SEO auf Wikipedia – Chance oder fehl am Platz?

Joachim Gerloff
Joachim Gerloff

Joachim Gerloff ist Online-Redakteur und Texter bei der Full-Service-Internet-Agentur NEXUS Netsoft GmbH in Langenfeld bei Düsseldorf. Als Master of Arts im Fach Medienkulturanalyse und dank jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Online-Marketing, Texterstellung und SEO berät er Kunden hinsichtlich SEO-Strategien und suchmaschinenoptimierter Content-Erstellung.

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Wikipedia stellt für viele SEOs einen besonderen Reiz dar. Content und Backlinks auf der Internet-Enzyklopädie zu platzieren, gilt als Königsdisziplin in der Suchmaschinenoptimierung und ist oftmals auch nicht von Erfolg gekrönt. Doch welche Bedeutung kommt Wikipedia heute noch zu? Ist es ratsam, gezielte Strategien zu fahren, um einen Verweis auf die eigene Website zu platzieren, oder sind die Zeiten von Wikipedia vorbei? Möglichkeiten, an den „Türstehern“ von Wikipedia vorbeizukommen, gibt es – doch es kommt vor allem auf ein kluges Vorgehen an.

Wer das Internet zur Suche nach Informationen nutzt, wird sicherlich festgestellt haben, dass kein Weg daran vorbeiführt: Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und hat neben qualitativ hochwertigen Artikeln auch an Rankings zugenommen. Fast zu jedem Suchbegriff befindet sich auf der ersten Suchergebnisseite der Suchmaschinen (Search Engine Result Page = SERP) ein Eintrag von Wikipedia und lädt die User ein, sich die schier unendliche Informationsvielfalt anzuschauen.

Bei so guten Rankings und einem extrem hohen Bekanntheitsgrad im Netz ist es nicht verwunderlich, dass Wikipedia in den Fokus von SEOs und Unternehmen rückt. Jeder möchte sich ein Stückchen vom Kuchen abschneiden. Zeitgleich ist ein Wikipedia-Eintrag auch ein starker Mitkonkurrent um wertvolle Rankingplätze. Die Frage, was Wikipedia besser macht als die eigene Internetpräsenz, um so gut bei Google & Co angezeigt zu werden, steckt in vielen Köpfen.

Google und Wikipedia sind gute Freunde

In der Vergangenheit wurde Wikipedia immer stark kritisiert und von wissenschaftlichen Kreisen aufgrund seiner freien Editor-Funktionen als unseriöse Quelle beschimpft – nach dem Motto: „Jeder kann alles schreiben.“ Heute, elf Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 2001, genießt die Internet-Enzyklopädie einen ausgezeichneten Ruf und hat sich als „Wissensmarke“ etabliert. Das entsprechende Vertrauen (Trust) der User macht sich auch im Ranking bemerkbar und die Investition von Wikipedia in hochwertige Inhalte und strikte Richtlinien macht sich bezahlt.

Wikipedia rankt nicht umsonst so gut. Durch die freiwillige Arbeit von Tausenden „Wikipedianern“ stehen entsprechend viele Texter bereit, welche die Artikel pflegen, überarbeiten und für eine breite Masse aufbereiten. Im Vergleich zu Unternehmen, bei denen oftmals nur ein Redakteur für die Erstellung und Gestaltung von Inhalten verantwortlich ist, hat Wikipedia ohne Zweifel die bessere Position am Markt, um Artikel für das Internet zu platzieren. Allein in Großbritannien gelangt Wikipedia so bei 99 Prozent aller Suchergebnisse auf Seite 1 (siehe Abb. 1) und auch in Deutschland befinden sich Artikel der Enzyklopädie laut SEO-Experte Christian Schmidt mit rund 150.000 Platzierungen unangefochten auf dem vordersten Rang. Hinter dem Konzept der Online-Enzyklopädie steckt neben dem Teilen von Wissen auch ein ausgeklügeltes SEO-Konzept, welches sich exakt an den Ranking-Faktoren des aktuellen Google-Algorithmus entlanghangelt: Qualitativ hochwertiger Content wird belohnt und erzeugt im Gegenzug viele Backlinks.

Das Jahr 2008 war ein Meilenstein für Wikipedia-Fans

Die Summe aus stetig wachsendem hochwertigem Content sowie unzähligen Links verschafft Wikipedia einen enorm hohen Authority- und Trust-Wert. Schon früh wurde das Potenzial der Seite von SEOs auf der ganzen Welt erkannt. Zahlreiche Artikel wurden speziell für Unternehmen geschrieben und vorhandene Einträge so überarbeitet, dass beispielsweise in den Quellenangaben die URL der zu fördernden Website auftaucht. Wikipedia glich in der Anfangsphase eher einem Linkkatalog und wurde zum gezielten Linkaufbau missbraucht. Die Gründer mussten reagieren und taten es auch.

Im Sommer 2008 wurden infolge grundlegender Modernisierungsmaßnahmen neben einer Kontrolle der Artikel durch ehrenamtliche Mitarbeiter alle ausgehenden Links auf „nofollow“ umgestellt. Das bedeutet, dass Suchmaschinen die Links nicht als Empfehlung werten und die Nofollow-Links damit keine unmittelbare positive Auswirkung auf das Ranking haben. Im Bereich Suchmaschinenoptimierung setzte Wikipedia damit ein klares Signal für steigende Qualität und gegen Linkspammer, da die nun ausgehenden Links keinen Link Juice mehr vererben. Im Sinne des PageRanks als Faktor des Bekanntheitsgrads einer Website prophezeiten verschiedene SEOs mit diesem Schritt den Tod von Wikipedia, da die Plattform an Reiz verliere. Im Nachhinein war die Umstellung von „dofollow“ auf „nofollow“ jedoch die richtige Wahl, um sich als Wissensplattform langfristig zu etablieren – wie man an den Rankings in Google sieht.

Nofollow-Links: Gut oder schlecht?

Wenn man allein die Backlink-Situation betrachtet, stellt sich die Frage, ob Nofollow-Links von Wikipedia überhaupt einen Nutzen für die Suchmaschinenoptimierung einer Website haben. Die Verweise haben keinen Einfluss auf den PageRank und führen laut Aussage von Google nicht einmal zu einer Verbesserung des eigenen Rankings. Dennoch ist es eine positive Maßnahme, einen Link in einem Wikipedia-Eintrag zu platzieren. Einige Stimmen aus der Branche werden laut, dass diese sich trotzdem in den Platzierungen bemerkbar machen. Martin Mißfeldt spricht in seinem Blog offen darüber, dass drei bis fünf Plätze durch einen Wikipedia-Link gutgemacht werden können (siehe www.tagseoblog.de/negative-rankingfaktoren-prinzip-der-kritischen-hurde-panda-theorie).

Verlockend an der ganzen Sache ist dabei sicherlich die teilweise Vererbung des Trust-Ranks sowie die Steigerung des Traffics. Erfahrungsgemäß ist die Absprungrate der User, die über Wikipedia auf die Website kommen, geringer und die Verweildauer auf den einzelnen Unterseiten höher.

Türsteher Wikipedia: Du kommst hier ned rein!

Links von Wikipedia sind dementsprechend heiß begehrt und je mehr SEO-Agenturen und Unternehmen sich bemühen, in die Enzyklopädie aufgenommen zu werden, desto höher ist die Kontrolle seitens der Wikipedia-Redakteure. Die Relevanz für ein bestimmtes Thema liegt hierbei im Zentrum der freien gemeinsamen Wissensteilung. Grundlage, um die Bedeutung des Unternehmens beziehungsweise der geplanten Website zu überprüfen, ist eine ehrliche Analyse gemäß den Relevanz-Punkten, die von Wikipedia vorgeschlagen werden (de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Relevanzkriterien). Voreiliges Handeln und unüberlegtes Platzieren von Links und Content führen zum sofortigen Löschen und sind somit schlichtweg Zeitverschwendung.

Drei Möglichkeiten gibt es doch

Suchmaschinenoptimierung bei Wikipedia ist schwierig, aber nicht unmöglich. Insbesondere bei Nischen-Produkten und -Dienstleistungen haben Unternehmen gute Chancen, einen Backlink von Wikipedia zu bekommen. Es kommt dabei jedoch auf die richtige Vorgehensweise an, bei der man sich von Linkspamming distanzieren sollte, da kommerzielle Angebote bei Wikipedia sehr schnell entfernt werden. Drei Möglichkeiten, in Wikipedia aufgenommen zu werden, sind als realistisch einzustufen:

  1. Firmen- oder Personeneintrag
    Den wohl schwierigsten Weg stellt ein Eintrag zur eigenen Person oder für das Unternehmen dar. Laut Angaben von Wikipedia trifft das allerdings nur auf ein Prozent aller User zu. Wichtig dabei sind ausreichende Quellenangaben und Verweise: Inwieweit ist das Unternehmen für die Gesellschaft beziehungsweise eine Region relevant? Aus Sicht von SEO ist dieses Vorgehen nicht zu empfehlen.
     
  2. Selbst geschriebene oder ergänzte Artikel
    Weitaus lukrativer und erfolgversprechender ist ein lexikografischer Artikel, bei dem als weiterführende Quelle auf die Website verwiesen wird. Mögliche Vorgehensweise könnte das Eintragen von Weblinks zu bereits bestehenden Artikeln sein oder das Erweitern zu „dünner“ Artikel mit entsprechendem Verweis auf die eigene Internetpräsenz.
     
  3. Englische Artikel übersetzen
    Die englische „Ausgabe“ von Wikipedia ist weitaus umfangreicher als die deutsche. Englische Wikipedia-Artikel können als sehr gute Informationsquelle für eine eigene Unterseite dienen. Die Inhalte sollten jedoch auf die eigene Sprache angepasst und ergänzt werden. Im Anschluss daran kann ein Artikel in der deutschen Version erstellt und die Inhalte können auf der eigenen Domain als Quelle angegeben werden (siehe Abb. 2)

Tipps

Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Anwendung der Möglichkeiten sind nach wie vor gute Inhalte auf der Website. Der Aufbau hochwertiger Texte auf speziellen Unterseiten schafft den nötigen Mehrwert. So ist es oftmals der Fall, dass Artikel nicht ausreichend mit Studien oder sonstigen Quellen belegt sind (siehe Abb. 3), obwohl diese existieren. Studienergebnisse sollten daher auf der eigenen Website publiziert und anschließend als Linkquelle verwendet werden, anstatt die Studie selbst zu verlinken. Aus SEO-Sicht ist dies ein Erfolg versprechendes Vorgehen.

Vor allem Werbung und kommerzielles Handeln sind Wikipedianern ein Dorn im Auge. Bevor Websites oder Unterseiten als Quelle verlinkt werden, sollte jegliche Werbung, zum Beispiel Bannerwerbung, entfernt werden. Dadurch werden die Chancen einer Freischaltung ungemein erhöht.

Wieso künstlich, wenn es auch natürlich geht?

Webmaster sollten jedoch Abstand von gezielten SEO-Maßnahmen auf Wikipedia halten, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass hochwertiger Content auf der eigenen Seite von Suchmaschinen auf lange Sicht gefördert wird. Der etwas in die Jahre gekommene Spruch „Content ist King“ ist weiterhin aktuell, wenn nicht sogar aktueller denn je!

Derjenige, der gute, einzigartige Inhalte schafft und somit Mehrwert für den User kreiert, kann es auch ohne gezielte Maßnahmen in die Online-Enzyklopädie schaffen. Experten-Interviews, innovative Thesen oder selbst entworfene Infografiken zum eigenen Spezialgebiet können dabei interessante Ansätze sein, um das eigene Ranking zu stärken. Wo einzigartige Inhalte im Netz zu finden sind, kommen auch die Leser.

Abwärtstrend auf Wikipedia

Beim jetzigen Stand der Dinge bietet Suchmaschinenoptimierung im Hinblick auf Wikipedia gute Chancen für Unternehmen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um Link-Quellen in Artikeln zu platzieren und so an Vertrauen und Traffic zuzunehmen.

Kritisch betrachtet könnte die steigende Professionalität, die Wikipedia an den Tag legt, auch zur Gefahr werden. In der Vergangenheit war Wikipedia eine schnelle Informationsquelle, um sich einen Überblick über ein bestimmtes Thema zu verschaffen. Mit wachsender Artikellänge und inhaltlicher Komplexität, auch bedingt durch die Mitarbeit studierter Experten, könnte die Plattform auf lange Sicht an Attraktivität verlieren und somit auch die Bedeutung in der Suchmaschinenoptimierung. Wenn viele User auf andere Websites mit kürzeren Definitionen und Hintergrundinformationen ausweichen, behält die Online-Enzyklopädie zwar ihren Trust-Faktor, verliert aber eine Menge Traffic. Dies würde sich unter anderem auch auf die von Wikipedia ausgehenden Links auswirken und SEO weniger lohnenswert machen.

Fazit

Wikipedia-SEO ist, unter Berücksichtigung der aktuellen Bewertungsfaktoren von Google, eine intelligente Möglichkeit, um Websites eine gute Anzahl an Traffic zu sichern. Das Grundprinzip der freien öffentlichen Wissensverbreitung fruchtet bislang. Doch generell sollte vor einer gezielten SEO-Kampagne auf Wikipedia das Für und Wider abgewägt werden. Fakt ist, dass der Ausbau von Artikeln auf Wikipedia enorm Zeit in Anspruch nimmt und eine direkte Abnahme durch die Wikipedianer nicht garantiert ist. Eventuell werden Inhalte gelöscht oder eine erneute Bearbeitung ist vonnöten. Vielmehr ist zu empfehlen, den Content der eigenen Seite zu stärken, da mit dieser Strategie über kurz oder lang ein Eintrag in der weltgrößten Online-Enzyklopädie in Aussicht steht. Dies verfolgt auch eher die Grundprinzipien von Wikipedia – den Aufbau einer frei zugänglichen, nicht werblichen Wissensplattform im Internet.