Rechtliche Checkliste für einen SEO-Vertrag – Teil 2

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Der Artikel erläutert, auf welche neuralgischen Punkte der SEO-Consultant bei der Ausgestaltung eines Vertrages mit seinem Kunden achten sollte. Der Aufsatz kann keine anwaltliche Beratung ersetzen. Er kann den SEO-Consultant jedoch für einzelne Bereiche der vertraglichen Ausgestaltung sensibilisieren. Oft werden in SEO-Verträgen nämlich elementare Dinge vergessen. Der Aufsatz ist in zwei Teile geteilt. Heute lesen Sie den zweiten Teil; den ersten gab es in der letzten Ausgabe.

Punkt 4: Gewährleistung

Ein weiterer neuralgischer Punkt in SEO-Verträgen ist der der Gewährleistung. Im 1. Teil hatten wir bereits erläutert, dass Sie grundsätzlich nur das Wort „gewährleisten“ benutzen sollten und niemals den Begriff „garantieren“, da Sie andernfalls uferlos haften. Ebenso hatten wir Ihnen geraten, von der Vereinbarung bestimmter Erfolge (z. B. nach sechs Monaten Position 1 beim Keyword XY) nur zurückhaltend Gebrauch zu machen.

Unabhängig davon, was Sie nun konkret in dem Vertrag an Leistungen vereinbaren, kann es immer zu einem Fehler kommen, der Ihre Leistung mangelhaft oder vollkommen unbrauchbar werden lässt. Im schlimmsten Fall kann es sogar sein, dass durch diese mangelhafte Leistung Ihrem Kunden ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entsteht.

Beispiel: Die Firma X betreibt für die Automarke BMW die Suchmaschinen-Optimierung. Durch den Einkauf sogenannter „Russen“-Links fliegt die Webseite www.bmw.de aus dem Google-Index. Dadurch verkauft BMW pro Tag 100 Autos weniger, was einen täglichen Schaden von 4 Mio. EUR verursacht.

Haftet Firma X nun für diesen Schaden?

Nach deutschem Recht haftet der Erbringer einer Dienstleistung grundsätzlich für sämtliche Schäden, die durch seine mangelhafte Leistung entstehen. In unserem Beispiel würde somit die Firma X für den täglichen Schaden von 4 Mio. EUR haften. Es ist daher zwingend erforderlich, dass der SEO-Consultant in den Vertrag eine Haftungsbegrenzung mit einbaut. Tut er dies nicht, besteht die Gefahr einer unendlichen Haftung. Zwar kann ein solches Risiko durch den Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung reduziert werden, die meisten Versicherungen deckeln jedoch ihre Einstandspflicht auf gewisse Maximalsummen.

a. Haftungsbegrenzung dem Grunde nach:

Der SEO-Consultant kann grundsätzlich von vornherein die Haftung für gewisse Dinge ausschließen. Es gibt jedoch einen Kernbereich der Haftung, bei dem jede Eingrenzung rechtswidrig ist. In folgenden Fällen kann eine Haftung dem Grunde nach nicht ausgeschlossen werden:

- bei vertraglichen Kernpflichten des SEO-Consultants (z. B. Beratungs- und Aufklärungspflichten)
- bei allen Handlungen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig geschehen
- bei allen Körperschäden (Leben, Körper oder Gesundheit)

Die Wahrscheinlichkeit, dass Körperschäden durch eine mangelhafte SEO-Leistung entstehen, ist zwar außerordentlich unwahrscheinlich, gleichwohl ist diese Regelung jedoch mit zu berücksichtigen. Beachtet man nämlich diese Einschränkung nicht, wird die gesamte Klausel rechtswidrig, auch wenn die Haftung für Körperschäden in der SEO-Praxis keine Rolle spielt. Durch eine solche Unachtsamkeit wäre dann die gesamte Haftungsklausel unwirksam, sodass der SEO-Consultant voll haften würde.

Wie zuvor erläutert, können Sie Ihre vertraglichen Kernpflichten nicht begrenzen. Der Gesetzgeber verbietet es nämlich, dass Sie einerseits für Ihre Leistungen Geld kassieren, andererseits aber dafür nicht einstehen wollen.

Faktisch besteht jedoch bei Beratungsleistungen eine sinnvolle Haftungsbegrenzung quasi „durch die Hintertür“. Als Berater ist es nämlich „nur“ Ihre Pflicht, den Kunden umfassend zu informieren und auf etwaige Risiken hinzuweisen. Es ist hingegen nicht Ihre Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, d. h. sich für oder gegen etwas zu entscheiden.

Beispiel: Unser o. g. Beispiel mit den „Russen“-Links

Hier wäre es die Pflicht der Firma X gewesen, BMW über sämtliche Vor- und Nachteile, die mit einer solchen Maßnahme verbunden sind, zu informieren. Insbesondere hätte die Pflicht bestanden, BMW auf die Gefahr hinzuweisen, mit solchen unlauteren Methoden leicht aus dem Google-Index fliegen zu können.

Hat die Firma X den Autohändler über die Gefahren und Risiken ausreichend informiert, dann haftet sie später nicht, wenn BMW sich für diese Handlungsweise entscheidet.

Wichtig ist somit, dass der SEO-Consultant stets umfassend Chancen und Risiken aufzeigt. Die Situation ist vergleichbar mit der eines Arztes, der seinen Patienten vor einer wichtigen Operation über die Risiken der jeweiligen Behandlungsmethoden aufklären muss.

Da in einem späteren Streitfall die Beweislast beim SEO-Consultant liegt, ist hier eine schriftliche Dokumentation Pflicht. Nur das geschriebene Wort bringt hinreichende Rechtssicherheit. Ist eine schriftliche Fixierung nicht möglich, sollten Sie zu dem Gespräch mit dem Kunden einen Zeugen mitnehmen, der später vor Gericht aussagen kann. Achten Sie darauf, dass es sich dabei um eine Person handelt, die überhaupt als Zeuge fungieren kann. Der Firmeninhaber selbst, der Geschäftsführer oder der Vorstand scheiden hier von vornherein aus. Mitarbeiter Familienangehörige, Freunde oder sonstige Bekannte hingegen sind möglich.

b. Haftungsbegrenzung der Höhe nach:

In jedem Fall dringend anzuraten ist eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach. Wie das Beispiel mit den „Russen“-Links zeigt, besteht andernfalls die Gefahr einer grenzenlosen Haftung.

Bei welcher konkreten Summe diese Grenze rechtlich wirksam gezogen werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Ein absoluter Betrag lässt sich nicht nennen. Es macht nämlich einen wichtigen Unterschied, ob die monatliche Vergütung nun 50,- EUR oder 50.000,- EUR beträgt.

In der Praxis eingebürgert und bewährt hat sich die Regelung, die Haftung auf eine x-fache Summe der monatlichen Vergütung zu begrenzen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Der SEO-Consultant muss stets die absoluten Beträge betrachten: Eine Begrenzung auf 250,- EUR (= 5 x 50,- EUR) wird klar unwirksam sein, da der Haftungsbetrag zu niedrig ist. Eine Summe von 250.000,- EUR (= 5 x 50.000,- EUR) wird hingegen in den meisten Fällen als angemessen anzusehen sein.

Punkt 5: Mitwirkungspflichten des Kunden

SEO-Verträge scheitern in der Praxis nicht selten daran, dass der Kunde seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Wichtige Informationen (z. B. Login-Daten) erhält der SEO-Consultant nicht, sodass er mit seiner eigenen Leistung nicht beginnen kann.

Um solchen Fällen vorzubeugen, sollte der Vertrag dezidiert die einzelnen Mitwirkungspflichten des Kunden enthalten. Insbesondere sollte vereinbart sein, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Kunde sich dauerhaft sperrt. Hier ist besonders wichtig zu regeln, dass in einem solchen Fall der Vergütungsanspruch des SEO-Consultants weiterläuft, auch wenn er seine Leistungen nicht erfüllen kann.

Punkt 6: Verschwiegenheitspflichten

Der Kunde erhält, ob absichtlich oder unabsichtlich, in das Know-how des SEO-Consultants gewisse Einblicke. Je enger die Zusammenarbeit, desto mehr Interna erfährt der Auftraggeber. Dies gilt aber auch umkehrt: Damit der SEO gut beraten kann, muss der Kunde ihm einen tiefen Einblick in die Firmenverhältnisse vor Ort geben (z. B. Kundenstruktur, Umsatz usw.).

Es ist daher dringend anzuraten, dass der SEO-Vertrag eine Verschwiegenheitsklausel enthält. Der SEO-Consultant dokumentiert damit auch, dass ihm die Interessen seines Kunden wichtig sind und er professionell arbeitet, wenn er von sich aus eine solche Klausel vorlegt. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht sollte Sanktionen (z. B. eine Vertragsstrafe) nach sich ziehen, da ansonsten die Regelung ein zahnloser Tiger bleibt.

Punkt 7: Abwerbeverbot

Je größer der Kunde ist, desto größer ist die Gefahr, dass er einen qualifizierten Mitarbeiter der beratenden SEO-Agentur abwirbt und bei sich einstellt. Um diesem Problem vorzubeugen, ist es daher ratsam, auch ein Abwerbeverbot in den Vertrag mit aufzunehmen. Andernfalls besteht das Risiko, dass die SEO-Agentur über kurz oder lang „ausblutet“.

Ein seriöser Kunde wird ein solches Verbot auch akzeptieren, denn er weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Qualifikation der eigenen Mitarbeiter ist.

Punkt 8: Deutsches Recht/deutsche Gerichtsbarkeit

Unabdingbare Voraussetzung für einen brauchbaren SEO-Vertrag ist die Vereinbarung, dass deutsches Recht Anwendung finden soll. Sie können alle bisherigen Tipps und Tricks vergessen, wenn am Ende des Vertrages plötzlich spanisches oder amerikanisches Recht zum Zuge kommen sollte. Für den SEO-Consultant ist nämlich nicht voraussehbar, ob die jeweilige ausländische Rechtsordnung mit der deutschen vergleichbar ist und zu ähnlichen Rechtsfolgen kommt. So kann es gut sein, dass sich nach amerikanischem Recht die Vertragsklausel X oder Y akustisch identisch anhört, in der Praxis aber das genaue Gegenteil bedeutet.

Also Achtung: Ihre bisherigen Überlegungen sind keinen Pfifferling mehr wert, wenn auf den Vertrag ausländisches Recht angewendet werden soll. Wenn nur irgendwie möglich, sollten Sie auf deutsches Recht bestehen. Ist dies nicht machbar, sollten Sie in jedem Fall einen Rechtsanwalt hinzuziehen, der sich in diesem ausländischen Recht auskennt, und sich nicht einfach darauf verlassen, dass der übliche Vertrag von ihrem deutschen Anwalt geprüft wurde.

Ebenso wichtig ist zu vereinbaren, wo im Falle der gerichtlichen Auseinandersetzung geklagt werden soll. Wenn eine Gerichtsstands-Vereinbarung zulässig ist, sollte stets ein deutscher Gerichtsstandort gewählt werden. Denn auch hier gilt: Es kann gut sein, dass ein ausländischer Richter, auch wenn deutsches Recht Anwendung findet, den Vertrag gänzlich anders interpretiert.

Punkt 9: Sonstiges

a. Referenznennung:

Vereinbaren Sie mit dem Kunden schriftlich, dass Sie seinen Namen und ggf. sein Logo als Referenz benutzen dürfen, denn dies ist nicht selbstverständlich: Wird keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, so hat der SEO-Consultant im Zweifel kein Recht auf Nennung.

b. Durchreichung von Dritt-Leistungen:

Reichen Sie die Leistungen von Dritten an den Kunden weiter (z. B. Webhosting oder Einkauf von Links), so achten Sie stets darauf, dass im Verhältnis zwischen Ihnen und dem Kunden die gleichen Regelungen gelten wie im Verhältnis zwischen Ihnen und dem Dritten. Sie sitzen hier nämlich zwischen den Stühlen. Unabdingbar ist es daher, dass Sie die Bestimmungen 1:1 an Ihren Kunden weiterreichen, andernfalls bleiben Sie auf einem Schaden sitzen.

c. Fall der außerordentlichen Kündigung:

Überdenken Sie auch, was für Folgen eintreten sollen, wenn Sie oder der Kunde den Vertrag außerordentlich kündigen. Beenden Sie z. B. außerordentlich den Vertrag wegen eines Fehlverhaltens des Kunden, sollte klar geregelt sein, dass Sie Ihre noch ausstehende Vergütung erhalten. Spielen Sie also gedanklich durch, was der Vertrag alles enthalten muss, wenn dieser Fall eintritt.

 

Tipp 1: Verträge immer – ohne jede Ausnahme – nur schriftlich vereinbaren! Dies gilt auch für Vertragsergänzungen und -erweiterungen.

Tipp 2: Legen Sie genau fest, welche Leistungen Sie erbringen!

  • Reine Beratung oder mehr?
  • Soll ein Erfolg (z. B. nach sechs Monaten Position 1 beim Keyword XY) geschuldet sein?
  • Benutzen Sie nicht den Begriff „Garantie“, sondern immer nur „Gewährleistung“.

Tipp 3: Vorsicht bei „verbotenen“ Leistungen!

  • Aufklärungs- und Hinweispflichten bei lediglich „problematischen“ Leistungen.
  • Vereinbaren Sie keine rechtswidrigen Leistungen.

Tipp 4: Achten Sie auf Ihre Vergütung!

  • Trennen Sie zwischen Ihrer Vergütung und dem sonstigen Aufwendungsersatz.
  • Vereinbaren Sie Ihre Vergütung klar, deutlich und leicht nachvollziehbar.

Tipp 5: Vorsicht Falle: Gewährleistung!

  • Treffen Sie eine Haftungsbegrenzung dem Grunde nach.
  • Dokumentieren Sie Ihre Aufklärungs- und Informationsleistungen schriftlich.
  • Treffen Sie eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach.

Tipp 6: Sonstiges

  • Legen Sie klare Mitwirkungspflichten für Ihren Kunden fest und welche Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes gelten.
  • Statuieren Sie eine Verschwiegenheitspflicht für beide Vertragsparteien und welche Sanktionen bei einer Verletzung eintreten.
  • Vereinbaren Sie ein Abwerbeverbot.
  • Achten Sie auf die Anwendung deutschen Rechts und einen inländischen Gerichtsstand.
  • Bestimmen Sie die Nennung des Kunden als Referenzkunde.
  • Bei Durchreichung von Leistungen stets identische Regelungen.
  • Berücksichtigen Sie, was im Falle einer außerordentlichen Kündigung passiert, und sorgen Sie vor.