Endlich Rechtssicherheit im Affiliate-Bereich

Die „tchibo.de“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Gerade die Bewerbung von Versicherungen und Finanzprodukten ist im Affiliate-Bereich für viele Webseiten-Betreiber ein einträgliches Geschäft. Jedoch finden sich dort auch viele Stolpersteine, über die der unbedarfte Webmaster schnell ins Straucheln geraten kann. So war bis vor Kurzem umstritten, wie im Online-Bereich der bloße Tippgeber, der keine besondere behördliche Genehmigung braucht, vom Vermittler abzugrenzen ist, der einer staatlichen Lizenz bedarf. Mit seiner „tchibo.de“-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese lang diskutierte Frage nun beantwortet und erheblich zur Rechtssicherheit beigetragen.

1. Die Problemlage:

Seit vielen Jahren ist umstritten, wie im Online-Bereich der bloße Tippgeber, der keine besondere behördliche Genehmigung braucht, vom Vermittler abzugrenzen ist, der einer staatlichen Lizenz bedarf. Diese Problematik hat bislang vor allem die Affiliate-Szene in Atem gehalten, denn der Streit hat nicht nur handfeste zivilrechtliche, sondern sogar strafrechtliche Konsequenzen.

So ist z. B. das Amtsgericht (AG) Straubing (Urt. v. 03.03.2011 - Az.: 8 OWi 142 Js 94374/19) der Ansicht, dass ein Affiliate, der online die Kreditangebote eines Merchants bewirbt, eine besondere Kreditvermittlererlaubnis benötigt. Um als Vermittler eingestuft zu werden, so das Gericht, reiche eine bloße Verlinkung. Verfügt der Affiliate über keine solche besondere Erlaubnis, macht er sich strafbar.

Dabei ist es egal, ob es sich um Versicherungen oder Finanzprodukte handelt. Denn in all diesen Fällen muss derjenige, der derartige Produkte vermittelt, über eine staatliche Erlaubnis verfügen (§§ 34 c, d GewO).

2. Die „tchibo.de“-Entscheidung des BGH

Daher richteten sich die Augen der Affiliate-Szene aufmerksam auf die jüngste Entscheidung (Urt. v. 28.11.2013 - Az.: I ZR 7/13) des Bundesgerichtshof (BGH). Dort ging es um das bekannte Unternehmen Tchibo, das auf seiner Webseite unterschiedliche Versicherungs- und Finanzverträge von Dritten bewarb. Tchibo verfügte selbst über keine Erlaubnis als Finanz- oder Versicherungsvermittler.

a. Konkrete Ausgestaltung auf tchibo.de

Tchibo hatte sein Online-Portal wie folgt ausgestaltet:

Klickte der User auf das jeweilige Angebot, dann öffnete sich eine Unterseite mit der Darstellung des jeweiligen Produktes. Dabei wurden die konkreten einzelnen Inhalte des Angebots wiedergegeben, so z. B. bei einer Zahnzusatzversicherung die monatlichen Preise:

Am rechten Bildrand wurde groß darauf hingewiesen, dass Vertragspartner nicht Tchibo ist, sondern die namentlich genannte Versicherung ASSTEL.

Gab der Interessierte online seine Daten ein, erschien auf dem Bildschirm der Hinweis:

„Vielen Dank,
Ihr Online-Antrag wurde erfolgreich verschickt. Sie erhalten in Kürze eine Bestätigungsmail von uns.
Ihr ASSTEL und Tchibo Experten-Team“

b. Vorinstanz: Urteil des LG Hamburg

In der 1. Instanz verurteilten die Hamburger Richter (LG Hamburg, Urt. v. 03.04.2010 - Az.: 408 O 95/09) Tchibo. Anhand der Tätigkeit und des Webauftritts werde deutlich, dass Tchibo nicht nur als bloßer Tippgeber agiere, der mit der eigentlichen Vermittlung nichts zu tun habe.

Vom Vermittler abzugrenzen sei grundsätzlich der sogenannte Tippgeber, der gesetzlich nicht geregelt sei. Der Tippgeber stelle lediglich den Kontakt zwischen dem Interessenten und einem Vermittler bzw. dem späteren Vertragspartner her. Die Nennung von Abschlussmöglichkeiten und die Anbahnung von Verträgen stellen dann keine Vermittlung dar, wenn sie als vorbereitende Handlungen nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Abschluss eines Vertrages, der Gegenstand der Vermittlung ist, abzielen. Von dem Tippgeber, der nur Kontaktdetails weitergebe, erwartet ein potenzieller Versicherungsnehmer keine Beratung.

Da Tchibo auf seiner Internetseite die Versicherungs- und Finanzprodukte ausführlich präsentiere und anbiete sowie den Kontakt zu den Versicherungs- und Finanzpartnern herstelle, fördere das Unternehmen ausdrücklich die Willensbildung zum Vertragsabschluss und sei als Versicherungs- und Finanzvermittler einzustufen.

Da keine behördliche Genehmigung vorliege, handle Tchibo wettbewerbswidrig.

c. Entscheidung des BGH:

Mit seiner „tchibo.de“-Entscheidung hat der BGH die umstrittene Frage zur Abgrenzung zwischen bloßem Tippgeber und Vermittler nunmehr abschließend höchstrichterlich beantwortet. Inhaltlich hat es die Bewertungen der Vorinstanz geteilt und ist zum identischen Ergebnis gekommen.

Die Abgrenzung der Versicherungsvermittlung von einer Tätigkeit, die ausschließlich darauf gerichtet sei, Kontakte zwischen einem potenziellen Versicherungsnehmer und einem Versicherungsvermittler herzustellen, richte sich nach dem objektiven Erscheinungsbild der ausgeübten Tätigkeit, so die Karlsruher Richter.

Bewerbe ein Handelsunternehmen im Rahmen seines Internetauftritts konkrete Versicherungsprodukte und ermögliche es den Online-Abschluss von Versicherungsverträgen auf einer Internetseite eines Versicherungsvermittlers, sei auch das Handelsunternehmen Versicherungsvermittler, wenn dem Verbraucher der Wechsel des Betreibers der Internetseite verborgen bleibe.

Da der Verbraucher auf den Webseiten weiterhin den Eindruck erhielt, dass es sich um eine von Tchibo (zumindest mit betreute) URL handle, stufte der BGH das bekannte Unternehmen als Versicherungsvermittler ein. Da die Firma über keine entsprechende Erlaubnis verfügte, handle es sich um einen Wettbewerbsverstoß.

3. Die praktischen Konsequenzen der Entscheidung

Der BGH hat mit der aktuellen Entscheidung die seit vielen Jahren bestehende Rechtsunsicherheit für den Online-Bereich beseitigt.

Dabei geht das Urteil weit über den Bereich der Bewerbung von Finanzprodukten hinaus, denn die Ausführungen der Karlsruher Juristen sind auf jede Form der zulassungspflichtigen Vermittlung nathlos übertragbar.

Damit ist zukünftig klar: Ein Affiliate, der fremde Finanz- und Versicherungsprodukte konkret bewirbt und Kunden „vermittelt“, ist nur dann Tippgeber, wenn aus der verlinkten Landingpage deutlich wird, dass es sich um die Webseite eines anderen Unternehmens handelt.

White-Label-Lösungen oder Fälle, bei denen aus der Landingpage nicht die Fremdheit des beworbenen Angebots hinreichend deutlich hervorgeht, sind als zulassungspflichtige Vermittlung einzustufen.