Googles Linkroulette: Wen trifft es als Nächsten?

Jonas Weber
Jonas Weber

Jonas Weber ist freiberuflicher SEO-Berater. Er arbeitete davor u. a. bei Google im Search Quality Team in Dublin, Irland, bevor er als geschäftsführender Gesellschafter den Aufbau der Online-Marketing-Agentur „webhelps“ verantwortete. Des Weiteren war Diplom-Kaufmann Jonas Weber im Online-Marketing bei Großkonzernen wie Lufthansa und Bertelsmann tätig. Sowohl auf vielen Branchen-Konferenzen als auch an den Entrepreneurship Centern der LMU und TU München hält er jährlich Fachvorträge zum Themenbereich Suchmaschinenoptimierung (SEO).

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Um bei kompetitiven Begriffen konkurrenzfähig zu sein, kaufen viele Optimierer Links ein. Somit wird die Linkreputation gesteigert, was ein sehr wichtiger Rankingfaktor ist. Allerdings ist das ein klarer Verstoß gegen die Google-Richtlinien. Und: Im Bereich des Linkverstoßes geht Google inzwischen deutlich aggressiver vor, harte Abstrafungen sind die Folge. Was macht Google da genau?

Linkreputation = natürliche Reputation + künstliche Reputation

Google unterscheidet zwischen natürlicher und künstlicher Linkreputation. Die natürliche Reputation besteht aus „ehrlichen“ Backlinks, d. h. hier handelt es sich um relevante Empfehlungslinks. Gekaufte und getauschte Links, vor allem aber nicht themenrelevante Backlinks, ordnet Google eher der künstlichen Reputation zu. Diese verstoßen klar gegen die Webmasterrichtlinien von Google. Der Suchmaschinenmonopolist ist nun schon seit Langem interessiert, die künstlich aufgebaute Reputation von der natürlichen Reputation zu splitten. Im Endeffekt entwertet Google dementsprechend die „falsche“ Reputation.

Google wird aggressiver

Seit dem Infrastrukturupdate Coffeine setzt Google deutlich skalierbarere Methoden ein, um das Problem der künstlichen Reputation zu bekämpfen. Zum Beispiel besitzen viele Affiliate-Websites mit guten Rankings kaum natürliche Reputation, da ihnen ein gewisser Markenstatus fehlt und sie sich ausschließlich mit Linkkauf und -tausch hochgearbeitet haben. Entwertet Google nun die nicht verdiente Linkpopularität, wird diesen Geschäftsmodellen der Boden unter den Füßen weggezogen. Der Fall ist tief. Die guten Rankings gehen aufgrund der jetzt fehlenden Reputation verloren, die Sichtbarkeit in Google schwindet und mit ihr auch die Besucherzahlen aus der organischen Suche. Die nach den Richtlinien optimierende Konkurrenz profitiert indirekt von dieser Entwicklung, da sich deren Reputation im Vergleich zum Abgestraften nun relativ gesehen erhöht.

Linkbekämpfung funktioniert noch nicht optimal

Leider kommt es häufig vor, dass Wettbewerber, die ebenfalls Links einkaufen, von Google zunächst nicht entdeckt bzw. abgestraft werden – die Betroffenen fühlen sich nun ungerecht behandelt. Eher zeigt es aber, dass die Bekämpfung der Linkkäufer noch nicht perfekt funktioniert. Trotzdem: Wird eine Website abgestraft, dann sind die Folgen inzwischen sehr schmerzhaft. Zwar ist anhand eines Wiederaufnahmeantrags an das Search Quality Team eine Aufhebung der Abstrafung möglich, dies gestaltet sich in den meisten Fällen jedoch als sehr schwierig. Die Straftäter müssen schon mit einer blütenweißen Weste bei Google um Gnade bitten – aufgrund von Altlasten bei vielen Bestraften ein sehr komplizierter und langwieriger Prozess.

Linkkauf und Penguin-Update

Fakt ist: Die meisten Websites kaufen für umkämpfte Platzierungen in Google Links ein und verstoßen somit gegen die Richtlinien. Zusätzlich zeichnen sie sich oft im überdurchschnittlichen Maße durch diverse (negative) Signale wie viel Werbung, geringe Qualität der Seiteninhalte (Text, Bild, Video, etc.), schlechte Benutzerfreundlichkeit – also im Allgemeinen einen dürftigen Mehrwert für den User aus. Genau diese Websites wurden auch vom Penguin-Update getroffen. Bei einer genaueren Analyse fällt auf, dass die meisten Penguin-Betroffenen vorab schon eine Linkpenalty wegen unnatürlichen Linkaufbaus erhalten hatten. Das heißt, es existieren zu viele Signale, die in der Summe als negativ betrachtet werden können, und zusätzlich diverse Linkentwertungen. Genau dieser Mix könnte bei Penguin eine Rolle gespielt haben.

Eine Case Study

Die Website X [Anm. der Red: Domainname liegt vor, wurde aber anonymisiert) wurde aufgrund zu vieler gekaufter und unnatürlicher Links abgestraft (erster starker Fall der Sichtbarkeit Anfang 2012). Beim zweiten großen Fall Mitte April schlug dann das Penguin-Update zu (siehe Abb. 1).

In Abb. 2 sehen wir, dass die Gesamtanzahl der rankenden Keywords beim ersten Fall (Linkpenalty) deutlich niedriger ist als beim zweiten Fall (Penguin). Während bei einem Linkpenalty gezielt einzelne Links entwertet werden, hat das Penguin-Update einen websiteübergreifenden negativen Effekt.

Diese Feststellung unterstreicht Abb. 3. Schauen wir uns die Rankingverteilung aller in den Top 100 rankenden Keywords an, sehen wir, dass vor dem Penalty und dem Update eine sehr gesunde Keywordverteilung vorherrschte (09.01.2012). Es bietet sich an dieser Stelle ein Vergleich mit Wikipedia an. Die „Balkenkurve“ fällt von links nach rechts, ein gutes Zeichen, wie bei Wikipedia.  Auch nach dem Linkpenalty gestaltet sich die allgemeine Rankingverteilung der Suchbegriffe noch vital, was für spezifische Abstrafungen spricht (26.03.2012). Erst nach dem Penguin-Update befinden sich die meisten Keywords vermehrt auf den hinteren Suchergebnisseiten wieder, das spricht für eine übergreifende Herabstufung (07.05.2012).

Beim ersten Fall hatte es dagegen nur bestimmte Suchbegriffe bzw. Keywordkombinationen erwischt. Es betraf vor allem „Money-Keywords“, also hart umkämpfte Suchbegriffe mit hoher Suchfrequenz und solche, für die aktiv Linktexte eingekauft wurden. Abb. 4 zeigt einen solchen Suchbegriff und dessen Entwicklung.

Die künstliche Reputation für diverse Links inklusive der Anchortexte ist entwertet, die Sichtbarkeit und Platzierungen in Google sinken für das konkrete Keyword. Trotzdem bietet die Website noch genügend Reputation und inhaltliche Relevanz, sodass das Keyword noch in den Top 5 rankt. Das ging nicht bei allen betroffenen Websites so glimpflich aus und hängt von der noch vorhandenen natürlichen Reputation ab. Der komplette Verlust der Platzierung tritt erst nach dem Penguin-Update ein.

Google will kommunizieren und warnen

Es fällt auf, dass Google nicht alle künstlichen Links abgestraft hat. Wir können davon ausgehen, dass Google vor allem ein Zeichen setzen will: „Hey, ihr macht da etwas, was nicht in Ordnung ist, bitte ändert das!“ Dafür spricht auch die Hinweismail über die Webmastertools. Bei strikterer Vorgehensweise hätte die Website beim 1. Fall noch mehr zu leiden gehabt. Mit dem Penguin-Update trat das Horrorszenario dann ein.

Linkkäufer spielen russisches Roulette

Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich an? Alle Betroffenen sollten je nach Geschäftsmodell eine „Komplettreinigung“ fahren, um einen erfolgreichen Reinclusion-Request stellen zu können – d. h. alle nicht richtlinienkonformen Backlinks, soweit möglich, entfernen. Oder sie fangen neu an und setzen von Anfang an auf Strategien wie natürlichen, relevanten und nachhaltigen Linkaufbau, Schaffung einer Marke, Benutzerfreundlichkeit und hohe Qualität der Website-Inhalte.

Allen anderen, die bisher ungestraft davongekommen sind, obwohl sie diverse Linksünden auf dem Konto haben, ist zu empfehlen, die Risikobacklinks so weit es geht abzubauen und gleichzeitig mit natürlichem Linkaufbau zu beginnen. Es ist ein mühsamer Prozess, bei dem anfangs mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund jetzt fehlender Linkreputation Rankingeinbußen auftreten werden. Allerdings wird so einem möglichen tiefen Fall vorgebeugt.

Der Rest spielt russisches Linkroulette. Sie ändern ihre Arbeitsweise nicht oder warten einfach nur ab. Entweder haben sie Glück oder Pech. Die Trommel dreht sich laufend.