Es geht auch mit weißer Weste

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Wenn zwei ehemalige Googler und ein gelernter Banker sich zusammentun, kann als Geschäftsmodell eigentlich nur etwas mit blütenreiner Weste herauskommen. Folgerichtig haben sich Jonas Weber, Fabian Frick und Ariel Lambrecht mit der Firma webhelps! darauf spezialisiert, die SEO-Praktiken anderer Agenturen auf Anfrage zu hinterfragen und natürlich auch selbst streng nach den Richtlinien von Google zu arbeiten. Das notwendige Know-how dazu scheint jedenfalls sichergestellt zu sein. 

Website Boosting: Was ist denn genau euer Geschäftsmodell? SEO-Agenturen gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer …
Jonas Weber:
Zwei SEOs der Datenkrake Google plus ein ehemaliger Finanzhai-Banker ergeben eine blütenreine Weste? Ob das unsere Gesellschaft mit den Erfahrungswerten der letzten Jahre genauso sieht? Spaß beiseite: Um als Unternehmen erfolgreich zu arbeiten, versuchen wir, uns so viele Alleinstellungsmerkmale wie möglich herauszuarbeiten. Unser Hauptalleinstellungsmerkmal, mit dem wir damals an den Start gingen, gilt nach wie vor: Wir sind die einzige SEO-Firma in Deutschland mit früheren deutschsprachigen Google-Search-Quality-Mitarbeitern. Wir haben also aktiv an der Ergebnisoptimierung der nicht bezahlten Google.de-Suche mitgewirkt.

Fabian Frick: webhelps! besteht aus zwei Bereichen. Mit der webhelps! Online Marketing GmbH haben wir uns darauf spezialisiert, ausschließlich Online-Marketing-Betreuung für Ärzte anzubieten. Dabei sind SEO und SEA ein ganz wichtiger Hebel, aber auch z. B. benutzerfreundliche Websites, die erfolgreich konvertieren, sind entscheidend. Für den Arzt ist wichtig, wie viele Anfragen bzw. Operationen er am Ende einfährt. Diesen weiteren USP haben wir uns mit der Zeit herausgearbeitet. Hier bekommen unsere Kunden die Full-Service-Betreuung einer typischen Agentur im Online-Bereich. Die Spezialisierung in der Nische ermöglicht es uns, das Geschäft zu skalieren und attraktive Betreuungspakete für die Ärzte anzubieten, Google-konform versteht sich.

Ariel Lambrecht: Ich war ja bis Ende Januar dieses Jahres bei Google, bin also noch ganz frisch auf der anderen Seite. Mit der webhelps!-Tochter webhelps! SEO GmbH treten Jonas und ich jetzt als Beratungsduo auf, decken somit die strategische und technische SEO-Beratung im High-End-Bereich ab, hauptsächlich für größere Kunden aus allen Branchen. Am liebsten berate ich internationale Kunden mit großen Websites, da die Aufgabenstellung hier meist sehr komplex ist, eine fundierte SEO-Strategie somit sehr wichtig.
Zusätzlich bin ich Teilhaber eines sozialen Netzwerks für Studenten in Brasilien (ebah.com.br) mit über 1,5 Millionen Usern. Mit gefällt es bis jetzt sehr gut hier in Deutschland, v. a. auch die Stadt München. Das Wetter ist hier eindeutig besser als in Dublin, aber an Brasilien kommt es natürlich nicht heran J.

[JW]: Google-konform zu beraten ist natürlich deutlich einfacher, als Google-konform zu betreuen und erfolgreich zu sein. Zum Bsp. funktionieren Maßnahmen wie Linkkauf ja leider immer noch, auch wenn diese meiner Meinung nach nicht nachhaltig sind. Deswegen die zwei Säulen: SEO-Betreuung in einem Bereich, indem wir unser Marketing-Netzwerk aufbauen und die klassische Marketing- und PR-Arbeit in die Online Welt übertragen. Google-konforme Beratung ist dann vor allem bei größeren Marken gefragt, die es sich nicht leisten können und wollen, schlecht aufzufallen.

Jonas und Ariel – ihr beide habt ja vorher bei Google im sog. Search-Quality-Team gearbeitet und wart für den deutschsprachigen Raum zuständig. Das bedeutet, ihr kanntet die organischen (unbezahlten) Suchergebnisse und deren Zustandekommen recht genau. „Kanntet“, weil das nun ja schon etwas über zweieinhalb Jahre her ist. Inwiefern könnt ihr von diesem Wissen profitieren und wie viel davon ist heute noch spürbar aktuell?
[AL]: 
Das ist nicht ganz korrekt, ich habe, wie schon vorher erwähnt, erst dieses Jahr Google verlassen. Es tut sich zwar viel, aber Google wird trotzdem immer schwerfälliger, was sich bei der Größe auch nicht so einfach vermeiden lässt. Dinge, die jetzt und in Zukunft gelauncht werden, haben oft lange Testphasen hinter sich.

[JW]: Das ist eine interessante Frage, zweieinhalb Jahre sind viel in dieser schnelllebigen Branche. Trotzdem helfen die Insights von Google bei der täglichen Arbeit außerordentlich weiter. Die Gewichtung gewisser Rankingfaktoren mag sich ändern, aber die Prozesse und das System bei Google, die Richtlinien und Grundsätze, auch die Kontakte bleiben sehr konstant. Ein einfaches Beispiel: Ich habe vor Kurzem eine zwei Jahre alte Präsentation zum Thema Offpage aus dem Datenarchiv geholt, sie passte fast perfekt ins Jahr 2011. Mit den Kundenpräsentationen werden größtenteils auch unsere Mitarbeiter geschult. Wir versuchen, nachhaltige Suchmaschinenoptimierung anzubieten, da sind Änderungen auf Mikroebene nicht immer ganz so wichtig.

[AL]: Das sehe ich genauso. Wenn man für Google gearbeitet hat, hat man gelernt, wie intern gedacht wird. Das heißt, es hilft zu verstehen, wie Google Probleme bzw. Änderungen am Algorithmus angeht.

Vor Kurzem haben wir einen Tag im Hamburger Google Office verbracht, in der letzten Ausgabe der Website Boosting darüber berichtet. Ist Google eurer Meinung nach der Traumarbeitgeber, wie viele immer denken? Wie hat es euch im Dubliner Office gefallen?
[AL]:
Google ist auf jeden Fall ein hervorragender Arbeitgeber, der seine Top-Talente in vielen Bereichen verwöhnt. Wenn man jemals die Chance bekommt, bei Google zu arbeiten, sollte man diese unbedingt wahrnehmen. Es ist ein einmaliges Erlebnis. Die ganzen Zusatzbenefits wie kostenloses Essen, Massagen, Spielwiesen, Ski-Trips etc. haben das Arbeitsleben sehr aufgepeppt.

[JW]: Das Beste an Google sind aber die Kollegen, hier macht die Personalabteilung einen exzellenten Job. Gerade in Dublin besteht das Team aus einem internationalen Mix, hauptsächlich aus europäischen Ländern. Kollegen wurden zu Freunden und jedes Wochenende gab es in irgendeiner Google-WG eine Google-Party. Ich habe Bekannten meinen Job bei Google immer als sehr gut bezahltes Erasmus-Studium beschrieben. Aber natürlich haben wir auch hart gearbeitet. Wir stehen mit unseren einstigen Kollegen noch sehr freundschaftlich in Kontakt, treffen uns immer wieder mal.

[FF]: Ich habe die beiden in Dublin besucht und war sehr beeindruckt von der Arbeitsumgebung und -athmosphäre. Ein paar Dinge haben wir übernommen, uns z. B. einen Tischkicker angeschafft. So etwas hätte es bei einer Bank nie gegeben. Auch versuchen wir, ein lockeres, aber professionelles Arbeitsklima zu schaffen. Am wichtigsten ist, dass unsere Mitarbeiter und wir Spaß an der Arbeit haben, ja sogar mit Leidenschaft an die Aufgaben herangehen. Dann kommt der Erfolg schon fast von selbst.

Wenn ihr von Unternehmen beauftragt werdet, die SEO-Aktivitäten anderer Agenturen zu evaluieren, stoßt ihr wahrscheinlich nicht selten auf mehr oder weniger „unschöne“ Dinge. Es ist zu vermuten, dass euer Kunde dann seiner Agentur ordentlich die Leviten liest oder so etwas ggf. sogar unbedacht im Netz publiziert. Habt ihr keine Sorge, dass ihr dadurch irgendwann mal zum Feindbild anderer Agenturen auserkoren werdet? 
[JW]: 
In der Tat verstoßen viele Agenturen mit ihrer Arbeit gegen die Richtlinien von Google, insbesondere beim Linkbuilding. Deswegen haben wir das Produkt „SEO-Auditing“ ins Leben gerufen, bei dem sich Kunden eine zweite Meinung in Bezug auf die aktuelle Arbeit in SEO einholen können. Allerdings denkt jeder Kunde zuerst an sich: Wenn die Einnahmen stark vom Google Traffic abhängen, muss er sichergehen, dass die Besucher weiterhin kommen. Eine mögliche Abstrafung könnte schlimme Folgen haben, da will er sich absichern. Wenn ich eine Immobilie kaufe, gehe ich mit verschiedenen Gutachtern ähnlich vor.

[AL]: Wir wollen nie die Namen der betreuenden Agenturen erfahren. Nur so können wir unsere Arbeit glaubhaft erledigen. Da wir bis auf unsere Ärzte auch keine Kunden betreuen, sondern lediglich beraten, kommen wir auch nicht in den Gewissenskonflikt, den anderen Agenturen die Kunden abwerben zu wollen. Am liebsten sind mir die Auditing-Kunden, bei denen wir sagen können: „Ihr könnt euch glücklich schätzen, eure SEO-Agentur macht eine gute und richtlinienkonforme Arbeit.“

[FF]: Eine kleine Ausnahme gab es: Ein Arzt kam auf uns zu, weil er von unserer Spezialisierung im Ärztebereich gehört hatte und mit seiner aktuellen Agentur nicht ganz zufrieden war. Wir haben ihm dann nur eine Liste mit den aktuellen Backlinks zukommen lassen. Er hat fast einen Herzstillstand bekommen, es waren viele Links auf, sagen wir mal, minderwertigen Seiten platziert, da hat der Arzt seine Reputation bzw. Marke in Gefahr gesehen. Bei einem anderen Arzt, der von sich aus zu uns kam, haben wir nachträglich festgestellt, dass die Hälfte seines AdWords-Budgets auf einer Schweizer Website zum Thema Pizza im Content-Netzwerk ausgegeben wurde; er ist ein plastischer Chirurg aus Bayern.

Was sind denn die häufigsten Sachen bzw. Verstöße, die ihr bei euren Prüfungen bemängeln müsst?
[JW]: Ganz klar Verstöße beim Linkaufbau bzw. Linkkauf bzw. -tausch. Das geht dann Hand in Hand mit mangelnder Transparenz. Oft sind es aber sehr triviale Dinge, viele Agenturen bieten das Produkt „SEO“ inzwischen mit an, weil es stark nachgefragt wird, ohne aber wirklich Ahnung zu haben. Sie lesen sich dann im erstbesten Forum ein, haben aber noch nie die Richtlinien von Google zu Gesicht bekommen. Hört sich hart an, entspricht aber leider oft der Realität.

[FF]: Oft wird auch einfach gar nichts gemacht, Suchmaschinenoptimierung ist für viele Kunden eine Blackbox. Es werden Langzeitverträge unterschrieben, monatlich bezahlt und es passiert einfach nichts. Der Kunde kann das meistens nicht richtig einschätzen und beendet nach zwei Jahren frustriert das Vertragsverhältnis oder leitet rechtliche Schritte ein, um den Vertrag früher kündigen zu können. Die Agentur schiebt die Schuld auf die unberechenbare Suchmaschine Google. Dieser potenzielle Kunde ist dann für den SEO-Markt zunächst mal verbrannt.

[AL]: Ich berate zusätzlich in Brasilien, hier funktioniert es teilweise anders. Die führenden Agenturen kaufen meine Beratungsleistungen im Namen der großen Markenkunden ein. Die Abwicklung funktioniert im Dreieck, die Agentur betreut und ich berate. Dazu gehören ebenfalls die Schulung und das Briefing von Mitarbeitern der Agentur. Zwischen allen Beteiligten inklusive des Kunden besteht volle Transparenz.

Wie geht ihr denn konkret bei solchen Prüfungen vor? 
[JW]: 
Wir haben eine Checkliste entwickelt, die wir abarbeiten. Diese beinhaltet alle SEO-Bereiche: die technische und inhaltliche Relevanz, die Linkreputation, aber auch die Benutzerfreundlichkeit. Zunächst analysieren wir, danach präsentieren wir die Ergebnisse dem Kunden. Will ein Kunde, dass wir bestimmte Punkte ganz besonders begutachten, setzen wir den Schwerpunkt an dieser Stelle. Eine ganz bekannte Bitte: „Bitte analysieren Sie, warum unsere Konkurrenz erfolgreicher ist als wir, was machen die besser?“

[AL]: Die Vergangenheit bei Search Quality hat uns geprägt, die Handschrift eines Suchmaschinenoptimierers erkennen wir in wenigen Sekunden. Das muss nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein, nur ist die Ausgangslage eine andere. Es stellt sich dann eher die Frage, ob richtlinienkonform gearbeitet wurde, weniger, ob überhaupt gearbeitet wurde.

Ihr bietet auch Charity-Aktionen an. Was muss man sich darunter genau vorstellen bzw. wie läuft so was ab?
[JW]: Google unternimmt extrem viel für Charities. Einen Teil meiner „20-Prozent“-Zeit (die man bei Google zur freien Verfügung bekommt) habe ich in die Betreuung von Charities investiert. Damals haben wir Organisationen geholfen, deren Websites suchmaschinenfreundlicher zu gestalten. Zu einigen dieser Charities habe ich heute noch Kontakt und berate diese kostenfrei. Die eine oder andere Betreuungsleistung ist auch ab und zu dabei.

[FF]: Ein weiteres Projekt, das wir letztes Jahr zur Weihnachtszeit gestartet haben, war doppeltschenken.de. Ziel war es, sämtliche Freunde und Bekannte über diese Website die Geschenke einkaufen zu lassen, die Affiliateprovisionen haben wir gespendet. Der Erfolg war mäßig, allerdings eignen sich solche Projekte hervorragend als Testplattform im Bereich Social Media, auch für neue Mitarbeiter.

Habt ihr abschließend noch einen Tipp, auf welche Kriterien man als Unternehmen achten sollte, wenn man sich eine SEO-Agentur aussucht? Marktführer ist ja laut den einzelnen Websites meist jeder und ebenso erfolgreich. Wie kann z. B. ein mittelständisches Unternehmen erkennen, ob jemand auch gut ist oder ob es sich eher um Schaumschlägerei handelt? 
[AL]: 
Ich empfehle jedem Kunden, die offizielle „Einführung in die Suchmaschinenoptimierung“ von Google zu lesen (pdf, 32 Seiten unter einfach.st/gtip). So erreiche ich als Kunde eine ganz andere Verhandlungsposition und erkenne im Gespräch schnell, ob ein Dienstleister unter Umständen keine Ahnung hat.

[FF]: Erfahrungswerte im jeweiligen Themenbereich sind von Vorteil, das ist anhand von Referenzen leichter zu überprüfen. Auch: Wie sieht das Netzwerk der Agentur aus?

[JW]: Was mir persönlich immer wieder auffällt: Wie viele SEO-Agenturen veröffentlichen auf ihrer Website Fotos der Mitarbeiter bzw. der Geschäftsführung? Fast keine. Was ich damit sagen will: Die Branche glänzt nicht gerade durch Vertrauenswürdigkeit, das spiegelt sich in den Websites vieler Dienstleister wieder. Sie wirken austauschbar und unpersönlich, haben vielleicht etwas zu verbergen. Andere SEOs arbeiten hingegen laufend an der eigenen Marke und Reputation. Sie sind meistens auch sehr erfolgreich im Geschäft und werden oft weiterempfohlen.