Der User als Mensch –

weg von Manipulation hin zur eigenen Entscheidung!

Johanna Langer
Johanna Langer

Seit 2009 ist Johanna Langer im Bereich Online-Marketing tätig. Als Account Director SEO & Conversion Optimization Specialist ist sie bei der Blue Summit Media GmbH verantwortlich für den Ausbau des Themas Conversion/Landingpage Optimization und SEO. Davor war sie seit 2010 bei der FinanceScout24 bzw. der Scout24 Services GmbH angestellt. Dort betreute sie zuletzt übergeordnet den Bereich Suchmaschinenoptimierung.

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Webuser sind auch nur Menschen. Häufig entsteht allerdings der Eindruck, als wäre das den Online-Verantwortlichen nicht immer auch so bewusst. Ein klares Verständnis über die verschiedenen Usertypen und die gezielt eingesetzte Ansprache von deren Bedürfnissen und Ängsten bilden eine solide Basis für eine erfolgreiche Website. Sinnvolle Fragetechniken, die Besucher zu eigenen Entscheidungen und somit zu Überzeugungen führen, und aktives Zuhören im Web gehören somit in den Baukasten einer langfristig angelegten Conversion-Optimierung. Weg vom Manipulationsversuch und hin zur Unterstützung der eigenen Entscheidung des Besuchers – das bedeutet Nachhaltigkeit im E-Commerce!

Viele Online-Marketing-Verantwortliche sehen immer noch eine Trafficsteigerung über die sogenannten Performancekanäle als größten Hebel zur Umsatzsteigerung. Jedoch bringt viel Traffic nicht immer den erwünschten (Umsatz-)Erfolg. Finden die Besucher auf der Website nicht das, was sie erwartet haben, oder finden sie sich nicht gleich auf der Website zurecht, verlässt der teuer eingekaufte Traffic den Online-Auftritt wieder. Beschäftigen sich manche dann doch länger mit der Website, so kann es passieren, dass User aufgrund komplizierter Prozesse oder Unsicherheiten doch zu dem einen Klick entfernten Wettbewerber gehen und dort einkaufen. Immer mehr Online-Marketer erkennen diese Herausforderung und fangen deshalb zu Recht an, sich mit dem Thema Conversion-Optimierung auseinanderzusetzen.

Conversion-Optimierung bedeutet die ganzheitliche Optimierung des Webauftrittes, die letztlich in eine Gewinnsteigerung münden soll. Im Online-Marketing wird häufig auch von der Conversion-Rate-Optimierung gesprochen. Betrachtet man diesen Begriff näher, so stellt man fest, dass sich zwar die Conversion-Rate erhöhen, der Gewinn jedoch gleichzeitig sinken kann. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn der Webauftritt manipulativ wirkt und sich aufgrund dessen Storno- und Rücksendequoten erhöhen und dadurch auch die Kosten des Shops steigen. Auch Zahlungsausfälle können als Folge manipulativer Conversion-Optimierung den Gewinn mindern. Das zieht aber auch noch weitere Konsequenzen nach sich: Die Kunden sind unzufrieden, dadurch werden weniger Bestandskunden gebunden, somit erhöhen sich die Kosten für die Kundengewinnung, die Weiterempfehlungsrate sinkt usw.

Aufgrund der beschriebenen Herausforderung, Performanceseiten nicht manipulativ, sondern zielführend in Richtung Gewinnsteigerung zu gestalten, soll der vorliegende Beitrag Denkanstöße geben, den Besucher als bewusst handelnden Menschen zu begreifen.

Den Besucher in „seiner Welt“ abholen

Wenn der Besucher auf die Website kommt, sollte er in „seiner Welt“ abgeholt und mit seinen bevorzugten Emotionen und Informationen bedient werden. Dadurch fühlt er sich auf der Website richtig und gut aufgehoben. Eine positive User Experience sowie eine zufriedenstellende Anzahl an Conversions ist die Folge.

Zuerst ist es wichtig, die Besucher als unterschiedliche Menschentypen zu verstehen und sich darüber im Klaren zu sein, dass diese natürlich auch unterschiedlich angesprochen und behandelt werden sollten. Es gibt bereits zahlreiche Modelle, die Menschen verschiedenen Typengruppen zuordnen. Diese werden aktuell aber hauptsächlich zu Teambuildingzwecken genutzt und im Online-Bereich noch viel zu wenig eingesetzt. Die Unterteilung in verschiedene Menschentypen hilft aber auch im Bereich Conversion-Optimierung.

Im Grunde lassen sich zwei Besuchertypen unterscheiden: der zuversichtliche und der misstrauisch-analytische. Diese beiden Besucher-/Menschentypen haben jeweils noch eine unterschiedliche Ausprägung, wenn sie auf die Website kommen: Sie sind entschlossen oder unentschlossen, d. h., sie wissen bereits, was sie wollen oder möchten sich „nur mal umsehen“.

Grundsätzlich ist es bei vielen Produkten hilfreich, möglichst beide Besuchertypen zufriedenzustellen und in ihrer Welt abzuholen. Gelingt es, diese Herausforderung erfolgreich zu meistern, hat man beinahe 100 % der Besucher erreicht. Jedoch ist dies, je nach Produkt und Werbekanal, nicht immer möglich und sinnvoll.

Für ein komplexes Technikprodukt beispielsweise eignet es sich eher, den misstrauisch-analytischen, entschlossenen Typen anzusprechen und dabei Vergleiche, Detailinformationen und Rabatte als Anreiz zu nutzen. Verkauft man in seinem Shop Schmuck, ist die Seite eher nach dem zuversichtlichen, unentschlossenen Typen auszurichten. Dabei ist darauf zu achten, dass möglichst einzigartige Produktbeschreibungen und nur sehr gute Bilder eingebunden werden. Ein Versuch, alle Besuchertypen zufriedenzustellen, würde bei diesen Produktkategorien vermutlich scheitern bzw. die Anzahl der Conversions verringern.

Bei einigen Produkt- bzw. Themenbereichen ist bereits im Voraus sehr gut einzuschätzen, welche Besuchertypen angesprochen werden sollten. Regelmäßige Landingpage- und Conversiontests auf der Website helfen dabei, diese Einschätzung zu beweisen. Bei Produktgruppen, bei denen die richtigen Besuchertypen noch unklar sind, unterstützen Tests dabei, die relevante Zielgruppe zu finden.

Weg von Manipulation, Widersprüchen und Stornos! Bedürfnisse wecken und Ängste sinnvoll nutzen

Gemäß § 312d BGB Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen besteht eine zweiwöchige Frist, in der Verbraucher ihre im Internet gekauften Dienstleistungen oder Waren zurückgeben können.

Wie bereits erwähnt, stellt dieses Widerrufs- bzw. Rückgaberecht alle Online-Händler vor die Herausforderung, die richtige Zielgruppe wirklich zu überzeugen und sie nicht nur zum Kauf des Produktes zu „überreden“. Dieses „Überreden“ bzw. diese „Manipulation“ ist dann der Fall, wenn z. B. unerfüllbare Versprechungen gemacht werden. Produktdarstellungen, die unrealistische Erwartungen beim Kunden wecken, und übertrieben eingesetzte Stimulanz- und Verknappungselemente wie Rabatte etc. sind daher nicht sinnvoll.

Wirklich überzeugen lassen sich Besucher, indem man deren Bedürfnisse weckt bzw. Ängste richtig nutzt. Nicht Pünktlichkeit oder Ordentlichkeit sind primäre Bedürfnisse, nach denen jeder Mensch strebt; vielmehr sind es Begriffe wie Freiheit, Individualität oder Zugehörigkeit. Welche Bedürfnisse und Ängste lassen sich aber nun im Internet besonders gut nutzen? Nachfolgend einige Beispiele.

Tipp

Der Einbezug von Retouren in die Erfolgsmessung unterbleibt bei kleineren und mittleren Online-Shops oftmals, weil die Backendsysteme keine automatisierte Verknüpfung der anfallenden Daten erlauben. Umgekehrt können Conversion-Experten aber immer wieder davon berichten, dass Landingpage-Testvarianten mit höherer Conversion nicht selten zu überproportionalen Rücksendungen führen. Wer also z. B. die Emotionalität für ein Produkt bis an die Grenze steigert, läuft Gefahr, gerade damit (zu) viele Zweifler zu überzeugen, die der Einkauf nach dem Eintreffen der Sendung oder der Rechnung dann doch wieder reut – und die von ihrem Rücksenderecht Gebrauch machen. Wer einen Online-Shop betreibt, kann in der Regel bestätigen, dass solche Rückläufer einen erheblichen Kostenblock ausmachen und damit durchaus relevant sind. Abhilfe schafft der Einbezug der Stornierungen in der Art, dass sich sauber nachvollziehen lässt, wie sich die Stornoquote bei Optimierungen am Shop verändert. Und auch wenn dies nicht automatisiert gelingt oder die Einbindung schlicht zu teuer ist: Sich zumindest einmal manuell an eine solche Stornoanalyse bezogen auf Werbekanäle oder Optimierungsmaßnahmen zu machen, kann helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden!

Gruppenzugehörigkeitsbedürfnis:

In dem sogenannten Tajfels-Experiment stellte Henri Tajfel bereits in den 80er-Jahren fest, dass Menschen die angeborene Neigung besitzen, sich mit Gruppen zu identifizieren. Sie entwickeln eine emotionale Verbundenheit zu den ihnen zugeordneten, bedeutungslosen Gruppen.

Roger Dooley erklärt in seinem Buch Brainfluence, dass man dieses Gruppenzughörigkeitsbedürfnis als Marke zielgerichtet und erfolgreich nutzen kann. Schafft man es, aus Kunden eine Gruppe zu generieren, wird deren Loyalität gegenüber der Marke enorm gestärkt und es bildet sich sogar eine Abneigung gegenüber anderen Brands. Apple spricht dieses Gruppenzugehörigkeitsbedürfnis schon seit Jahrzenten erfolgreich an und kommuniziert nach dem Prinzip „Wir gegen die anderen“. Dabei konzentriert sich Apple auf die Menschen, welche die Produkte verwenden, nicht auf die Produkte selbst.

Sicherheitsbedürfnis:

Jeder Mensch möchte seine Zukunft individuell bestmöglich und sicher gestalten. Jedoch ist ebenfalls jedem Menschen klar, dass jederzeit etwas Unvorhergesehenes geschehen kann. Aber es ist nicht jedem Menschen andauernd bewusst!

In der Conversion-Optimierung kann man dieses Bedürfnis nutzen, indem Risiken aufgezeigt werden, gleichzeitig aber eine Art Lösungsmöglichkeit bzw. eine Absicherung angeboten wird. Beispielsweise können das Ausmaß von Kfz-Schäden und eine Unfallstatistik dargestellt und gleichzeitig kann die Absicherung dieser Risiken mit einer passenden Kfz-Versicherung angeboten werden.

Sexualität:

Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Jeder weiß: „Sex sells.“ Doch gerade hier ist besondere Vorsicht geboten! Spricht man das Bedürfnis Sexualität, insbesondere bei Männern, zu stark an, reagieren diese eher mit Konzentration auf kurzfristige Erfüllung als auf langfristige Logik. Unbeabsichtigt führt dieses kurzfristige Handeln dann oft dazu, dass vermehrt Widerspruchs- und Rückgaberechte in Anspruch genommen werden. Daher ist es sehr wichtig, sexuelle Bedürfnisse beim Besucher punktgenau anzusprechen, dabei aber nicht zu übertreiben.

Verlustangst:

Verlustängste können in der Conversion-Optimierung einen besonders hohen Wirkungsgrad haben. Der Gedanke, etwas zu verlieren, hat bewiesenermaßen eine stärker motivierende Wirkung als der Gedanke, etwas Gleichwertiges zu gewinnen. Etwa mit dem Hinweis „Nur noch X Produkte verfügbar“ kann im Rahmen der Conversion-Optimierung beim Besucher eine solche Verlustangst, und somit Kauflust, erzeugt werden.

Die meisten der o. g. Bedürfnisse und Ängste können auf der Website selbst und auch beim Verkauf der Produkte gezielt angesprochen werden (über Texte, Bilder, Videos, usw.) und so zum Erfolg eines E-Commerce-Unternehmens beitragen. Es ist bei der Anwendung solcher Maßnahmen aber wichtig, dass diese nicht übertrieben und manipulativ eingesetzt werden.

Den Besucher über gezielt eingesetzte Fragetechniken zur individuellen Entscheidung führen

Ziel eines Webunternehmers sollte es sein, den Besucher in die Lage zu versetzen, sich eigenverantwortlich für ein Produkt bzw. eine Conversion zu entscheiden, womit er anschließend zufrieden und glücklich ist. Nur so lässt sich langfristig ein höherer Umsatz erwirtschaften bei gleichzeitig verringerten Kosten.

Im Coaching werden gezielte Fragetechniken eingesetzt, damit der Coachee mittels seiner Antworten die richtigen Lösungen findet. Er steht dadurch voll hinter seiner Entscheidung und wird diese mit höchster Wahrscheinlichkeit vor anderen verteidigen. Menschen sind grundsätzlich konsistent in ihrem Handeln, d. h., wenn sie sich selbst für etwas entschieden haben, werden sie diese Entscheidung vor anderen rechtfertigen.

Auch oder ganz besonders im Online-Geschäft ist die Überzeugung, sich richtig entschieden zu haben, nach der Conversion wichtig. Daher sind auch im Web Fragetechniken möglich, die den Besucher selbstständig zu der für ihn richtigen Entscheidung führen.

Das Kochplattenmodell nach Martina Schmidt-Tanger in der direkten Kommunikation:

Beim Kochplattenmodell lenken Fragen die Aufmerksamkeit auf ein Thema, welches als Problem, als Ziel oder als Ressource hinterfragt wird.

Ein Beispiel: „Ich kann nie jemanden mit meinem Auto fahren lassen, weil ich Angst habe, dass etwas passiert.“ Hier fragt man auf der Problemplatte z. B.: „Warum und wovor genau hast du Angst?“, auf der Zielplatte u. U: „Wie könntest du dir sicherer sein?“, und auf der Ressourcenplatte: „Welche Absicherungen konkret würden dein Problem lösen?“

Bei dem Einsatz dieser Fragetechnik ist es wichtig, jeweils auf jeden der drei Bereiche (die sogenannten „Kochplatten“) einzugehen. Gekocht werden kann kalt oder heiß – übertragen auf die Fragenstellung bedeutet das, die Fragen können mehr oder weniger emotional bzw. sachlich bezogen gestellt werden. Heiß beinhaltet den direkten Bezug zu der Person im Hier und Jetzt. Kalt meint eher das Zirkuläre, somit eher, wie es die anderen gesehen haben oder sehen werden, in der Vergangenheit oder Zukunft. Grundsätzlich sollte man dabei als Fragesteller darauf achten, dass man während der Kommunikation von der Problemplatte auf die Ziel- und dann auf die Ressourcenplatte (Was brauche ich zur Zielerreichung?) kommt.

Das Kochplattenmodell im Web:

Im Internet Fragetechniken einzusetzen, ist kompliziert, da in der Regel keine direkte Kommunikation geführt wird. Dem Besucher sollten zudem nicht zu viele Wahlmöglichkeiten gegeben werden – aufgrund des Paradox of Choice, das besagt, dass Konsumenten (Kauf-)Entscheidungen lieber nicht treffen, wenn sie befürchten, durch eine zu große Auswahlmöglichkeit einen Fehler zu machen.

Eingesetzt werden kann diese Fragetechnik aber, wenn beispielsweise Überschriften als Fragen formuliert werden oder ein Ratgeber zu einem erklärungsbedürftigen Produkt in Form von Fragen und Antworten nach dem Kochplattenmodell angeboten wird. Alle relevanten Fragen sollen hinsichtlich Problemstellung und Zielsetzung geklärt werden, um im Rahmen der Ressourcenfragen zu einer potenziellen Lösung zu führen. Im besten Falle werden die zu verkaufenden Produkte oder Dienstleistungen hierfür geordert.

Auch Vorgehensweisen, die den Besucher mittels gezielter Fragen und möglicher Antworten zu einem bestimmten Ergebnis führen, sind Chancen, diese Fragetechnik online anzuwenden. Beispielsweise können hierfür eigenständige Prozesse auf der Website integriert werden. Wichtig: Die Fragen müssen den Nutzer zu einem positiven Ergebnis führen und somit eine positive User Experience erzeugen. Andernfalls kann diese Maßnahme auch gegenteilig wirken.

Aktives Zuhören im Internet

Aktives Zuhören sollte für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen immer eingesetzt werden. Dem Gesprächspartner wird dabei signalisiert, dass man zuhört und dies auch mit voller Aufmerksamkeit tut.

Auch im Online-Bereich ist „aktives Zuhören“ wichtig! Dem Besucher wird dadurch vermittelt, dass er auf der Website ist, auf der er das findet, was er sucht. Beim aktiven Zuhören gibt es drei Stufen, die sinnvollerweise offline wie online zu berücksichtigen sind:

Durch aktives Zuhören im Web fühlt sich der Besucher angenommen und verstanden. Emotionen entscheiden in der Regel über Kaufen oder Nichtkaufen. Rationale Argumente unterstützen die emotional getroffenen Entscheidungen lediglich. Somit ist aktives Zuhören nicht nur offline, sondern auch online enorm bedeutsam.

Was als Fazit bleibt

Besucher sollten auch im Web bewusst als reale Menschen verstanden und so behandelt werden. Eine entsprechende Kommunikation und die richtige Ansprache der relevanten Bedürfnisse und Ängste auf der Website bzw. beim Verkauf der Produkte oder Dienstleistungen kann dann nicht nur zu einer höheren Conversion-Rate beitragen, sondern letztendlich auch zu einer Gewinnsteigerung.