Wie praktikabel ist Beacon-Tracking?

Ein praktischer Feldversuch auf dem Analytics Summit 2015

Marco Schiehorn
Marco Schiehorn

Marco Schiehorn ist Director Marketing Technology der OmnicomMediaGroup. Er verantwortet die technischen Plattformen, die im Bereich der digitalen Werbung für Kunden der OMG eingesetzt werden. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit Big-Data-Technologien wie z. B. Spark und Hadoop, um aus den täglich anfallenden großen Datenmengen der digitalen Kampagnen Mehrwerte zu generieren und ein besseres Targeting aufgrund genauerer User-Profile zu ermöglichen. Außerdem hält er regelmäßig Vorträge und Workshops zum Thema Online-Marketing-Technologien.

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Große Begeisterung – „kleiner“ Auslöser: Ca. 25 mm misst ein Beacon. Trotzdem kann er etwas Außergewöhnliches: Er ermöglicht eine exakte Ortung auch innerhalb von Gebäuden. Das machten wir uns auf dem Analytics Summit 2015 im Hamburger Curio-Haus zunutze und warfen einmal ein Auge auf die Bewegungsdaten der Teilnehmer – mit interessanten Ergebnissen.

Beacons sind kleine Transmitter, die auf Bluetooth Low Energy (BLE) basierend Signale an das Betriebssystem des Smartphones übermitteln. Diese Technologie ist ab iOS 7 bzw. Android 4.3 implementiert und kann somit ab dem iPhone 4S sowie von aktuellen Android-Geräten verwendet werden.

Die Beacon-Signale bestehen aus drei Informationen, dem UUID (Universally Unique Identifier) und den Werten Major und Minor. Der UUID dient der genauen Zuordnung der Beacons zu einem bestimmten Beacon-Anbieter und einer App, d. h., eine passende App muss auf dem Smartphone installiert sein, die diese UUID gegenüber dem Betriebssystem registriert. Die Angaben Major und Minor sind jeweils eine grobe (z. B. eine bestimmte Filiale) und eine granulare Standortangabe (Position innerhalb der Filiale).

Durch diese Eigenschaften können Kaufanreize angeregt und personalisierte Kommunikation in Echtzeit ausgelöst werden, aber diese Informationen können ebenfalls auch ohne spezifische User-Aktionen von der jeweiligen App entgegengenommen und gespeichert werden. Es handelt sich somit um eine kontext- bzw. locationbezogene Intelligenz für mobile Anwendungen.
Darüber hinaus kann durch Beacons eine Standortbestimmung in einer Reichweite von ca. 50 m erreicht werden, bei der mithilfe des RSSI-Werts (Received Signal Strength Indication) die Entfernung zum Smartphone bestimmt wird. Dieser wird in die Parameter Immediate (bis 50 cm), Near (bis 2 m) oder Far (bis 30 m) unterteilt und hilft so bei der genauen Nutzerortung.
Durch die Übergabe einer User-ID, wie z. B. des IDFA (Identifier for Advertising) bei iOS oder der Advertiser-ID bei Android können so Bewegungsströme pro einzelnem User gemessen und ausgewertet werden. Aufgrund der Erkenntnisse kann z. B. ein Geschäft Produkte optimaler platzieren und analysieren, welche Auswirkung Werbung auf Foot-Traffic in den Filialen hat. So kann ein ROI der werblichen Aktivitäten berechnet werden.
Allerdings bedarf es auch bestimmter Voraussetzungen, um Beacons nutzen zu können: Bluetooth muss auf dem Smartphone aktiviert und Location Services ebenfalls eingeschaltet sein.
Allgemein könnte man vermuten, dass Bluetooth bei vielen Personen ausgeschaltet ist. Widerlegt wird dies in einem von Ströer von September 2014 bis März 2015 durchgeführten Feldversuch, dem „Open Playground”, am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Es wurde festgestellt, dass rund 40 % der Bahnhofsbesucher Bluetooth aktiviert hatten.

Waitrose, eine Einzelhandelskette aus UK, verwendet Beacons, um zielgerichtet Push Notifications an User, die eine der Filialen besuchen, zu senden. So erhalten diese passende Coupons zu ihren spezifischen Vorlieben. Die Major League Baseball nutzt die Technologie, um Besucherströme im Stadion gezielt und effizient zu leiten. Besucher finden über die App schnell zu ihrem Sitzplatz oder werden in der Pause zur Kasse mit der geringsten Wartezeit geleitet. Auch easyjet nutzt Beacons, um Prozesse und Abläufe effizienter zu gestalten. Reisende werden z. B. daran erinnert, vor dem Boarding den Ausweis bereitzuhalten, und bei der Ankunft direkt über das richtige Gepäckband informiert.

Es gibt die verschiedensten Anwendungsszenarien, welche wir nicht nur theoretisch betrachten wollten, sondern wozu wir live einen Feldversuch mit den Teilnehmern auf dem Analytics Summit 2015 durchführten. Für den Summit entwickelten wir die App „Analytics Summit 2015” für iOS und Android, basierend auf dem Framework „Appcelerator Titanium”.

Die App enthält eine Übersicht und detaillierte Informationen zu den Speakern, die Agenda, einen Gebäudeplan und weitere Informationen rund um den Summit. Das wichtigste Detail der App aber ist die Integration des SDKs (Software Development Kit) von Sensorberg, welches eine Kommunikation mit Beacons ermöglicht. Dies versetzte uns in die Lage, die Teilnehmer des Summits an zwölf verschiedenen Standorten im Curio-Haus zu orten, u. a. wurden an den beiden Sälen, an der Bar, dem Damen- und Herren-WC und am Buffet Beacons platziert. So konnten wir die Bewegungen der Teilnehmer innerhalb des Gebäudes messen und analysieren. Auch eine Segmentierung der Teilnehmer nach Männern und Frauen war durch die Platzierung auf den jeweiligen Toiletten möglich. Für die Datenerfassung und anschließende Analyse nutzten wir Google Analytics Premium.
Wir verwendeten das Event-Tracking, definierten eine bestimmte Kategorie, an welche wir als „Action” die UUID des Beacons und weitere Informationen als Custom-Dimension übergaben. In Google Analytics konnten wir dadurch die Daten in Echtzeit genauer analysieren und Zusammenhänge herstellen.

Die Daten konnten aber nicht nur zu Analysezwecken verwendet werden. Über einen Export extrahierten wir IDFAs und Advertiser-IDs aus Google Analytics und nutzten diese innerhalb von Facebook durch Custom Audiences für eine Retargeting-Kampagne. Teilnehmer, die über die App einen Kontakt mit einem Beacon hatten, wurden so auf Facebook mit einer passenden Botschaft angesprochen. Da wir Frauen und Männer unterscheiden konnten, hatten wir die Möglichkeit, verschiedene Segmente zu definieren und diese mit einer jeweils passenden Werbeanzeige anzusprechen.

Die Ergebnisse:

Zum Ende des Veranstaltungstages hatten wir rund 43.000 Events in Google Analytics mitgemessen. Knapp 20.000 davon waren zum Zeitpunkt der Auswertung gegen 15 Uhr bereits aufgelaufen, sodass wir sie mit in die Echtzeit-Analyse einfließen lassen konnten.

Zunächst einmal schauten wir uns die Aufenthaltsorte der User nach Uhrzeit (Stunde) an. Dabei kamen wir zu folgenden Kernerkenntnissen:

  • 10 Uhr: Peak, aufgrund der Ankündigung des Feldversuchs verbunden mit der Aufforderung, die App zu installieren und Bluetooth zu aktivieren.
  • 12 Uhr: Mittagspause – wie erwartet gehen die Aufenthalte in den Sälen zurück.
  • 13 Uhr: Negativ Peak durch geringe Bewegungsdaten, was auf einen mit Spannung erwarteten Beitrag um 13 Uhr im Ballsaal zurückzuführen ist.

Hier der Verlauf der Total-Ereignisse nach Uhrzeit:

Im zweiten Schritt betrachteten wir die Frequentierung der beiden Veranstaltungssäle auf Minutenebene. Auch hier sehen wir, dass die morgendlichen und die 13-Uhr-Veranstaltung jeweils ausschließlich im Ballsaal stattfanden. In den Zwischenzeiten ist das Verhältnis ziemlich ausgewogen – die Vorträge scheinen relativ gleich frequentiert worden zu sein. Die hohe Aufenthaltsrate im Weißen Saal um die Mittagspause ist durch die räumliche Nähe des Buffets zu diesem Veranstaltungssaal zu erklären.

Die folgende Grafik veranschaulicht das Verhältnis der Frequentierung der beiden Veranstaltungssäle nach Minuten:

Um das Pausenverhalten der Teilnehmer etwas genauer anzuschauen, nahmen wir noch zwei weitere Auswertungen vor. Zum einen betrachteten wir die Ereignisse in der Proximity „Near” an den Ausgängen auf Minutenebene und legten die Pausenzeiten darüber. Dabei ließ sich eine deutliche Korrelation feststellen, was z. B. auf einen höheren Raucheranteil hinweisen könnte oder einfach auf das Bedürfnis, sich zwischenzeitlich ein wenig die Beine zu vertreten oder zu telefonieren:

Im letzten Schritt versuchten wir, in Echtzeit und anhand der Aufenthaltsorte einige Userpräferenzen bzw. soziodemografische Kriterien herauszufinden. So dürfte, den Aufenthalten auf den Toiletten nach, die Teilnehmerrate Männer/Frauen bei etwa 2/1 liegen. Schaute man sich auf der Konferenz einmal um, könnte das auch tatsächlich ein realistisches Bild darstellen (und nicht, wie teilweise vermutet, einfach nur eine höhere Frequentierung der Toiletten durch das eine oder andere Geschlecht die Aussage verzerren). Zudem konnten wir beispielsweise beim Buffet keine Präferenz hinsichtlich der einzelnen Gerichte ausmachen. So wurden, unseren Daten zufolge, das Fleischbuffet zu 52 % und das Fischbuffet zu 48 % besucht.

Von den Usern, denen wir mindestens einen Beacon-Kontakt zuordnen konnten, erreichten wir über die Retargeting-Kampagne bei Facebook 88 %. Facebook ermöglicht auch eine Cross-Device-Ausspielung der Kampagne, darüber können wir User, die offline einen Beacon-Kontakt hatten, online auf dem jeweiligen Device ansprechen.

Allgemein lässt sich anhand der Erfahrung des Echtzeit-Trackings sagen, dass es viele Möglichkeiten der Datenauswertung von Beacon-Daten gibt. Kunden, die sich diesen Mehrwert zunutze machen, können somit nicht nur von den Vorteilen der Nutzeransprache, sondern auch von neuen Insights profitieren, die ohne Nutzerortung nicht möglich wären. Ebenfalls zeigte der Feldversuch auf, dass es mit dem richtigen technischen Set-up möglich ist, diese Insights und Daten direkt zu nutzen, um User in Echtzeit mit einer für sie passenden Botschaft zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Kontext anzusprechen.