Raus aus der Shop-Positionierungsfalle

Carsten Appel
Carsten Appel

Carsten Appel ist Geschäftsführer der sitefuchs GmbH. Seine Leidenschaft liegt in der Verkaufsoptimierung von Online-Shops und konversionsorientierten Websites. Er doziert an der Universität Rostock im Bereich Online-Marketing der Erwachsenenweiterbildung. Privat spielt er gerne Beachvolleyball oder joggt an der Steilküste von Warnemünde.

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Wie macht man sich als Online-Shop einzigartig? Wie findet man vernünftige Strategien für eine erfolgreiche Positionierung, wenn man es mit vielen ähnlichen Wettbewerbern zu tun hat? Wer sich die Shop-Landschaft mit aufmerksamen Augen ansieht, stellt schnell fest, dass oft fast alle Anbieter irgendwie gleich wirken: ähnliches Layout, ähnliche Produkte, ähnliche Preise und Leistungen. Carsten Appel vermittelt wichtige, aber im Online-Business oft ignorierte Grundlagen des Marketings und gibt Tipps, wie eine Erfolg versprechende (Neu-)Positionierung gelingen kann.

Heutzutage ist es sehr einfach geworden, einen Online-Shop zu eröffnen. Die Kosten sind dabei auf den ersten Blick erschwinglich. Open-Source-Shop-Software, Free-Template und etliche Shop-Baukästen bieten eine Plattform für den Online-Verkauf. 
Vergleichen wir den Aufwand mit dem bei der Eröffnung eines Ladengeschäftes. Hier ist die Lage entscheidend. In der Regel wird eine entsprechend hohe Provision an den Makler fällig. Dann folgen die Ladengestaltung, die Umbaumaßnamen sowie die Warenausstattung. Vermutlich ist mit Investitionskosten von über 100.000 EUR zu rechnen. Der Vergleich zeigt, wie reizvoll es ist, einen Online-Shop zu eröffnen, da man mit ca. 10 % des Kostenaufwands  starten kann. Das Ladengeschäft hat jedoch einen entscheidenden Vorteil: Laufkundschaft. Es braucht nur offene Türen und eine gute Außenwerbung. Auch kann ein guter Verkäufer unentschlossene Kunden leichter durch einen Dialog überzeugen als eine Maschine. Bei Online-Shops sieht es dagegen schon schwieriger aus. Hier läuft täglich ein harter Kampf um die besten Positionen bei Google. Selbst wenn der Kunde als Besucher gewonnen wurde, ist der Kauf noch in weiter Ferne. Konversionsraten von 3 % bedeuten im Umkehrschluss, dass 97 von 100 Kunden nicht kaufen. Warum ist das so? 
Ein Hauptproblem ist die fehlende Positionierungsstrategie. Oft wird ein zu starker Fokus auf die Produkte gelegt statt auf die Bedürfnisse der Kunden. Kein Mensch kauft jedoch das Produkt – immer wird der Nutzen gekauft. Der Schwerpunkt sollte stets auf der Bedürfnisbefriedung unserer Kunden liegen. Ein weiteres Problem ist die Gleichheit der Online-Shops. Hier scheint Folgendes zu gelten: Von Erfolgen anderer lernen, heißt siegen lernen. Dies ist ein gefährlicher Irrglaube: Wenn alle Online-Shops gleich sind, entscheidet am Ende nur noch der Preis. 
„Positionierung ist das, was man in den Köpfen der Zielgruppe hinterlässt. Marktnischenorientierung, Zielgruppenorientierung und Nutzenoptimierung sind die stärksten Waffen der flexiblen und mittelständischen Unternehmen“, so der Marketingexperte Peter Sawtschenko.
Die meisten Unternehmen stecken in der Mitte fest – ähnliche Preise, keine Differenzierung/Fokussierung. Für ca. 80 % der Unternehmen trifft das „Stuck in the middle“-Problem zu.
 

Dagegen können Unternehmen wie Aldi oder Ikea als Kostenführer gut damit umgehen. Sie konzentrieren sich auf ein einziges Grundbedürfnis (Profit) bei akzeptabler Qualität und richten den gesamten Prozess darauf aus. Die andere Richtung zeigt auf die Differenzierung bezüglich Status/Luxus. Ein VW Passat erfüllt das Grundbedürfnis Mobilität ähnlich gut wie ein Porsche 911. Jedoch kostet der Porsche dreimal so viel. Porsche ist es gelungen, eine andere Wahrnehmung des Produktes zu erschaffen. Die Marke und der Mythos sind emotional aufgeladen. Somit spielt der Preis nur noch eine Nebenrolle.  
Matthias Horx hat das Bild der tödlichen Mitte gezeichnet. Nur wer die üblichen Wege verlässt, Mut zum Anderssein beweist, wird die Herzen seiner Kunden erobern.  
 

Beispiele zu den Achsen:

Erlebnis, Emotion, Motivation:

Wer fällt uns hierzu spontan ein? Jochen Schweizer und mydays. Beide Anbieter verkaufen emotionale Momente und Ereignisse, die man nicht so schnell vergisst. Oder denken wir an die Wellnessindustrie. Für ein paar Stunden „Entspannung“ sind wir gerne bereit, 50,- EUR und mehr zu bezahlen.
 

Luxus, Status:

Macht macht sexy. Männer sind hier besonders anfällig. Statussymbole verleihen den Anschein von Macht. Es müssen nicht immer breite und schnelle Autos sein. Auch Markenklamotten, Uhren, Handys oder exklusive Mitgliedschaften zeigen den vermeintlichen Rang eines Menschen. 

Problemlösung, Zeitersparnis, Service:

Unzählige Online-Tools haben sich hier erfolgreich positioniert. Beispiele hierfür sind: Projektmanagement- und Rechnungserstellungs-Tools. Auch haben Unternehmen wie Apple ein Problem neu aufgegriffen und mit dem iPod eine neue Ära der tragbaren Musikplayer geschaffen.
 

Preis:

Eine äußerst gefährliche Positionierungsstrategie, wie z. B. Mediamarkt gerade schmerzlich erfährt. „Ich bin doch nicht blöd“ hat unterstützend durch günstige Preise ohne Internet super funktioniert. Heute gibt es jedoch zahlreiche Online-Anbieter, die günstiger sind.

Zusammenfassend ist eine Fokussierung auf einen der vier Punkte notwendig, frei nach dem Motto: „Wer zwei Hasen gleichzeitig fangen will, der fängt zum Schluss gar keinen.“ Hierauf sollte das ganze Marketing abgestimmt werden. Das fängt bereits mit der Wahrnehmung an. Achten Sie einmal auf Zeitschriftenanzeigen von Statusgütern. Hier wird oft die Kombination Schwarz und Silber/Grau verwendet. Die Farbpsychologie hilft hier weiter. Im Internet befinden sich zahlreiche Hilfestellungen und Konfiguratoren. 
 

Nischen vs. Breitenstrategie


Erfolgreiche Online-Shops entspringen fast immer einer Nische. Amazon hat z. B. als Buchversender begonnen. Erst im Laufe der Jahre wurde das Sortiment ausgebaut. Ähnlich lief es auch bei Zalando. Mit Schuhen gestartet, erweiterte das Berliner Unternehmen sein Produktportfolio nach und nach und verkauft jetzt auch Bekleidung, Accessoires und Wohnprodukte. Ob diese Diversifikationsstrategie aufgeht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Gefahr der Positionierungsverwässerung bzw. des Bauchladens schwebt über dem Online-Shop. Unternehmen wie Daimler Benz haben in den 1980er-Jahren schmerzliche Erfahrungen mit der Differenzierungspolitik gemacht. Um sich breiter aufzustellen und Synergieeffekte zu nutzen, wurden Unternehmen zugekauft, die nichts mit dem Ursprungsprodukt zu tun hatten, zum Beispiel AEG, Dornier, Fokker, und es wurde die Dienstleistungsgesellschaft Debis gegründet. Diese Strategie ging leider nicht auf und die Unternehmen wurden teilweise mit starken Verlusten wieder verkauft.
 

Aufbau einer Positionierungsstrategie


Spezialisierung ist die Grundlage der erfolgreichen Positionierung. Für die Spezialisierung bieten sich an:
- Zielgruppen
- Problemlösung
- Wissen
- Produkt
- Erlebnis

Die EKS (Engpasskonzentrierte Strategie) bietet eine gute Hilfestellung für den Einstieg. Der Erfinder der EKS, Wolfgang Mewes, übertrug die Erfolgsprinzipien aus der Natur auf soziale Systeme. Dazu stellte er vier Prinzipien auf:
 

1. Konzentration statt Verzettelung


Durch die Konzentration der Kräfte kann mit einem Brennglas ein Blatt Papier entzündet werden. Deshalb sollen die Kräfte spitz auf das Ziel ausgerichtet werden.
 

2. Minimumprinzip


Jedes System hat einen kybernetisch wirkungsvollen Punkt, von dem aus die Entwicklung des gesamten Systems gesteuert werden kann. Bei einem Staudamm ist das die Schleuse. Wer diese kontrolliert, bestimmt, wie viel Energie erzeugt wird. Versuchen Sie zu erkennen, wo bei Ihrer Zielgruppe dieser Punkt liegt. Wenn Sie Ihrer Zielgruppe genau das anbieten, was sie am nötigsten für die Weiterentwicklung braucht, haben Sie den Steuerungspunkt entdeckt und besitzen eine Machtposition.
 

3. Immaterielles vor Materiellem


Spannungen, Lerngewinne und Zielgruppenbesitz sind die wichtigsten immateriellen Werte. Spannungen sind z. B. Bedürfnisse, Ängste, Erwartungen und Probleme. Immer, wenn eine Differenz zwischen Soll- und Istzustand auftritt, kommt es zu Spannungszuständen. Die Bereitschaft zum Handeln steigt. Richten Sie Ihren Online-Shop auf diese Spannungen aus. Schöne Beispiele dazu finden sich auch in dem Buch „Kopf schlägt Kapital“ von Prof. Dr. Günter Faltin.
 

4. Nutzenmaximierung


Unternehmen sollten nicht in erster Linie Gewinne erzielen, sondern die Probleme der Zielgruppe lösen. Wenn das erfolgt ist, wird das Unternehmen entsprechend entlohnt. Je besser das gelingt, desto mehr wird das Unternehmen verdienen. Leider ist dieser Ansatz in der BWL nicht geläufig, da hier der Fokus auf Gewinnmaximierung liegt.
 

Umsetzung für den Online-Shop


Als Online-Shop-Betreiber kann die Nische in der Nische gefunden werden (siehe EKS-Prinzip 1). Es gibt beispielsweise viele Tennis-Online-Shops, jedoch kaum einen, der sich auf einzelne Zielgruppen spezialisiert hat. So findet man unter dem Keyword „Tennis Kinder“ nur einen Online-Shop, der wirklich die Fragen dieser Zielgruppe beantwortet. Die meisten präsentieren den Nutzern eine Liste von Produkten, manche mit Filtermöglichkeiten. Nutzer haben jedoch ganz andere Fragen: Welche Schlägergröße passt zu meiner Körpergröße? Was ist bei einer Ausstattung für Kinder zu beachten? Womit soll mein Kind anfangen? Hier liegt die Chance für unsere Positionierung. 
 

1. Potenzialanalyse

Über eine Keyword-Recherche verschaffen wir uns einen ersten Überblick über die Potenziale. Keywords sind immer codierte Fragen unserer Kunden und helfen uns so, einen Fragenkatalog zu erstellen. Das Keyword „Tennis für Kinder“ hat ein Suchvolumen von ca. 6.600 Suchenden/Monat. Wenn Sie die Ergebnisliste bei Google überprüfen, merken Sie, dass hier enormes Potenzial vorliegt. Kaum eine Webseite beantwortet Fragen der Nutzer. Oftmals werden die Kunden mit Produkten penetriert. 

2. Unterseite aufbauen

Hier zeigt sich die Qualität eines guten Shop-Systems. Oftmals ist es kaum möglich, gute Content-Seiten zu erstellen, was durchaus nachvollziehbar ist. Der Fokus eines Shop-Systems liegt in der Verwaltung und Ausgabe von Artikeln. Gut, wer da ein Content-Management-System mit seinem Shop verknüpft hat. So bieten sich Typo3 oder Contao an. Hier kann das Shop-System über eine Schnittstelle ergänzt werden. Beantworten Sie zuerst die Fragen Ihrer Besucher und stellen Sie dann Ihre Produkte vor (siehe EKS-Prinzip 4).

3. Inhalte mit Mehrwert-Infos anreichern


Damit die neuen Infoseiten auch von den Suchmaschinen entsprechend als relevant eingestuft werden, benötigen wir Backlinks. Nun ist unser Ansatz schon viel besser als das, was dem Nutzer ansonsten geboten wird. Aber wir wollen noch mehr anbieten. Um Mehrwert zu schaffen, können wir eine Checkliste mit den sieben wichtigsten Tipps für Kindertennis erstellen. Wer mehr Aufwand betreiben will, kann ein E-Book zum Thema anbieten. Hier können Experten zu Wort kommen. Ein Interview mit einem Arzt kann hier den Expertenstatus der Seite weiter untermauern. Es gibt heutzutage auch spezialisierte Dienstleister für Infografiken und Kurz-Videos. Alle diese Infos helfen Suchmaschinen, die Seite als themenrelevant einzustufen, und belohnen sie mit guter Sichtbarkeit. Noch spannender ist die Verlinkungswürdigkeit der Seite. Sehr gute Erfahrungen hat der Autor mit einem Nischen-E-Book zum Thema Radurlaub gemacht. 
 

4. Weitere Nischen finden
Die EKS spricht von

Zielgruppenbesitzern. Wer einmal seine Zielgruppe „erobert“ hat, kann weitere Nischen erkunden und besetzen. Bitte in dieser Reihenfolge, sonst droht wieder Verzettelungsgefahr. 
Fazit
Mut zur Nische! Sie können nur gewinnen. Suchen und Finden Sie Ihre Nische in Ihrem Umfeld und werden Sie Experte in dieser. Es gilt der Grundsatz: Lieber der Erste im Dorf, als der Zweite in der Stadt. 
 

Fazit 
Mut zur Nische! Sie können nur gewinnen. Suchen und Finden Sie Ihre Nische in Ihrem Umfeld und werden Sie Experte in dieser. Es gilt der Grundsatz: Lieber der Erste im Dorf, als der Zweite in der Stadt.