Keine Zeit für Kunden!

Wie überfüllte E-Mail-Postfächer und Meetings bei Aufbau und Pflege der Kundenbindung im Weg stehen

Oliver Ratajczak
Oliver Ratajczak

Dr. Oliver Ratajczak ist seit 1992 begeisterter Online-Marketing-Praktiker. Als Berater optimiert er die Kundenprozesse seiner Klienten, die von DAX-30-Konzernen über den Mittelstand bis hin zu Start-ups reichen. Zudem ist er Lehrbeauftragter für Markenkommunikation und Kundenbeziehungsmanagement. Als Keynote-Speaker ist er rund um seine Themen Kundenprozessoptimierung, Marketing und Kommunikation auf diversen Veranstaltungen zu hören.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Motivation bei der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit und eine gute „Miteinander-Kommunikation“ sind die Basis für einen reibungslosen Ablauf von Kundenprozessen. Eine unzureichende Kommunikationskultur im Unternehmen kann jedoch jegliche Motivation im Keim ersticken und damit sowohl erfolgreiches Projektmanagement verhindern als auch das Tagesgeschäft beeinträchtigen. Doch wie kann man diesen Teufelskreis rund um Wissens- und Informationsmanagement, Unternehmenskultur und Zeitmanagement durchbrechen? Wie können Ressourcen gebündelt werden, um gemeinsam mit Spaß für eine dauerhafte Kundenbindung zu sorgen? Dieser Artikel zeigt, wie man im Arbeitsalltag viel weniger Zeit mit E-Mails, Meetings und der Dateiorganisation verbringt, um sich wieder dem wahren Existenzgrund des Unternehmens zu widmen: dem Kunden als „Geldgeber“.

Wie würde Ihr idealer Arbeitstag in Ihrem Unternehmen aussehen, wenn Sie ihn vollkommen frei ohne Einflüsse von außen gestalten könnten? Nutzen Sie die folgenden Fragen, um einmal genauer darüber nachzudenken:

  • Wie viele E-Mails bekommen Sie am Tag?
  • Wie groß ist der Anteil der E-Mails mit wirklich werthaltigen Informationen?
  • Auf wie vielen E-Mails stehen Sie nur aus politischen Gründen oder zur Absicherung in CC?
  • Wann hatten Sie zuletzt einmal wirklich Zeit, sich auf ein Meeting vorzubereiten?
  • Wann erhielten Sie zuletzt im Vorfeld eines Meetings eine Agenda mit den zu besprechenden Punkten und eine Auflistung aller offenen Fragen?
  • Konnten Sie in Ihrem letzten Meeting Entscheidungen treffen, die unter den Augen aller Meetingteilnehmer festgehalten wurden?
  • Wie viele Meetings haben Sie eigentlich im Durchschnitt an einem Arbeitstag?
  • Wann hatten Sie zuletzt einmal Zeit, um in Ruhe über Ihr Unternehmen, Ihre Abteilung, Ihren Wettbewerb, die Weiterentwicklung Ihres Produktportfolios oder sogar den Kunden nachzudenken?
  • Wissen Sie im Detail, wer Ihre potenziellen Kunden sind? Wie ist Ihre idealtypische Zielkundengruppe aufgebaut?
  • Was genau tun Sie und Ihr Team, um aus den Kunden Ihres Unternehmens Stammkunden zu machen? Wie tragen Sie persönlich zur Kundenbindung bei?

In der heutigen Arbeitswelt scheint oft einfach die Zeit zu fehlen, sich dem wahren Existenzgrund vieler Unternehmen zu widmen: dem Kunden als „Geldgeber“.

Hier nun einige Punkte, die dazu beitragen können, dass der Arbeitstag oft einfach viel zu kurz erscheint:

  • zu viele Meetings, die direkt ineinander übergehen
  • zu viele E-Mails
  • intransparente Entscheidungen
  • unterschiedliche Informationsstände
  • Kommunikationsprobleme jeglicher Art

Kennen Sie dies? Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Wäre es nicht toll, wenn …

  • … man viele der Kommunikationsprobleme, welche man heute in vielen Unternehmen beobachten kann, einfach beseitigen könnte?
  • … man die durch transparente, verbindliche und einfache Kommunikation gewonnene Arbeitszeit direkt im Rahmen einer produktiven Zusammenarbeit nutzen könnte, um Produkte zu entwickeln, welche nicht nur die Probleme der Kunden lösen, sondern auch Ihre Wettbewerber in ihre Schranken weisen?
  • … die transparente unternehmensinterne Kommunikation direkt zur Verbesserung der Kundenprozesse beitragen würde, um so langfristig die Kundenbindung zu steigern?

Das Dilemma: schlechte Kundenbindung

Viele Unternehmen führen auch heute noch viel zu selten bzw. unregelmäßig Analysen ihrer Kundenlebenszyklen durch und verschenken damit Potenzial zum Erhalt ihrer Kundenbasis und zur Steigerung der Kundenbindung. Im Rahmen vieler theoretischer Abhandlungen finden sich immer wieder unterschiedliche Ansätze zur Verbesserung der Kundenprozesse, die allerdings oft einen Parameter nur recht spärlich behandeln oder sogar ignorieren: den real existierenden Wettbewerb!

Machen Sie sich bewusst, dass Sie oft sehr schnell auf Marktveränderungen reagieren müssen, um einerseits mögliche Kundenverluste einzudämmen und andererseits das Weiterfunktionieren Ihrer internen Prozesse der täglichen Zusammenarbeit zu gewährleisten. Jeder einzelne Schritt auf dem Entwicklungsweg eines Interessenten zum Kunden und dessen Weiterentwicklung zum Stammkunden bietet diverse Möglichkeiten, um Fehler zu machen. Jeder dieser Fehler kann Ihre Kunden in die Arme des Wettbewerbs treiben. Abbildung 1 zeigt dies schematisch:

  1. Ist Ihre Marketingkommunikation nicht so ansprechend wie die des Wettbewerbers, so haben Sie noch nicht einmal eine Chance, Ihren Vertrieb mit genug Interessenten zu versorgen. Sie verlieren also Geld durch ineffizientes Marketing.
  2. Sollte Ihr Vertrieb nicht den „Nerv“ des Kunden treffen und z. B. an seinen Bedürfnissen vorbei argumentieren, so kann es durchaus sein, dass sich der Interessent gleich auf den Weg zum Wettbewerber macht. Ihr Verlust ist hierbei im Vergleich zu Punkt 1) noch schlimmer: Sie haben bereits Geld in effektive Marketingmaßnahmen investiert, Ihr Vertrieb vertreibt aber ihre potenziellen Kunden.
  3. Sie konnten Schritt 1) und 2) absolvieren und der Interessent wurde durch einen Kauf zum Käufer. Wenn Ihr Produkt aber nun die durch das Marketing und Ihren Vertrieb geweckten Erwartungen nicht einhalten kann, so kommt es zu verstimmten Kunden. Diese wählen eventuell beim nächsten Kauf eines ähnlichen Produkts gleich den Wettbewerber.
  4. Eventuell gibt ein verstimmter Kunde Ihnen noch eine Chance und beschwert sich bei Ihnen. So haben Sie einerseits die Gelegenheit, den Kunden wieder zufriedenzustellen (direktes Beschwerdemanagement), und andererseits können Sie auf Basis der Beschwerdegründe einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in Gang bringen (indirektes Beschwerdemanagement).
  5. Sollten Sie es mit dem wohldosierten Marketing übertreiben und plötzlich jeden Tag ein neues Produkt per Newsletter bewerben, so seien Sie sich bewusst, dass es sich hier um einen der teuersten Verluste handelt, wenn der Kunde nun nicht mehr Ihr Kunde sein will. Denn schließlich haben Sie bei den diversen vorhergehenden Schritten des Kundenlebenszyklus viel Aufwand und auch Geld in die Generierung eines Stammkunden investiert. 

Kundenprozesse aus Kundensicht

Damit alle Prozesse in Richtung Kunde reibungslos zusammenspielen, sollten Sie jede Chance nutzen, um die firmeninterne Kommunikation und Zusammenarbeit zu verbessern.

Wenn es aber zum Stottern interner Prozesse kommt, so führt dies oft zu Wartezeiten bis hin zur Verärgerung des Kunden. Aber wer ist eigentlich für den Kunden „verantwortlich“? Wer genau im Unternehmen ist derjenige, der dafür sorgt, dass der Kunde mit dem Unternehmen und seinen Produkten und Dienstleistungen glücklich ist:

  • Die Produktentwicklung?
  • Das Marketing?
  • Die Vertriebsmitarbeiter?
  • Die Mitarbeiter in der Bestellannahme?
  • Der Kundenservice im Aftersales-Bereich?
  • Oder etwa alle zusammen?

In diversen Unternehmen kann man feststellen, dass es diesen einen übergreifenden „Kundenverantwortlichen“ nur sehr selten gibt. Immer öfter wird der Kunde beim Durchlaufen des Kundenlebenszyklus von einem Bereich bzw. einem Silo zum anderen weitergereicht, wenn er zum Erreichen der jeweiligen Bereichsziele nicht mehr notwendig ist. Abbildung 2 zeigt dies schematisch:

In den Zielen von Marketingverantwortlichen ist gelegentlich die Kennzahl „Anzahl generierter Interessenten (Leads)“ zu finden. Dies bedeutet, dass das persönliche Einkommen des Marketingleiters von der Anzahl der generierten Interessenten abhängen kann, die dann an den Vertrieb übergeben werden. Wie bei Kennzahlen leider sehr oft üblich, wird die Zieldefinition nur selten an die folgende Kennzahl geknüpft: „Die Qualität (der Interessenten)“.

Jeder, der sich in den letzten Jahren mit Online-Marketing-Techniken auseinandersetzte, weiß, wie einfach es sein kann, irgendwelche Interessenten zu generieren.

Die möglicherweise schlechte Qualität der Interessenten ist aber die Basis der Arbeit des Vertriebs. Wenn es dem Vertrieb nicht gelingt, seine Ziel-Abschlussquote zu erfüllen, so hat dies direkten Einfluss auf seinen Geldbeutel, da ihm dann der variable Anteil seines Gehalts nicht oder nur in Teilen gewährt wird.

Aber wer ist daran schuld, wenn aus dem vorhandenen Pool an Interessenten nicht genügend Käufer entstehen? Der schlechte Vertrieb oder die schlechte Qualität der zugelieferten Interessenten und damit die Marketingabteilung?

Wie sieht es mit den Zielen der Kundenservice-Abteilungen aus? Mit welchen Zielen werden die Callcenter gesteuert? Im Erstkontakt beendete Gespräche pro Zeiteinheit? Möglichst kurze Dauer der Kundengespräche?

Wer treibt die Kosten in den Callcentern nach oben? Callcenter-Agenten, die gerne mal ein wenig mit den Kunden plaudern? Schlechte Produkte, die zu massiven Beschwerden im Kundenservice führen? Schlecht ineinandergreifende Prozessschritte bis zum Verkauf der Produkte, die zu häufigen Nachfragen der Kunden führen?

Oder ist es eine Mischung aus allen Ansatzpunkten? Geht es überhaupt um Schuldzuweisungen innerhalb des eigenen Unternehmens?

Der Lösungsansatz: ein Unternehmenswiki

Im täglichen Kampf gegen den Wettbewerb und um die Gunst der Kunden kann ein Unternehmenswiki ein Lösungsansatz zur deutlichen Verbesserung der unternehmensinternen Miteinander-Kommunikation und der Zusammenarbeit sein. Ähnlich wie bei der Online-Enyklopädie www.wikipedia.de bieten Wiki-Systeme einfache Möglichkeiten, um firmenintern Webseiten zu erstellen und gemeinsam zu pflegen. Technisch existieren sie seit den 1990er-Jahren, gewinnen aber aufgrund inzwischen sehr gut entwickelter Editoren immer mehr Anhänger auch in nicht techniknahen Fachbereichen. Das Grundprinzip dahinter ist eigentlich ganz einfach: Jeder im Unternehmen kann Webseiten erstellen und so eigene Inhalte firmenintern veröffentlichen. Jeder andere Mitarbeiter kann diese Inhalte lesen, weiter bearbeiten, ergänzen und mit von ihm erstellen Inhalten verlinken. Diese ungeheure Transparenz gepaart mit der Kraft des geschriebenen Wortes hat die Chance, historisch gewachsene und hierarchisch geprägte Kommunikationsstrukturen aufzubrechen und so eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Warum sollte nicht einmal ein Abteilungsleiter das Konzept eines Mitarbeiters eines anderen Abteilungsleiters kommentieren oder ergänzen, wenn dadurch eine Idee weiterentwickelt wird (siehe Abbildung 3)?

Was glauben Sie, wie motivierend es für einen Mitarbeiter sein kann, wenn seine Idee oder sein Konzept im Unternehmenswiki von einem Vorstandsmitglied mit einem „Gefällt mir“ als Feedback markiert wird?

Ohne Unternehmenswiki werden Konzepte heute oft in einer Textverarbeitungssoftware erstellt und dann zur weiteren Bearbeitung an Kollegen per E-Mail versendet. Dies führt häufig bereits nach kurzer Zeit dazu, dass diverse unabgeglichene Konzeptversionen in verschiedenen Postfächern liegen. Hierdurch entsteht viel Mehraufwand in Kommunikation und Dateiverwaltung. Bei Nutzung eines Unternehmenswikis arbeiten die Mitarbeiter gemeinsam an der gleichen Seite im Wiki. Die Versionsverwaltung übernimmt das Wikisystem unbemerkt im Hintergrund. Schematisch ist dies in Abbildung 4 gezeigt.

Was wäre, wenn Meetings immer effizient und effektiv wären?

Neben der Verringerung des E-Mail-Aufkommens kann ein Unternehmenswiki auch die Meetingkultur eines Unternehmens deutlich verändern: Wenn ein Mitarbeiter ein Meeting einberufen möchte, so erstellt er einfach eine Seite im Wiki, auf welcher er Ort, Zeit, Agenda und Ziel des Meetings einträgt, und versendet einen Link zu dieser Seite an die gewünschten Meetingteilnehmer. So haben alle im Vorfeld des Meetings eine Chance auf eine entsprechende Vorbereitung. Im Meeting wird die Seite im Editiermodus geöffnet und das Meeting anhand der Agenda moderiert. Alle besprochenen Punkte, gefällten Entscheidungen und vergebenen Aufgaben werden vor den Augen aller Teilnehmer direkt auf dieser Seite im Meeting festgehalten. So entfällt der häufig recht aufwendige Prozess der Protokollerstellung im Nachgang des Meetings, der meistens per E-Mail durchgeführt wird und zu vielen Korrekturschleifen führt.  

Übrigens: Nicht für jede Entscheidung ist ein persönlicher Handschlag in einem Meeting notwendig. Häufig reicht es auch, einen Lösungsweg im Wiki zu skizzieren, der dann zur Freigabe von allen Entscheidern mit einem „Gefällt mir“ markiert wird.

Fazit

Die Einführung eines Unternehmenswikis kann eine sehr gute Idee sein, um Abteilungs- oder sogar Unternehmensgrenzen zwischen Tochterunternehmen aufzuweichen. Zwar ersetzt ein Wiki keine persönliche Kommunikation in Form von Meetings, eines kurzen Gesprächs in der Kaffeeküche oder in der Kantine, aber es ist inzwischen eine praxistaugliche Möglichkeit, die Miteinander-Kommunikation und die Zusammenarbeit innerhalb von Unternehmen deutlich zu verbessern.

Jede Verbesserung eines internen Prozesses bekommt früher oder später auch der Kunde zu spüren. Dies führt langfristig zu:

  • verbesserten Produkten und Dienstleistungen
  • einfacheren Möglichkeiten, diese Produkte zu kaufen und zu nutzen
  • Erhöhung der Kundenzufriedenheit und Verbesserung der Kundenbindung
  • einer langfristigen Abgrenzung vom Wettbewerb und somit einer Sicherung von Arbeitsplätzen