Augmented Reality ist das Medium des Mobilzeitalters

Marc René Gardeya
Marc René Gardeya

Marc René Gardeya ist Diplom-Mathematiker mit über 15 Jahren Erfahrung in der Software-Entwicklung und Gründer und CEO von HOPPALA, einer der weltweit führenden Layar-Agenturen. HOPPALA entwickelt Inhalte und Werkzeuge zur Gestaltung von Inhalten in Augmented Reality. Er war einer der ersten 50 Entwickler weltweit, die im Rahmen des Layar-Beta-Developer-Programms Anwendungen auf der offenen API von Layar entwickelten. Seine Arbeiten wurden zum Start der offenen Layar-Plattform auf dem Layar NEXT Event im August 2009 präsentiert.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Augmented Reality wird zum Massenmedium des Mobilzeitalters; es ist das einzige Medium, das alle Komponenten moderner Smartphones gleichzeitig verwendet. Gerätehersteller und Netzbetreiber haben den Trend erkannt und bewerben ihre neuen Produkte mit Augmented-Reality-Anwendungen. Die Inhalteanbieter konkurrieren um die besten Plätze.

„Augmented Reality“, englisch für „erweiterte Realität“, bezeichnet eine Technologie, die die Sicht auf die reale Welt durch digitale Informationen und Objekte erweitert. Tom Caudell und David Mizell prägten den Begriff „Augmented Reality“ bereits Anfang der 90er-Jahre. Sie entwickelten damals ein neues Verfahren für die Firma Boeing, welches Techniker beim Verlegen von Kabelsträngen in einem Flugzeugrumpf visuell unterstützte. Als Sichtgerät in diese erweiterte Realität dienen im industriellen Bereich sogenannte Head-mounted Displays. Dabei handelt es sich um Helmkonstruktionen mit brillenähnlich angebrachten kleinen Bildschirmen, mit deren Hilfe Informationen in das Sichtfeld eingeblendet werden können.

Augmented Reality wird mobil

Augmented-Reality-Anwendungen stellen hohe Anforderungen an die verwendete Hard- und Software. Für viele Jahre fand diese Technologie daher insbesondere im industriellen Bereich Verwendung. Erst der rasante Fortschritt in der Entwicklung mobiler Endgeräte ermöglicht es heute, diese Technologien in Anwendungen für jedermann zu übertragen.

Das iPhone und die Android-Mobiltelefone wurden in kürzester Zeit zu Augmented-Reality-Sichtgeräten für jedermann. Sie verfügen über alle benötigten Komponenten. Die eingebaute Kamera und der große Bildschirm dienen als Sichtfenster in die reale Welt, so wie der Sucher einer Videokamera. Digitale Informationen werden in das Live-Video eingefügt, das Videobild wird überlagert mit Zusatzinformationen. Diese ortsbezogenen Informationen ruft das Mobiltelefon aus dem Internet ab und überträgt dabei Angaben zum aktuellen Standort. Dieser wird im Allgemeinen über GPS bestimmt, ähnlich wie bei Navigationssystemen im Auto. Aber auch Funkmasten und kabellose Netzwerke können bei der Ortsbestimmung helfen. Die Blickrichtung liefert ein eingebauter Kompass. In modernen Geräten findet zusätzlich ein sogenanntes Gyroskop Verwendung, mit dessen Hilfe die Orientierung des Gerätes im Raum sehr exakt bestimmt werden kann. Die Ortsbestimmung durch GPS und Kompass nennt man auch „Markerless Tracking“.

Das sogenannte „Marker-based Tracking“ hingegen beruht darauf, dass das Sichtgerät bestimmte Markierungen in der realen Welt identifiziert und aus diesen Markierungen den eigenen Standort ableitet. Hierzu ist eine Analyse des Videobildes notwendig, die sehr rechenintensiv ist. „Marker-based Tracking“ wird heute hauptsächlich in Augmented-Reality-Anwendungen für Desktop-Computer eingesetzt. Eine Webcam und der Computerbildschirm übernehmen die Funktion des Sichtgerätes. Der Anwender hält einen bestimmten Marker in das Sichtfeld der Kamera, der Marker erscheint auf dem Bildschirm des Computers und zusätzlich werden beispielsweise dreidimensionale Objekte auf dem Bildschirm angezeigt, die scheinbar auf dem Marker positioniert sind. Dreht man nun den Marker, so dreht sich das dreidimensionale Objekt auf dem Bildschirm entsprechend mit.

Beide Technologien haben Stärken und Schwächen. So funktioniert das „Markerless Tracking“ fast überall auf der Welt, weil auch GPS und Kompass das tun – allerdings nur draußen, denn GPS erfordert Sichtkontakt zu den Satelliten. „Marker-based Tracking“ hingegen funktioniert zwar in Innenräumen, eine großräumige Anwendung draußen ist allerdings mangels geeigneter Marker oftmals unpraktikabel.

Schon bald werden diese Technologien Hand in Hand arbeiten, nicht zuletzt auch aufgrund der rasanten Weiterentwicklung leistungsstarker Hardwarekomponenten.

Erste Anwendungen

Die ersten mobilen Augmented-Reality-Anwendungen sind die sogenannten „Wo-ist“-Anwendungen. Marker und Icons, die in einer Art Wolke um den Nutzer schweben, helfen bei der Suche nach Geschäften, Restaurants und Geldautomaten. Oft sind diese Markierungen mit mobilen Webseiten verlinkt. Viele Informationen, die im Web bereits vorhanden sind, werden auf diese Weise in die erweiterte Realität übertragen. Dazu müssen die Datensätze lediglich mit Geokoordinaten versehen werden. Viele Datenquellen verfügen sogar bereits über geokodierte Datensätze. So sind beispielsweise viele Twitter-Nachrichten mit einer Ortsinformation versehen, aber auch zahlreiche Artikel aus Wikipedia sind einem Ort zugeordnet. Alle diese Inhalte wurden bereits in die verschiedenen Augmented-Reality-Plattformen integriert.

Auch Empfehlungen von Restaurants und Bars, wie beispielsweise die der Community Plattform Qype, sind auf Augmented-Reality-Plattformen wie Layar bereits heute abrufbar. Solche Anwendungen sind praktisch, da die Kommentare zu einem Restaurant in der erweiterten Realität praktisch an die Eingangstür des Lokals geheftet werden. Der Anwender richtet lediglich die Kamera seines Telefons auf das Lokal und die Bewertungen erscheinen sofort auf dem Bildschirm. Ein aufwendiges Suchen und Navigieren auf mobilen Webseiten entfällt. Die Anbindung großer Datenbanken an die Augmented-Reality-Plattformen hat dazu geführt, dass die Menge an Inhalten auf diesen Plattformen geradezu explodiert ist.

Medienspezifische Inhalte

„Wo-ist“-Anwendungen sind im Wesentlichen Wegweiser und nutzen die Möglichkeiten von Augmented Reality nur in Ansätzen, viele von ihnen ließen sich ähnlich gut auch auf einer einfachen Karte abbilden. Augmented Reality aber ist ein neues Medium, und wie jedes Medium schafft es neue Möglichkeiten, die in den bisherigen Medien nicht abgebildet werden konnten. Die Verwendung multimedialer Inhalte bewirkt dieses neue mediale Erlebnis. Bilder, Audio, Video und dreidimensionale Inhalte ermöglichen im Ortskontext eine unmittelbare und eindringliche neue mediale Erfahrung. In den Bereichen Tourismus und Bildung entstehen bereits heute sehr interessante neue Projekte. Augmented-Reality-Anwendungen erweitern die Wahrnehmung eines Ortes durch die Anreicherung mit Informationen aus der Vergangenheit oder der Zukunft, die heute nicht mehr oder noch nicht sichtbar sind. Das Projekt „Berliner Mauer 3D“ beispielsweise baut auf der Layar-Plattform die Berliner Mauer wieder auf – in Augmented Reality und in 3D. Mit dem Mobiltelefon in der Hand eröffnet sich ein vollkommen neuer Blick auf das Brandenburger Tor, den Reichstag oder den Potsdamer Platz. Die virtuelle Mauer steht in 3D genau dort, wo einstmals die echte Mauer Berlin teilte, in ihrer tatsächlichen Größe. Auf diese Weise lässt sich wirklich nachempfinden, wie diese mehrere Meter hohe Betonwand wirkte, wie sie den Blick versperrte, der heute wieder frei ist.

Das Virtual Public Art Project, ebenfalls auf der Plattform von Layar entwickelt, realisiert dreidimensionale virtuelle Kunstausstellungen in der erweiterten Realität. Der Künstler Chris Manzione sagte hierzu: „Kernelement unserer Augmented-Reality-Anwendung ist, dass die Ausstellungsobjekte spezifisch für den jeweiligen Ausstellungsort konzipiert sind. Damit unterscheiden sie sich von anderen digitalen Medien, die sehr leicht transferiert und weitergegeben werden können. Sie erfordern die Anwesenheit des Betrachters und die Interaktion mit dem Ort selbst.“

AR ist das Massenmedium des Mobilzeitalters

Augmented Reality ist nicht etwa ein weiteres Feature rund um ortsbezogene Dienste, den sogenannten Location-based Services. Augmented Reality ist ein Medium. Und es ist das einzige Medium, das alle Komponenten eines modernen Mobiltelefons gleichzeitig verwendet: Kamera, Bildschirm, Ortsbestimmung, Orientierung, Datenanbindung, Grafik. Augmented Reality verkauft Smartphones. Sowohl Gerätehersteller als auch Netzbetreiber haben diesen Trend erkannt und vermarkten neue Produkte in Kombination mit Augmented-Reality-Anwendungen. So ist die Augmented-Reality-App von Layar beispielsweise auf allen Samsung-Galaxy-S-Geräten vorinstalliert – weltweit. Der US-Netzbetreiber Verizon wirbt für seine Augmented-Reality-Services zur TV-Primetime. Bis zum Jahr 2013 werden laut Gartner mehr als 1,2 Millarden AR-taugliche Mobilgeräte verkauft sein. Die Vorinstallation von Augmented-Reality-Browsern ebnet den Weg zur Massenadaption. Schon in wenigen Jahren werden Augmented-Reality-Anwendungen ein selbstverständlicher Bestandteil unserer mobilen Kommunikation sein.

Inhalte suchen in AR

Eine unüberschaubare Menge an Inhalten und die rasante Ausbreitung der Nutzung von Augmented-Reality-Anwendungen erfordert neue Such- und Recherchemechanismen. Die aus dem Web bekannte Suche nach Stichworten macht im neuen Medium AR wenig Sinn. Vielmehr ersetzt der Kontext des Anwenders das klassische Suchfeld, der Ortsbezug steht dabei im Mittelpunkt.

Ähnlich wie zu den Anfangszeiten des World Wide Web wurden Inhalte in AR ebenfalls zunächst durch Kataloge klassifiziert. Rubrizierte Zusammenfassungen von Datenebenen ermöglichen die gezielte Recherche nach geeigneten Inhalten. Oftmals berücksichtigten diese Kataloge allerdings nicht den Kontext des Anwenders. Wählte man einen Eintrag aus dem Katalog aus, so stellte sich oftmals heraus, dass diese Anwendung für den aktuellen Ort über keine Inhalte verfügte, aus Sicht der User Experience ist dies auf Dauer sicher nicht zufriedenstellend. Daher war es abzusehen, dass in einem nächsten Schritt erste Suchmaschinen entwickelt wurden, die über die Grenzen der einzelnen Anwendungen hinweg kontextrelevante Inhalte aufspüren. Ähnlich wie bei den klassischen Suchmaschinen besteht auch für Suchmaschinen in AR die wesentliche Herausforderung in der Entwicklung eines geeigneten Ranking-Algorithmus.

Zurzeit erfassen die technischen Systeme erst einige wenige Informationen zum Anwenderkontext wie beispielsweise den Standort, den Verlauf der Nutzung in der Vergangenheit oder die Popularität bestimmter Informationen. Mit zunehmender Komplexität der Systeme werden aber auch komplexere Kriterien in die Berechnung des Rankings einfließen. Denkbar sind hier auch Mechanismen aus dem Social Networking, dem Sharing und der Verlinkung. Heute existiert noch kein standardisiertes Paradigma, das den Begriff der Verlinkung in die Welt der Augmented Reality überträgt, aber Verlinkung wird kommen und damit eine neue Herausforderung an die Modellierung der Ranking-Algorithmen. Spätestens dann wird die Optimierung von Angeboten für Suchmaschinen auch im neuen Medium Augmented Reality Einzug finden.