Buchen beginnt beim Suchen

Gerhard Großjohann
Gerhard Großjohann

Gerhard Großjohann (57) ist seit 1998 freiberuflich als Fachjournalist tätig. Seine publizistischen Wurzeln liegen in der Lokalberichterstattung und im Energiemarkt. Dort war er u. a. Chefredakteur einer führenden Energiefachzeitschrift. Seit mehr als zehn Jahren kümmert er sich fast ausschließlich um Themen der Informationstechnologie in verschiedenen Branchen. Projektberichte und Interviews zählt er zu seinen bevorzugten Disziplinen.

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Semantische Suchverfahren revolutionieren den Online-Touristikmarkt. Eine neuartige Technologie versteht und interpretiert Einfeld-Freitextanfragen und liefert qualitativ hochwertige Reiseangebote. Damit finden Reisesuchende erheblich schneller und zielsicherer zum Wunschurlaub. Portalbetreiber können mithilfe solcher Technologien Umsatz und Image steigern, weil sich weniger User nach vergeblichem Suchen wie sonst entnervt zum nächsten Anbieter klicken.

Die Semantik befasst sich mit der Bedeutung von Worten, Sätzen oder Texten. Sie liefert Informationen über die reine Begrifflichkeit hinaus. Das heißt, wer semantische Fähigkeiten hat, erhält beim Textverarbeiten implizit mehr Informationen als jemand, der Worte nur als Zeichenabfolge wahrnimmt. Wenn man so will, schaut die Semantik hinter die Kulisse der Worthülse. Sie entschlüsselt ihren Code, versteht Kontexte und offenbart die darin enthaltene Botschaft.

Der kleine linguistische Diskurs sei vorweggeschickt, um zu verdeutlichen, welchen qualitativen Quantensprung es für die Entwicklung der Internetsuche bedeutet, wenn semantische Fähigkeiten ins Spiel kommen. Klassische Suchmaschinen arbeiten nach dem Prinzip des Abgleichs von Zeichenabfolgen, verstehen deren Sinn aber nicht. Semantische Suchalgorithmen hingegen interpretieren darüber hinaus die Eingaben des Suchenden – und verbessern damit signifikant das Suchergebnis.

Anfragen richtig verstehen und interpretieren

In wissenschaftlicher Hinsicht ist diese Technologie noch nicht so weit entwickelt, als dass man sie auf breiter Front einsetzen könnte. Handelt es sich aber um eine klar umrissene Domäne mit relativ überschaubarem Vokabular wie beispielsweise die Touristik, lassen sich schon heute sehr gute Ergebnisse erzielen. Den Beweis tritt die Omikron Data Quality GmbH mit Fact-Finder Travel an. Die erste semantische Einfeldsuche für Reiseportale kann Freitextanfragen richtig verstehen und interpretieren. Die Lösung ist mittlerweile bei einer Reihe führender Anbieter erfolgreich im Einsatz.

Doch nicht nur die thematische Begrenztheit prädestiniert die semantische Suchtechnologie für den Einsatz in der Tourismusbranche. Allgemein herrscht großer Bedarf. Kaum eine andere Branche bietet eine vergleichbar große Produktvielfalt an, bei der zusätzlich so viele weiche und emotionale Faktoren wie Wohlfühlen, Relaxen, Spaß, Erholung, Ruhe und Zeit eine große Rolle spielen. Urlaub und Reisen sind ein komplexes und individuelles Thema, bei dem jeder Mensch eigene Vorstellungen und Wünsche hat. Diese möchte er auch in den Reiseangeboten gespiegelt sehen.

„Reisesuchende verbringen im Schnitt neun Stunden auf 13 Websites, bevor sie ihr Urlaubsziel finden.“

Im Internet ist die Realität jedoch vielfach noch eine andere. Die Online-Buchung wird zwar immer beliebter, weil das Internet den bequemen und jederzeitigen Zutritt zum virtuellen Reisebüro ermöglicht und die größtmögliche Basis von Vergleichsinformationen bietet. Die meisten User schätzen die gewaltige Auswahl auch, jedoch verirren sie sich darin regelmäßig. Studien und Analysen zum Besucherverhalten auf Online-Reiseportalen zeigen, dass Reisesuchende im Durchschnitt neun(!) Stunden  auf 13(!) Websites verbringen, bevor sie ihre Wunschdestination finden. Diese Situation erzeugt auf beiden Seiten des Bildschirms Frustration. Beim Reisesuchenden, weil er immens viel Zeit verschwendet, was womöglich sogar seine Vorfreude trübt. Verlierer sind aber all jene Reiseanbieter, die quasi überblättert wurden, weil sie die Wünsche des Reisesuchenden nicht verstanden haben. Ihr Image leidet unter der Unübersichtlichkeit der Angebote, die Conversion-Rate bleibt bescheiden. Und ob der Interessent die Site erneut besucht, darf bezweifelt werden. Der Anbieter hat sich beim Kunden quasi disqualifiziert.

Hilfe für alle Suchtypen

Ein erfolgreicher Buchungsabschluss steht und fällt also mit einem zufriedenstellenden Suchprozess. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie „Usability in Online-Reiseportalen“, die von Omikron durchgeführt wurde. Die Grunderwartungen, die von den meisten befragten Personen an ein Online-Reiseportal gestellt werden, sind erwartungsgemäß Übersichtlichkeit und simple Bedienung. Die User fordern eine intelligente Suche, die ihre Wünsche in natürlicher Sprache versteht und ohne große Umwege zum idealen Reiseziel führt. Dies kommt allen Suchtypen entgegen. Der entschlossene Suchende will schnell und mit minimalem Aufwand zu den passenden Ergebnissen navigieren. Für ihn stellen daher leichte Orientierung und eine effektive Suchfunktion die wichtigsten Kriterien eines zufriedenstellenden Online-Reiseportals dar. Der Unentschlossene hingegen möchte sich während des Suchprozesses inspirieren lassen und auf emotionale Weise seine Entscheidungsfindung vorantreiben. Für diesen Suchtyp bietet eine Freitextsuche die Möglichkeit, seine Wünsche in vagen Worten einzugeben wie beispielsweise „über Weihnachten ins Warme“. Er kann sich dann durch die selektierten Reisevorschläge inspirieren und beraten lassen.

Beide Bedürfnisse erfüllt die semantische Suchtechnologie. Sie bringt den Reisewilligen 60 bis 70 Prozent schneller zum Ziel, was insbesondere dem entschlossenen Suchtyp entgegenkommt. Aber auch unentschlossene Sucher profitieren, weil sie im Suchfeld in eigenen Worten ihre Wünsche zur Reise ausdrücken können und damit ebenfalls ein befriedigendes Ergebnis erzielen. Insbesondere Individualreisen lassen sich so besser finden.

„Eine semantische Suchtechnologie bringt Reisewillige 60 bis 70 Prozent schneller zum Ziel.“

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Funktionsweise. Die Anfrage lautet: „Ostern Sonne 2 Kinder.” Herkömmliche Suchalgorithmen verstehen weder die Reisezeit noch Ziel und Zweck der Reise. Schlimmstenfalls erscheinen Ergebnisse wie „Osterinseln“ oder „Hotel zur Sonne”. Die semantische Suchtechnologie hingegen erkennt, was sehr wahrscheinlich gemeint ist: Osterferien an einem warmen Ort, für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Im Hintergrund werden dafür sämtliche Eingaben von der semantischen Suchlösung mit einer Wissenswolke verknüpft. Das sind verschiedene Datenbanken, die im touristischen Kontext relevante Informationen liefern, beispielsweise TravelTainment, GIATA-Daten und von Omikron für diesen Zweck selbst eingerichtete Datenquellen wie etwa Klimatabellen, Geo-Koordinaten, Ferientermine etc. Anschließend bewertet das System die Lösungsmöglichkeiten nach ihrer Wahrscheinlichkeit. Dabei werden auch mögliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Begriffen analysiert.

Hohe Interpretationssicherheit

Die Anfrage „Ostern Sonne“ bedeutet beispielsweise, dass Reiseziele gefragt sind, an denen es zu Ostern schon warm ist und wo in der Regel Badewetter herrscht. Um die Ergebnisse zu bewerten, greift das System auf eine Klimatabelle zu und schlägt ausschließlich Ziele vor, die diesem Kriterium entsprechen. Der Anfragebegriff „Kind“ andererseits zeigt nur Termine an, die in den Ferien liegen. Mithilfe von Geocodes werden auch Points of Interest buchbaren Zielen zugeordnet. Auf die Suchanfrage „Hotel am Eiffelturm“ etwa liefern herkömmliche Suchfunktionen entweder kein Ergebnis oder endlos lange Listen mit Hotels in Paris. Die neuartige semantische Suchtechnologie hingegen zeigt eine selektierte Trefferliste mit Hotels in direkter Nähe des Eiffelturms an – inklusive der exakten Entfernung zum Zielort. Auf diese Weise werden die Reiseangebote auf jene begrenzt, die mit größter Wahrscheinlichkeit zur Buchung führen. In der deutschen Version der Applikation liegt die Interpretationssicherheit bei rund 90 Prozent.

Die Benutzerfreundlichkeit ist vorbildlich. Der User muss sich nicht der Sprache der Datenbank anpassen, sondern er kann seine Reisewünsche in eigenen Worten formulieren – genau so, wie er es beim Surfen im Internet gewohnt ist. Stattdessen wird die Anfrage in die Systemlogik der Reiseveranstalter und Anbieter übersetzt, die mit der Internet Booking Engine (IBE) arbeiten. In Sekundenbruchteilen erscheint eine nach Bedürfnissen und Wünschen des Kunden selektierte übersichtliche Ergebnisauswahl mit hoher Treffergenauigkeit.

Eine besondere Stärke der Lösung liegt darin, Sonderwünsche zu berücksichtigen, vor denen herkömmliche Suchmasken meist kapitulieren. Die semantische Touristiksuche „versteht“ auch Portalbesucher, die beispielsweise Extras wie „direkte Strandlage“, „WLAN“ oder „AI“ in das Suchfeld mit eingeben. Umgangssprachliche Formulierungen („Malle“) werden ebenso akzeptiert, Vertipper und Rechtschreibfehler (Standlage, Kraibik) richtig interpretiert. Damit bleibt den Kunden genau jener Teil der Reisesuche erspart, der sie bisher am meisten genervt hat. Reiseanbieter können dadurch wertvolles Conversion-Potenzial erschließen, das bisher praktisch ungenutzt blieb.

Die Fähigkeit zur Fehlertoleranz ist für die interne Suche ein sehr wichtiger Punkt. Fast zehn Prozent aller deutschen Sucheingaben bei Google enthalten Tipp- oder Rechtschreibfehler. Umso wichtiger erscheint es, dass die eigene Suche nicht bereits falsche oder keine Ergebnisse liefert, nur weil der Suchende einen Buchstaben, einen Bindestrich oder auch Leerzeichen in einer eingetippten Produktbezeichnung vergessen hat. Man tut sicher gut daran, die anspruchsvolle Mechanik hinter dem Suchschlitz nicht einem in den Shop oder das CMS integrierten Standardsystem oder ambitioniert mutigen Programmierern zu überlassen, sondern professionelle Technik einzubinden. Viele Shopbetreiber berichten von Umsatzsteigerungen von bis zu einem Drittel nach dem Einsatz einer solchen spezialisierten Suchfunktion.

Bei der neuen semantischen Reisesuche wird dieses E-Commerce-Know-how mit heutigen Usability-Anforderungen im Reisemarkt kombiniert. Das heißt, die vom User erlernten Suchgewohnheiten aus E-Commerce-Bereichen mit Standardprodukten lassen sich damit auf den komplexen Touristikmarkt übertragen.

Semantische Suche übernimmt im Online-Reisebüro die Rolle des Expedienten

Der semantischen Suchtechnologie liegen Ontologien (Begriffswelten als Basis für die semantische Analyse von Texten) und patentierte Fuzzy-Logik-Module (unterstützen die unscharfe Suche) zugrunde. Eben darin liegt der wesentliche Unterschied zur klassischen Keyword-Suche, die nur Buchstabenfolgen vergleicht, ohne deren Inhalt zu verstehen. Dadurch kompensiert das Internetportal auch einen wesentlichen Nachteil gegenüber dem klassischen Reisebüro: Die semantische Suche hilft dem Interessenten im Internet in vergleichbarer Weise wie ein Berater im stationären Reisebüro, der seiner Kundschaft gegenübersitzt und sachkundig auf ihre Wünsche eingeht.

Die Applikation lässt sich flexibel nach individuellen Kriterien in beliebige Systemumgebungen integrieren und spezifischen Anforderungen anpassen. Implementierungsprojekte dauern in der Regel nur wenige Tage. Auch bleibt es dem Anwender überlassen, die Einfeldsuche entweder parallel zur klassischen Suche einzusetzen oder von Anfang an exklusiv mit der neuen Technologie zu arbeiten.

Das Gemeine im Internet ist, dass heute Besucher oft unbedarft einfach davon ausgehen, bei einem Suchschlitz die gleiche Funktionalität wie bei Google zur Verfügung zu haben, wo jahrelang Tausende von Entwicklern an der richtigen Interpretation der Sucheingaben werkeln. Man kann diese Erwartung ignorieren und die Enttäuschung seiner Besucher bei schlechten Suchergebnissen billigend in Kauf nehmen. Experten gehen aber davon aus, dass sich semantische Verfahren nicht nur im Reisebereich, sondern auch in anderen Bereichen notwendigerweise zur Steigerung der Zufriedenheit der potenziellen Kunden ausbreiten werden. Die hier beschriebene Lösung „Fact-Finder“ wurde fokussiert für den Touristikbereich entwickelt. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis auch in anderen Branchen spezialisierte Systeme zur Verfügung stehen. 

Fazit: In der Reisebranche wird Suchen zur semantischen Übung. Nur dass sie in diesem Fall einen echten Nutzen bringt.