Vertrauen im Online-Shopping

Harald Schiffauer
Harald Schiffauer

Harald Schiffauer ist seit 1. Juli 2009 Head of Sales Ciao E-Commerce bei der Ciao Commerce Division von Microsoft. Als Sales Director E-Commerce Europe verantwortet der 41-Jährige den pan-europäischen Ausbau der Handelspartnerschaften im Bereich E-Commerce für die Ciao-Plattformen in Deutschland (ciao.de), Großbritannien (ciao.co.uk), Frankreich (ciao.fr), Italien (ciao.it), Spanien (ciao.es), den Niederlanden (ciao-shopping.nl) und Schweden (ciao.se). Schiffauer ist in seiner neuen Funktion neben der länderübergreifenden Betreuung bestehender Shopping-Partnerschaften zudem für den gezielten Ausbau des europaweiten Netzwerkes der Online-Handelspartner zuständig. Schiffauer berichtet direkt an Stephan Musikant, General Manager der Ciao Commerce Division bei Microsoft.
Vor seinem Wechsel zu Ciao war Schiffauer bei der Pangora GmbH als Director Shop Business tätig. Dort verantwortete der Diplomkaufmann die internationale Vermarktungsstrategie in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Anfang 2004 übernahm Schiffauer zudem die Geschäftsführung der Pangora-Niederlassungen in Paris und Mailand in Personalunion, bevor er Ende 2006 zum Mitglied der Geschäftsleitung der Pangora GmbH ernannt wurde.

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Vertrauen ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren bei der Glaubwürdigkeit von Informationen genauso wie im Kaufentscheidungsprozess. Die Suche nach Informationen findet fast ausschließlich online statt. Welches Produkt und welcher Online-Shop ausgewählt werden, darüber entscheiden in zunehmendem Maße Usermeinungen. Deren hohe Relevanz und Glaubwürdigkeit ist direkt nach dem Preis die wichtigste Einflussgröße. Der richtige Umgang mit User Generated Content zur Schaffung von Vertrauen ist aktueller denn je.

Fast jede Recherche findet heute online statt. Aber noch immer interessieren sich Unternehmen erschreckend wenig für ihr Image im Netz, wenige Unternehmen kümmern sich ernsthaft um ihren digitalen Ruf. Wieso entscheiden sich Verbraucher für bzw. gegen eine Marke, ein Produkt oder einen Service? Worauf legen User besonderen Wert, wie zufrieden sind sie und wie gehen Unternehmen mit Feedback um, wenn sie welches bekommen?

In den letzten Jahren hat die Nutzung des Internets stetig zugenommen. Die Möglichkeiten zur Recherche und zur Interaktion sind stark angestiegen. Multitasking, Kanalvielfalt und eine sogenannte Generation „always on“ haben die Art der Informationsaufnahme verändert. Verbraucher nutzen nicht nur eine Quelle und das erwachsen gewordene Internet ist glaubwürdiger und relevanter denn je.

Aber nicht nur Lesen von Informationen, auch die Möglichkeit zu Kommentaren, Rezensionen und sonstiger Interaktion mit Webseiten und Inhalten ändert das Informationsverhalten. Zunächst unter dem Buzzword Web 2.0 zusammengefasst, zeigt sich heute ein fortlaufend starker Trend zur Meinungsäußerung und zum Konsum dieser Meinungen.

Ob es sich dabei um Forenbeiträge, Blogs, Frage- und Antwortportale oder tatsächliche Verbraucherportale handelt: User werden mehr und mehr in Meinungsbildung und in Entscheidungsprozesse involviert.

Fast die Hälfte der nutzergenerierten Inhalte sind Verbrauchermeinungen und -bewertungen. Die Wichtigkeit für Informationssuchende zeigt sich bei der Nutzungsfrequenz: Über ein Drittel nutzen persönliche Erfahrungsberichte mehr als zweimal pro Monat. Und diese Nutzung hat einen messbaren Einfluss auf das Kaufverhalten und die Meinungsbildung.

Viele User wechseln im Kaufprozess noch Marke oder Produkt

Persönliche Erfahrungsberichte haben bei ca. der Hälfte aller Internetznutzer schon mal zu einer Kaufentscheidung geführt oder jemanden vom Kauf abgehalten. Aber genauso beeinflussen Reviews die Meinung über eine Marke oder über den Service eines Shops. Für Online-Shops spielen Verbrauchermeinungen sogar eine doppelte Rolle: bei der Produktauswahl und bei der Anbieterauswahl.

Studien zufolge wächst der Online-Shopping-Markt weiterhin, auch wenn die Wachstumsgeschwindigkeit etwas nachgelassen hat. Um am Wachstum überproportional profitieren zu können, lohnt sich ein tieferer Blick in die Möglichkeiten von Usermeinungen.

Usermeinungen bilden Vertrauen

Den Erfolg von Produktbewertungen kann man auch daran festmachen, dass diese in Suchmaschinen ein gutes Ranking erzielen. Usern bieten Meinungen und Bewertungen also auch aus Sicht der Ranking-Algorithmen von Suchmaschinen einen starken Mehrwert.

Aber auch darüber hinaus gibt es Bedarf, das Vertrauen im Online-Shopping und im Kaufentscheidungsprozess zu stärken. Anders als beim stationären Handel fehlt online ein Verkäufer, der die Ware demonstrieren kann, ebenso gibt es kein haptisches Erlebnis oder andere Möglichkeiten, um Zweifel zu zerstreuen und Kaufsignale aufzugreifen.

Erfahrungsberichte helfen, das Vertrauen in die Kaufentscheidung zu stärken.

Ein potenzieller Käufer kann vor dem Online-Kauf also verunsichert sein, ob er die richtige Produktwahl getroffen hat. Wenn ihm in diesem Moment Erfahrungsberichte zur Verfügung stehen, die von anderen Käufern dieses Produkts geschrieben wurden, kann diese Verunsicherung abgebaut werden. Genauso ist es bei der Anbieterauswahl. Wenn ein User den Online-Shop nicht kennt, aber schnell sieht, dass andere Käufer dort einen guten Service, eine schnelle Bestellabwicklung und Lieferung vorgefunden haben, so kann er sich auch guten Gewissens für diesen Shop entscheiden.

Usermeinungen in der Praxis

Usermeinungen auf der eigenen Webseite oder im eigenen Online-Shop einzusetzen, ist technisch recht einfach. Die meisten Anbieter bieten einfache Module, die einem Shopsystem oder einer Webseite hinzugefügt werden können. Die Möglichkeit zum Mitmachen ist weit verbreitet und den Usern geläufig. Dennoch sollte man sich gut überlegen, ob Usermeinungen auf der eigenen Seite die richtige Lösung darstellen.

Was ist der Anreiz für einen User, einen Kommentar, eine Meinung oder gar einen ausführlichen Erfahrungsbericht zu hinterlassen? Eine nicht genutzte Aufforderung zum Mitmachen („Seien Sie der Erste!“) ist im begrenzten Lesebereich einer Webseite auf Dauer Platzverschwendung. Dann ist es auch nicht garantiert, dass die dort hinterlassenen Beiträge den eigenen Qualitätsansprüchen genügen. Neben dem Einbau des UGC-Moduls kommen also auch laufende Kosten für Moderation und Kontrolle hinzu.

Zudem stiften Usermeinungen nur dann einen Mehrwert, wenn es mehrere Meinungen zu einem Produkt gibt und wenn aus der Addition der verschiedenen Meinungen eine Gesamtbewertung bzw. eine Gesamtnote errechnet werden kann. Da User heute an vielen Stellen zum Mitmachen aufgefordert werden, ist es nicht leicht, genügend Schreibende auf seine Seite zu ziehen. Auch sollte man sich im Voraus die Frage der Qualitätskontrolle stellen und sich darauf einstellen, dass Meinungen auch in irgendeiner Form moderiert werden müssen.

Gleichzeitig gibt es Bewertungsportale, bei denen User ihre Meinungen zu Produkten und Services schreiben. Bewertungsportale und die damit verbundene Community bieten viele Vorteile: eine hohe Glaubwürdigkeit, die Aggregation von Meinungen und insbesondere deren Bewertung in Bezug auf die Nützlichkeit eines Berichts. Es geht also nicht ausschließlich um den Bericht selbst, sondern darum, wie stark dieser den restlichen Usern bei der Entscheidungsfindung hilft.

Offenheit stärkt Vertrauen

Vertrauen sollte im Online-Shopping auch durch andere Maßnahmen hergestellt werden: Dazu gehören ein „aufgeräumter“ Shop mit hoher Performance und Usability, eine starke Shop-Marke, aber auch der Einsatz eines Gütesiegels oder einer Facebook-Anbindung stellen Vertrauen her. Wer insgesamt Offenheit und Bereitschaft zu Dialog und Feedback signalisiert, hat schon einen ersten großen Schritt getan. Dazu kann auch gehören, dass man User offen zum Feedback auffordert. In Bestellbestätigungs-E-Mails, auf Rechnungen oder Kassenbons werden heute vermehrt User dazu aufgerufen, ihre Erfahrung mit anderen Usern zu teilen. Dies kann auf der eigenen Seite passieren oder auf Bewertungsportalen.

Hoher Umsetzungsbedarf

Online-Experten beurteilen die wachsende Beliebtheit von Verbrauchermeinungen überwiegend positiv. Trotzdem hat erst ein kleiner Teil der Experten bisher eine Strategie zum offenen Umgang hiermit entwickelt. Eine kurze Analyse ist aber für jeden wichtig, um diese Chance nicht zu verpassen. Was sind relevante Umfelder? Wo also wird über mich geschrieben und wie wichtig ist dieser Kanal? Will ich UGC auf meinen eigenen Seiten forcieren oder konzentriere ich mich auf Multiplikatoren/Meinungsportale? Welches ist die richtige Ansprache für mein Zielpublikum? Wie gehe ich mit Feedback um und suche ich den offenen und ehrlichen Dialog mit meiner Zielgruppe?

Ohne Aufwand gibt es auch hier keinen Erfolg. Jedoch ist der Mitteleinsatz überschaubar. Die Chancen, ein gutes, digitales Bild zu hinterlassen, sollten operative Bedenken schnell übertrumpfen. Das Internet vergisst nichts, weder gute noch schlechte Meinungen.