Der lange Weg vom Klick zum Kauf

Andreas Schwend
Andreas Schwend

Andreas Schwend studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Stuttgart und arbeitete als technischer Projektleiter im Bereich EDV-Organisation. Zusammen mit Daniel Rebhorn gründete er 1995 dmc. Andreas Schwend ist unter anderem Mitglied im Medienausschuss des Landesverbandes der Industrie und im Expertengremium 'doIT' des Staatsministeriums Baden-Württemberg.
Andreas Schwend ist als Managing-Partner für die Bereiche Marketing/Vertrieb und strategische Beratung bei der dmc digital media center GmbH verantwortlich.

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Die Freude ist groß, wenn die Suchmaschinenoptimierung Früchte getragen hat und die Besucherzahlen des Online-Shops in die Höhe schnellen. Doch die Ernüchterung ist umso größer, wenn man sich anschaut, wie viele der Besucher auch tatsächlich kaufen. Andreas Schwend erklärt, was man dagegen tun kann.

Studien zeigen, dass sich im Schnitt 97 Prozent der Kunden gegen einen Shop entscheiden und nicht dort kaufen, obwohl sie es auf die Shopseiten geschafft haben. Gerade einmal 3 Prozent oder weniger „konvertieren“ vom Besucher zum Käufer. Dabei zeigt uns der Markt in den USA, dass auch zweistellige Raten möglich sind. Wie lässt sich also die Konversionsrate messen, wie können mögliche Ursachen für niedrige Konversionsraten entdeckt werden und welche Möglichkeiten gibt es, die Konversion dauerhaft zu verbessern?

Was du nicht messen kannst, kannst du nicht lenken …

Die Konversionsrate ist zunächst einmal nur eine Kennzahl von vielen, und noch nicht einmal eine sonderlich komplexe. Im Allgemeinen misst die Konversionsrate (KR), wie viele Besucher einer Webseite eine bestimmte Aktion ausgeführt haben.

Aktionen können der Klick auf einen Teaser, das Legen eines Produktes in den Warenkorb oder der Kauf eines Produktes sein. Betrachtet man die Konversionsrate aus Sicht eines Prozesses, so kann man zwischen Micro- (einzelne Prozessschritte) und Macro-KR (gesamter Prozess) unterscheiden.

Bei 10.000 eindeutigen Besuchern pro Tag und 300 Einkäufen im selben Zeitraum ergibt sich somit eine Sales Conversion Rate (SCR) von 3 Prozent. Weitere Macro-KR sind die Anzahl aller Kontaktanfragen im Verhältnis zu den Besuchern (englisch: Lead Conversion Rate) oder die Rate aller neuen Newsletter-Abonnenten.

Das Messen übernehmen für Sie Web-Analytic-Tools wie das kostenlose „Google Analytics“ oder zahlreiche kostenpflichtige Lösungen wie z. B. „econda Shop Monitor“. Es empfiehlt sich, zunächst einmal die SCR zu bestimmen und dann bei Bedarf genauere Analysen durchzuführen. Umfragen, z. B. die Usegate Expertenbefragung „Bekanntheit der Conversion-Rate – 2002“ zeigen nämlich, dass 45 Prozent aller E-Commerce-Verantwortlichen gar nicht wissen, was eine Konversionsrate ist und gerade mal 15 Prozent können diese auch korrekt für Ihren Shop benennen.

Viel Raum für Verbesserung.

Wenn Sie nun festgestellt haben, dass der eigene Shop eine KR von 2,8 Prozent hat, kann Ihnen folgende Studie helfen, die KR Ihres eigenen Shops besser einzuordnen.

Zwischen sehr schlechten und sehr guten KR kann schon mal eine Differenz von mehreren 100 Prozent liegen. Im Vergleich mit den USA ist die Verteilung der KR dort gegenüber Deutschland insgesamt eher in Richtung der mittleren bis höheren Bereiche verschoben. Eine Erklärungsmöglichkeit ist die höhere Marktdurchdringung des E-Commerce in den USA. Es wird also zunehmend schwieriger werden, neue Benutzer auf den eigenen Online- Shop zu leiten. Wenn also nicht mehr Nutzer auf die Seite kommen, dann sollen diejenigen, die schon da sind, doch wenigstens etwas kaufen. Genau hier setzt die KR-Optimierung an. 

Da jegliche Optimierung aber zunächst einmal Aufwand bedeutet und damit auch Kosten verursacht, wäre es fatal, an der falschen Stelle zu optimieren.

Wo verlassen meine Kunden den Shop?

Dazu betrachten wir noch einmal den am Anfang vorgestellten Prozess anhand eines realen Beispiels aus dem Online-Weinhandel.

Das tatsächliche Klickverhalten eines Webseitenbesuchers ist nicht unbedingt derart linear, wie die Grafik vermuten lässt. Fest steht jedoch: Wurde der Kaufprozess einmal verlassen, so werden die weiteren Schritte nicht durchgeführt. Dies sollten Sie bei der Optimierung berücksichtigen. So macht es wenig Sinn, die Startseite zu optimieren, wenn der Großteil der Besucher erst im Checkout-Prozess aussteigt. Des Weiteren kann man sich unter Umständen teure neue Features auf den Produktdetailseiten sparen, wenn nur wenige Benutzer über die Startseite hinauskommen.

Sie sind nun in der Lage, das Problem zu messen und es innerhalb des Kaufprozesses zu lokalisieren. Es stellt sich nun jedoch die Frage, wieso Ihre Kunden den Shop an gewissen Stellen verlassen. Eins ist sicher: Die Zahlenkolonnen in Ihrem Webanalyse-Tool werden es Ihnen leider nicht verraten.

 

Warum verlassen meine Kunden den Shop?

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage finden Sie schnell Angebote wie „108 Wege zur KR-Optimierung“, „10 geheime Tipps für bessere KR“ usw.

Diese Checklisten haben ihre Berechtigung und stellen eine Möglichkeit dar, die KR durch eventuelle „Quick Wins“ zu steigern. Sie sind jedoch oftmals sehr speziell und verbessern nur punktuelle Aspekte innerhalb des Kaufprozesses.

Es gibt aber auch ein Modell, welches versucht, den Entscheidungsprozess Ihrer Kunden abzubilden.

Das Verhaltensmodell von B. J. Fogg (pdf unter einfach.st/fogg) vereint Erkenntnisse aus der experimentellen Psychologie und der Mensch-Computer-Interaktion. Um den Kunden zu einer gewissen Aktion, z. B. dem Kauf, zu überzeugen, bedarf es dreier Voraussetzungen: Motivation, Fähigkeit und Auslöser.

  • Identifizieren Sie diejenigen Faktoren, welche die Motivation positiv beeinflussen, und stellen Sie diese in den Vordergrund. Das müssen nicht unbedingt harte Fakten wie der Preis sein, vielmehr kann durch Emotionen die notwendige Handlungsbereitschaft geschaffen werden. Fogg nennt als Motivationsgründe u. a. Vergnügen, Hoffnung oder soziale Anerkennung. Alle sozialen Netzwerke bedienen sich zum Beispiel des letzteren Motivationsgrundes.
  • Die zweite Voraussetzung ist die Fähigkeit, eine bestimmte Aktion durchzuführen. Training ist eine Möglichkeit. Aber der Mensch versucht, wann immer möglich, Aufwand zu vermeiden. Einfachheit definiert sich nicht allein durch den geistigen Anspruch, der an Ihren Kunden gestellt wird. Ihr Kunde muss auch die Zeit oder das Geld haben, um die gewünschte Aktion durchzuführen. Motivation und Fähigkeit stehen dabei in einer Austauschbeziehung. Fehlende Fähigkeit kann durch höhere Motivation ausgeglichen werden. Beispielsweise wird Ihr Kunde die Strapazen einer Registrierung auf sich nehmen, wenn er im Gegenzug von den Vorteilen Ihrer Kundenkarte profitiert.
  • Der dritte und letzte Faktor zur Überwindung der Aktionsschwelle ist der Auslöser. In Bezug auf das Medium Internet trifft man hier am häufigsten auf sogenannte Call-to-Action-Elemente. Im gesamten Kaufprozess, von der Startseite bis zum Warenkorb, sollten diese Elemente immer sichtbar und prominent platziert sein. Zeigen Sie Ihrem Kunden, dass er das Richtige tut, dass er nur noch einen Klick von der Bestellung entfernt ist oder dass er jetzt die Sonderaktion nutzen könnte.

Verlassen Ihre Kunden den Shop und führen nicht die gewünschte Aktion aus, dann sollten Sie gezielt die einzelnen Faktoren analysieren und dem zeitlichen Ablauf des Kaufprozesses zuordnen.

Glaube keinem Experten außer dem Kunden!

Die dritte Möglichkeit herauszufinden, wieso Kunden nicht in Ihrem Shop kaufen, klingt banal, aber sie wird selten eingesetzt. Fragen Sie doch einmal Ihre Kunden. Sie werden erstaunt sein, welche Einblicke Sie durch die Sicht von außen bekommen werden. Anfangen kann man mit einer einfachen Online-Umfrage, was dem Kunden gefallen oder nicht gefallen hat. Leider erreichen Sie damit nur schwer die Nicht-Käufer. Ihr Kunde hat ja die Seite bereits verlassen und kann im Allgemeinen nicht mehr kontaktiert werden, es sei denn, es war ein wiederkehrender Stammkunde.

An dieser Stelle kann dann eine bunte Mischung an qualitativen Analysemethoden zum Einsatz kommen. Identifizieren Sie zunächst typische, nicht theoretische Nutzer Ihrer Webseite und analysieren Sie das Kundenverhalten. Als Methoden bieten sich Konsumenten-Interviews (Denke-Laut-Methode) sowie Usability-Labs, unterstützt durch Eye- und Mousetracking an.

Sehen Sie das Testen nicht als lästige Pflicht, sondern als einmalige Möglichkeit an. Sie ersparen sich Diskussionen über Geschmäcker oder subjektive Eindrücke. Sie können Ideen auch mal pragmatisch und spontan testen. Es entscheidet allein die KR und damit auch der Umsatz.

Testen Sie Ihre aufgestellten Hypothesen!

Nun ist es endlich so weit. Sie haben eine Checkliste von 10 ausgezeichneten KR-Tipps vor sich liegen. Entweder Sie vermuten, dass es Schwächen in der Aktivierung Ihrer Kunden durch fehlende Call-to-Actions gibt, oder Sie haben vielleicht im Eyetracking mit Probanden herausgefunden, dass keiner Ihre Servicehotline wahrnimmt. So unterschiedlich die Probleme sein mögen, eins haben sie gemeinsam: Sie wollen getestet werden. Die Wirkung Ihrer KR-Optimierung wird ohne Testen nicht erkennbar sein. Es schließt den Prozess aus Messen, Verstehen und Optimieren ab und liefert Ihnen konkrete Ergebnisse. Falls der Test fehlschlägt, verlieren Sie etwas Umsatz für einen Tag, ist er ein Erfolg, werden Sie Ihren Umsatz dauerhaft gesteigert haben.

Für die KR-Optimierung eignet sich als Testmethode das A/B- oder multivariate Testing. Hierzu variieren Sie ganze Webseiten oder nur einzelne Elemente und lassen diese Versionen gegeneinander antreten. Die Methoden unterscheiden sich also in der Anzahl der zu testenden Varianten und in der benötigten Anzahl von Besuchern, die Sie für signifikante Testergebnisse benötigen. Mit dem Google Website Optimizer steht Ihnen hierfür ein kostenloses und unkompliziertes Tool zur Verfügung.

Ganzheitliche KR-Betrachtung führt zum Ziel.

Mit der KR liegt Ihnen eine Kennzahl vor, die Sie gezielt bestimmen können und deren Verbesserung sofort positive wirtschaftliche Auswirkungen hat, vorausgesetzt, Sie betrachten sie nicht unabhängig vom Umsatz. Eine KR-Optimierung ist dann am wirksamsten, wenn Sie alle Schritte des Kaufprozesses einbeziehen und nicht das Heil in einer einzigen Maßnahme suchen.

Schaffen Sie Motivation durch Alleinstellungsmerkmale, optimieren Sie die Usability, um die Fähigkeiten Ihrer Kunden nicht überzustrapazieren, und sorgen Sie für den richtigen Auslöser als Kaufanreiz. Und wenn Sie diesen Ratschlägen nicht glauben möchten: Auch nicht schlimm, dann lassen Sie Ihre Kunden entscheiden – Sie wissen ja jetzt, wie das geht!