Conversion-Optimierung auf dem Gipfel

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Am 4. September fand zum fünften Mal der alljährliche ConversionSummit in Frankfurt am Main statt. Top-Speaker versprachen viele Learnings und deshalb sah Website Boosting sich für Sie dort um und trug wichtige Essenzen zusammen. Die Faszination, einen Bryan Eisenberg oder auch Guy Kawasaki live zu erleben, kann man allerdings nur schwer in Worte fassen. Alles in allem gab es auch diesmal wieder eine breite Palette an Wissen für verschiedene Zielgruppen und die weit über 300 Besucher.

Die Geheimnisse des Wachstums von Amazon zu enträtseln, versprach der bekannte Experte Bryan Eisenberg in seiner Keynote. Was der Gründer und CEO Jeff Bezos aus dem Boden stampfte, ist nicht nur mit dem Blick auf die Vergangenheit beachtlich, sondern Amazon verblüfft heute noch die Fachwelt mit immer neuen Ideen und Innovationen, mit denen man die Mitbewerber vor sich hertreibt und in immer neuen Märkten erstmals selbst zum Mitbewerber wird. Der Kern des Erfolgs liegt aber laut Eisenberg vor allem darin, dass man dem Kunden zuhört – elektronisch zuhört. Von Anfang an wird bei Amazon jeder Klick gespeichert und jede Besucherbewegung hinsichtlich einer möglichen späteren Conversion ausgewertet. Seit über 15 Jahren testet Amazon mit A/B-Verfahren. 1999 hatten viele Unternehmen noch nicht einmal Websites, geschweige denn, dass man über so etwas wie eine Customer Journey nachdachte oder diesen Begriff überhaupt kannte.

„30 % of all ecommerce sales go through amazon“, Bryan Eisenberg.

Mittlerweile wurden diese Messmethoden bei Amazon so perfektioniert, dass man z. B. den Erfolg einer E-Mail-Kampagne bereits nahezu vollständig voraussagen kann, sobald die letzte Mail verschickt ist. Die Preise werden etwa zwei Millionen mal angepasst – pro Tag wohlgemerkt. Die vier Säulen des Erfolgs sind:

  • die Kundenzentriertheit – alles wird um den Kunden „herumgebaut“;
  • die Testkultur – alles wird getestet und nichts dem Zufall überlassen;
  • die Innovationskultur;
  • die Geschwindigkeit, mit der Dinge umgesetzt werden.

Dies schreiben sich zwar viele Unternehmen auf die Fahnen, aber Papier ist bekanntlich geduldig. Jeff Bezos sitzt auch heute noch in regelmäßigen Abständen beim Kundensupport und hospitiert. Nur dort bekommt man ein Gefühl dafür, wie die eigenen Kunden wirklich ticken, was sie (emotional) umtreibt und was sie als problematisch ansehen. Und nur dort erhält man dieses Gefühl frisch und verliert nicht den so wichtigen Kontakt zur Kundenbasis. Wann wohl der ehemalige Chef der ehemaligen „Quelle“ oder der von „Neckermann“ zuletzt ganz unten im Getriebe persönlich einen Tag ans Kundentelefon ging? Man weiß es nicht. Und übrigens verbringt nicht nur er zwei Tage am Service Desk, sondern jeder Mitarbeiter bei Amazon muss dies tun.

„We are not in the business of selling books, but of helping our customers buy books”, Jeff Bezos, Amazon.

Alles in allem gab Amazon im letzten Jahr 6,5 Milliarden US-Dollar für das Testen aus. Und das ist es auch, was sie so unendlich viel besser werden lässt als alle Mitbewerber zusammen. Wer noch immer auf ein klares Signal wartet – hier ist es, so Eisenberg.  

Mirko Lange plädierte als bestes Rezept für mehr Conversions dafür, über guten Content guten Service zu bieten. Auf seine Frage, wer denn im Publikum eine ausgearbeitete Contentstrategie hätte, ging nur ein zaghafter Finger in die Höhe. Auch wenn sich vielleicht nicht jeder outen wollte, war dies doch schon ein gut sichtbares Zeichen, wie unbeackert dieses Thema in Summe noch scheint.

„Die User wollen und brauchen Content“, Mirko Lange.

Nur wer über die Fragen, die Besucher umtreiben, bevor sie sich zum Kauf entschließen, Bescheid weiß oder zumindest darüber nachdenkt, kann auch mit entsprechendem Umsatz punkten. „Welche Lösung könnte mir hier weiterhelfen? Welche Anbieter gibt es? Was sind die konkreten Konditionen? Wie hole ich das Beste aus dem Produkt heraus?“, nannte Lange als eingängige Beispiele. Lässt man die Besucher ohne passenden Content mit solchen Überlegungen auf der Website „allein“, wandern sie oft ab und suchen ihre Antworten woanders.

Als leuchtendes Beispiel für gutes Storytelling und nützlichen Content nannte er die Website von Schwarzkopf. Dort habe man schon seit Längerem neue Wege beschritten und zeige bis zur vierten Navigationsebene keine Produkte, sondern nur thematische Infos. Und das zu einer Zeit, wo es vielen Sitebetreibern gar nicht wenig Klicks genug sein können, damit der Kunde möglichst schnell zum Produkt kommt. Bei Schwarzkopf geht es nicht um Shampoo, sondern z. B. um Trendlooks, Mode und einfach nur „gut aussehen“. Das krasse Gegenteil, so Lange, zeige L‘Oréal. Deren Site sähe zwar auf den ersten Blick genauso aus, wäre aber mehr egozentriert und wenig themenorientiert.

Seine Empfehlungen zu mehr Vernetzung von Content und Conversion waren:

  • Kontext durch Content schaffen – bauen Sie die „Story“ via Content um Ihre Produkte herum und betten Sie diese umfassend darin ein.
  • Content sollte Wert beim Besucher schaffen – versuchen Sie, möglichst an jeder Stelle die Informationen anzubieten, die dem potenziellen Kunden weiterhelfen oder ihn, wenn sie fehlen, davon abhalten könnten, sich gleich hier und jetzt für Sie bzw. zum Kaufabschluss zu entscheiden.
  • Content und Business sollten getrennt werden – hier können markenneutrale Plattformen helfen. Häufig spricht man auch von der EKZ, also einer „entkommerzialisierten Zone“.
  • Gegenseitige Vernetzung – verlinken Sie im Content intelligent, nicht aufdringlich, auf die Produkte und umgekehrt.
  • Das Umfeld und die Absicht des Besuchers müssen beachtet werden – jemand, der über eine gezielte Werbemaßnahme kommt, verhält sich in der Regel völlig anders als jemand, der aktiv selbst gesucht hat. Man sollte daher möglichst in unterschiedliche Landingpages investieren, die in den jeweiligen Kontext passen.

Die Formel ist eigentlich recht einfach: Besucher, die das Produkt wirklich verstanden haben, kaufen es viel eher. Als Beispiel nannte er curved.de, eine Website, die eher Magazincharakter hat und von der E-Plus-Gruppe gemacht wird. Hier stehen Informationen im Vordergrund und es gibt kein allzu offensives Schubsen in die Kaufabteilung. Laut Lange werden einige der Fachartikel bis zu 6.000-mal gesharet und 15 bis 20 % der Besucher konvertieren am Ende.

„Content Marketing is like sex in high school“, John Ekman.

John Ekman, der sich selbst gern als „Conversion Synthesizer“ bezeichnet, räumte rabiat auf mit der IT-Gläubigkeit vieler Marketer. Mit „The biggest secret of Marketing Automation – it´s not automated!“ versuchte er den Anwesenden den Glauben daran zu nehmen, dass es den einen großen Button gebe, den man drücken müsse und alles liefe von selbst. Wenn in ein System Müll hineingesteckt würde, könne wiederum nur Müll (Garbage in – Garbage out) herauskommen, so Ekman. Wann immer man einen „IT Guy“ mit dem Versprechen der Automatisierung auftauchen sehe, solle man möglichst schnell die Flucht antreten.

Vielen Unternehmen fällt nur ein, dass man ihr Produkt kaufen solle, weil es das beste sei. Statt die Features einer Alarmanlage anzupreisen, könne man über Sätze wie „Wussten Sie, dass man sehr leicht in Ihr Haus einbrechen kann?“ sehr viel mehr Awareness schaffen.

Danny Nauth von Webarts zeigte anhand von vier Fallstudien, dass Kunden oft gar nicht so markenzentriert denken, wie das die Hersteller gern hätten. Bis zu 9,4 % ließe sich die Conversion-Rate steigern, die Einnahmen stiegen sogar um über 14 %. Natürlich macht das Erstellen von Content auch Aufwand. Nauth rechnete anhand eines Beispiels vor:

  • Erstellungszeit 6 bis 8 Stunden, mal interner Stundensatz (60.- €) ergibt Kosten von 360.- bis 480.- €
  • Gemessener Uplift bei 9 %, das ist pro 1.000 Conversions ein Mehrumsatz von ca. 2.700.- €

Dem quasi natürlichen Abwehrreflex Marketingverantwortlicher („Wir haben über eine Quintillion Produkte, wer soll da für alles Content erzeugen?“) erteilte Nauth wie auch viele andere eine schnelle Abfuhr. Man müsse eben nur genau hinsehen und primär für den sog. Short Head bzw. die A-Produkte, mit denen man den größten Teil des Umsatzes oder Gewinns mache, optimieren. Viele Produkte legitimieren nicht die Lähmung, nichts tun zu können.  

„Big Data – Small Data – Smart Data“, so der Vortragstitel von Karl Kratz, der zunächst mit Augenzwinkern auf die in Daten absaufenden Unternehmen seinen ureigensten schwäbischen Ansatz wählte: „Erschd mol nutze, wos do isch.“ Der Weg von Big Data zu Smart Data ist aber ein essenzieller, denn ohne Filterung und ohne Ziel bleiben die meisten der gesammelten Daten nutzlos.

Big Data: „Ich erfasse alles, um auf zukünftige Fragen hoffentlich Antworten zu haben.“

Small Data: „Ich habe keine Ahnung, was los ist.“

Smart Data: „Ich erfasse definierte und relevante Daten, um entscheidungsfähig zu bleiben.“

„Irrelevante Daten essen dein Unternehmen auf. Njom, njom, njom!“, Karl Kratz.

Kratz zitierte einen der wohl bekanntesten Fälle der Nadeln im Heuhaufen, als der ehemalige Agent der NSA, Bill Binney, meinte, durch die Massenspeicherung von Daten würde man unfähig, jemanden zu schützen. „Sie [die Agency, also die NSA] hatten genügend Informationen, um die Attentäter zu stoppen. Aber sie wussten nicht, dass die diese hatten.“

Als wichtig erachtet Kratz daher vor allem auch das Verwenden von Richtlinien für Datentransformationen und vor allem auch eine Rückmeldung an die Nutzer. Auch solle man dabei nicht das Ziel aus den Augen verlieren. Statt aufwendig der Frage nachzugehen, wie viele Kunden ein bestimmtes Produkt kauften, müsse man primär auch die Frage stellen, wie man es bewerkstelligen könne, dass es von noch mehr Kunden gekauft wird. Die Dominanz und gedankliche Lenkungsfunktion einer Frageformulierung wird häufig unterschätzt. Die richtigen Fragen zu stellen, ist weit schwieriger, als die Antworten darauf zu finden. 

„Zeige dem Verarbeiter der Daten, welchen Beitrag er zum Gesamtsystem leistet“, Karl Kratz.

Auf die Wichtigkeit der Verwendung sog. Perimetersysteme zur Selektion von Besucherströmen hatte Karl Kratz in diversen früheren Vorträgen bereits ausführlich hingewiesen. Hier zeigte er anhand eingängiger Beispiele, wie man mit mehr Logik in „Sensoren“ bessere Messdaten erhält. Wenn ein Besucher von Facebook kommt, entscheidet solch ein „Sensor“ bereits vor dem Seitenaufbau, dass man ihm am besten (scherzhaft gemeint) ein Katzenbild zeigt. Kommt er von Google+, zeigt man ihm etwas, was gegen (wieder scherzhaft gemeint) die Einsamkeit hilft. Mit anderen Worten konvertiert Content am besten, wenn er sich auf das thematische Umfeld des Besuchers einstellt. Je nach Lage andere Bilder oder Text zu zeigen, ist nach Kratz wahrlich kein Hexenwerk und von jedem halbwegs talentierten Webprogrammierer leistbar. Man müsse ihm nur sagen, was man genau möchte.

Ein sicherlich unbestrittenes Highlight der Konferenz war die Schlusskeynote von Guy Kawasaki. Er arbeitete seit 1987 für Steve Jobs und gab einen sehr tiefen Einblick in die Zusammenarbeit mit einem Genie. Steve Jobs war bekanntlich oft exzentrisch und hatte auch nie ein Nummernschild am Auto. Er war der Meinung, er brauche das nicht. Ebenso fuhr er regelmäßig in der Carpool-Spur (in den USA darf man dort nur ab zwei Insassen am Stau vorbeifahren) oder parkte auf reservierten Behindertenparkplätzen. Menschlich hätte man sich wohl über ihn streiten können, aber es war eine phantastische Erfahrung, für ihn zu arbeiten, auch wenn Kawasaki nach seiner Aussage jeden einzelnen Arbeitstag Angst hatte, dass Jobs ihn irgendwann vor Publikum mit einem „Guy, you are a piece of shit!“ bloßstellen würde. „Vergesst alle Managementmethoden“, meinte er, „Angst ist ein guter Motivator.“

„Alle Stories über Steve Jobs sind wahr“, Guy Kawasaki.

Die wichtigsten Learnings aus seiner Zeit für Jobs und Apple fasste er u. a. wie folgt zusammen:

  • Experten haben keine Ahnung. Apple machte immer genau das Gegenteil von dem, was Experten vorschlugen.
  • Kunden können nicht sagen, was sie wollen. Niemand hätte damals eine Maus zur Bedienung eines Computers gefordert oder eine grafische Benutzeroberfläche. Kunden wollen immer nur „mehr“ von dem, was sie schon kennen. Mehr Speicherplatz, schnellere Rechenleistung, billigere Hardware etc. Echte Innovationsideen kommen daher nie vom Kunden.
  • Die wirklich spannenden Dinge liegen auf der nächsten Technologiekurve. Nicht einen Walkman noch robuster gegen Erschütterungen zu machen, bringe das Unternehmen technologisch wirklich voran, sondern die Investition in (MP3-)Technologie.
  • Große Herausforderungen bringen ein Unternehmen zu Höchstleistungen und damit nach vorn.
  • Design spricht Emotionen an. Daher fragt auch kein Applekäufer nach dem Preis oder was das Produkt kann. Er will es schlicht und einfach haben. Punkt.
  • Große Schrift und große Bilder. Wer sich das Informationsdesign von Apple ansieht, dem fällt auf, dass dort fast ausschließlich jeweils (nur) ein großes Bild und eine sehr große Schrift verwendet werden.
  • „A players hire A+ players.“ Diese Maxime wird gerade in deutschen Unternehmen nicht unbedingt gelebt. Stelle immer Leute ein, die einen Tick besser sind als du selbst. Kawasaki formulierte es so: „B-Leute stellen C-Leute ein, C-Leute stellen D-Leute ein“, und so fort. Wer Angst hat, von eingestellten Mitarbeitern geistig überflügelt zu werden, und daher bewusst eine Stufe tiefer greift, verspielt die Zukunft des Unternehmens.
  • Marketing funktioniert am besten, wenn man einen einzigartigen Vorteil oder Wert hat. Wer austauschbare Produkte oder Dienstleistungen anbietet, muss letztlich in Preiskämpfen mit den Mitbewerbern landen.

Als Abschluss brauchte er noch einen sehr applespezifischen, aber sehr weisen Satz: „Some things need to be believed to be seen.“ Einige Dinge könne man erst erkennen, wenn man an sie glaube. Wie wahr.

Im Conversion-Camp, das einen Tag später in drei parallelen Sessions stattfand, gab es dann nochmals richtige Hands-on-Informationen, z. B. wie man die Conversion-Rate bei nativen Apps messen kann, über Call Tracking, Automatisierungsmöglichkeiten beim Marketing, „Best Planning“ bei Nutella und viele weitere spannende Themen. 

Nächstes Jahr wird der ConversionSummit am 10. Sept. 2015 stattfinden und unter dem Motto „One Step Further“ stehen. Der Veranstalter André Morys plant, gezielt Referenten mit weiteren Praxisfällen einzuladen, bei denen die Optimierung nachweislich einen Schritt weiter führt. Weitere Infos dazu ab November unter www.conversionsummit.org