Die wichtigsten SEO- und Affiliate-Urteile 2013

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Im vergangenen Jahr gab es eine ganze Reihe wichtiger Urteile mit Online-Bezug. Rechtsanwalt und Online-Experte Martin Bahr fasst daher noch einmal mit einem kurzen Rückblick die wichtigsten Entscheidungen zusammen und erläutert, was sie bedeuten.

1. Autocomplete:

Auf die Problematik der Autocomplete-Funktion sind wir bereits in einem früheren Artikel 1 ausführlich eingegangen. Es ging dabei um die Frage, inwieweit Google für die automatisierten Vorschläge bei Eingabe eines bestimmten Wortes haftet. Google hatte sich bekanntlich damit verteidigt, dass es sich um automatisierte Vorgänge handelte, die auf Basis der objektiven Suchanforderungen der User erstellt würden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) 2 hat eine Verantwortlichkeit von Google bejaht. Ab Kenntnis muss der Suchmaschinen-Riese rechtswidrige Autocomplete-Vorschläge sperren.

2. Google AdWords: Kein Ende in Sicht

Auch im Jahr 2013 gab es zahlreiche Entscheidungen zur AdWords-Problematik.

a. Keywords

In einer Entscheidung vom Februar 2013 haben die BGH-Richter 3 ihre bisherige Rechtsprechung zu Keywords bei AdWords verfeinert.

Die Beklagte, die eis.de GmbH, schaltete eine AdWords-Anzeige wie folgt:

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Eis.de/_Erotik-Shop_&_Erotik-Shop

Sie verwendete als Keyword hierfür den Begriff „Beate Uhse“. Beate Uhse ging gegen die Benutzung vor. Der BGH bekräftigte zunächst seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Markenverletzung grundsätzlich ausscheide, da die Anzeige räumlich in einem abgetrennten Bereich erschienen sei und zudem deutlich mache, dass es sich bei dem Anbieter nicht um Beate Uhse, sondern um die Plattform „eis.de“ handle.

Neu an der Entscheidung ist, dass die Karlsruher Richter hier gleichwohl doch ausnahmsweise eine Markenverletzung bejahen. Wenn es sich nämlich um eine bekannte Marke handle, so liege bereits in der Verwendung des Begriffs als Keyword eine Rechtsverletzung. Die Klägerin (Beate Uhse) hatte vorgetragen, dass das Wort ausgesprochen hohe Bekanntheitswerte genieße und für den Bereich von Erotikprodukten die in Deutschland bekannteste Marke sei. Da die Vorinstanzen keine Ausführungen zu dem Umstand gemacht hatten, ob es sich bei „Beate Uhse“ tatsächlich um eine bekannte Marke handle, muss das Verfahren neu aufgerollt werden.

b. Fremde Domain-Namen als Keywords

Die Nutzung eines fremden Domain-Namens als AdWords-Anzeige soll dagegen nach Meinung des OLG Düsseldorf 4 zulässig sein. Der Beklagte verwendete den Domain-Namen der Klägerin als AdWords-Anzeige. Bei Eingabe der Domain-URL „fsp-online.com“ erschien bei Google die betreffende Anzeige. Das Anzeigenfeld war mit „Anzeigen zu fsp-online.com“ überschrieben und hob sich farblich vom Rest der Seite ab. Die Annonce befand sich oberhalb der herkömmlichen Suchtreffer. Die Düsseldorfer Richter verneinten eine Markenverletzung. Der Hinweis „Anzeigen zu fsp-online.com“ suggeriere nicht eine unternehmerische Verbindung zum Markeninhaber, sondern weise lediglich darauf hin, dass es sich um Anzeigen zu dem spezifischen Suchbegriff handle.

c. Pflichtangaben

Mitte des Jahres 2013 hat der BGH 5 eine Grundlagen-Entscheidung zur Platzierung von Pflichtangaben im Rahmen der AdWords-Werbung getroffen. Inhaltlich ging es um Pflichtangaben nach dem Heilmittelwerberecht, u. a. um den bekannten Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie ...". Die Beklagte bewarb ein Arzneimittel mittels zweier AdWords-Texte.

Anzeige 1:
Bei entzündeten Atemwegen
Kleine Kapsel – große Wirkung.
S. bekämpft die Entzündung

Anzeige 2:
Bei entzündeten Atemwegen
Kleine Kapsel – große Wirkung.
S. bekämpft die Entzündung
www.xy.de/Pflichttext_hier

Die Überschriften der Anzeigen („Bei entzündeten Atemwegen“) waren als Link ausgestaltet. Der User wurde dabei auf die Internetseite der Beklagten geführt. Nach mehrfachem Scrollen konnte der Verbraucher dann die erforderlichen Pflichtangaben finden. Auf der Internetseite selbst befand sich neben den Pflichtangaben noch weiterer Text. Bei der Anzeige 2 war nur die Überschrift als Link ausgestaltet. Die Zeile „www.xy.de/Pflichttext_hier“ war hingegen normaler Text ohne eine Verlinkung.

Der BGH hat beide Anzeigen als wettbewerbswidrig eingestuft, da sie nicht ausreichend die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben enthielten. Zunächst stellten die Karlsruher Richter fest, dass bei AdWords-Anzeigen die Pflichtangaben-Texte nicht zwingend im Anzeigentext selbst stehen müssten. Vielmehr sei dem User bekannt, dass es sich bei den AdWords-Anzeigen regelmäßig nur um schlagwortartige Kurzangaben handele. Erforderlich sei jedoch, dass der AdWords-Text einen klar erkennbaren Link-Hinweis enthalte, wo der User diese Pflichtangaben nachlesen könne.

Anzeige 1 erfülle diese Voraussetzung nicht, da für den Betrachter nicht ersichtlich sei, wo er die Pflichtangaben auffinde. Es genüge nicht, dass die Überschrift den Link enthalte. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, den Begriff „Pflichtangaben“ oder eine entsprechend eindeutige Formulierung zu wählen. Anzeige 2 enthalte zwar einen textlichen Hinweis, dieser sei jedoch nicht als Link ausgestaltet, sodass die Werbung ebenfalls wettbewerbswidrig sei. Darüber hinaus weist der BGH darauf hin, dass es generell unschädlich sei, wenn auf der verlinkten Landingpage, auf der die Pflichtangaben platziert sind, der User scrollen muss. Enthält die Landingpage aber noch sonstigen weiteren Text, reicht es nicht aus, an den Anfang der Webseite zu verlinken, sondern die Pflichtangaben müssen direkt mittels eines Anker-Tags aufgerufen werden.

Die Entscheidung kann 1:1 auf alle Arten von Pflichtangaben oder Hinweispflichten übertragen werden.

d. Erweiterte Störerhaftung

Der BGH 6 hat für AdWords-Anzeigen nicht unerheblich die Störerhaftung ausgeweitet. Im konkreten Fall bewarb eBay fremde Angebote auf seiner Online-Plattform mittels AdWords. Bei Eingabe des Produktnamens war eine AdWords-Anzeige geschaltet, die den User auf dynamisch erzeugte Inhalte von eBay führte. Bei diesen angezeigten Inhalten befand sich auch die Ware eines Konkurrenten, die das Urheberrecht der Klägerin verletzte. Bereits in der Vergangenheit hatte der Rechteinhaber das Auktionshaus auf entsprechende rechtswidrige Inhalte aufmerksam gemacht. Die Robenträger entschieden nun, dass die übliche Haftungsprivilegierung, die eBay eigentlich als Online-Auktionshaus bei fremden Rechtsverletzungen schützt, im vorliegenden Fall nicht greife. Denn durch die eigene Schaltung von AdWords-Anzeigen habe das Unternehmen seine neutrale Stellung als Betreiber einer Internetplattform verlassen. Es ergreife vielmehr eine aktive Rolle, sodass eBay weitergehende Prüfungspflichten treffen.

3. Framing:

In Sachen Framing ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der BGH 7 hat die Frage, ob das Framing fremder Inhalte in die eigene Webseite eine Urheberrechtsverletzung darstellt, nicht beantwortet, sondern hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorgelegt. Eine Antwort steht noch aus. Ob sie noch im Jahr 2014 kommen wird, ist unklar.

4. Haftung von Google:

Die Frage, ob Google für indizierte Inhalte in irgendeiner Weise mit verantwortlich ist, hat auch im Jahre 2013 die Gerichte beschäftigt.

Das LG Mönchengladbach 8 ist der Ansicht, dass Google generell nicht zur Entfernung von Suchergebnissen aus dem Index, die auf rechtswidrige Seiten verlinken, verpflichtet sei.

Ein Eingriff in den Index würde nicht nur massiv die Verlässlichkeit der Ergebnisse in Frage stellen, sondern würde auch dazu führen, dass dem Anbieter schnell der Vorwurf der Zensur gemacht würde. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass Google einen immensen personellen und materiellen Aufwand betreiben müsste. Es sei daher vielmehr angemessen, wenn der Kläger direkt gegen den Autor der Webseite oder den betreffenden Webhoster vorgehe. Auf diesem Weg könne die Entfernung des Beitrages viel schneller erreicht werden.

Diese Entscheidung ist mit Vorsicht zu genießen, denn sie entspricht nicht der herrschenden Rechtsprechung, sondern dürfte vielmehr eine Mindermeinung bei den Gerichten sein. Herrschend ist vielmehr der Grundsatz, dass Suchmaschinen für fremde Inhalte grundsätzlich erst ab Kenntnis haften. So urteilte das LG Köln, 9 dass eine Personensuchmaschine für die angezeigten Inhalte von Dritt-Webseiten erst ab Kenntnis haftet. Solange der Anbieter – wie hier – die angezeigten Inhalte als fremd kennzeichne, könne er sich auf diese Haftungsprivilegierung berufen. Wird Google hingegen trotz Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte nicht tätig, haftet es. Diese Prinzipien gelten auch für falsche Äußerungen Dritter im Rahmen des Dienstes Google Maps, so das KG Berlin. 10

5. Merchant:

Das LG Stuttgart 11 hat noch einmal bestätigt, dass ein Merchant nicht für die Spam-Mails seines Affiliates haftet. Allein die Beteiligung des Merchants an einem Affiliate-Netzwerk stelle noch keinen ausreichenden Haftungsgrund dar. Bei einem solchen Netzwerk handle es sich um reguläre, seriöse und an sich risikolose Online-Werbung.

Zudem habe der Merchant in seinen Bestimmungen ausdrücklich jede E-Mail-Werbung verboten. Das verklagte Unternehmen setze daher keinerlei finanziellen Anreize, dass der Affiliate sich über die vertraglichen Restriktionen hinwegsetze und unlautere E-Mail-Werbung betreibe. Das Gericht geht sogar noch weiter: Selbst dann, wenn der Merchant Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Affiliate vorwiegend E-Mail-Werbung betreibe, sei der Merchant nicht als Störer zu qualifizieren und hafte folglich auch nicht.

 

 

 

 

1 Vgl. Artikel „Haftet Google für seine Autocomplete-Funktion? Oder: Rufmord 2.0“, Ausgabe 16 (11-12/2012), S. 106 ff.
2 BGH, Urt. v. 14. Mai 2013 – Az.: VI ZR 269/12.
3 BGH, Urt. v. 20. Februar 2013 - Az.: I ZR 172/11.
4 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. April 2013 - Az.: I 20 U 159/12.
5 BGH, Urt. v.  6. Juni 2013 - Az.: I ZR 2/12.
6 BGH, Urt. v. 16. Mai 2013 - Az.: I ZR 216/11.
7 BGH, Beschl. v. 16. Mai 2013 - Az.: I ZR 46/12.
8 LG Mönchengladbach, Urt. v. 05. September 2013 - Az.: 10 O 170/12.
9 LG Köln, Urt. v. 26. Juni 2013  - Az.: 28 O 80/12.
10 LG Berlin, Urt. v. 7. März 2013 - Az.: 10 U 97/12.
11 LG Stuttgart, Urt. v. 29. Mai 2013 - Az.: 12 S 200/12.