Mit guter Usability zur Conversion-Optimierung?

Alberto Fuchslocher
Alberto Fuchslocher

Dr. Alberto Fuchslocher arbeitet als Berater in der Conversion-Optimierung bei der Trakken Web Services GmbH. Dort betreut er nationale und internationale Kunden im Bereich Testing und unterstützt sie bei der Optimierung ihrer Online-Präsenz. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit Fragestellungen rund um das Thema Usability. Zuvor promovierte er im Bereich der Mediennutzung und -wirkung an der Universität Duisburg-Essen.

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Inwiefern bedingen sich Usability und Conversion-Optimierung gegenseitig? Sicherlich stellt Usability eine notwendige Bedingung dar, um Conversions erst zu ermöglichen. Dennoch gibt es Situationen, in denen Conversion-Optimierung und Usability-Richtlinien im Konflikt zueinander stehen. Während durch Conversion-Optimierung die subtile Lenkung des Nutzers angestrebt wird, ist das Hauptziel einer guten Usability die bestmögliche Bedienbarkeit.  

Eine höhere Conversion-Rate und eine bessere Usability sind zwei Ziele, die im besten Falle von jedem Product Owner im E-Business verfolgt werden sollten. Inzwischen erweist sich dies auch als erforderlich, um sich in der Welt des E-Business zu bewähren. Beide Begriffe sind somit in aller Munde, selten wird jedoch darüber nachgedacht, dass es sich auch um entgegengesetzte Ziele handeln kann.

Conversion-Optimierung leicht gemacht

Bei der Conversion-Optimierung geht es um die Verbesserung der konzernspezifischen Key Performance Indicators (KPI) wie z. B. der Conversion-Rate. Was ist aber die Conversion-Rate? Die Conversion-Rate ist der prozentuale Anteil an Besuchern, die auf einer Webseite eine gewünschte Handlung durchführen. Dies kann der Kauf eines Produktes, die Anmeldung zu einem Newsletter oder schlichtweg der Klick auf ein gewünschtes Element sein. Die Berechnung der Conversion-Rate ist einfach:

CVR = Anteil der Besucher, die eine gewünschte Handlung vollzogen haben

Gesamtzahl der Besucher

Demnach versteht man unter Conversion-Optimierung alle erforderlichen Maßnahmen, die zur Erhöhung der Conversion-Rate beitragen. Die Beachtung von Usability-Grundprinzipien stellt beispielsweise eine der möglichen Maßnahmen dar.

Endziel Usability

Aber was macht eine gute Usability aus? Definitionen und Ansätze gibt es viele. Nach der ISO-Norm 9241 versteht sich die Usability eines Produktes als „das Ausmaß, in dem es von einem bestimmten Benutzer verwendet werden kann, um bestimmte Ziele in einem bestimmten Kontexteffektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“. Usability ist somit nicht allein die Eigenschaft eines Produktes, sondern das Ergebnis der Interaktion zwischen Nutzer und Produkt innerhalb eines bestimmten Nutzungskontextes. Daraus ergeben sich einige Implikationen: Die Usability eines Produktes kann nicht ohne Weiteres auf andere Nutzergruppen übertragen werden. Im Fokus steht das Erreichen eines Ziels mit möglichst geringem Aufwand bzw. einem guten Nutzen-Aufwand-Verhältnis. Der zufriedenstellenden Zielerreichung sollte dabei eine große Bedeutung beigemessen werden.

Wie erreicht man eine gute Usability? Eine gute Usability kann man zum Beispiel erreichen, indem die Grundsätze der Dialoggestaltung, wie sie in der ISO-Norm „DIN EN ISO 9241-110“ definiert werden, beachtet und eingehalten werden. Diese lauten folgendermaßen:

  • Aufgabenangemessenheit: Interaktionsdialoge sind so aufbereitet, dass sie zur Erledigung der Aufgabe effizient unterstützen (z. B. keine überflüssigen Informationen).
  • Selbstbeschreibungsfähigkeit: Inhalte sind leicht verständlich, wenn nicht sogar selbsterklärend (z. B. klare Funktion und Handlungsaufforderung in einem Buchungsportal).
  • Steuerbarkeit: Benutzer sind in der Lage, den Interaktionsprozess zu beeinflussen (z. B. das Tätigen des „Zurück“-CTA im Check-out, um Angaben zu überprüfen oder zu ändern).
  • Erwartungskonformität: Durch Konsistenz sowie das Einhalten von Konventionen lässt sich gelerntes Verhalten übertragen (z. B. hat der Nutzer gelernt, dass die Navigation in einer Webseite sich links oder im Headerbereich befindet).
  • Fehlertoleranz: Das System soll in der Lage sein, kleinere Fehler des Nutzers zu erkennen und diese zu korrigieren (z. B. Autokorrektur von Tippfehlern bei Adresseingabe).
  • Individualisierbarkeit: Die Interaktion mit einem System kann vom Nutzer angepasst werden. Ein gutes Beispiel dazu ist die Verwendung von Merkzetteln in Online-Shops.
  • Lernförderlichkeit: Der Nutzer wird bei der Verwendung von Websites/Systems durch diese unterstützt und angeleitet (z. B. Tooltips und Hinweise zur besseren Verwendung einer Webseite).

Nach diesen Kriterien lässt sich die Usability eines Produktes oder Systems ebenfalls bewerten. Eine praktische Anwendung findet sich z. B. im Rahmen der heuristischen Evaluation von Molich & Nielsen (1990). In dieser Methode werden die genannten Dialogprinzipien anhand von neun Heuristiken abgebildet und zur Bewertung der Benutzerfreundlichkeit eines Produktes herangezogen. Wird eine der Heuristiken verletzt, so spricht man von einem Usability-Problem.

Eine heuristische Evaluation allein reicht aber meistens nicht aus. Zusätzlich sollten auch Nutzer herangezogen werden! Nur so kann sichergestellt werden, dass das System bzw. eine Webseite tatsächlich auch für die Endnutzer optimiert ist. Laborstudien oder Remotetests eignen sich hervorragend dafür. Nachdem die Maßnahmen umgesetzt wurden, sollte im besten Falle ein A/B-Test folgen, um die qualitativen Daten zu validieren und gleichzeitig die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen.

Wie gestaltet sich das in der Praxis?

Inwiefern wirkt sich Usability auf die Conversion-Rate aus? Gibt es einen Einfluss? Die Nielsen Norman Group konnte anhand mehrerer Case Studies (2003, 2008) den positiven Einfluss einer guten Usability auf den ROI nachweisen. In einer großen Studie (2003) wurden die Daten von insgesamt 863 Redesign-Projekten (Webseiten und Intranet-Seiten), in denen Usability-Maßnahmen umgesetzt wurden, miteinbezogen. Die Ergebnisse zeigten, dass nach Usability-Optimierungen auf Webseiten eine durchschnittliche Steigerung von 135 % der relevanten KPI erreicht werden konnte. An der Stelle sei jedoch das Gegenargument aufgeführt, dass zu diesem Zeitpunkt im Web noch viel Optimierungspotenzial bestand. Dennoch konnte die Nielsen Norman Group auch fünf Jahre später anhand einer kleineren Studie die Ergebnisse replizieren. Infolge von Usability-Optimierungen konnte wieder eine Verbesserung der relevanten KPI von insgesamt 83 % gemessen werden (2008).

Wenn Usability und Conversion-Optimierung auseinandergehen

Es gibt Fälle, in denen das Einhalten von Usability-Prinzipien nicht zwangsläufig zur Erhöhung der Conversion-Rate beiträgt. Beispiele dazu gibt es zahlreich. Am deutlichsten wird es bei der Gestaltung eines Warenkorbs, wie es beispielsweise bei Tchibo der Fall ist. Dort werden klickbare Elemente, die den Besucher einen Schritt näher zum Abschluss bringen sollen (wie z. B. der „Zur Kasse gehen“-CTA), prominenter gestaltet. Sei es durch eine farbliche Hervorhebung oder durch eine Anpassung der Größenverhältnisse; es wird versucht mehr Kontrast zu erzielen, um den Nutzer zum Abschluss zu lenken. Klickbare Elemente, die den Besucher vom Endziel wegbewegen, werden dagegen kleiner gestaltet und/oder farblich ausgegraut (siehe Abb. 1). Auch wenn gegen Usability-Grundprinzipien (z. B. Konsistenz) verstoßen wird, erweisen sich diese Tipps und Tricks als subtile Strategien im Arbeitsfeld der Conversion-Optimierung.

Das Entfernen der Hauptnavigation in der Buchungsstrecke kann ebenfalls als gutes Beispiel herangezogen werden. Unter vielen Online-Shops im Netz hat sich auch robinson.de diese Strategie zunutze gemacht (siehe Abb. 2). Der Hintergedanke: „Absprungmöglichkeiten“ entfernen, damit der Nutzer nicht doch auf andere Gedanken kommt und den Buchungsvorgang abbricht. Dass dadurch gegen die Usability-Prinzipien der Konsistenz und Steuerbarkeit zumindest partiell verstoßen wird, ist nebensächlich, solange mehr Benutzer zum Abschluss kommen.

SEO-Optimierungen sind sicherlich weitere Maßnahmen, die im Rahmen der Conversion-Optimierung Anwendung finden können. Leider führt dies nicht selten dazu, dass Webseiten mit längeren Textpassagen versehen werden. Das Ergebnis lässt sich erahnen: eine unübersichtliche Seite mit einer beeinträchtigten Usability. Dass dadurch auch die Transparenz leiden kann, ist an zahlreichen Beispielen im Web zu sehen. Allerdings sollte dies in der Zukunft ein kleineres Problem für Nutzer werden, da Suchmaschinenbetreiber (z. B. Google) ihren Algorithmus inzwischen auch anhand weiterer Kriterien (wie z. B. Bounce-Rate, Time Spend on Site) erweitert haben; Suchmaschinenoptimierung zugunsten einer besseren Usability.

Der gemeinsame Nenner: User Experience

Natürlich müssen Usability-Grundprinzipien erfüllt sein, damit Besucher eines Reiseportals in der Lage sind, ihren nächsten Traumurlaub zu buchen. Inzwischen reicht die bloße Beachtung von Usability-Grundprinzipien jedoch nicht mehr aus. Im Fokus steht jetzt die Erstellung einer bereichernden User Experience: ein positives Erlebnis zu schaffen, Nutzer zu unterhalten und dadurch für ein Produkt zu begeistern. Damit ist ein positives Nutzererlebnis gemeint! Ein Ziel, das Conversion-Optimierung und Usability gemeinsam haben.

Hochwertige Inhalte im Zusammenhang mit gutem Design sind dabei entscheidend. Videos, Bewegung und Interaktionselemente sind eine der Möglichkeiten, um Erlebnisse zu schaffen und somit die Besucher bei Laune zu halten. Die positive Wirkung dieser Inhalte lässt sich psychologisch leicht erklären. Während positive Emotionen eher kreatives und holistisches Denken fördern, sorgen negative Gemütszustände für kritisches und analytisches Denken. Ein Besucher, der positiv gestimmt ist, wird mit Sicherheit seine Entscheidung für ein Produkt leichter fällen und weniger hinterfragen. Wer seinen Besuchern ein gutes Gefühl vermitteln kann, wird dafür auch belohnt.

Reaktanz: Lenken, aber nicht schubsen

Wenn von Nutzererlebnis und Beeinflussung die Rede ist, so spielt das Vermeiden von Reaktanz bei den Nutzern ebenfalls eine zentrale Rolle. Hierbei handelt es sich um ein sozialpsychologisches Phänomen. Es besagt, dass Personen, wenn sie sich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt fühlen, weniger dazu neigen, einer gewünschten Handlung nachzukommen. Belegt wird dies durch zahlreiche psychologische Studien (siehe z. B. Brehm, 2006). In Online-Shops ist es somit wichtig, dass Nutzer sich nicht zu einer bestimmten Handlung (z. B. zum Kauf eines Produktes) gedrängt fühlen. Denn somit wird es unwahrscheinlicher, dass sie sich letztendlich für das Produkt entscheiden. Die geringe Wirksamkeit von Werbe-Pop-ups ist ein klassischer Beleg für dieses Phänomen. Lästige Interaktionselemente, die eine auszuführende Handlung unterbrechen, sollten demnach vermieden werden. Somit besteht die Aufgabe der Conversion-Optimierung unter anderem darin, Nutzer so zu leiten, dass diese es nicht merken.

Worauf sollte man besonders achten? 

Es steht soweit fest, dass Usability einen direkten Einfluss auf wichtige Kern-KPI ausüben kann. Dies konnte bereits die Nielsen Norman Group belegen. Allerding ist Usability viel mehr als das. Sie stellt eine notwendige Bedingung dar, um Conversions erst zu ermöglichen. Denn nur wenn mit einer Webseite vernünftig interagiert werden kann, ist es auch möglich, eine gewünschte Handlung auszuführen. Dass eine positive Grundstimmung der Webseite gegenüber dazu beitragen kann, sich letztendlich für das beworbene Produkt zu entscheiden, liegt auf der Hand: User Experience als gemeinsamer Nenner zwischen Usability und Conversion-Optimierung.

Es gibt aber Situationen, in denen Conversion-Optimierung und Usability-Richtlinien im Konflikt zueinander stehen. Während durch Conversion-Optimierung die subtile Lenkung des Nutzers angestrebt wird – im besten Falle, ohne dass dieser es merkt –, ist das Hauptziel einer guten Usability die bestmögliche Bedienbarkeit. Um letztendlich eine bestmöglich funktionierende Seite zu gestalten, ist eine optimale Balance zwischen Usability und Conversion-Optimierung anzustreben. Dass unterschiedliche Ziele von diversen Stakeholdern dies erschweren können, lässt sich erahnen.

Dennoch gilt letztendlich die Devise: „Tue dem Nutzer etwas Gutes.“ Mit hochwertigen Inhalten, einer klaren Struktur und Übersicht der Seite – wo die Vorteile und das Produkt an sich verständlich dargestellt werden – ist der erste Schritt getan.