Wer hat hier eigentlich die Verantwortung!?

Timo Aden
Timo Aden

Timo Aden ist Gründer und Geschäftsführer der Trakken Web Services GmbH – eines auf Digital Analytics, Conversion Optimization, DoubleClick und Google Cloud spezialisierten Unternehmens mit mehreren europäischen Offices. Zudem ist er Buchautor mehrerer Google-Analytics-Bestseller, Dozent der FHWS und anerkannter Google-Analytics-Experte.

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Mangels breit verfügbarer und erschwinglicher Tools wurde der Erfolg beim Online-Marketing jahrelang nach dem Prinzip des letzten Klicks zugeordnet. Was der Besucher zuletzt tat bzw. worauf er zuletzt klickte, auf welchem Weg er also in den eigenen Shop oder Webauftritt kam – dieser Punkt bekam und bekommt noch heute in der Regel 100 Prozent der „Verantwortung“ gutgeschrieben. Beim kostenlosen Webanalyse-Tool Google Analytics führt man nun eine neue Funktion ein, mit der die Customer Journey sehr viel exakter zugeordnet und die Erfolgszuordnung deutlich genauer und damit besser berechnet werden kann. Trackingspezialist Timo Aden erklärt, wie man von dem neuen Feature profitiert, sobald es in Deutschland verfügbar ist.

Eines der Trendthemen des Jahres 2012 war sicherlich Customer Journey und Conversion Attribution. Vieles wurde darüber geschrieben, vieles wurde diskutiert. Effektiv umgesetzt wird es dennoch erst von verhältnismäßig wenigen Unternehmen. Dies liegt sicherlich daran, dass zum einen entsprechende Tools für die Auswertung der Daten nicht immer sehr preiswert sind. Zum anderen aber liegt das Drüber-Reden-statt-Handeln auch daran, dass das Thema zwar logisch und nachvollziehbar, in der Realität dann aber doch eher komplex in der Umsetzung ist.

Google Analytics hat bereits vor einigen Monaten mit den Multi-Channel-Trichtern einen großen Schritt in eine einfache und für jeden nutzbare Customer-Journey-Analyse getan. Hierüber kann nach vorbereitenden und abschließenden Traffic-Quellen in Bezug auf flexibel definierbare Conversion-Ziele unterschieden werden. Nachdem jahrzehntelang die Last-Cookie-wins-Methode die weitestgehend einzige Möglichkeit war, Kampagnen nach Erfolg zu beurteilen, bieten die Multi-Channel-Trichter in Google Analytics eine kostenlose Option, zumindest zu unterscheiden, ob eine Quelle nun eher vorbereitender oder abschließender Natur war (siehe Bericht „Vorbereitete Conversions“ in Google Analytics). Zudem kann die Reihenfolge der verschiedenen Touchpoints auf dem Weg zu einer Conversion analysiert werden – siehe hierzu den Bericht „Top-Conversion-Pfade“ in Google Analytics.

Dennoch, eine flexible und individuelle Zuordnungsmöglichkeit von Conversions und damit eine Bewertung der unterschiedlichen Quellen ist innerhalb von Google Analytics mit den Multi-Channel-Trichtern nicht möglich. Mithilfe von Excel konnte man sich eigene Attributionsmodelle auf Basis der Daten aus den Multi-Channel-Trichtern erstellen – allerdings manuell, verbunden mit Arbeit und nicht intuitiv.

Google Analytics Premium, eine Bezahlversion von Google Analytics, die vor über einem Jahr bereits in den USA und in UK gelauncht wurde und in Kürze auch in Deutschland verfügbar sein wird, hat hierfür eine spezielle Lösung parat: das Zuordnungsmodellierungs-Tool.

Info

Google Analytics Premium basiert auf der kostenlosen Version von Google Analytics, verfügt aber über einige Erweiterungen. So gibt es zusätzliche Features, höhere Datenbanklimits, schnellere Verarbeitungsgeschwindigkeit, offiziellen Support, Verträge und SLAs. Wer tiefer gehendes Interesse an Google Analytics Premium hat, kann den Autor kontaktieren.

Innerhalb der nächsten Wochen und Monate wird das Zuordnungsmodellierungs-Tool nicht mehr exklusiv für Google-Analytics-Premium-Kunden angeboten, sondern auf alle – auch sämtliche kostenlose – Accounts ausgerollt. Damit bekommen sämtliche Google-Analytics-Konten ein wirklich mächtiges Feature hinzugeschaltet. Wenn es im Account aktiviert wurde, findet man es innerhalb des Reporting-Blockes Conversions -> Multi-Channel-Trichter -> Zuordnungsmodellierungs-Tool.

Davon ausgehend, dass eine Conversion-Zuordnung auf die letzte Quelle nicht der richtige Weg ist, wird schnell klar, dass es weitere Modelle hierfür geben muss, denn in der Regel gibt es immer mehrere Berührungspunkte, ehe ein User ein gewünschtes Ziel (beispielsweise einen Kauf) erfüllt. Das Zuordnungsmodellierungs-Tool ermöglicht Ihnen eine Analyse, wie sich sowohl die Anzahl der Conversions als auch die Conversion-Werte, also die Umsätze, die über eine bestimmte Quelle erzielt wurden, verändern, wenn nicht mehr nur die letzte Quelle für die Zuordnung ausschlaggebend ist.

Für die Durchführung dieser Analysen stehen sieben unterschiedliche Standardmodelle sowie individuell erstellbare Modelle zur Verfügung:

Letzte Interaktion

Die letzte Interaktion ist hierbei die herkömmliche Betrachtungsweise – die Conversion wird der letzten Quelle zugeordnet. Anhand dieses Modells wird ersichtlich, welche Traffic-Quelle als letzte genutzt wurde, über die dann die Conversion ausgelöst wurde. Ebenso wird deutlich, wie viel Umsatz über dieses Modell je Quelle erzielt wurde, sodass recht leicht errechnen werden kann, ob diese Quelle einen positiven Return on Ad Spend (ROAS) hat oder nicht (vorausgesetzt, Ihnen entstehen für diese Quelle auch Kosten).

Letzter indirekter Klick

Das Modell des letzten indirekten Klicks betrachtet die Conversions so, wie es innerhalb von Google Analytics in der Vergangenheit immer üblich war, bevor der Multi-Channel-Trichter und die Attribution eingeführt wurden. Der Hintergrund hierfür ist, dass die letzte Traffic-Quelle immer dann eine Conversion zugeschrieben bekommt, wenn sie die letzte zuordenbare Quelle war, über die ein User eine Conversion generierte. Allerdings gibt es hier eine Ausnahme – und das sind die Direktzugriffe. Kommt ein User beispielsweise zunächst über eine AdWords-Kampagne, um dann einige Zeit später über einen Direktzugriff, also das direkte Eintippen der URL in die Adresszeile des Browsers oder über die Nutzung der browsereigenen Bookmark-Funktion, auf die Seite, so wird diese Conversion nicht der Direkteingabe zugeordnet, sondern der AdWords-Kampagne. Das heißt, die vorige Quelle wird immer dann überschrieben und der letzten Traffic-Quelle zugeordnet, solange es nicht eine Direkteingabe oder die Nutzung eines Browser-Bookmarks ist. Demzufolge ist bei einem Vergleich des Modells „Letzte Interaktion“ mit „Letzter indirekter Klick“ auch nur eine kleine Änderung feststellbar. Die größte Änderung hingegen gibt es bei der Betrachtung der Direktzugriffe – hier ist die dargestellte Anzahl der Conversions bei der Betrachtung der letzten Interaktion deutlich höher als bei der Betrachtung nach dem letzten indirekten Klick. Dies ist absolut nachvollziehbar und entspricht der eben hergeleiteten Erklärung.

Letzter AdWords-Klick

Bei der Betrachtung dieses Attributionsmodells werden die Conversions vermehrt dem AdWords-Kanal zugeordnet. und zwar immer dann, wenn der letzte Klick über AdWords kam.

Erste Interaktion

Die Betrachtung des Modells der ersten Interaktion stellt genau das Gegenteil des Modells der letzten Interaktion dar. Und zwar werden die erzielten Conversions allesamt der ersten Quelle, über die der User innerhalb der letzten 30 Tage auf die Seite kam, zugeordnet. Angenommen, ein User kommt zunächst über ein Display-Banner auf die Seite und hat somit den ersten Kontakt zu einer Marke. Etwas später kommt er dann über die organische Suche, um kurz danach über eine Direkteingabe der URL zu konvertieren. Das Modell der ersten Interaktion ordnet diese Conversion nun dem Display-Banner zu – nicht wie bei dem Modell der letzten Interaktion der Direkteingabe und nicht wie bei dem Modell des letzten indirekten Klicks der organischen Suche.

Linear

Vielleicht ist manchem die Darstellung gemäß der ersten Interaktion zu radikal, da dort sämtliche Traffic-Quellen, die nach dem ersten Kontakt entstehen, nicht berücksichtigt werden. Die Betrachtung der linearen Conversion-Zuordnung berücksichtigt diesen Aspekt. Hier werden nun sämtliche Kontaktpunkte und deren Traffic-Quellen auf dem Weg zur Conversion in Betracht gezogen. Dabei erhalten alle Quellen die gleiche Zuordnung an Conversions und Conversion-Werten.

Zeitlich abnehmend

Wenn man sich überlegt, welcher Kontaktpunkt bzw. welche Traffic-Quelle an welcher Position wohl den größten Ausschlag gegeben haben könnte, um die Conversion durchzuführen, so kommt man irgendwann auch auf die Idee, dass es neben den Komponenten der unterschiedlichen Quellen auch einen zeitlichen Faktor geben könnte. Sollte eine Traffic-Quelle, die zeitlich eher kurz vor der Conversion liegt, stärker gewichtet werden als eine Traffic-Quelle, die fast 30 Tage her ist? Die Betrachtung „Zeitlich abnehmend“ berücksichtigt genau diesen Aspekt. Zeitlich nähere Quellen bekommen mehr Conversions zugeordnet als solche, die innerhalb des Kauf- bzw. Kaufevaluierungsprozesses eher am Anfang lagen.

Auf Grundlage der Position

Dieses Modell basiert auf der Theorie, dass die erste Traffic-Quelle, über die ein User kam, der später konvertierte, ebenso viel zu der Conversion beitrug wie die letzte Quelle. Dieses Modell wird auch U-Modell oder Badewannenmodell genannt. Es werden sämtliche Quellen, die zwischen dem ersten und dem letzten Kontakt (also dem Kontakt, der dann auch zur Conversion führte) liegen, gleich betrachtet und weniger gewichtet - sie tragen somit auch weniger zu den Conversions bei. In der Praxis hat sich dieses Modell verhältnismäßig gut durchgesetzt. Natürlich entspricht auch dieses nicht der Realität, aber es ist recht leicht nachzuvollziehen und macht Sinn. Auf jeden Fall sorgt es dafür, dass es weitere Komponenten als nur die letzte Quelle, wie es in der Vergangenheit üblich war, betrachtet werden.

Benutzerdefiniertes Modell

Falls Ihnen die vorigen Modelle zu starr sind oder unter Umständen nicht auf Ihr Business oder Ihre Fragestellungen anwendbar sind, so haben Sie hier die Möglichkeit, eigene Conversion-Zuordnungsmodelle zu erstellen.

Nachdem ein Modellname vergeben wurde, muss ein Basismodell ausgewählt werden, welches als Grundlage für Ihre weiteren Anpassungen dient. Als Basismodelle stehen folgende Optionen zur Auswahl:

  • Linear
  • Zeitlich abnehmend
  • Auf Grundlage der Position

Bei dem zeitlich abnehmenden Modell besteht die Möglichkeit, die Halbwertszeit einzustellen. Per Default ist diese mit sieben Tagen eingestellt. Die Halbwertszeit kennzeichnet die Anzahl der Tage, an denen User über andere Quellen auf die Website kamen, die vor einer Conversion lagen. Wenn die Halbwertszeit auf sieben Tage eingestellt ist, bedeutet dies, dass eine vorbereitende Quelle 50 Prozent weniger Conversions zugeordnet bekommt als die Quelle, die am Ende die Conversion generiert hat. Je höher die Halbwertszeit eingestellt ist, desto flacher verläuft die Kurve des zeitlich abnehmenden Modells.

Wählt man hingegen als Basismodell die U-Berechnung (auf Grundlage der Position), so kann man hier die prozentuale Verteilung der Conversion-Zurechnung für die erste Interaktion, die mittlereInteraktionen und die letzte Interaktion zuordnen. Per Default werden die letzte und die erste Interaktion mit 40 Prozent bedacht, die mittleren mit 20 Prozent. Die 20 Prozent für die mittleren Interaktionen werden gleichmäßig auf sämtliche anfallenden Quellen aufgeteilt. Gibt es beispielsweise nur eine einzige mittlere Quelle, so bekommt diese 20 Prozent der Conversion zugeordnet. Gibt es jedoch vier mittlere Quellen, bekommt jede dieser Quellen 5 Prozent zugeordnet. Die gesamte Summe der prozentualen Zuordnung muss am Ende natürlich 100 Prozent ergeben. Hier kann man damit beginnen, die Verteilung entsprechend den eigenen Wünschen anzupassen, sich von dem U-Modell zu lösen und beispielsweise für die erste Interaktion nur 30 Prozent zu vergeben, dafür aber für die letzte Interaktion 50 Prozent.

Bei allen drei Basismodellen beträgt die maximale Zeit, die für die Berechnung der Modelle betrachtet wird, die vergangenen 30 Tage. Das heißt, es werden nur die 30 Tage vor der Conversion betrachtet – ein längerer Zeitraum ist nicht möglich. Über einen Slider oder die beiden Pfeiltasten können Sie die Zeitdauer des Lookback-Fensters verändern – abhängig davon, was die Ziele Ihrer Website sind.

Im Anschluss können weitere individuelle Bedingungen definiert werden. Man kann aus einer Vielzahl unterschiedlicher Attribute auswählen und diese mit dem zum eigenen Business passenden Bedingungen versehen. Dies kann individuell für jede einzelne Traffic-Quelle oder für Gruppen von Quellen durchgeführt werden – immer auch in Abhängigkeit vom Benutzerverhalten des Users auf der Website.

So kann beispielsweise die Position im Pfad individuell gewichtet werden. Oder aber es können auch Quellen, die Besuche mit Absprung (Bounce) generiert haben, weniger hoch in die Conversion-Berechnung einfließen.

Innerhalb des Zuordnungsmodellierungs-Tools kann man nun die Conversions und die Conversion-Werte unterschiedlicher Modelle im Vergleich zueinander betrachten – hierbei können bis zu drei Modelle gleichzeitig dargestellt werden. Sofern man ein zweites Vergleichsmodell hinzugefügt hat, wird in der unteren Tabelle eine weitere Spalte ergänzt – die prozentuale Veränderung des Vergleichsmodells zur ersten Auswahl. Hierüber kann man sehr schnell sehen, wie sich die Conversions hinsichtlich der verschiedenen Modelle unterschiedlich berechnen.

Für die tägliche Arbeit mit diesem Zuordnungsmodellierungs-Tool (oder auch Attributionsmodell) ist es schwierig, aussagekräftige Best-Practice-Feststellungen zu treffen, die bei jedem passend angewendet werden können, denn jedes Business ist individuell und anders als andere. Jedes Unternehmen verfolgt zumindest geringfügig eine andere Strategie hinsichtlich der Allokation von Budgets in Kampagnen und Traffic-Quellen – und User verhalten sich sowieso anders, als man denkt und plant. Demzufolge wäre eine Aussage „Modell xyz ist für Sie genau das richtige“ nicht seriös. Es bedarf zunächst genauerer Analysen und der Kenntnis der Unternehmens- und Marketing-Strategie. Demnach ist es wichtig und sinnvoll, intensiv darüber nachzudenken, welche Modelle passend sein könnten und welche Individualisierungen vorgenommen werden sollten. Im Anschluss kann man mit den verschiedenen Modellen „herumspielen“ – nur so lernt man sie kennen und bekommt ein Gefühl dafür, wie sich die Daten je nach Modell verändern bzw. wie sich die unterschiedlichen Betrachtungen auswirken.