterstreichen, welchen Wandel der Vermarkter als Firma vollzog. So stellte Schmalzl in seiner Präsentation beispielsweise einige Firmen vor, welche von Ströer übernommen wurden und in den letzten Jahren zum enormen Wachstum der Unternehmensgruppe beitrugen. Darunter waren zum Beispiel das Online-Magazin Giga, die Agentur Regiohelden, kino.de oder Statista zu finden. Über seinen CEO und Unternehmensgründer Udo Müller äußerte sich Christian Schmalzl folgendermaßen: „Er ist ein begnadeter Dealmaker, für ihn ist eigentlich jede Woche, in der er keine Firma kauft oder keinen Deal macht, eine verlorene Woche.”

Spreading Content on Instagram

Wie man auf der Bildplattform Instagram in wenigen Monaten eine Millionen-Reichweite an Followern aufbauen kann, zeigte Angie von „The Shade Room”. Sie kündigte ihren Job bei einem Motorradshop und fing anschließend an, auf ihrem Instagram-Profil Klatsch und Tratsch über Stars zu posten. In nur wenigen Jahren wuchs ihre Anhängerschaft auf sage und schreibe acht Millionen Abonnenten an. Dies geschah vor allem dadurch, dass sie laufend und mehrfach am Tag Neuigkeiten postete. Heute ist ihre Community so groß, dass sie ihr dabei hilft, neuen Content zu finden. Postet eine Celebrity „versehentlich” ein Nacktfoto auf Twitter oder Instagram und löscht es direkt wieder, hat es fast immer jemand aus der Community bereits entdeckt und per Screenshot an Angie und ihr Team weitergeleitet (Abbildung 2).

Wie Angie mit „The Shade Room” so schnell so erfolgreich wurde und wie sie so eine enorme Reichweite aufbaute, beantwortete sie selbst so: „Auf einen respektvollen und positiven Umgang mit meinen Fans wurde immer geachtet sowie auf eine hohe Anzahl von täglichen Postings mit News für die Follower.” Die Frequenz, in welcher „The Shade Room” Inhalte liefert, würde von dem einen oder anderen Social-Media-Manager mit großer Überraschung gesehen: Im Schnitt posten Angie und ihr kleines Team mehr als 60 Neuigkeiten – pro Tag! Monetarisiert wird die Plattform vor allem durch den eigenen Online-Shop. Hier findet man Artikel wie Mützen und T-Shirts mit Aufdrucken zu aktuellen Themen. Produkte, die aktuelle Trends aufgreifen, sind in nur wenigen Stunden im Shop verfügbar. Also ziemlich agil und schnell. Besonders zu bewundern ist, wie Angie es schaffte, eine Community aufzubauen, die für sie die Nachrichtenrecherche übernimmt und alles Entdeckte sofort an „The Shade Room” übermittelt.

Social-Media-Stunts for Corporate

Bonin Bough, CMO des amerikanischen Lebensmittelherstellers Mondelēz, eröffnete seinen lauten und entertainmentreichen Vortrag mit einem Vergleich. So griff er die alte Geschichte des Medienwandels zwischen TV und Radio aus früheren Zeiten auf und verglich diese mit dem Wechsel von Desktop zu Mobile heute. Dies spiegle sich nicht nur im Konsumbereich wider, hier beschlagnahmte Mobile sehr deutlich seinen Raum. Es sei die Werbeindustrie, die schlichtweg noch nicht auf das mobile Zeitalter vorbereitet sei. Die digitalen Werbemöglichkeiten mobiler Endgeräte bieten so viel Potenzial, welches einfach noch nicht ausgeschöpft werde.

Die Reichweite von Mobile verdeutlichte er nochmals mit einer Folie (Abbildung 3). So besitzen weltweit mehr Menschen ein Mobiltelefon als eine Zahnbürste. Bough rief dazu auf, zu klotzen, statt zu kleckern, sofern es um das Testen neuer Werbemöglichkeiten gehe. Also hin zu zukunftsfähigen Businessmodellen und die Vergangenheit hinter sich lassen!

„Wer von euch ist romantisch?”

Mit dieser Frage wandte sich Tim Leberecht, Autor des Buches „Business-Romantiker”, an das Publikum. Viele Frauen reagierten mit Handzeichen, auch einige wenige Männer trauten sich, öffentlich Farbe zu bekennen. „Wer davon ist auch im Business romantisch?” Viele fragende Gesichter im Publikum, nahezu jede Hand senkte sich nach dieser Frage wieder. Leberecht zeigte aber Verständnis für die Reaktion seiner Zuhörer. Er erklärte, dass unter dem heutigen Druck, dem wir tagtäglich im Beruf ausgesetzt sind, die Romantik in Form von Kreativität und Emotionalität völlig verloren geht. Also lag er mit seiner Frage, ob wir bei der Arbeit überhaupt noch fühlen und mit Herz bei der Sache sind oder nur noch wie Maschinen funktionieren, absolut richtig. Daraufhin forderte er mehr Willen zu persönlichen – weg von anonymen und massenoptimierten – Nutzeransprachen.

Sein Appell an die Zuhörer: Sehnsüchte wecken sowie Kreativität und Emotionen anregen.

So können Menschen, gerade auch im B2B, auf eine fast vergessene Art und Weise erreicht werden.

Me, a Brand

Abschließend betrat der Mann die Bühne, den viele aus Playstation-1-Zeiten kennen und schon immer live sehen wollten: Tony Hawk, der wohl bekannteste Skateboarder aller Zeiten.

Er berichtete von seiner persönlichen Erfolgsstory, die bereits im Jahr 1978 begann. Wie er sich vom einfachen Hobby- zum Profi-Skater bis hin zur eigenen Brand entwickelte. Eine Plattform, auf die er schon sehr früh setzte, war Twitter, ebenso sei er aber auch auf Facebook und natürlich Instagram tätig. Snapchat sieht er ebenfalls als wichtigen Kanal an, welchem seine besten Zeiten noch bevorstünden. Als wohl wichtigste Entscheidung seiner gesamten Karriere nannte er den Entschluss, aus seinem Namen eine Brand zu kreieren, was natürlich viele weitere Werbedeals mit sich brachte. Besonders dabei geholfen habe ihm aber auch sein eigenes Videospiel. „Von Skateboarden alleine ist noch niemand reich geworden”, sagte er schließlich mit einem Lächeln im Gesicht.

Wer nun auch Lust auf das Rockstars-Festival bekommen hat, der sollte sich den 02.03.2017 für die Expo sowie den 03.03.2017 für die Konferenz frei halten. Ach ja, und vielleicht den Gehörschutz nicht vergessen! ;-)