B2B – Investitionsgüter im Web?

Jan Neumann
Jan Neumann

Jan Neumann arbeitet als Projektmanager und Berater für die Full-Service-Agentur Holl Kommunikation. Der Kommunikationsmanager (B. A.) entwickelt Konzepte für die Online-Kommunikation verschiedenster Unternehmen aus dem B2B-Sektor. Zu seinen Aufgaben gehört u. a. auch die Planung und Steuerung von SEM-Kampagnen.

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Im Internet kann man Schuhe, Spielwaren und Elektronik kaufen. So weit, so gut. Aber was macht der Mittelständler, der in eine neue Hightech-Maschine für 300.000 Euro investieren möchte? Er sucht im Netz. Weil sich bereits viele B2B-Entscheider vor einer Kaufentscheidung im Internet informieren, werden die Webseiten der Hersteller zum Türöffner. Oder auch nicht. Jan Neumann zeigt anhand eines Praxisbeispiels auf, dass und warum die Frage so mittlerweile eigentlich nicht mehr gestellt werden sollte.

Immer häufiger und gründlicher recherchieren Einkäufer und B2B-Entscheider im Netz, immer später tritt der für den Einkauf Verantwortliche in den direkten Kontakt mit dem Anbieter. Verschiedene Umfragen und Studien belegen, dass Webseiten die am häufigsten genutzten Informationsquellen sind, wenn es um erklärungsbedürftige Investitionsgüter geht. Über 70 Prozent der Neukundenkontakte entstehen nach einer Internetrecherche. Laut „Buyersphere Report 2013“ ruft dabei fast die Hälfte, nämlich genau 47 Prozent aller Befragten, direkt die Webseiten relevanter Hersteller auf, nur 29 Prozent starten ihre Recherche über eine Suchmaschine. Für das Marketing bedeutet das: 1. sind die Marken- und Domainbekanntheit enorm wichtig, 2. muss relevanter, informativer Content geschaffen werden (Stichwort: User Experience) und 3. ist die Sichtbarkeit bei Google & Co. weiterhin ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Online-Kommunikation. Dies gilt im Übrigen nicht nur für das verkaufsfördernde Marketing, sondern ebenso für die Öffentlichkeitsarbeit oder das Recruiting.Dies gilt im Übrigen nicht nur für das verkaufsfördernde Marketing, sondern ebenso für die Öffentlichkeitsarbeit oder das Recruiting.

Das Produkt im Mittelpunkt

Wer die zuvor beschriebenen Fakten kennt, wird sich wundern, wie häufig beispielsweise Industrieunternehmen das Potenzial der Online-Kommunikation für den Vertrieb unterschätzen. Erklärungsbedürftige Produkte im Internet zu bewerben oder gar zu vertreiben sei unseriös, hört man. Zweifellos kein neues Argument, aber ein schlechtes. Statt Produktinformationen findet man also auf vielen Webseiten nach dem obligatorischen „Herzlich Willkommen“ wenig aufschlussreiche, austauschbare Texte zur „Unternehmensphilosophie“ und geschichtswissenschaftlich anmutende Abhandlungen über die „Historie“. Der Nutzer, sofern es denn einen gibt, bleibt uninformiert zurück. Information und Beratung zu Investitionsgütern sowie der Vertrieb finden stattdessen weiterhin fast ausschließlich „auf dem freien Feld“ statt. Dabei bietet das Web riesige Chancen für eine effektive Vertriebsunterstützung.

Hürden abbauen, Komplexität reduzieren

Ein Grund, warum viele produzierende Unternehmen im Internet wenig erfolgreich sind: Oftmals scheitern die Anbieter daran, ihre Produkte und Leistungen aussagekräftig darzustellen, Nutzen und Vorteile prägnant herauszuarbeiten und die Komplexität für den User zu reduzieren. Darüber hinaus fehlen Hinweise auf direkte Ansprechpartner und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Sicher erfordern erklärungsbedürftige Investitionsgüter wie Sondermaschinen, Anlagentechnik und Zubehörteile in der Regel eine individuelle Beratung. Darum gehört auf eine Produktseite auch eine Telefonnummer, über die ich etwaige Fragen loswerden kann – im Idealfall der Name des zuständigen Mitarbeiters mit der direkten Durchwahl. So erkennt der Nutzer sofort, dass er über diese Nummer kein Callcenter im Nirgendwo erreicht, sondern einen echten Fachmann zu dem gewünschten Produkt. Als Alternative zu einem Anruf können Anfrageformulare den Dialog mit dem Interessenten „anschieben“ und eine Gesprächsgrundlage für Beratung und Vertrieb schaffen.  

Formulare auf den Prüfstand stellen

Ein Problem, das jeder Internetnutzer kennt: Fehlerhafte oder unübersichtliche Formulare können uns zur Verzweiflung treiben. „Einfach die Felder ausfüllen und fertig?“ Pustekuchen. Oft sind Formulare schlecht strukturiert oder fragen zu viele Informationen ab, die der Nutzer im schlechtesten Fall nicht preisgeben möchte. Ein weiterer Conversion-Killer: fehlende oder missverständlich formulierte Fehlermeldungen. Hier verlieren Unternehmen reihenweise potenzielle Anfragen, die sie zuvor mit großem Aufwand akquiriert haben. Darum gehören Formulare regelmäßig auf den Prüf- und Teststand!

Über den Tellerrand schauen

Verschiedene Beispiele zeigen, dass Online-Marketing und Online-Vertrieb von Investitionsgütern funktionieren können. So betreibt beispielsweise das Unternehmen KNUTH Werkzeugmaschinen GmbH unter www.knuth.de einen umfangreichen, sauber strukturierten Online-Shop auf Magento-Basis. Hier kann man jede einzelne Maschine aus dem aktuellen Programm direkt anfragen. Die Produktseiten bieten optimale Anknüpfungspunkte für SEM und Social-Media-Marketing. Auch die österreichische Felder KG, spezialisiert auf Holzbearbeitungsmaschinen, versteht es, ihre Produkte in Szene zu setzen und ausreichend Informationen für Interessenten bereitzustellen. Darüber hinaus kann sich der Nutzer zwischen einem „Rückrufservice“ und dem „Sofortangebot“ per E-Mail entscheiden.

Ein Blick in die Praxis

  • Internetrelaunch für die Maschinenfabrik HEDELIUS:
  • Konzept, Design und Umsetzung
  • Conversion-Optimierung
  • Suchmaschinen-Optimierung    

Klare Zielvorgaben

Die Maschinenfabrik HEDELIUS ist ein Hersteller von Präzisions-Werkzeugmaschinen für die Metallbearbeitung. HEDELIUS beschäftigt 175 Mitarbeiter, die zu einem Großteil in Entwicklung, Fertigung und Montage eingesetzt sind. Der neue Internetauftritt sollte das kleine Inhouse-Vertriebsteam effektiv bei seiner Arbeit unterstützen. Kurz gesagt: Ziel war es, Kontakte und konkrete Leads über die Webseite zu generieren. Konzept, Design und Content wurden auf Grundlage dieser Zielvorgaben entwickelt und weiterentwickelt.

Einfache Struktur

Bei der Konzeption sowie der Gestaltung der Webseite wurde auf eine einfache, nachvollziehbare Struktur und eine sinnvolle Bezeichnung der Menülinks Wert gelegt. Hovt der User über den ersten,  und natürlich wichtigsten, Menüpunkt „Bearbeitungszentren“, klappt ein Register-Menü auf, in dem alle Bearbeitungszentren des aktuellen Maschinenprogramms aufgeführt werden. Die Produktseiten sind direkt klickbar. Innerhalb des „Registers“ werden die verschiedenen Maschinen nach Baureihen und Hauptunterscheidungsmerkmalen (Anzahl der Achsen und Werkzeugaufnahme) sortiert. 

  • Übersichtliche, einfache Navigation
  • Sinnvolle Bezeichnung der Menülinks
  • Kurzer Weg zum Produkt
  • Maschinen-Schnellfilter auf der Startseite

Zielgruppengerechte Ansprache

Was verkauft ihr eigentlich? Diese Frage sollte sich ein Nutzer beim Besuch einer Webseite nicht lange stellen müssen. Dennoch scheitern Unternehmen oftmals daran, ihre wichtigsten Produkte und Kernkompetenzen herauszuarbeiten und „sichtbar“ zu machen. Weil HEDELIUS in erster Linie Bearbeitungszentren vertreiben will, ist der erste Menüpunkt der Webseite mit „Bearbeitungszentren“ bezeichnet: ein Begriff, der dem Fachmann geläufig und nebenbei eines der wichtigsten Keywords ist. Stichwort Sprache: Natürlich bewegen wir uns im B2B-Bereich in der Regel unter Fachleuten. Dennoch sollte man beachten, dass der Entscheider für eine Investition nicht immer auch ein Experte für das jeweilige Produkt sein muss. Auch hier empfiehlt es sich, die Komplexität zu reduzieren – Nutzen/Verkaufsargumente gehören in den Vordergrund, komplexere technische Informationen können zum Download angeboten oder auf einer weiterführenden Seite dargestellt werden.

Detaillierte Produktseiten

Geht man von der Zieldefinition (s. oben) aus, dann sind die Produktseiten die wichtigsten Seiten auf hedelius.de. Hier galt es, viele Informationen, Medien und Details zu verarbeiten, ohne den Nutzer zu überfordern. Eine klare, immer wiederkehrende Struktur bietet dem User Orientierung, die USP und Unterscheidungsmerkmale stehen über dem Fließtext. Das Bearbeitungszentrum wird auf jeder Produktseite groß abgebildet, so können wichtige Features, wie z. B. die Ausstattung des Arbeitsraumes, auch visuell erfasst werden. In einer Galerie unterhalb des Produktfreistellers können Detailbilder oder Videos zu der jeweiligen Maschine abgerufen werden. Unterhalb des Textes werden die wichtigsten technischen Daten aufgeführt – alles auf einer Seite. Der Gedanke dahinter: Wir haben den Nutzer bereits an der Stelle, an der wir ihn haben möchten, und werden ihn nicht auf weiterführende Seiten – Technik, Download, Mediathek – „vertreiben“. Er soll sich im Idealfall umfassend auf der Produktseite informieren und dann in den Kontakt mit dem Unternehmen treten.

Eindeutiger Call-to-Action

Der Nutzer hat auf der Produktseite zwei Möglichkeiten, Kontakt mit dem Anbieter aufzunehmen. Auf jeder Seite werden zwei Ansprechpartner aus dem Vertriebsteam angezeigt, die über eine direkte Durchwahl erreichbar sind. Darüber hinaus gibt es ein Formular, mit dem man ein Angebot zu dem jeweiligen Bearbeitungszentrum anfordern kann. Die rote Box mit dem Call-to-Action „Angebot einholen“ sticht ins Auge, ist aber bewusst unterhalb der Ansprechpartner angeordnet. Mit einer Platzierung oberhalb der Ansprechpartner ließe sich gegebenenfalls die Conversion-Rate für das Ziel „Angebot einholen“ steigern, dennoch sind die Ansprechpartner-Boxen – auch mit Blick auf die Mitbewerber – wichtig. Die Botschaft, die damit transportiert werden soll: „Wir sind kein anonymer Konzern, wir sind persönlich für Sie da, wir kümmern uns!“

Schlankes Anfrageformular

Häufige Conversion-Killer in Formularen sind unklare Feldbezeichnungen und Fehlermeldungen. Außerdem spielt der Umfang der abgefragten Informationen eine bedeutende Rolle. Das Anfrageformular auf www.hedelius.de ist modular aufgebaut: Im ersten Block befinden sich die Kontaktdaten, die – abgesehen von der Telefonnummer – die einzigen Pflichtfelder sind. Darüber hinaus gibt es vier Drop-down-Felder, in denen produktspezifische Merkmale abgefragt werden. Der Nutzer erkennt auf den ersten Blick, wie viele Felder in der Formularstrecke maximal ausgefüllt werden müssen. Die Zusatzfelder, wie z. B. „Steuerung auswählen“, sind zunächst eingeklappt – so „verschlankt“ sich der optische Eindruck des Formulars. Der Maschinentyp ist vorausgewählt, wenn der Nutzer von einer bestimmten Produktseite kommt, diese Auswahl kann manuell verändert oder ergänzt werden. Die Erfahrungen und Tests zeigten, dass das Formular innerhalb von 30 Sekunden ausgefüllt werden kann.

  • Nur wirklich notwendige Daten abfragen
  • Formularfelder eindeutig bezeichnen
  • Den Aufwand für den Nutzer erkennbar machen
  • Auf eindeutige, hilfreiche Fehlermeldungen achten

Messbarer Erfolg

Bereits in den ersten Wochen nach dem Relaunch zeigte sich, dass der neue Internetauftritt von den Zielgruppen angenommen wird. Sowohl die Benutzerzahlen als auch die Conversions für das Hauptziel „Angebot einholen“ entwickelten sich positiv. 

Dabei sind die Angaben der User in den meisten Fällen bereits so detailliert, dass seitens des Anbieters tatsächlich ein Angebot erstellt werden kann. Eine optimale Gesprächsgrundlage für den Vertrieb! Neben den Ziel-Conversions verbesserte sich nach dem Relaunch auch die Sichtbarkeit in Suchmaschinen. Hier arbeitet das Projektteam aktuell daran, weiteren Content aufzubauen. Auch bezüglich User Experience und Usability gibt es positive Rückmeldungen aus der Branche. Im Oktober 2014 wurde www.hedelius.de vom Fachmagazin maschine+werkstatt zur Website des Monats gekürt. In dem Artikel heißt es: „Detailreich und gleichzeitig übersichtlich präsentiert HEDELIUS die verschiedenen Maschinenmodelle.“

Ausblick

Web ist Entwicklung. Darum gibt es für das Projektteam auch in den nächsten Monaten jede Menge Arbeit: Content-Aufbau, Newsletter, Mobile und die Optimierung des Page-Speeds stehen auf der To-do-Liste. Auch die Performance der wichtigsten Keywords soll weiter verbessert werden.