Jede Jeck es anders

Zielgruppenspezifische Nutzeransprache Teil 2: DiSG®-Modell

Felix Beilharz
Felix Beilharz

Felix Beilharz ist „einer der führenden Berater für Online- und Social Media Marketing“ (RTL). Er hat 10 Bücher veröffentlicht, Seminare und Vorträge in 16 Ländern gehalten und unterrichtet an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz. Seine Expertise wird von Medien wie ARD, ZDF, RTL, SAT. 1, Handelsblatt, F. A. Z. oder der Süddeutschen geschätzt.

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Die Persönlichkeiten von Kunden, Nutzern und Interessenten sind so vielseitig wie ihre Fingerabdrücke. Jedoch lassen sich, ähnlich wie beim Fingerabdruck, bestimmte Grundmuster ausmachen. Diese Persönlichkeitstypen gezielt anzusprechen, kann Verkaufsraten, Zufriedenheit und Kundenbindung signifikant erhöhen. Ein häufig verwendetes System hierfür ist das DiSG®-Modell, das weltweit bereits über 40 Millionen Mal eingesetzt wurde.

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, lautet einer der zentralen Rechtsgrundsätze demokratischer Kulturen. So richtig das auch ist: In vielen Belangen sind Menschen nicht gleich. Gerade wenn es um Denk-, Verhaltens- und Entscheidungsmuster geht, zeigen sich bedeutende Unterschiede. Für Verkäufer, egal ob online oder offline, ist es nicht nur sehr hilfreich, sondern sogar entscheidend, sich Gedanken über diese Muster zu machen. Um die Anwendung dieser Mechanismen im Online-Marketing geht es in dieser Artikelreihe.

Im ersten Teil der Reihe wurden verschiedene psychologische Denkmuster untersucht, die Menschen aufweisen. Dabei ging es unter anderem um grundlegende Konzepte wie Motivationsrichtung (hin zu/weg von), Aufmerksamkeitsrichtung (Detail/Überblick) und den Convincer-Kanal (sehen, hören, lesen, handeln). Jeder von uns hat eine bestimmte Ausprägung in jeder dieser Dimensionen. Allerdings sind diese sogenannten „Meta-Programme“ variabel und können sich je nach Situation und Kontext unterscheiden. Wer also in einem bestimmten Gebiet „weg-von“-orientiert ist (zum Beispiel bei der Suche nach der passenden Versicherung), kann in anderen Kontexten durchaus „hin-zu“-orientiert sein (etwa bei der Suche nach dem passenden Urlaubshotel).

Andere psychologische Modelle sind da „statischer“, beschreiben also eher die grundsätzliche Ausrichtung von Menschen. Ein solches Modell, das sich in der Praxis seit vielen Jahren bewährt hat, ist das DiSG®-Modell.

Verschiedene Persönlichkeitsmodelle

Das DiSG®-Modell ist eines von vielen verschiedenen Persönlichkeitsmodellen. Daneben existieren zum Beispiel noch das LIFO®-Modell, das Big-Five-Persönlichkeitsmodell, die MBTI-Methode, INSIGHTS MDI® oder das persolog®-Persönlichkeitsmodell.

Alle Modelle haben gemeinsam, dass sie versuchen, die Persönlichkeit eines Menschen zu erklären. Dabei wird natürlich sehr stark vereinfacht, was den Modellen regelmäßig auch Kritik einbringt. Die Persönlichkeit eines Menschen in einer einfachen Kennzahl oder einem Diagramm zu erklären, ist schlicht und einfach nicht möglich. So sollten diese Modelle auch nicht verstanden werden. Stattdessen bieten sie eine grobe Orientierung, um das Verhalten von Menschen besser zu verstehen.

Die meisten dieser Modelle basieren auf den Lehren der Psychologen William Moulton Marston und C. G. Jung, die in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurden. Deshalb ähneln sich die Modelle auch in vielen Teilen (vier Grundtypen, Farben etc.).

Die Modelle werden im Unternehmenskontext häufig in Führung und Coaching, im Verkauf sowie in Personalauswahl- und -entwicklungsmaßnahmen eingesetzt.

DiSG®-Modell

Das DiSG®-Modell ist wohl eines der meistgenutzten Persönlichkeitsmodelle. Weltweit werden jährlich über eine Million Tests durchgeführt; insgesamt wurden bereits 40 Millionen DiSG®-Profile erstellt.

Das Modell basiert auf vier Grundtypen, die zusammengesetzt den Namen ergeben: der dominante D-Typ, der initiative i-Typ, der stetige S-Typ und der gewissenhafte G-Typ. Gleich vorweg: Diese „reinen“ Typen gibt es in der Praxis nicht. Jeder Mensch trägt alle vier Ausprägungen in sich, sie sind nur unterschiedlich stark entwickelt. So ergibt sich ein relativ individuelles Muster, das eine hohe Ausprägung in einem oder zwei Quadranten zeigt. Wenn in diesem Artikel also von einem „D“- oder „G“-Typ die Rede ist, ist das eine Vereinfachung, die der besseren Handhabung des Modells dient. Für Online-Marketing-Zwecke reicht diese Vereinfachung aber schon völlig aus.

Der „D“-Typ

Der erste Typ, der dominante (D-)Typ, wird farblich häufig mit Rot gekennzeichnet (in neueren Versionen teilweise auch in Grün). Es handelt sich um einen sehr zielstrebigen, entschlossenen und ergebnisorientierten Persönlichkeitstyp. Der D-Typ will

  • Herausforderungen,
  • schnelle Ergebnisse,
  • klare Fakten,
  • Führungsrollen übernehmen,
  • Leistung bringen und bei anderen sehen.

Er ist

  • entscheidungsfreudig,
  • teilweise autoritär,
  • risikobereit und mutig,
  • konkurrenz- bzw. wettkampforientiert,
  • hartnäckig und konsequent,
  • offen und direkt.

Diese Persönlichkeitseigenschaften bedürfen einer ganz besonderen Ansprache.

D-Typen ansprechen

Mit langen Texten oder zu vielen Details wird man den dominanten Persönlichkeitstyp beispielsweise schnell verlieren. Seine Neigung zu schnellen Entscheidungen und sein Wunsch nach direkten Ergebnissen sollten durch Bullet Points oder ähnliche Darstellungen sowie ein möglichst frühes Call-to-Action-Element befriedigt werden. Der D-Typ weiß sehr schnell, ob er kaufen bzw. konvertieren will oder nicht – für ihn bedarf es keiner ausführlicheren Erklärungen.

Konkrete Beispiele und klare Entscheidungsmöglichkeiten bzw. klar abgegrenzte Optionen kommen seiner Entschlussfreudigkeit ebenfalls entgegen.

Sein Bedürfnis nach Autorität und Stärke kann beispielsweise mit der Betonung von Machtaspekten im Text oder in der Bildsprache erfüllt werden. Auch ein besonderes Prestige durch zum Beispiel spezielle Badges oder einen höheren und öffentlich sichtbaren Status reizt ihn.

Der „i“-Typ

Im Gegensatz zum D-Typ, der eher auf Aufgaben und Projekte ausgerichtet ist, fokussiert sich der i-Typ vor allem auf Menschen. Er hat ein sehr hohes Kommunikationsbedürfnis (das sich im „echten Leben“ oft als Redefluss manifestiert) und hat gern Menschen um sich herum.

Er ist

  • emotional,
  • teamfähig und kontaktfreudig,
  • kommunikativ und gesprächig,
  • mitreißend,
  • begeisterungsfähig,
  • optimistisch,
  • humorvoll,
  • vielseitig.

I-Typen ansprechen

Der i-Typ reagiert besonders gut auf Erfahrungsberichte und Bilder von Menschen. Überspitzt könnte man sagen: Der D-Typ braucht ein Bild von einem Ferrari, der i-Typ eher von einer Gruppe lachender Menschen. 

Neben Erfahrungsberichten und Testimonials funktionieren auch eine Betonung sozialer Aspekte und gelegentliches Lob sehr gut. Der i-Typ will anerkannt und beliebt sein – wer ihm dieses Bedürfnis erfüllt, kommt bei ihm weiter. Auch humorvolle Inhalte (der prototypische „Cat Content“) finden Anklang.

Übrigens: Durch das hohe Kommunikationsbedürfnis und die gewünschte soziale Anerkennung sind i-Typen ideale Multiplikatoren in den Social Media. Wenn sie das Gefühl haben, ihren Freunden damit etwas Gutes zu tun, teilen sie sehr gern Inhalte im Netzwerk und produzieren durch ihren hohen Vernetzungsgrad auch große Verbreitung.

Der „S“-Typ

Ähnlich wie der i-Typ ist der S-Typ eher auf Menschen als auf Dinge/Aufgaben ausgerichtet. Er ist jedoch deutlich introvertierter. Zu seinen Eigenschaften gehören:

  • Treue und Loyalität,
  • Hilfsbereitschaft,
  • Bescheidenheit,
  • Geduld,
  • Beständigkeit und Zuverlässigkeit.

Der S-Typ scheut Veränderungen wie der Teufel das Weihwasser. Alles soll am besten so bleiben, wie es ist. Sein Umfeld soll berechenbar und stabil bleiben.

S-Typen ansprechen

Durch die Aversion gegen Veränderungen ist beispielsweise ein einheitliches Design bzw. Handling für den S-Typ sehr wichtig. Schon kleine Änderungen in den Funktionalitäten schrecken ihn eher ab.

In Texten und Bildern kann der Wunsch nach Erhaltung des Status quo ebenfalls aufgegriffen werden. Aggressive Bildwelten, wie sie einem D-Typ gefallen würden, führen hier nicht zum Erfolg. Ruhige, ausgeglichene und entspannte Botschaften sind wichtig.

Besonders wichtig ist das Sicherheitsbedürfnis des S-Typs. Hier kann mit Testimonials, Social Proof, aber auch mit Garantien, Zertifikaten oder sonstigen Trust-Elementen gearbeitet werden. Aussagen wie „schon seit 1999“ oder „über 100.000 Kunden nutzen bereits“ rufen bei ihm in besonderem Maße Vertrauen hervor.

Der „G“-Typ

Der gewissenhafte „G“-Typ ist wiederum eher auf Aufgaben ausgerichtet als auf Menschen. Ihm sind Zahlen, Daten und Fakten besonders wichtig.

Er ist

  • qualitätsbewusst,
  • perfektionistisch,
  •  analytisch und kritisch,
  • detailorientiert,
  • vorsichtig,
  • logisch und rational,
  • systematisch und strukturiert,
  • gründlich und akkurat,
  • reserviert und vorsichtig.

Sein hoher Qualitätsanspruch lässt ihn oft Berufe im Qualitäts- oder Sicherheitsmanagement, in (fein)-handwerklichen Gebieten oder in sonstigen Tätigkeitsfeldern, die eine hohe Detailorientierung und geringe Fehlertoleranz erfordern, auswählen.

G-Typen ansprechen

Der G-Typ gehört zu den Persönlichkeitstypen, dessen Bedürfnisse online am einfachsten zu erfüllen sind. Er liest sich gern in Texte ein und überprüft Fakten auch mehrmals – also Bahn frei für lange Verkaufstexte.

Überzeugen lässt er sich mit (fundierten) Zahlen und wissenschaftlichen Daten, Betonung der aktuellen Studienlage und einer logischen Argumentation. Die Betonung von Emotionen bringt bei ihm relativ wenig, könnte ihn sogar abschrecken.

Wenn Testimonials verwendet werden, dann von Autoritäten oder bekannten Persönlichkeiten im jeweiligen Fachgebiet. Normale Nutzermeinungen überzeugen den G-Typ nicht.

Besonders wichtig: Fehler aller Art (Schreib-, Argumentations-, Darstellungs-, Funktionsfehler) sollten penibel vermieden werden. Wegen seiner gründlichen, genauen und detailverliebten Persönlichkeit zeigen Fehler beim G-Typ sofort negative Wirkung. Der D-Typ würde die Fehler dagegen vielleicht gar nicht bemerken, der i-Typ würde sich darüber amüsieren.

Wie schon bei den im letzten Artikel behandelten Meta-Programmen weiß der Website-Betreiber nicht, wer gerade auf seiner Seite surft und welchem Persönlichkeitstyp er am ehesten entspricht. Deshalb bleiben auch hier nur die Möglichkeiten:

  • Testen und Optimieren,
  • Fokussieren auf einen oder zwei Typen, die in der Kundschaft überdimensional vertreten sind,
  • Berücksichtigen aller Typen oder
  • dynamische Generierung der Seiteninhalte, basierend auf Profilen aus bisherigem Verhalten.