Der neue Glücksspiel-Staatsvertrag: Neue Chancen und neue Risiken für Affiliates

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Zum 1. Juli 2012 ist der Glücksspiel-Staatsvertrag grundlegend novelliert worden. Die Neuregelungen enthalten auch umfangreiche Bestimmungen zu den Fragen der Online-Werbung. Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr beleuchtet die Chancen und Risiken dieses neuen Gesetzes.

Teil 1: Die Vorgeschichte

Seit vielen Jahren tobt ein erbitterter Krieg zwischen den staatlichen Vertretern des Glücksspiel-Monopols und den Anhängern der privaten Branche. Seit der berühmt gewordenen „Gambelli“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2003 (Urt. v. 06.11.2003. Az.: C-243/01) ist der Bereich des Glücksspielrechts in Deutschland nicht mehr zur Ruhe gekommen.

Im Jahre 2004 erließen die Länder den Lotterie-Staatsvertrag, der jedoch nur kurze Zeit später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Eifrig machten sich daraufhin die Länder erneut ans Werk: Der Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStv) erblickte das Licht der Welt. Dieser wurde jedoch nur wenige Atemzüge später vom EuGH als europarechtswidrig eingestuft. Und wieder musste sich der deutsche Gesetzgeber ans Werk machen.

Und an diesem Punkt sind wir in der Gegenwart angekommen: Zum 1. Juli 2012 trat der neue Glücksspiel-Staatsvertrag in Kraft und bereits jetzt ist absehbar, dass diese neue gesetzliche Regelung ebenfalls nur eine geringe Halbwertszeit haben wird.

Teil 2: Die Neuregelungen im Überblick

1. Fünfzehn Bundesländer + Schleswig-Holstein

Glücksspielrecht ist grundsätzlich Angelegenheit der Bundesländer. Während der Lotterie-Staatsvertrag und der alte Glücksspiel-Staatsvertrag für sämtliche sechszehn Bundesländer galten, ist dies bei der neuen gesetzlichen Regelung nicht mehr so. Nur fünfzehn Bundesländer haben die Vereinbarung unterzeichnet. Schleswig-Holstein geht bzw. ging einen Sonderweg und verabschiedete ein eigenes Gesetz, nämlich das „Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels“.

2. Die Regelungen des neuen GlüStV im Überblick

Auch nach dem neuen GlüStV bleiben der Internet-Betrieb und die Internet-Werbung grundsätzlich verboten. Jedoch sieht das Gesetz nunmehr gewisse Experimentierklauseln vor, wonach bestimmte Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot erlaubt sind. Die gesetzlichen Regelungen verlangen jedoch relativ hohe Voraussetzungen. Diese sind u. a.:

- keine Teilnahme von Minderjährigen oder gesperrten Spielern
- max. 1.000,- EUR Einsatz/Monat
- keine Verrechnung von Gewinnen und Einsätzen
- keine Bewerbung oder Verlinkung von anderen Glücksspielen
- keine Suchtanreize durch schnelle Wiederholung
- Wetten und Lotterien dürfen nicht unter derselben Internetdomain angeboten werden

Diese restriktiven Bedingungen zeigen, dass die Bewerbung von Glücksspielen über Direktmedien (insb. Internet, Fernsehen, Telefon) weiterhin grundsätzlich verboten ist. Nur in den Fällen, wo nach o. g. Experimentierklausel das jeweilige Bundesland eine Ausnahme zugelassen hat, ist eine Bewerbung auch über Direktmedien gestattet.

Nach der Neuregelung dürfen weiterhin – wie bislang – grundsätzlich nur staatliche Einrichtungen Glücksspiele anbieten. Aber auch hier greift eine Ausnahme: Für eine Übergangszeit von sieben Jahren darf jedes Bundesland bis zu zwanzig Konzessionen im Bereich der Sportwetten auch an private Anbieter vergeben. Wird eine solche Konzession einem privaten Anbieter erteilt, gilt diese Erlaubnis bundesweit.

Beispiel:

Ein bayerischer Affiliate bewirbt auf seiner bayerischen Webseite das Angebot eines privaten, konzessionierten Glücksspiel-Anbieters aus Hamburg.

Dies ist nach dem GlüStV erlaubt, da die erteilte Erlaubnis bundesweit gilt. Der Affiliate handelt vollkommen legal und muss somit keinerlei rechtliche Konsequenzen befürchten.

Einen Pferdefuß hat der neue GlüStV jedoch bereits von Beginn an: Es besteht die große Gefahr, dass er bereits heute rechtswidrig und somit unwirksam ist. So verweigert die EU-Kommission weiterhin ihre Zustimmung zu dem Gesetz, da sie es nicht für rechtskonform mit den EU-Grundfreiheiten hält. Selbst die Monopolkommission, das unabhängige Beratungsgremium für die Bundesregierung, hat Mitte Juli 2012 mit deutlichen Worten erklärt, der GlüStV müsse grundlegend überarbeitet werden, da er in unverhältnismäßiger Weise die Rechte der privaten Wirtschaft beschränke.

Ebenso zwiespältig sind die Äußerungen aus der deutschen Politik. Vonseiten der Vertreter der staatlichen Monopolanbieter ist wiederkehrend der Satz zu hören, Brüssel habe dem GlüStV grünes Licht gegeben. Die politischen Vertreter der Liberalisierung hingegen äußern sich dahingehend, dass Europa angeblich den Glücksspiel-Staatsvertrag gestoppt habe.

Unabhängig von dieser Frage muss jedem Affiliate, der sich überlegt, die Angebote nach dem GlüStV zu bewerben, bewusst sein, dass seine gesamte Werbetätigkeit unter dem Joch des § 1 GlüStV steht. Dort heißt es:

„Das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht ist zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen.“

Hierbei handelt es sich quasi um die Quadratur des Kreises, denn dem Affiliate ist ja gerade an einer effektiven, intensiven Bewerbung gelegen, damit er den größtmöglichsten Gewinn erzielt. Genau dies will aber der GlüStV nicht. Zudem muss jedem Affiliate klar sein, dass bei einem maximalen Monatsumsatz von 1.000,- EUR seine Provision mehr als bescheiden ausfallen wird.

3. Die Regelungen in Schleswig-Holstein

Deutlich interessanter für Affiliates hingegen sind die gesetzlichen Regelungen in Schleswig-Holstein, da dort eine weitgehende Liberalisierung erfolgte. Dort gibt es so gut wie keine besonderen gesetzlichen Werbebeschränkungen, wie sie im GlüStV vorgesehen sind.

Zwischenzeitlich wurden auch sieben Unternehmen konzessioniert und dürfen somit online Glücksspiele anbieten.

Hier gibt es jedoch zwei Probleme.

Die erste Frage ist, wie lange diese vergebenen Lizenzen noch Bestand haben werden. Während die frühere Landesregierung in Schleswig-Holstein vehement die autonome landesrechtliche Regelung verteidigte, hat sich dies nach den Landtagswahlen am 6. Mai 2012 grundlegend geändert. Nachdem der Regierungswechsel in Kiel stattgefunden hat, erfolgt nun eine deutliche Abkehr von dieser Position.

Ministerpräsident Albig beabsichtige, das eigene Glücksspielgesetz aufzugeben und sich dem länderübergreifenden Glücksspiel-Staatsvertrag anzuschließen, war der Presse zu entnehmen. Da jedoch erst vor Kurzem private Glücksspiel-Anbieter entsprechende Lizenzen erhalten hätten, werde derzeit geprüft, wie die Änderungen erfolgen könnten, ohne dass sich die Landesregierung etwaigen Schadensersatzansprüchen aussetze. Es ist also bereits jetzt absehbar, dass die vergebenen Konzessionen zeitlich nur eine sehr geringe Laufzeit haben werden, und es kann somit sein, dass diese innerhalb kürzester Zeit widerrufen werden.

Die zweite Frage ist die nach der räumlichen Reichweite der Lizenzen. Diese Frage ist – juristisch gesehen – absolut unklar.

Beispiel:

Ein bayerischer Affiliate bewirbt auf seiner bayerischen Webseite das Angebot eines konzessionierten Glücksspiel-Anbieters aus Schleswig-Holstein.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob hier der bayerische Affiliate rechtmäßig handelt. Da das Bundesland Schleswig-Holstein nur Regelungen für sein Staatsgebiet aussprechen darf, kann die Lizenz eigentlich keine Wirkung außerhalb des nördlichsten Bundeslandes entfalten. Andererseits macht das Internet nicht vor Landesgrenzen halt, sondern ist bekanntlich ein weltweites Medium.

Rechtsprechung hierzu existiert bislang nicht. Der Affiliate begibt sich also auf ein sehr unbekanntes Territorium mit absolut ungewissem Ausgang. Schaut man sich bei den bisherigen Gerichtsentscheidungen nach vergleichbaren Konstellationen um, dann fallen einem die Urteile zu den DDR-Lizenzen ins Auge. Hierbei handelte es sich nach altem Recht um Lizenzen für private Glücksspiel-Anbieter, die noch zu DDR-Zeiten erteilt wurden. Jahrelang tobte der juristische Kampf, ob diese Lizenzen im gesamten Bundesgebiet ihre Wirkung entfalten oder nur in dem betreffenden ostdeutschen Bundesland. Die Mehrheit der Gerichte entschied damals, dass die Erlaubnis nur regionale Wirkung habe und nicht für die gesamte Bundesrepublik gelte.

Überträgt man diese Grundsätze auf das aktuelle Problem mit Schleswig-Holstein, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Konzessionen aus Kiel auch nur räumlich begrenzte Wirkung haben. Somit dürfte ein bayerischer Affiliate das Angebot nicht bewerben. Andererseits stellt sich die Frage, wie vergleichbar die Konstellationen der DDR-Lizenzen und Schleswig-Holstein-Lizenzen rechtlich gesehen sind.

Kurz zusammengefasst bedeutet dies, dass die Regelungen für Affiliates in Schleswig-Holstein werbetechnisch sehr interessant sind, da es nur wenige Werbeverbote und Einschränkungen gibt. Es herrscht aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da die räumliche Reichweite nicht klar ist. Das Angebot ist nur etwas für mutige und kampfeslustige Affiliates.