Neues in Sachen AdWords-Rechtsprechung:

Freischaltungsanspruch gegen den Markeninhaber

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Juristische Betrachtungen zum Thema AdWords hatten wir in der Vergangenheit bereits öfter in der Website Boosting. Eine neue gerichtliche Entscheidung dürfte nun viele Werbetreibende erfreuen: Der Bundesgerichtshof hat nämlich festgelegt, wann ein Unternehmer – auch gegen den ausdrücklichen Willen des Markeninhabers – einen geschützten Begriff im sichtbaren Bereich seiner AdWords-Anzeige verwenden darf. Der Online-Rechtsexperte Martin Bahr klärt auf.

1.  Der Sachverhalt

Das erste Gerichtsurteil, mit dem wir uns heute beschäftigen, stammt vom Bundesgerichtshof (BGH) und ist vom März 2015 (BGH, Urt. v. 12.03.2015 - Az.: I ZR 188/13).

Herkömmlicherweise klagt in AdWords-Fällen der Markeninhaber gegen eine rechtswidrige Nutzung seiner Kennzeichen. Im vorliegenden Sachverhalt lag der Fall jedoch genau andersherum: Kläger war ein Unternehmer, der den Begriff „Rolex" in einer Anzeige verwenden wollte. Er beabsichtigte die Buchung folgender Annonce:

Ankauf: Rolex Armbanduhren
Ankauf: einfach, schnell, kompetent
Ankauf: Rolex-Uhr dringend gesucht
www.(...)

Dies lehnte Google jedoch ab, weil der betreffende Rechteinhaber eine Markenbeschwerde eingereicht hatte, sodass der Begriff nicht verwendet werden durfte.

Also wandte sich der Werbetreibende an den Markeninhaber und verlangte die Freischaltung seiner AdWords-Anzeige. Der schaltete aber auf stur und lehnte das Begehren kategorisch ab. Der Unternehmer sah sich in seinen geschäftlichen Tätigkeiten in unzulässiger Weise eingeschränkt und ging vor Gericht.

2.  Die Entscheidung

Der BGH bejahte den Freischaltungsanspruch des Unternehmers hinsichtlich der AdWords-Anzeige. Die Karlsruher Richter beriefen sich dabei auf wettbewerbsrechtliche Gründe. Es liege in dem Handeln des Markeninhabers eine unzulässige, gezielte Behinderung.

a. Grundsätzlich: Markenbeschwerde legitimes Handeln

Zunächst stellen die BGH-Richter fest, dass die Einlegung einer Markenbeschwerde bei Google AdWords durch den jeweiligen Rechteinhabers grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden sei. Es sei das legitime Interesse eines jeden Unternehmers, seine wirtschaftlichen Ressourcen vor der unberechtigten Inanspruchnahme durch Dritte zu schützen. Eine Markenbeschwerde bei Google sei ein taugliches und angemessenes Mittel, um etwaigen Missbräuchen durch Dritte vorzubeugen.

b. Ausnahme: Werbender darf Marke nennen

Etwas anderes gelte jedoch dann, so die Richter, wenn der AdWords-Werbende die fremde Marke in seinem Anzeigentext nennen dürfe.

Da der Kläger tatsächlich mit gebrauchten Rolex-Uhren handle, bestehe ein sachlicher Grund, diesen Namen anzugeben.

Der Gesetzgeber hat für solche Fälle ausdrücklich eine Norm in § 24 Abs. 1 MarkenG vorgesehen:

§ 24 Abs. 1 MarkenG: Erschöpfung

„Der Inhaber einer Marke (...) oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke (...) für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.“

Bedeutet im Klartext: Wird ein markenrechtlich geschütztes Produkt in den europäischen Wirtschaftsraum vom Rechteinhaber eingeführt, hat der Markeninhaber kein absolutes Monopol mehr auf diesen Begriff. Vielmehr muss er die Verwendung des Kennzeichens durch Dritte hinnehmen, wenn diese den Begriff benutzen, um auf das Produkt hinzuweisen.

Eine solche Einschränkung dürfte auch jedem einleuchten: Wenn nämlich der Hersteller von Refill-Tintenpatronen nicht mehr angeben darf, dass sein Produkt für den Hersteller Lexmark oder Hewlett Packard ist, hätte der Markeninhaber ein absolutes Monopol in der Hand. Genau dies will aber unsere Wirtschaftsordnung verhindern: Sobald ein Produkt in den Wirtschaftskreislauf eingeführt wurde, muss dessen Bezeichnung durch Dritte erlaubt sein. 

Ausnahmsweise kann der Markeninhaber eine Benutzung in diesen Fällen verhindern, wenn berechtigte Gründe vorliegen. Dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn der betroffene Werbetreibender auch auf andere Art und Weise auf seine Tätigkeiten hinweisen kann:

 

Beispiel 1:

So ist die Benutzung der Domain „peugeot-tuning.de“ durch einen Tuning-Dienstleister nicht erlaubt, da hierdurch der Eindruck erweckt wird, es bestünde eine enge Geschäftsbeziehung zum Automobilhersteller Peugeot. Die Verwendung kann hier auch auf andere Weise erfolgen.

Beispiel 2:

Auch die Verwendung der Domain „cat-ersatzteile.de“ durch einen Ersatzteilhändler ist aus den gleichen Gründen nicht erlaubt. Es sei ausreichend, wenn der Ersatzteilhändler den Markenbegriff auf der Seite im Fließtext erwähne.

Im vorliegenden Fall konnte der BGH aber keine derartigen berechtigten Gründe erkennen. Der Kläger handle mit gebrauchten Rolex-Uhren, also müsse er den Begriff „Rolex“ auch verwenden dürfen. Andernfalls werde er auf massive Weise in seiner geschäftlichen Tätigkeit beschränkt.

Da der Händler also einen Anspruch auf die Verwendung des markenrechtlich geschützten Begriffs habe, könne er von dem Rechteinhaber verlangen, dass er seine Anzeige bei Google freischalten lasse.

Genau hierin liege das rechtswidrige Verhalten des Markeninhabers, so die Karlsruher Robenträger. Da der Beklagte trotz Aufforderung sich auch weiterhin geweigert habe, die Werbung freizuschalten, liege darin eine unzulässige wettbewerbswidrige Behinderung. Der Rechteinhaber versuche, den Begriff zu monopolisieren, obgleich die Rechtsordnung genau dies verbiete.

c. Rechtsfolge: Markeninhaber muss AdWords-Anzeige freischalten

Das Gericht verurteilte den Markeninhaber zur Freischaltung der klägerischen AdWords-Anzeige. Der auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands gerichtete Anspruch könne im vorliegenden Fall ausdrücklich auch die Freigabe einer AdWords-Anzeige beinhalten.

3.  Konsequenzen

Mit dem Urteil des BGH ist noch einmal klargestellt, dass sich Werbetreibende vom Markeninhaber eben nicht alles gefallen lassen müssen. Handeln Sie mit Original-Produkten, besteht grundsätzlich ein Anspruch darauf, den markenrechtlich geschützten Begriff auch im sichtbaren Text einer AdWords-Anzeige zu verwenden, auch wenn dies gegen den ausdrücklichen Willen des Rechteinhabers geschieht.

Voraussetzungen für einen solchen Anspruch sind:

a) Es muss sich um Original-Ware handeln bzw. es muss auf diese Bezug genommen werden und

b) es dürfen keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Begriffsverwendung entgegenstehen.

Sind diese Bedingungen erfüllt, hat jeder Werbetreibende gegen den Markeninhaber einen notfalls gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Freischaltung seiner AdWords-Anzeige.

Die jahrelange unberechtigte Gängelung der Werbetreibenden durch den Markeninhaber hat damit ein Ende gefunden. Die Entscheidung dürfte zu einer erheblichen Liberalisierung im Bereich der AdWords-Werbung führen.

Viele Leser werden sich nun fragen: Besteht ein solcher Anspruch auch gegen Google direkt?

Die Antwort ist relativ einfach, aber mit Vorsicht zu genießen: Besteht ein aktives Vertragsverhältnis zwischen dem Werbetreibenden und Google, so richtet sich der Freistellungsanspruch auch gegen Google selbst.

Also warum dann die Einschränkung „... aber mit Vorsicht zu genießen“?

Ganz einfach: Google könnte problemlos den bestehenden AdWords-Vertrag kündigen und wäre dann nicht mehr verpflichtet, tätig zu werden. Ob der Unternehmer sich in einem solchen Fall dann auf kartellrechtliche Erwägungen berufen könnte, ist außerordentlich fraglich. In der Vergangenheit haben die Gerichte nämlich einen Anspruch auf Teilnahme am AdWords-Programm verneint (LG Hamburg, Urt. v. 13.12.2007 - Az.: 315 O 553/07; LG Hamburg, Urt. v. 04.02.2008 - Az.: 315 O 870/07; LG Hamburg, Urt. v. 06.03.2008 - Az.: 315 O 906/07). Angesichts dieser Rechtsprechung ist also von einer Geltendmachung der Ansprüche gegenüber Google derzeit dringend abzuraten.