'Jede Jeck es anders' - Zielgruppenspezifische Nutzeransprache Teil 1:

NLP-Meta-Programme

Felix Beilharz
Felix Beilharz

Felix Beilharz ist „einer der führenden Berater für Online- und Social Media Marketing“ (RTL). Er hat 10 Bücher veröffentlicht, Seminare und Vorträge in 16 Ländern gehalten und unterrichtet an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz. Seine Expertise wird von Medien wie ARD, ZDF, RTL, SAT. 1, Handelsblatt, F. A. Z. oder der Süddeutschen geschätzt.

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Die gezielte Ansprache unterschiedlicher Nutzertypen kann nicht nur die Conversions, sondern auch die Zufriedenheit und Kundenbindung steigern. Sowohl auf klassischen Websites als auch im Social Web lassen sich mit verschiedenen Modellen und Tools Nutzertypen identifizieren und passgenau ansprechen. Felix Beilharz zeigt in einer dreiteiligen Artikelreihe dazu einige Möglichkeiten auf, die sich ideal im Online-Marketing umsetzen lassen.

Jeder Mensch ist ein Individuum. Wenn man Faktoren wie Aussehen, Körpergröße, Gewicht, Haar- und Augenfarbe, Schuhgröße und Hautfarbe heranzieht, ergeben sich bereits nahezu endlos viele Kombinationsmöglichkeiten. Addiert man dazu noch Eigenschaften wie Geschmack, Vorlieben, Charaktereigenschaften oder Konsumpräferenzen, wird deutlich, wie unterschiedlich die Menschen doch sind. Und trotzdem haben wir alle vieles gemeinsam. Wir lassen uns bezüglich fast aller Faktoren in Gruppen oder Kategorien einordnen. Da gibt es die Dicken und die Dünnen, die Großen und die Kleinen, die Fleischesser und Vegetarier, die Hip Hop- und die Rock-Liebhaber.

Ohne derartige Gruppenbildung wären Produkterstellung und -verkauf auf großen Märkten nie möglich gewesen. Ein einziges Produkt wird nur selten allen potenziellen Kunden gerecht. Auf der anderen Seite ist die vollständige Personalisierung, das komplette „One-to-one-Marketing“ zwar wünschenswert, meist aber nur schwer umzusetzen. Stattdessen werden Mittelwege zwischen Massenmarketing und One-to-one-Ansätzen gewählt: Studentenrabatte beim Handyvertrag, Familientage im Kino, Frauenverträge im Fitnessstudio. So können Unternehmen bestimmte Zielgruppen mit spezifischen Angeboten ansprechen, ohne einer unbeherrschbaren Komplexität zum Opfer zu fallen.

Rein soziodemografische Merkmale (also Wohnort, Alter, Geschlecht etc.) zur Zielgruppenselektion heranzuziehen, ist heute jedoch nicht mehr zeitgemäß. Viel zu unterschiedlich sind die einzelnen Gruppen in sich. Man stelle sich nur die Zielgruppendefinition „männlich, 40-50 Jahre alt, Wohnort Köln, Akademiker“ vor. In dieser Gruppe werden sich Kleinwagenfahrer ebenso wie Harley-Davidson-Fans befinden, Fußballspieler ebenso wie passionierte Golfer, Alt-Linke ebenso wie Erz-Konservative, strenggläubige Moslems ebenso wie überzeugte Atheisten. Um wirklich hilfreiche Nutzertypen zu definieren, muss man einige Schritte weitergehen. In diesem und den folgenden Artikeln werden dazu Wege und Möglichkeiten vorgestellt, die sich insbesondere im Online-Marketing hervorragend einsetzen lassen.

Teilweise arbeiten Unternehmen bereits heute mit sogenannten Personas: beispielhafte fiktive Kunden, die prototypisch für Kundengruppen stehen. Hierbei werden typische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Beruf, Interessen und Lebensumfeld herausgearbeitet. Diese Personas dienen als Hilfestellung bei der Erstellung und Optimierung von Produkten, für Werbekampagnen, Website-Relaunches und Kundenbindungsmaßnahmen.

NLP als Mittel zur Zielgruppenansprache

Das neurolinguistische Programmieren (NLP; heute auch neurolinguistische Psychologie) ist eine in den 70er-Jahren entstandene Sammlung psychologischer Konzepte und Modelle. Die Begründer des NLP, Dr. Richard Bandler und Dr. John Grinder, beobachteten erfolgreiche Therapeuten und Anwender aus verschiedenen Disziplinen der Psychologie: Hypnotherapie, Gestalttherapie, Familientherapie etc. Dabei extrahierten sie bestimmte Denkhaltungen und Vorgehensweisen der Therapeuten und bildeten daraus Modelle, die sie selbst ebenso erfolgreich anwenden konnten wie die ursprünglichen Therapeuten. Im Laufe der Zeit wurde das Modell von NLP immer stärker erweitert. Wenn irgendetwas gut funktioniert, wurde und wird es zerlegt, analysiert und, wie es in der NLP-Sprache heißt, „modelliert“, sodass es auch anderen Anwendern zugänglich gemacht werden kann. Daraus folgt: Nur wenig im NLP ist originär von „NLP-lern“ erfunden worden, das meiste stammt aus anderen Disziplinen.

Meta-Programme im NLP

Ein wesentliches Konzept im NLP sind die sogenannten „Meta-Programme“. Hierbei handelt es sich um Wahrnehmungsfilter, die das subjektive Erleben jedes Einzelnen bestimmen. Auf jeden Menschen prasseln in jeder Sekunde unzählige Informationen ein. Nur wenige davon werden bewusst wahrgenommen. Hierfür sind zahlreiche Filter verantwortlich, die die Wahrnehmung jedes Menschen prägen. Die Informationen, die diese Filter durchdringen, werden verarbeitet und gespeichert. Hierfür sind wiederum Filter verantwortlich. Diese Filter kann man sich als Programme vorstellen, die im Kopf jedes Menschen ablaufen. Je nach der persönlichen Prägung, der bisherigen Erfahrungen und der sonstigen persönlichen Präferenzen unterscheiden sich diese Programme. Im NLP werden 40 dieser „Meta-Programme“ unterschieden, die die Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Motivation, Entscheidungsfindung und viele Verhaltensmerkmale steuern. Wer sich damit auskennt, kann dieses Wissen für bessere Kommunikation nutzen: sowohl im privaten und beruflichen Umfeld wie auch für Zielgruppen und Kunden. Nicht alle diese Meta-Programme sind gleich wichtig oder gleich gut geeignet für das Marketing. Im Folgenden werden drei ausgewählte Meta-Programme vorgestellt, die sich gut für das (Online-)Marketing eignen.

Meta-Programm: Motivationsrichtung

Ein grundsätzliches Meta-Programm, das bereits in der Werbung häufig genutzt wird, ist die Motivationsrichtung. Hierbei werden zwei Richtungen unterschieden: hin zu oder weg von. Die Frage hierbei lautet: Wovon lässt sich ein Mensch motivieren?

„Hin zu“-orientierte Menschen arbeiten auf ein Ziel hin. Beim Abnehmen werden sie zum Beispiel von der Zielvorstellung eines schlanken, durchtrainierten Körpers motiviert. Etwa 40 % der westlichen Bevölkerung denken primär in „Hin zu“-Bildern.

Das Gegenstück dazu sind „Weg von“-motivierte Menschen. Sie versuchen eher, einem ungewünschten Zustand zu entkommen bzw. ein Problem zu vermeiden. Um beim Beispiel abnehmen zu bleiben, sind für „Weg von“-Menschen die Angst vor Krankheiten, Schmerzen in den Gelenken oder einfach die Vorstellung ihres dicken, undefinierten Körpers die primären Treiber. Ebenfalls 40 % der Bevölkerung sind vornehmlich „Weg von“-motiviert. Die restlichen 20 % sind ausgeglichen, denken also sowohl in „Hin zu“- als auch in „Weg von“-Mustern.

Motivationsrichtungen nutzen

Um einen „Hin zu“-Menschen anzusprechen, ist eine möglichst lebendige und multisensorale Beschreibung des gewünschten Zielzustandes notwendig. Je besser sich der Nutzer das Ziel vorstellen kann, desto stärker fällt die Motivation aus. Auf Websites kann dies zum Beispiel mit Bildern und Videos erreicht werden.

Auch Formulierungen in Texten spielen eine wichtige Rolle. So sollten beim „Hin zu“-Motivierten vor allem Formulierungen wie „erreichen“, „bekommen“, „gewinnen“ oder „erhalten“ verwendet werden. Auch Erfolgsgeschichten und Testimonials begeisterter Anwender zeigen Wirkung.

Die folgenden Screenshots zeigen Beispiele von „Hin zu“-orientierten Landingpages, die mittels Google AdWords für die Keywords „Datenrettung“ und „Rechtsschutzversicherung“ beworben wurden.

Der „Weg von“-orientierte Nutzer braucht dagegen eine Vorstellung des Negativzustands. Hierbei können zum Beispiel Probleme, Gefahren und Risiken beschrieben und aufgezählt werden. Je lebendiger diese negativen Eindrücke werden, desto stärker fällt die Motivierung aus. Formulierungen wie „vermeiden“, „loswerden“, „nie wieder“ oder „Schluss mit“ verstärken die Wirkung zusätzlich. Auch negativ gefärbte Bilder oder Symbole (z. B. Blitze, Wolken, Stopp-Schilder etc.) lassen sich einsetzen.

In den folgenden zwei Screenshots wurde gezielt auf eine „Weg von“-Motivation gesetzt, was sich bei Produkten, deren primäres Ziel das Vermeiden von Kosten, Ärger und Stress ist, natürlich anbietet.

Interessant dabei ist, dass Abb. 1 und 3 von der gleichen Landingpage stammen. Der Anbieter lässt vier verschiedene Grafiken in einem Slider ablaufen. Zwei davon sind offensichtlich auf „Hin zu“-Motivation ausgerichtet, einer deutlich auf „Weg von“. So spricht das Unternehmen beide Nutzertypen mit den jeweiligen Präferenzen an.

Meta-Programm: Detail vs. Überblick

Eine zweite wesentliche Unterscheidung besteht darin, welche Größe die Informationseinheiten haben, mit denen eine Person am besten umgeht. Wenn manche Menschen ein Bild betrachten oder allgemein auf eine ungewohnte Situation stoßen, nehmen sie zuerst einen Gesamtüberblick, das „große Ganze“ wahr. Erst dann zerlegen sie das Bild in die Einzelteile und nehmen Details wahr. Andere Menschen hingegen fixieren sich sofort auf ein oder wenige Details und bauen sich so nach und nach das Gesamtbild zusammen. Diese „Überblickssortierer“ nehmen in unserer Gesellschaft mit 60 % den größten Anteil ein. Die eher auf Details fokussierten „Detailsortierer“ liegen bei etwa 15 %, der Rest ist mehr oder weniger ausgeglichen, was seine Informationsverarbeitung angeht.

Detail- und Überblickssortierer ansprechen

Einen Detailsortierer spricht man am besten mit ausführlichen Erklärungen aller Einzelheiten an. Ein solcher Nutzer lädt sich das Datenblatt zur Mikrowelle tatsächlich herunter und vergleicht die exakten Werte mit denen anderer Modelle. Informationseinheiten sollten in kleine Teile zerlegt werden, die sich Schritt für Schritt aneinanderreihen. Fotos zeigen am besten einzelne Produktbestandteile in Nahaufnahme. Berufe, in denen es auf eine hohe Ausprägung der Detailorientierung ankommt, sind beispielsweise Buchhalter, Chirurg, Feinmechaniker oder auch Rechtsanwalt.

Überblickssortierer wollen dagegen schnell das Wesentliche erkennen, anstatt sich in Details zu verlieren. Einzelheiten interessieren sie (zumindest am Anfang) eher nicht. Ein ausführlicher Text wäre für sie ungeeignet – stattdessen bevorzugen sie beispielsweise einen kurzen Teaser mit den wichtigsten Hauptaussagen, vielleicht einige Bullet Points sowie die schnelle Möglichkeit, eine Aktion durchzuführen (Call-to-Action). Textblöcke sollten kurz gehalten und auf die wesentlichen Informationen beschränkt sein. Ausführlichere Informationen können mit weiterführenden Links angeboten werden. Bildmaterial sollte vor allem das Produkt im Einsatz zeigen. Typische Berufe, in denen sich Überblickssortierer wohlfühlen, sind Positionen im Management sowie Projektleiter, Bauleiter oder Unternehmer/Entrepreneur.

Meta-Programm: Convincer-Kanal

Das dritte Meta-Programm an dieser Stelle bezieht sich auf die Frage, wie ein Mensch sich überzeugen lässt bzw. Informationen als wahr anerkennt. Grundsätzlich lassen sich hierbei vier Typen unterscheiden:

  • Sehen: Etwa 55 Prozent der Bevölkerung müssen etwas sehen, um es zu glauben.
  • Hören: Ca. 30 Prozent brauchen eine verbale Repräsentation.
  • Lesen: Bei etwa 3 Prozent der Menschen reicht es aus, wenn sie etwas lesen.
  • Handeln: Ca. 12 Prozent lassen sich nur durch eine eigene, aktive Handlung überzeugen.

Diese Typen gehen eng einher mit den Sinneskanälen: Sehen und Lesen beziehen sich auf den visuellen Sinneskanal, Hören auf den auditiven und Handeln lässt sich grob zum kinästhetischen Kanal, also Spüren oder Fühlen, zuordnen.

Der Convincer-Kanal „Sehen“ lässt sich im Internet hervorragend bedienen. Bilder und Videos, Animationen, Infografiken, Präsentationen, aber auch Webinare oder Hangouts bedienen sich größtenteils visueller Elemente. Mit kräftigen Farben und starken „Visuals“ erreicht man diesen Nutzertyp sehr gut.

Menschen mit einem ausgeprägten Convincer-Kanal „Hören“ im Internet zu erreichen, ist schon etwas schwieriger. Hier bieten sich neben Podcasts vor allem auch Webinare und Videos an, die ja ebenfalls auditive Elemente (Sprache, Musik) enthalten.

Die größte Herausforderung stellt der Convincer-Kanal „Handeln“ dar. Da man Produkte und Dienstleistungen, die auf Websites oder Online-Shops angeboten werden, nicht direkt berühren und ausprobieren kann, muss man sich hier mit Notlösungen behelfen. Eine Möglichkeit stellen natürlich Produktproben dar, die sich der Interessent kostenlos bestellen kann. Das ist jedoch nicht in jedem Fall möglich. Eine weitere Annäherung ist interaktiver Content, zum Beispiel Spiele (Stichwort „Gamification“), Applikationen, Rechner und Konfiguratoren, Quiz oder Klickstrecken. Der Nutzer sollte so weit wie möglich aktiv mit einbezogen werden und das Gefühl haben, selbst etwas getan zu haben.

„Lesen“ soll hier nicht näher behandelt werden, da Texte die Basis jeder Website darstellen. Hier gelten alle Grundregeln für gutes Texten, die regelmäßig auch in Website-Boosting-Artikeln besprochen werden.

Fazit zu den Meta-Programmen

Die NLP-Meta-Programme sind grundsätzliche Beschreibungen menschlicher Denkmuster. Sie sind weder gut noch schlecht, weder richtig noch falsch. Jedes Meta-Programm kann in bestimmten Situationen sinnvoll und nützlich sein. Darüber hinaus sind die Meta-Programme durchaus nicht statisch. Sie können sich beispielsweise mit zunehmendem Alter verändern. Auch können Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen (z. B. Beruf und Privat) andere Meta-Programmmuster haben. Wichtig ist, sich der verschiedenen Muster bewusst zu sein und darauf zu achten, nach Möglichkeit mehrere Typen gleichermaßen anzusprechen.

Bei manchen Produktkategorien kann es sinnvoll sein, sich auf einen bestimmten Typus zu beschränken. So dürfte eine Software für Steuerberater sich wohl eher mit detailorientierten Landingpages verkaufen lassen. Im Gegensatz dazu wird ein E-Book für Entrepreneure eher mit Überblicksorientierung funktionieren.

Wenn die Ausrichtung aufgrund der Produktkategorie nicht klar ist, bieten sich zwei weitere Möglichkeiten an:

  1. Mehrere Typen abdecken.
  2. A/B-Testing, um die effektivere Variante herauszufinden.

In den nächsten Teilen dieser Artikelserie werden weitere Möglichkeiten zur zielgruppenspezifischen Nutzeransprache vorgestellt. Dabei kommt zum einen das DiSG®-Persönlichkeitsmodell zum Einsatz, zum anderen die Social Technographics Ladder, mit der Social-Media-Nutzertypen identifiziert und zielgerichtet angesprochen werden können.